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Entscheidungen

Zivilrecht

Unfallschadenregulierung, Eigenreparatur

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Urt. v. 17.11.2016 - 7 U 20/16

Leitsatz: 1. Die von einem Sachverständigen ausgewiesenen (voraussichtlichen) Reparaturkosten sind nicht gleichzusetzen mit dem zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag i. S. v. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
2. Der ersatzfähige Kraftfahrzeugsachschaden ist nach sach- und fachgerecht durchgeführter Reparatur auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten beschränkt.
3. Äußert sich der Geschädigte nicht zur Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten der Reparatur, so ist vom Tatrichter ein Mindestschaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen.
4. Für die Schätzung dieses Mindestschadens nach § 287 ZPO gilt folgendes:
a. Soweit der Geschädigte Ersatzteile und Lackmaterial auf dem freien Markt von verschiedenen Käufern erwirbt, ist ein Abschlag von 30 % von der Reparaturkostenkalkulation angemessen.
b. Hinsichtlich der erworbenen Ersatzteile und des Lackmaterials hat der Geschädigte Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer.
c. Soweit die Reparaturarbeiten von Freunden/Verwandten durchgeführt wurden, ist ein Stundensatz von 10,00 € angemessen. In einem solchen Fall fällt Mehrwertsteuer für die Freundschaftsdienste hingegen nicht an, ist also auch nicht ersatzfähig.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil v. 17.11.2016
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
pp.
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Finck, Wasner, Wendel, Dr. Schiefer, Hamburger Straße 24, 24568 Kaltenkirchen, Gz.: K-01400.14 RA. Dr. Schiefer

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2016 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.01.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.923,02 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 766,55 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 29.06.2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an das Sachverständigenbüro pp. zur Gutachten-Nr.: pp. 1.045,33 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p, a. seit dem 05,04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin 2/5 und der Beklagte 3/5, die Kosten des Berufungsrechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz auf Grund eines Verkehrsunfalles vorn 21.03.2014 gegen 15:00 Uhr in Norderstedt im Kreuzungsbereich Alter Kirchenweg/Ulzburger Straße/Rathausallee in Anspruch.

Unfallbeteiligt waren der vom Sohn der Klägerin gefahrene Pkw Mercedes Benz CLK 200 K amtliches Kennzeichen pp. und der Beklagte als Fahrer und Halter eines Pkw Mercedes Kombi, amtliches Kennzeichen: pp.
Der Sohn der Klägerin befuhr mit deren Fahrzeug die Straße Alter Kirchenweg in Richtung Ulzburger Straße/Rathausallee, der Beklagte befuhr in Gegenrichtung die Rathausallee, um nach links in die Ulzburger Straße abzubiegen. An der ampelgeregelten Kreuzung fuhr er über die Haltelinie hinaus in den Kreuzungsbereich hinein, dort kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug der Klägerin. Die Einzelheiten sind streitig.

Die Klägerin ließ über die Beschädigung an ihrem Fahrzeug ein Sachverständigengutachten erstellen, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 5 (BI. 37 ff. d. A.) verwiesen wird.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Fahrzeug in der Folgezeit sach- und fachgerecht entsprechend dem Gutachten repariert zu haben. Die dafür erforderlichen Teile seien bei verschiedenen Verkäufern erworben worden, die Reparatur selbst sei durch Freunde und Verwandte sach- und fachgerecht in einer Selbsthilfewerkstatt erfolgt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei ihr zu vollem Schadenersatz verpflichtet. Sie hat Zahlung der im Gutachten ausgewiesenen Netto-Reparaturkosten sowie eine Nutzungsausfallentschädigung für 11 Tage geltend gemacht, ferner die Erstattung der Sachverständigenkosten sowie eine Kostenpauschale von 25,00 €.

Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an das Sachverständigenbüro pp. zur Bankverbindung pp. 1,045,33 € zuzüglich Zinsen von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 05,04.2014 und an sie weitere 9.029,68 € zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 05.04.2014 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 958,19 € zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2014 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Sohn der Klägerin sei bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren und mit seinem — des Beklagten — berechtigterweise abbiegenden Fahrzeug kollidiert. Auch der Höhe nach hat er den geltend gemachten Schaden bestritten.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung von Zeugen sowie Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens) dem Grunde nach zu 80 % stattgegeben, in der Höhe aber erhebliche Abstriche vorgenommen.

Der Klägerin selbst hat es 16,00 € nebst Zinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 766,55 € nebst Zinsen zugesprochen, zudem den Beklagten verurteilt, an das Sachverständigenbüro 836,26 € nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei von einem alleinigen Verschulden des Beklagten an der Kollision auszugehen, die Klägerin müsse sich alleine die mit 20 % zu bemessende Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges entgegenhalten lassen.

Nach — wie von ihr behauptet — sach- und fachgerechter Reparatur könne die Klägerin jedoch nicht mehr auf Gutachtenbasis abrechnen; trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe sie zu den tatsächlichen entstandenen Kosten nicht vorgetragen, so dass ihr insoweit Ansprüche nicht zustünden.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Weiterverfolgung ihrer erstinstanzlichen Anträge, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.
Die Berufung der Klägerin hat teilweisen Erfolg.

Dem Grunde nach haftet der Beklagte der Klägerin nämlich vollen Umfanges auf Ersatz ihres erstattungsfähigen Schadens (§§ 7, 17 StVG).

Zwar hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass weder die Klägerin noch der Beklagte Unabwendbarkeit gemäß § 17 Abs. 3 StVG bewiesen haben.

Angesichts des groben Unfallverschuldens des Beklagten tritt aber hier der allein auf die Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges beschränkte Mitverursachungsanteil der Klägerin vollständig zurück. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den unangegriffenen Feststellungen des Sachverständigen pp. ragte der Pkw des Beklagten zum Kollisionszeitpunkt etwa zwei Meter weit in die gedachte Verlängerung der Fahrspur des Zeugen pp. hinein, wobei sich eine sinnvolle Verknüpfung der Fahrlinie des klägerischen Pkw mit der Kollisionsposition und der späteren Endstellung nur dann ergeben konnte, wenn der Zeuge - wie von der Klägerin behauptet zuvor die Geradeaus- und Rechtsabbiegerspur der Straße „Alter Kirchenweg" befahren hatte. Hingegen hat die Beweisaufnahme nichts für die Behauptung des Beklagten ergeben, der Zeuge sei bei rot und unter Ausnutzung der Linksabbiegerspur des „Alten Kirchenwegs" in den Kreuzungsbereich eingefahren.

Die Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Pkw konnte der Sachverständige auf 25 bis 30 km/h berechnen, was Rückschlüsse auf eine ebenfalls vom Beklagten behauptete „überhöhte" Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges nicht zulässt.

Der grobe Verkehrsverstoß des Beklagten, der zu weiten Teilen die vom klägerischen Fahrzeug innegehaltene Fahrspur versperrt hatte, rechtfertigt die alleinige Haftung des Beklagten dem Grunde nach.

Damit hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der Kosten des Sachverständigengutachtens in vollem Umfange, den sie hier - infolge einer Abtretung ihrer Ansprüche Insoweit - im Wege der zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft als Antrag auf Zahlung an das Sachverständigenbüro verfolgt hat.

Gleichfalls hat der Beklagte die allgemeine Kostenpauschale mit 20,00 € zu ersetzen, zudem die angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Der zugrunde zu legende Gegenstandswert bemisst sich dabei „an sich" nach dem letztlich dem Unfallgeschädigten zugesprochenen Schadenersatzbetrag; danach beliefen sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf 571,44 €. Das Landgericht hatte der Klägerin aber - und insoweit ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig - einen Betrag von 766,55 € nebst Zinsen zugesprochen, dabei muss es im Hinblick auf die (Teil-)Rechtskraft des angefochtenen Urteils verbleiben. Ebenso verhält es sich mit den zuerkannten Zinsen auf den an das Sachverständigenbüro zu zahlenden Betrag.

Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2013 (VI ZR 24/13) ausgeführt, dass sich der ersatzfähige Kraftfahrzeugsachschaden nach sach- und fachgerecht durchgeführter Reparatur auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung (wie hier) auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten beläuft bzw. beschränkt.

Die Klägerin, die behauptet hat, ihr Fahrzeug sei sach- und fachgerecht repariert worden, hat sich dabei trotz entsprechender Hinweise des Landgerichts zur Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten nicht geäußert. Gleichwohl ist es rechtsfehlerhaft, dann hinsichtlich dieses Schadens die Klage vollständig abzuweisen, wenn die Schätzung eines Mindestschadens gem. § 287 ZPO möglich ist.

Anhand der Reparaturkostenkalkulation in dem von der Klägerin eingeholten Schadengutachten (insb. S. 9/10 des Gutachtens) lässt sich der ersatzfähige Mindestschaden der Klägerin schätzen (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 23. April 2015, 7 U 42/14).

Für Ersatzteile fallen laut Gutachten inklusive Kleinersatzteilen insgesamt (netto) 4.909,79 € an, Für Lackmaterial weitere 239,39 € (netto). Der Senat nimmt davon einen Abschlag von 30 % vor, der angemessen erscheint angesichts des Vortrages der Klägerin, all dies quasi auf dem „freien Markt" von verschiedenen Verkäufern erworben zu haben. Der Schaden insoweit beläuft sich mithin auf (netto) 3.604,42 €. Vor dem Hintergrund der durchgeführten Reparatur hat die Klägerin allerdings Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer (§ 249 Abs. 2 BGB). Diese beläuft sich 684,84 €, in der Summe ergibt sich damit ein Betrag von 4.289,26 €.

An Stunden für Reparatur und Lackierung weist das Gutachten insgesamt 27 Std, aus; nach dem Vorbringen der Klägerin sind sämtliche Arbeiten von Freunden/Verwandten durchgeführt worden. Vor diesem Hintergrund setzt der Senat einen Stundensatz von 10,00 € an, sodass auf diese Schadenposition 270,00 € entfallen. Mehrwertsteuer hingegen fällt für Freundschaftsdienste dieser Art nicht an, ist also auch nicht ersatzfähig.

Weiterhin hat die Klägerin - wie bereits ausgeführt - Anspruch auf die allgemeine Kostenpauschale, die der Senat in ständiger Rechtsprechung mit 20,00 € bemisst. Der zu ersetzende Nutzungsausfall beläuft sich auf 649,00 €. In Abzug zu bringen ist für Wertverbesserungen (S, 10 des Gutachtens) ein Betrag von 305,24 €, sodass sich der der Klägerin zuzusprechende Schadenersatzbetrag auf insgesamt 4.923,02 € beläuft.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Schadenhöhe erstinstanzlich keineswegs unstreitig und damit einer Überprüfung entzogen.

Abgesehen einmal davon, dass nach Auffassung des Landgerichts das Vorbringen der Klägerin dazu unsubstanziiert war (S. 8 unten des angefochtenen Urteils), handelt es sich bei den in einem Schadengutachten ausgewiesenen (voraussichtlichen) Reparaturkosten ersichtlich um eine - wenn auch fundierte - Schadenschätzung.

Diese ist nicht zu verwechseln mit dem zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag i. S. v. § 249 Abs. 2 5, 1 BGB. Dieser beläuft sich (BGH a. a. o. juris Rn 12) vielmehr auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug Sachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren lässt, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat.

Welches der „erforderliche Geldbetrag" i. S. v. § 249 Abs. 2 S, 1 BGB ist, ist somit nicht (nur) Tatsachenfrage, sondern auch und insb. eine Rechtsfrage.

Nichts anderes ergibt sich auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2016 (VI ZR 491/15), auf die die Parteien hingewiesen worden sind. In jener Entscheidung hat der BGH (bezogen auf die Kosten eines Sachverständigengutachtens) ausgeführt (a. a, o., juris Rn 19), dass nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand ein Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages i. S. v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bildet.
Mit anderen Worten: Hätte die Klägerin - wie ihr vom Landgericht aufgegeben - die entsprechenden Rechnungen vorgelegt, hätte sich ggf. ein höherer zu ersetzender „erforderlicher Geldbetrag" ergeben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.


Einsender: RA Dr. F. Schiefer, Bad Bramstedt

Anmerkung:


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