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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Diebstahl geringwertiger Sachen, Grenze Geringwertigkeit, Feststellungen Urteil, Strafzumessung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.10.2016 - 1 Ss 80/16

Leitsatz: 1. Die Grenze zur Geringwertigkeit einer Sache i.S. der §§ 243 Abs. 2, 248a StGB liegt bei 50,- € (Bestätigung von OLG Frankfurt [1. Strafsenat], NStZ-RR 2008, 311).
2. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Tat gemäß § 243 Abs. 2 StGB auf eine geringwertige Sache bezogen hat, so scheidet ein besonders schwerer Fall des Diebstahls i.S. von § 243 Abs. 1 StGB aus.
3. Ein zugebilligter vertypter Strafmilderungsgrund kann – jedenfalls im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen – Anlass geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen. Die Darlegungen des Tatrichters müssen erkennen lassen, dass er sich dieser Möglichkeit bewusst ist.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Diebstahls
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts — Strafrichterin — Frankfurt am Main vom 2711.2015 durch die Richter gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig am 28.10.2016 beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird .das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27.112015 im Strafausspruch einschließlich der zuzuordnenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen,
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts — Strafrichter — Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten durch Urteil vom 27.11.2015 wegen Diebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall (Tat zu Ziff. 1) beim Versuch blieb, zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 7,- Euro verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte am 30.11.2015 Rechtsmittel eingelegt und dieses am 12.01.2016 als (Sprung-)Revision konkretisiert. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Revision rügt der Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat in ihrer Stellungnahme vom 06.04.2016 beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Zu der Tat zu Ziff. 1 hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, dass eine ausdrückliche Wertangabe bzgl. des Mountain-Bikes im Urteil zwar fehle, sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erschließe, dass das fahrtüchtige Mountain-Bike keine geringwertige Sache i.S.d. § 243 Abs. 2 StGB ge-wesen sei.

II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 335, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist die Revision unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die revisionsgerichtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.

Insbesondere fehlt es bezüglich der Tat zu Ziff. 1 nicht an der Prozessvoraussetzung des § 248a StGB, da die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung für diese Tat im Revisionsverfahren bejaht hat. Eine solche Erklärung ist auch noch in der Revisionsinstanz zulässig (BGHSt 6, 282, 285; BGH, Beschl. v. 26.09.2012 --.4 StR 364/12, juris Rn. 4]; BGH StV 2003, 559; BGHSt 6, 282, 285; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 230 Rn. 4 m.w.N.).

2. Hingegen hält der Strafausspruch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ist, da er allein in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Das Revisionsgericht kann nur in den Fällen eingreifen, in denen Rechtsfehler vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Richter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen wurden oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach Oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht (vgl. nur Senat, Beschl. v. 09.05.2008 — 1 Ss 67/08, juris jRn. 12] m.w.N., insoweit in NStZ-RR 2008, 311 nicht abgedr.).

a) Die Strafrahmenbestimmung bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Tat zu Ziff. 1 ist rechtsfehlerhaft erfolgt. Das Amtsgericht hat insoweit einen falschen und für den Angeklagten ungünstigeren Strafrahmen angewandt.

Das Amtsgericht ging für die Tat zu Ziff. 1 von dem Strafrahmen eines Diebstahls im besonders schweren Fall gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB (Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 10 Jahren) aus. Dieser Strafrahmen wurde vom Amtsgericht einmal nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Angeklagte bei der Tat aufgrund seiner Drogenabhängigkeit nur vermindert steuerungsfähig war, und ein weiteres Mal nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da die Tat im Versuch steckenblieb.

Die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB hält indes aus mehreren Gründen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Hinsichtlich der Tat zu Ziff. 1 kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Tat gemäß § 243 Abs. 2 StGB auf eine geringwertige Sache bezogen hat, sodass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls bereits aus diesem Grund ausscheidet.

Dabei hält der Senat an seiner st. Rspr. fest, nach der die Grenze der Geringwertigkeit i.S.d. §§ 243 Abs. 2; 248a StGB bei 50,- Euro anzusetzen ist (Senat, Beschl. v. 09.05.2008 - 1 Ss 67/08, juris [Rn. 6, 15] = NStZ-RR 2008, 311 m. zust. Anm. und ausf. Begr. bei Jahn, JuS 2008, 1024 m.w.N.; a.A. — freilich unter außendivergenzhindernder Betonung, dass die Geringwertigkeitsgrenze im Sinne des § 248a StGB nicht starr zu ziehen sei — KG, Beschl. v. 08.01.2015 — [4] 121 Ss 211/14 [276/14], juris [Rn. 18 ff.] = StV 2016, 652, 654 f. = OLGSt StGB § 252 Nr. 3).

Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend erkennt, fehlt im amtsgerichtlichen Urteil jegliche Wertangabe bezüglich des Mountain-Bikes. Es finden sich auch keine Feststellungen dazu, um welches Fabrikat es sich handelt oder welches Alter das Mountain-Bike aufweist. Ein Erfahrungssatz, dass fahrtüchtige Mountain-Bikes einen Wert von mehr als 50,- Euro haben, existiert nicht. Auch aus dem Umstand, dass das Amtsgericht bezogen auf die Tat zu Ziff. 2 Ausführungen zur Geringwertigkeit (§ 248a StGB) gemacht hat, kann nichts für die Geringwertigkeitsfrage bei der Tat zu Ziff. 1 abgelesen werden.

bb) Darüber hinaus hat das Amtsgericht die für die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 1 StGB gebotene Gesamtwürdigung nicht vorgenommen.

Selbst bei der Verwirklichung eines Regelbeispiels ist im Anschluss noch eine Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters erforderlich, da die Fälle des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 7 StGB nur „in der Regel" einen besonders schweren Fall des Diebstahls begründen (Senat, Beschl. v. 09.05.2008 — 1 Ss 67/08, juris [Rn. 16]; BGHSt 23, 254, 257). Die indizielle Wirkung eines verwirklichten Regelbeispiels kann im Einzelfall durch andere Strafzumessungsfaktoren derart entkräftet sein, dass auf den normalen Strafrahmen zurückzugreifen ist (Senat, aaO.; BGH NStZ-RR 2003, 297).

Insbesondere kann ein zugebilligter vertypter Strafmilderungsgrund — jedenfalls im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen — Anlass geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen (Senat, aaO.; BGH StV 2016, 565; BGH NStZ-RR 2012, 207; BGH NStZ-RR 2003, 297; Fischer, aaO., § 46 Rn. 92; eingehend hierzu Sobota HRRS 2015, 339 ff. m.w.N.). Bejaht der Tatrichter einen besonders schweren Fall trotz des Vorliegens eines vertypten Strafmilderungsgrunds, so müssen seine Darlegungen grundsätzlich erkennen lassen, dass ihm bewusst ist, dass er wegen dieses Milderungsgrundes — allein oder in Zusammenspiel mit anderen Umständen — entweder den besonders schweren Fall verneinen oder aber den Strafrahmen des besonders schweren Falls gemäß § 49 StGB mildern kann (BGH, Urt. v. 13.08.2009 — 3 StR 224/09, juris [Rn. 13] BGHR BtMG § 30a Abs 2 Sichverschaffen 2; BGH NStZ 1990, 595).

Der Vorderrichter hat im vorliegenden Fall das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB bejaht, aber keine Ausführungen zu der im Anschluss gebotenen Gesamtabwägung getroffen. Aus diesem Grund ist zu besorgen, dass sich das Amtsgericht der rechtlichen Möglichkeit nicht bewusst gewesen ist, ausnahmsweise von der Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 243 Abs. 1 StGB abzusehen. Entsprechende Erwägungen hierzu fehlen, obwohl solche angesichts zweier vertypter Milderungsgründe (§§ 21, 49 Abs. 1; §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB) geboten waren.

b) Der Senat hebt auch die für die Tat zu Ziff. 2 verhängte Einzelstrafe auf, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt ausgewogene, aufeinander abgestimmte Strafzumessung zu ermöglichen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die rechtsfehlerhaft gebildete Einzelstrafe für die Tat zu Ziff. 1. bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Tat zu Ziff. 2 berücksichtigt worden ist.

III.
Wegen der aufgezeigten Mängel (§ 337 StPO) wird das angefochtene Urteil auf die Revision des Angeklagten im Strafausspruch einschließlich der zuzuordnenden Feststellungen aufgehoben (§§ 349 Abs. 4, 353 StPO). Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts — Strafrichter — Frankfurt am Main zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).


Einsender: 1. Strafsenat des OLG Frankfurt

Anmerkung:


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