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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Strafzumessung, Doppelverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl. v. 25.08.2016 – 1 RV 44/16

Leitsatz: Zum Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot


In pp.
Das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 18. April 2016 — 7 Ns (392 Js 14501/12) — wird unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels im Strafausspruch hinsichtlich der für die Taten Nr. 1, 16, 17, und 25 gebildeten Einzelstrafen sowie hinsichtlich der für sämtliche Taten (Nr. 1-38) gebildeten Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidungen, auch über die Kosten der beiden Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.

Gründe
I.
Mit Urteil vom 17. September 2014 hat das Amtsgericht Wittenberg - Schöffengericht - die Angeklagte wegen Diebstahls in sieben Fällen, Computerbetrugs in 31 Fällen, davon in zwei Fällen als Versuch, und Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 3. kleine Strafkammer des Landgericht Dessau-Roßlau mit Urteil vom 28. August 2015 (3 Ns 392 Js 14501/12) unter Zurückweisung der Berufung der Angeklagten das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass gegen die Angeklagte eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verhängt worden ist.

Auf die (erste) Revision der Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 15. Februar 2016 das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 28. August 2015 unter Einstellung des Verfahrens wegen Urkundenfälschung und Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.

Mit Urteil vom 18. April 2016 hat die 7. kleine Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 17. September 2014 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Angeklagte wegen Diebstahls in sieben Fällen und Computerbetrugs in 31 Fällen, davon in zwei Fällen als Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht hinsichtlich der Tat Nr. 1 (Diebstahl während des Transports der Geschädigten P. im RTW) strafschärfend gewertet, "dass es sich hierbei um die erste Tat der Angeklagten handelte und sie mit der Tat zum ersten Mal die dabei gegebene Hemmschwelle überwinden musste". Bezüglich der Tat Nr. 16 (Diebstahl von Schmuck und Bargeld in der Wohnung der Geschädigten S.) musste sich nach den Feststellungen des Landgerichts "erheblich strafschärfend auswirken, dass die Angeklagte mit besonders erheblicher krimineller Energie vorging, indem sie nicht nur den Rettungseinsatz zur Tatbegehung ausnutzte, sondern auch die Wohnung nach stehlenswerten Sachen und Geld durchsuchte". Bei der Festsetzung der Einzelstrafen für die Taten Nr. 17 und 25 hat das Landgericht sich "davon leiten lassen, dass sich der schwer erkrankte Geschädigte in einer besonders erheblich hilflosen Lage befand" bzw. "zu Lasten der Angeklagten die massive Hilfslosigkeit des schwer erkrankten Patienten ergänzend berücksichtigt". Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat das Landgericht schließlich berücksichtigt, "dass die Angeklagte sich trotz zuvor bereits bestehender Verdachtsmomente gegen sie bezüglich der ersten Tat und der Kenntnis der Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen der Taten zu 2. und 16., wenn auch nicht gegen sie, nicht davon abhalten ließ, ihr strafbares Verhalten fortzusetzen".

Mit ihrer (zweiten) Revision rügt die Angeklagte insoweit Verstöße gegen das in § 46 Abs. 3 StGB normierte Doppelverwertungsverbot, wonach Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfen.

II.

Die zulässige Revision der Angeklagten hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes, weil der Rechtsfolgenausspruch in mehrfacher Weise gegen § 46 Abs. 3 StGB verstößt.

Hinsichtlich der Tat Nr. 1 wird der Angeklagten die für eine Ersttäterin besonders hohe Hemmschwelle angelastet. Im Ergebnis wird ihr damit vorgehalten, dass sie erstmals einen Diebstahl begangen hat, d.h. es wird die (erste) Tatbegehung als solche strafschärfend berücksichtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 7. September 2015, 2 StR 124/15, Rn. 4; Münchener Kommentar-Mübeck, StGB, 2. Aufl., § 46, Rn. 190).

Bei der Tat Nr. 16 erfüllt das Durchsuchen der Wohnung nach stehlenswerten Sachen und Geld nicht das in § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB normierte Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Diebstahls und darf daher auch nicht wie die Verwirklichung eines weiteren Regelbeispiels neben dem hier bereits verwirklichten Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46, Rn. 47). Andernfalls würde der Angeklagten ein Verhalten, das sich im Hinblick auf die Analogie- und Gegenschlusswirkung von Regelbeispielen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46, Rn. 94; § 243, Rn. 2) nach der gesetzgeberischen Wertung noch nicht wesentlich vom typischen Grundtatbestand des einfachen Diebstahls abhebt, und damit letztlich die Erfüllung des Grundtatbestandes als solche bei der Strafzumessung angelastet (vgl. hierzu Münchener Kommentar-Mübeck, StGB, 2. Aufl., § 46, Rn. 187, 188; Horn in: SK-StGB, 35. Lfg., 7. Aufl., § 46, Rn. 153).

Bezüglich der Taten Nr. 17 und 25 ergibt sich der Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot daraus, dass die Hilflosigkeit des Opfers bereits Merkmal des in § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB normierten Regelbeispiels ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Juni 1993, 4 StR 302/93, Rn. 5, zitiert nach juris). Daran ändert aufgrund der Analogie- und Gegenschlusswirkung von Regelbeispielen auch das Abstellen auf die "besonders erhebliche" bzw. "massive" Hilflosigkeit nichts.

Dass im Rahmen der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt worden ist, dass die Angeklagte sich auch durch die eingeleiteten Ermittlungen nicht von ihrem strafbaren Verhalten abhalten ließ, verstößt ebenfalls gegen § 46 Abs. 3 StGB, (vgl. BGH, Beschl. v. 7. September 2015, 2 StR 124/15, Rn. 3, zitiert nach juris).

Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne die fehlerhaften Erwägungen zu einer milderen Strafe gelangt wäre. Angesichts der bloßen Wertungsfehler bedarf es der Aufhebungen der dazugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) nicht (vgl. BGH, NStZ-RR 2004, 105, 106; BGH, Beschl. v. 7. September 2015, 2 StR 124/15, Rn. 7; KMR-Mommsen, 55. EL, § 353, Rn. 12).


Einsender: RÄin Bettina Holstein, Brandenburg

Anmerkung:


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