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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Einheit der Rechtsordnung, Obiter dictum, BVerfG, Strafverfahren, Fahrerlaubnisverfahren, Beweisverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 15.08.2016 - 7 L 1793/16

Leitsatz: Zur Geltung eines strafverfahrensrechtlichen Beweisverwertungsverbotes im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren.


In pp.
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 7 K 4782/16 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, aber unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie im Ergebnis folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen folgendes auszuführen:

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) entzogen. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wer Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV aufweist.

Der Antragsteller ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, weil er Kokain und Amphetamin konsumiert hat. Die Einnahme von Kokain und Amphetamin schließt die Kraftfahreignung unabhängig davon aus, ob unter der Wirkung dieser sog. harten Drogen ein Kraftfahrzeug geführt worden ist oder nicht (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV; vgl. auch: Nr. 3.14.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch-Gladbach, Mai 2014). Schon der einmalige Konsum sog. harter Drogen wie Amphetamin und Kokain ist ausreichend, die Kraftfahreignung zu verneinen,
so auch OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 16 B 332/07 ; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 16. Februar 2004 12 ME60/04 und 16. Juni 2003 12 ME 172/03 , DAR 2003, 432 f.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2004 4 B 37/04 ; OVG Saarland, Beschluss vom 30. März 2006 1 W 8/06 ; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. November 2004 10 S 2182/04 , VRS 108 (2005), 123 ff.
Der Amphetamin- und Kokain-Konsum des Antragstellers ist forensisch nachgewiesen durch das Gutachten des Labors L. vom 4. Mai 2016. Danach konnten im Blut-Serum des Antragstellers 460 µg/l Amphetamin und 26 µ/l Benzoylecgonin festgestellt werden.

Zudem ergibt sich die Ungeeignetheit des Antragstellers auch aus Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV. Denn in seinem Blut wurden zudem 2,5 µg/l THC ermittelt.

Das Ergebnis der Blutuntersuchung ist auch verwertbar. Zum einen geht das Gericht nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Strafprozessordnung (StPO) nicht vorliegt. Denn ausweislich der Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige (Blatt 21 BA Heft 1) erfolgte die Blutentnahme mit Zustimmung des Antragstellers. Auch wenn eine vom Antragsteller unterzeichnete Einwilligungserklärung den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht zu entnehmen ist, spricht derzeit nichts dafür, dass die Protokollierung durch den Polizeibeamten unzutreffend ist.

Zum anderen wäre ein Beweisverwertungsverbot, auf das sich der Antragsteller im Antragsverfahren beruft, selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Blutentnahme nicht rechtmäßig angeordnet worden wäre. Ein eventuelles Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führt aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der jeweiligen Verfahrensordnungen nicht zur Unverwertbarkeit im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. An diesen Grundsätzen hält die Kammer in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht NRW OVG NRW auch unter Berücksichtigung der Bedenken fest, die das Bundesverfassungsgericht gegen die verwaltungsgerichtliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO gewonnen wurden, bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwerten,
BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2014 1 BvR 1837/12 juris.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf ein obiter dictum, ohne die Bedenken näher zu begründen und sich mit der seit langem gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die u.a. von verschiedenen Obergerichten eingehend mit der allgemeinen Bedeutung von Beweisverwertungsgeboten im Gefahrenabwehrrecht begründet wird.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2015 16 E 648/15 und früher: Beschluss vom 20. März 2014 16 B 264/14 , juris m.w.N.
Der Antragsteller hat die Eignung nicht wiedererlangt. Es fehlen der erforderliche Abstinenznachweis über ein Jahr (Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV) und das in der Regel zusätzlich vorzulegende medizinisch-psychologische Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, das einen stabilen Einstellungswandel des Antragstellers attestiert. Die angebotene Urinanalyse ist schon angesichts des seit dem Vorfall im April 2016 verstrichenen Zeitraums von nur wenigen Monaten nicht geeignet, diese einjährige Abstinenz nachzuweisen.

Bei feststehender Ungeeignetheit steht der Antragsgegnerin bei der Entziehung der Fahrerlaubnis kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung.

Zudem ergibt auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers daran, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, hinter dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung zurückstehen muss. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller sind vergleichsweise gering. Ihnen steht das öffentliche Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern gegenüber, das eindeutig überwiegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der Rechtsprechung des OVG NRW bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 16 E 550/09 , juris/nrwe.de.


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