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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Carglass, Anbringung von Feinstaubplaketten

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Düsseldorf, Urt. v. 10.05.2016 - 3 K 6622/13

Leitsatz: Die 35. BImSchV enthält für die Ausgabe von Plaketten kein Räumlichkeitserfordernis : Daher ist es rechtlich zulässig, dass die Eintragung des Kennzeichens des jeweiligen Fahrzeuges in die Plakette durch weisungsabhängige Mitarbeiter eines (als GmbH organisierten) Autoglasereiunternehmens an einem anderen Ort als dem der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen (Zuordnung zur jeweiligen Schadstoffgruppe) erfolgt; die lediglich eintragende Fahrzeugglas-Reparaturwerkstatt benötigt anders als die prüfende Zentrale des Autoglasereiunternehmens keine Anerkennung als Abgasuntersuchungsstelle.


In pp.
Es wird festgestellt, dass die in dem aktuellen Hauptantrag näher bezeichnete Vorgehensweise mit der 35. BImSchV vereinbar und auch im Übrigen rechtlich zulässig ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein bundesweit agierendes Unternehmen, das auf die Reparatur und den Austausch von Fahrzeugglas spezialisiert ist. Abgasuntersuchungen nimmt sie (bislang) nicht vor. Sie verfügt über 250 sogenannte Service-Center, davon 77 in Nordrhein-Westfalen, und über 300 Fahrzeuge als mobile Einheiten. Ihr Hauptsitz ist in L. . Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung; das Modell des Franchising verwendet sie nicht. Den Großteil ihres Umsatzes erwirtschaftet sie mit dem Austausch von Windschutzscheiben.
Das Autoglasgeschäft wird in Deutschland zu einem Drittel von reinen Autoglasern wie der Klägerin und zu zwei Dritteln von Werkstätten mit integrierten Abgasuntersuchungsstellen durchgeführt.
Im Zuge des Austauschs einer Windschutzscheibe bedarf es jeweils einer neuen Feinstaubplakette, da die Plaketten nicht wiederverwendbar und so beschaffen sind, dass sie sich bei einem etwaigen Ablösen (von der alten Windschutzscheibe) selbst zerstören.
Um ihren Kunden schnellstmöglich die Weiterfahrt nicht nur mit einer neuen Windschutzscheibe, sondern auch mit einer neuen Feinstaubplakette zu ermöglichen, kooperiert die Klägerin mit dem U. S. und einigen Werkstätten mit Abgasuntersuchungsstelle. Letztere sind berechtigt, Feinstaubplaketten auszugeben und erhalten diese daher direkt vom Hersteller oder den Kfz-Innungen für etwa 40 bis 50 Cent pro Rohling. Die Kooperationsmodelle sind so ausgestaltet, dass die Klägerin den vorgenannten Kooperationspartnern eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I des Kundenfahrzeugs vorlegt, diese die Feinstaubplakette bestimmen und dort das jeweilige Kfz-Kennzeichen des Kunden eintragen. Mitarbeiter der Klägerin übergeben die ausgefüllte Feinstaubplakette sodann den Kunden und bringen diese gegebenenfalls an der Windschutzscheibe des jeweiligen Kundenfahrzeuges an. Die Kosten für die neue Feinstaubplakette in Höhe von 4 bis 6 Euro übernimmt in der Regel die Klägerin. Die Kostenübernahme dient dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Klägerin. Auch die zugelassenen Abgasuntersuchungsstellen geben die Feinstaubplaketten kostenfrei aus. Im Jahre 2014 wendete die Klägerin (in ganz Deutschland) für das Aufkleben von 371.000 Plaketten insgesamt 1,3 Millionen Euro auf.
Unter dem 30. Mai 2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Anerkennung als zur Ausgabe von Plaketten nach der 35. BImSchV berechtigte Stelle, hilfsweise die Anerkennung als zum Austausch von Feinstaubplaketten berechtigte Stelle. Sie berief sich auf ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Insbesondere machte sie geltend, dass die Kundenabwanderung und -unzufriedenheit auf Grund der zeitlichen Verzögerung zwischen Windschutzscheibenaustausch und Anbringen der Plaketten zunehme. Zudem stelle die Durchführung der Kooperationsmodelle eine wirtschaftliche Belastung dar. Die Klägerin sei gegenüber anderen privaten Unternehmen, welche die Feinstaubplaketten ausgeben dürfen, im Wettbewerb benachteiligt. Daher sei eine teleologische Reduktion und verfassungskonforme Auslegung des § 4 der 35. BImSchV erforderlich. Die dort genannten Anforderungen an die ausgebenden Stellen seien überhöht. Der Prüfungsvorgang für die Erteilung einer Plakette beschränke sich allein auf einen Abgleich mit der im Verkehrsblatt herausgegebenen Liste des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Zuordnung der Kraftfahrzeuge zu den Schadstoffgruppen.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Anerkennung als Ausgabestelle nicht möglich sei, da die Klägerin keiner der in § 4 der 35. BImSchV genannten Kategorien zugeordnet werden könne. Eine Ausdehnung der Regelung sei abzulehnen. Ohnehin sei aus Gründen der Gleichbehandlung eine bundeseinheitliche Lösung anzustreben und ein entsprechender Antrag beim zuständigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu stellen.
Letzteres teilte auf entsprechende Anfrage der Klägerin Anfang Januar 2013 mit, dass es keinen Anpassungsbedarf für § 4 der 35. BImschV in Bezug auf Autoglaserbetriebe sehe.
Im April 2013 trat die Klägerin erneut an den Beklagten mit der Bitte um eine Bescheidung in der Sache heran und kündigte zugleich eine Klage gegen den Bund als Verordnungsgeber der 35. BImSchV an. Eine solche erhob die Klägerin sodann wenige Wochen später vor dem Verwaltungsgericht Berlin - VG 10 K 296.13 - mit dem sinngemäßen Antrag, festzustellen, dass eine Änderung der Regelung in der 35. BImSchV dahingehend erforderlich sei, dass auch in der Handwerksrolle eingetragene Betriebe des Autoglasgewerbes als ausgabeberechtigte Stellen anerkannt würden. Hilfsweise beantragte sie, festzustellen, dass eine Rechtsänderung der entsprechenden Regelung in der 35. BImSchV im Allgemeinen erforderlich sei.
Die Klägerin hat beim Verwaltungsgericht Düsseldorf am 16. August 2013 Klage erhoben.
In Ergänzung ihrer Antragsbegründung hat sie ausgeführt, dass falls die geltende Rechtslage die begehrte Anerkennung nicht erlaube, eine entsprechende untergesetzliche Rechtsnorm zu erlassen sei. Eine Anpassung sei im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und die Berufsfreiheit geboten.
Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, sie als "nach Landesrecht sonst zuständige Stelle" zur Ausgabe von Plaketten i. S. v. § 4 Satz 1 der 35. BImSchV anzuerkennen,
hilfsweise das beklagte Land zu verpflichten, sie als zur Ausgabe von Plaketten i. S. v. § 4 Satz 1 der 35. BImSchV anzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass die derzeitige Rechtslage in Nordrhein-Westfalen sie in ihren subjektiven Rechten aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt und aus Gleichbehandlungsgründen der Erlass von untergesetzlichen Regelungen erforderlich ist, mit denen ein Anerkennungsverfahren geschaffen wird, nachdem auch in der Handwerksrolle eingetragene Betriebe des Autoglasreparaturgewerbes als ausgabeberechtigte Stellen für Plaketten anerkannt werden können,
weiter hilfsweise festzustellen, dass sie durch § 4 Satz 1 der 35. BImSchV in ihren subjektiven Rechten aus Art. 12 Abs.1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wird und deshalb eine Rechtsänderung erforderlich ist.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2015 folgendes Modell erörtert: Die Klägerin lässt an ihrem Hauptsitz eine Abgasuntersuchungswerkstatt einrichten und anerkennen. Die Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten der Klägerin übermitteln Kopien der jeweiligen Zulassungsbescheinigungen Teil I der Kundenfahrzeuge an diese Abgasuntersuchungswerkstatt. Letztere ordnet anhand der Kopien sodann die Kundenkraftfahrzeuge den jeweiligen Schadstoffgruppen zu. Nach der Einzelfallprüfung beauftragt die Abgasuntersuchungsstelle die anfragenden Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten der Klägerin mit dem Ausfüllen und gegebenenfalls dem Befestigen der zuvor bestimmten Feinstaubplakette für den jeweiligen Kunden.
Auf Basis dieses Modells hat das Gericht den Beteiligten am 23. Dezember 2015 einen Vergleichsvorschlag nach § 106 VwGO unterbreitet. Der Beklagte hat diesen nach Abstimmung mit den anderen Ländern und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (unter Beteiligung der Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie für Justiz und Verbraucherschutz) abgelehnt.
Die Klägerin hält die Ablehnungsgründe nicht für überzeugend: Das von dem Beklagten angeführte Räumlichkeitserfordernis beziehe sich allein auf die Durchführung der Abgasuntersuchung beziehungsweise Hauptuntersuchung. Im Unterschied zu diesen erfolge im Rahmen der Ausgabe der Umweltplakette keine tatsächliche Überprüfung des Fahrzeugs.
Des Weiteren ziele sie, die Klägerin, nicht darauf ab, die Ausgabe der Plakette auf einen Dritten zu übertragen, sondern auf eigene, speziell geschulte und weisungsgebundene Mitarbeiter.
Nach Ablehnung des Vergleichsvorschlages beantragt die Klägerin nunmehr,
festzustellen, dass es die 35. BImschV und alle sonst relevanten Rechtsvorschriften zulassen, dass die Klägerin Feinstaubplaketten unter folgenden Voraussetzungen und Modalitäten ausgibt:
• Die Klägerin richtet an ihrem Hauptsitz in 00000 L. , H. I.----straße 000, eine Abgasuntersuchungswerkstatt ein, die den Voraussetzungen der Anlage VIIIc zur StVZO entspricht, und lässt diese als AU-Stelle anerkennen.
• Die Klägerin verzichtet auf die Anerkennung der Ausgabeberechtigung ihrer lediglich als Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten ausgestatten Standorte in Nordrhein-Westfalen.
• Die Vorgehensweise innerhalb Nordrhein-Westfalens lautet wie folgt: Die einzelnen Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten der Klägerin übermitteln der in L. zu schaffenden Abgasuntersuchungswerkstatt der Klägerin die jeweilige Zulassungsbescheinigung Teil I des Kundenfahrzeugs. Ausreichend ist das Übermitteln via Telefax, Scan-Datei oder vergleichbaren elektronischen Übersendungsmöglichkeiten. In der Abgasuntersuchungswerkstatt der Klägerin in L. wird die materielle Überprüfung, welche Feinstaubplakette zu verwenden ist, vorgenommen. Wenn ohne weitere emissionsspezifische Überprüfung des Kraftfahrzeugs die Feinstaubplakettenbestimmung möglich ist, teilt die Abgasuntersuchungswerkstatt der Klägerin in L. der anfragenden Fahrzeugglas-Reparaturwerkstatt der Klägerin die zu verwendende Feinstaubplakette mit und beauftragt sie, das Ausfüllen und Befestigen der entsprechenden Feinstaubplakette zu übernehmen. Die Fahrzeugglas-Reparaturwerkstatt der Klägerin beschriftet entsprechend diesem Auftrag mittels eines lichtechten Stiftes oder auf maschinellem Wege einen Feinstaubplakettenrohling, den diese zuvor über die Abgasuntersuchungswerkstatt der Klägerin in L. erhalten hat, und befestigt ihn im Anschluss auf der Windschutzscheibe des betroffenen Kraftfahrzeugs.
• Für den Fall, dass die Auswahl der richtigen Feinstaubplakette einer fachkundigen Überprüfung des Fahrzeugs in einer Abgasuntersuchungswerkstatt bedarf, erklärt sich die Klägerin bereit, eine solche durch eine anerkannte Abgasuntersuchungswerkstatt an dem jeweiligen Kraftfahrzeug durchführen zu lassen oder auf die Ausgabe einer Feinstaubplakette zu verzichten.
hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, sie als "nach Landesrecht sonst zuständige Stelle" zur Ausgabe von Plaketten im Sinne von § 4 Satz 1 der 35. BImSchV anzuerkennen,
weiter hilfsweise das beklagte Land zu verpflichten, sie als zur Ausgabe von Plaketten i. S. v. § 4 Satz 1 der 35. BImSchV anzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass die derzeitige Rechtslage in Nordrhein-Westfalen sie in ihren subjektiven Rechten aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt und aus Gleichbehandlungsgründen der Erlass von untergesetzlichen Regelungen erforderlich ist, mit denen ein Anerkennungsverfahren geschaffen wird, nachdem auch in der Handwerksrolle eingetragene Betriebe des Autoglasreparaturgewerbes als ausgabeberechtigte Stellen für Plaketten anerkannt werden können,
weiter hilfsweise festzustellen, dass sie durch § 4 Satz 1 der 35. BImSchV in ihren subjektiven Rechten aus Art. 12 Abs.1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wird und deshalb eine Rechtsänderung erforderlich ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Inhalt des Feststellungsantrages sei nicht mit den Vorgaben der 35. BImSchV und der StVZO vereinbar.
Alle Prüf- und damit verbundenen Dokumentationsaufgaben seien ausschließlich in der anerkannten Untersuchungsstelle durchzuführen. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV sehe ausdrücklich vor, dass die Eintragung des Kennzeichens von zuständigen Ausgabestellen - hier in der einzurichtenden Abgasuntersuchungsstelle am Hauptsitz der Klägerin - vorzunehmen sei. Auch die durch die 35. BImSchV in Bezug genommenen Vorschriften der StVZO sähen (so etwa in Anlage VIII zur StVZO, Nummer 3.1.1.1 Satz 1 und Nummer 4.1 in Verbindung mit Anlage VIIIc zur StVZO, Nummer 2.7) vor, dass die gesamten der Abgasuntersuchungsstelle übertragenen Aufgaben in einem räumlichen Zusammenhang zu erfolgen hätten. Der räumliche Bezug sei erforderlich, um Missbräuche durch sogenannte "Hinterhofprüfungen" zu vermeiden.
Zudem enthalte die 35. BImSchV keinerlei Regelung, aus der sich eine rechtliche Befugnis zur Weiterübertragung der Beschriftung der Plaketten an eine Person außerhalb der konkret benannten Untersuchungsstelle ergebe. Auch in diesem Zusammenhang zeige der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV, der von einer Eintragung durch die "zuständige Ausgabestelle" ausgehe, dass die Bevollmächtigung eines Dritten nicht vorgesehen sei. Eine solche Bevollmächtigung stehe auch im Widerspruch zum Willen des Verordnungsgebers und dem Sinn und Zweck der Verordnung. Ein derartiges Vorgehen bedürfe einer zeit- und ressourcenaufwendigen Kontrolle, die insbesondere im Hinblick auf die Strukturen der Klägerin zweifelhaft sei.
Nicht zu verkennen sei auch die präjudizielle Wirkung auf weitere Handlungen im Anwendungsbereich der StVZO, etwa die Ausgabe von Prüfplaketten für die Hauptuntersuchung.
Des Weiteren sei die Beschriftung des Plakettenrohlings auch nicht von einer derart untergeordneten Bedeutung, dass sich eine andere Vorgehensweise rechtfertigen ließe. Die Entscheidung über die Zuordnung eines Kraftfahrzeugs zu einer Schadstoffgruppe manifestiere sich im Ausfüllen der Plakette. Erst das Beschriften der Plakette verleihe der Entscheidung die Außenwirkung und damit die Verwaltungsaktqualität.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die oben angeführte Normerlassklage der Klägerin mit Urteil vom 21. April 2016 abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne (erneute) mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Zulässigkeit steht die Einbeziehung des neuen Hauptantrages als Feststellungsantrag nicht entgegen. Bei dieser handelt es sich um eine nach § 91 VwGO zulässige Klageänderung in Form einer nachträglichen Klagehäufung. Mit dem Feststellungsantrag wird ein neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Nicht nur wird das bisherige Klagebegehren im Hauptantrag durch ein inhaltlich anderes ersetzt, sondern es wird auch ein bisher nicht zur Grundlage der Klage gemachter Sachverhalt einbezogen. Unabhängig davon, dass sich der Beklagte rügelos eingelassen haben dürfte, erweist sich die Klageänderung als sachdienlich, da der Streitstoff - die Frage nach der Möglichkeit der Klägerin, Feinstaubplaketten auszugeben - im Wesentlichen derselbe bleibt und die endgültige Beilegung des Streites gefördert wird. Der Feststellungsantrag trägt dem Umstand Rechnung, dass zwischen den Beteiligten mittlerweile eine zuvor nicht bedachte Vorgehensweise durch die Klägerin zur Diskussion steht.
Die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist auch statthaft. Die Vereinbarkeit des beabsichtigten Modells mit dem geltenden Recht stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Zwar handelt es sich um ein zukünftiges Rechtsverhältnis. Jedoch ist auch ein solches feststellungsfähig, wenn es bereits hinreichend konkret, wahrscheinlich und überschaubar ist.
Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage 2015, § 43 Rn. 18.
Dies ist hier ausweislich der im Feststellungsantrag detailliert geschilderten beabsichtigten Vorgehensweise der Fall.
Das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem als schutzwürdig anzuerkennenden wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Ausgabe der Feinstaubplaketten. Das berechtigte Interesse ist vor allem dann gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist und die zuständige Behörde insoweit anderer Auffassung ist als die Klägerin und letztere ihr zukünftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will.
Vgl. Kopp / Schenke, a. a. O., § 43 Rn. 24 m. w. N.
Der Beklagte ist mit der geplanten Vorgehensweise ausweislich der Ablehnung des Vergleichsvorschlages vom 23. Dezember 2015 nicht einverstanden. Zudem ist es der Klägerin nicht zuzumuten, zunächst das kostspielige Vorhaben, insbesondere die Umrüstung der Fahrzeugglas-Reparaturwerkstatt zur Abgasuntersuchungswerkstatt an ihrem Hauptsitz, umzusetzen, um diesbezüglich erst in der Folge Rechtsklarheit zu erlangen.
Der aktuelle Feststellungsantrag, mit dem die Klägerin dem bestehenden System deutlich stärker als bislang entgegenkommt, ist auch begründet, denn die beabsichtigte Vorgehensweise ist rechtlich zulässig; sie ist insbesondere mit der 35. BImSchV vereinbar.
Die von der Klägerin in L. geplante Abgasuntersuchungswerkstatt stellt (nach Anerkennung) gemäß § 4 Satz 1 Variante 3 der 35. BImSchV eine Ausgabestelle für Feinstaubplaketten dar. Über diese ist die Klägerin berechtigt, dem jeweiligen Fahrzeug die jeweils zutreffende Feinstaubplakette zuzuordnen und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 der 35. BImSchV mit dem entsprechenden Kennzeichen zu beschriften.
Der Ausstellungsvorgang ist sachlich / fachlich sowie lokal teilbar.
Es widerspricht nicht der 35. BImSchV, die Ausgabestelle und ihre Aufgaben "aufzuspalten". Die fachliche Prüfung kann daher in der Abgasuntersuchungswerkstatt (am Hauptsitz der Klägerin) erfolgen, während eine der Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten der Klägerin in der Folge das Beschriften der zugeordneten Feinstaubplaketten übernimmt. Die Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten stellen dann lediglich den "verlängerten Arm" der Abgasuntersuchungswerkstatt dar.
Die Feinstaubplakettenausgabe ist sachlich teilbar, weil im Sinne des Umwelt- und Gesundheitsschutzes allein entscheidend ist, dass die Zuordnung zur Schadstoffgruppe durch fachkundiges Personal erfolgt beziehungsweise jederzeit erfolgen kann. Das Ausfüllen der Plakette erfordert hingegen keine emissionsspezifischen Kenntnisse und kann ohne Weiteres auch an fachunkundiges Personal im Anschluss an die Überprüfung übertragen werden. Auch der Wortlaut der §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 4 Satz 1 Variante 3 der 35. BImSchV, der von der Erteilung einer Feinstaubplakette durch eine "Ausgabestelle" ausgeht, schließt eine in Unternehmen übliche - und in den anerkannten Abgasuntersuchungsstellen vielfach praktizierte - Aufgabenteilung (Stichwort "Kassenkraft") nicht aus.
Des Weiteren ist der Ausgabevorgang auch örtlich teilbar. Zum einen ist es nicht zwingend, den Wortlaut ("Ausgabestelle", vgl. §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 4 Satz 1 der 35. BImSchV) so auszulegen, dass der Ausgabevorgang insgesamt an ein und demselben Ort vollzogen werden muss. Der Begriff "Stelle" kann ebenfalls als abstrakte Einrichtung ohne lokalen Bezug verstanden werden. Zum anderen stehen Sinn und Zweck der 35. BImSchV - die Luftreinhaltung - der örtlichen Trennung der Arbeitsschritte nicht entgegen. Die herkömmliche Vorgehensweise hat im Vergleich zur geplanten keinen Mehrwert für den Umweltschutz.
Sowohl der erste Schritt, das Vorführen des betroffenen Fahrzeugs, als auch der letzte Schritt, das Beschriften des zuvor bestimmten Feinstaubplakettenrohlings, müssen daher nicht bei der Abgasuntersuchungswerkstatt selbst erfolgen, um eine ordnungsgemäße Durchführung zu gewährleisten.
In der Regel ist das Vorführen des zu bestückenden Fahrzeugs in der Abgasuntersuchungswerkstatt gar nicht notwendig. Die Zuordnung zur Schadstoffgruppe erfolgt anhand der in der Zulassungsbescheinigung Teil I, im Kraftfahrzeugschein und im Kraftfahrzeugbrief eingetragenen emissionsbezogenen Schlüsselnummer (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 der 35. BImSchV). Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gibt die Zuordnung der in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Emissionsschlüsselnummern zu den einzelnen Schadstoffgruppen im Verkehrsblatt bekannt (§ 5 Abs. 2 der 35. BImSchV). Die Schlüsselnummer wird der Abgasuntersuchungswerkstatt der Klägerin nach der beabsichtigten Vorgehensweise mittels Scan-Datei der Zulassungsbescheinigung Teil I zugeführt, so dass eine ordnungsgemäße Zuordnung durch qualifizierte Kräfte erfolgen kann.
Insofern besteht ein gravierender Unterschied zu den von dem Beklagten angeführten Haupt- und Abgasuntersuchungen, für welche die StVZO nach Auffassung des Beklagten ein Räumlichkeitserfordernis festschreibt. Unabhängig davon, dass die Feinstaubplakettenausgabe nicht in den Regelungsbereich der StVZO fällt, erfolgt bei dieser anders als bei der Hauptuntersuchung und der Abgasuntersuchung grundsätzlich keine Überprüfung des Fahrzeugs. Daher gehen die Befürchtungen des Beklagten fehl, die beabsichtigte Vorgehensweise führe zu einer präjudiziellen Wirkung auch hinsichtlich der Hauptuntersuchung und der Abgasuntersuchung. Angesichts dessen dürfte bei der hier in Rede stehenden Verfahrensweise auch die - bei der Haupt- und Abgasuntersuchung sicherlich bestehende und zu bekämpfende - Gefahr von "Hinterhofprüfungen" nicht relevant sein.
Nur in seltenen Fällen bedarf es einer Untersuchung des Fahrzeugs zur Bestimmung der richtigen Feinstaubplakette. In einem solchen Fall ist eine örtliche Trennung der Arbeitsschritte nicht sachgerecht. Diese Konstellation berücksichtigt die beabsichtigte Vorgehensweise der Klägerin jedoch: Für den von der fachkundigen Abgasuntersuchungswerkstatt der Klägerin zu beurteilenden Fall, dass eine Zuordnung allein mithilfe der Schlüsselnummer in der Zulassungsbescheinigung Teil I nicht möglich ist, verzichtet die Klägerin (Hauptantrag, Stichpunkt 4) auf die von ihr beabsichtigte Vorgehensweise.
Auch der letzte Arbeitsschritt, das Beschriften des zuvor von der Abgasuntersuchungswerkstatt bestimmten Feinstaubplakettentypus, ist örtlich nicht an die Abgasuntersuchungswerkstatt gebunden.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Ausgabe einer Feinstaubplakette um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht. Von Bedeutung ist alleine, dass der Umsetzungsakt, das Beschriften der Feinstaubplakettenrohlinge, auf Weisung der prüfenden Abgasuntersuchungswerkstatt erfolgt und dieser zuzurechnen ist. Der theoretisch bestehenden Missbrauchsgefahr wird durch die Rechtsform der Klägerin Rechnung getragen. Die unter ihrem Namen agierenden einzelnen Werkstätten sind nicht in Form des Franchising mit ihr verknüpft, sondern unselbstständige Teile der Gesellschaft. Die dortigen Mitarbeiter sind (der Kölner Zentrale) der Klägerin gegenüber weisungsgebunden; ihr Handeln wird (unmittelbar) der Klägerin zugerechnet. Daher trägt der Einwand des Beklagten nicht, die 35. BImSchV sehe eine Bevollmächtigung eines Dritten nicht vor, denn es handelt sich nicht um eine derartige Bevollmächtigung, sondern die Beauftragung eigener Mitarbeiter in ihren Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten. Der Klägerin allein obliegt die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der geplanten Vorgehensweise. Etwaiges Fehlverhalten - sei es in der Abgasuntersuchungswerkstatt in L. selbst oder in einer der Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten in Nordrhein-Westfalen - geht zu ihren Lasten. Dass die Struktur der Klägerin eine wirkungsvolle Kontrolle nicht ermöglicht, ist nicht ersichtlich. Die etwa 300 Fahrzeuge als "mobile Einheiten" der Klägerin sind nicht in die geplante Vorgehensweise involviert. Sie unterfallen nicht dem Begriff der Werkstatt. Lediglich die Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten der Klägerin (genannt Service-Center) sind von dem festzustellenden Rechtsverhältnis erfasst.
Über die hilfsweise geltend gemachten Anträge ist wegen der Stattgabe des Hauptantrages nicht mehr zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und bedarf zur Wahrung der Rechtseinheit einer Klärung. Dies gilt vor allem für die Frage nach der Vereinbarkeit des von der Klägerin beabsichtigten Modells mit §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 4 Satz 1 Variante 3 der 35. BImSchV.Aus diesem Grund ist auch die Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Es handelt sich um eine Rechtsfrage betreffend eine Rechtsverordnung des Bundes von über den konkreten Fall hinausreichender Bedeutung und Tragweite, weil sie sich mit der Auslegung des Begriffs der "Ausgabestelle" und dem dahinter stehenden Ausgabevorgang im Allgemeinen beschäftigt. Diese Rechtsfrage ist - wie beispielsweise das Schreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2012 (Bl. 203 f. der Verwaltungsvorgänge, Beiakte Heft 1) zeigt - auch in anderen Bundesländern (und nicht nur für die Klägerin) relevant; zudem könnte eine höchstrichterliche Klärung auch die Durchführung des gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. April 2016 seitens der Klägerin beabsichtigten Berufungszulassungsverfahrens entbehrlich machen.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 263.655,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG auf der Grundlage der für das Jahr 2012 durch die Klägerin mitgeteilten Zahlen erfolgt (ca. 93.000 Windschutzscheiben in NRW, davon 81 % = 75.330 mit Feinstaubplakette; Differenz ca. 3,50 Euro / Feinstaubplakette). Nach Nummer 1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 sind Feststellungsklagen in der Regel ebenso zu bewerten wie eine auf das vergleichbare Ziel gerichtete Anfechtungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage. Der festgesetzte Streitwert spiegelt die Bedeutung der Sache für die Klägerin wider. Die wirtschaftliche Bedeutung wird entgegen der Auffassung des Beklagten nicht von den noch folgenden Schritten - der Anerkennung durch die Kfz-Innungen als von der Klägerin unbeeinflussbare Variable - tangiert. Die Hilfsanträge wirken sich gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht streitwerterhöhend aus, da über diese keine Entscheidung ergangen ist.


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