Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Haftfragen

Sicherungsverwahrung, Telefonvermittlung, JVA

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Dresden, Beschl. v. 27.04.2016 - 2 Ws 19/16

Leitsatz: Die Vermittlerrolle der Vollzugsanstalt für Telefongespräche eines Sicherungsverwahrten bezieht sich sowohl auf eingehende als auch auf ausgehende Gespräche.


Aktenzeichen: 2 Ws 19/16
BESCHLUSS
In der Sicherungsverwahrungsvollzugssache des pp.
derzeit in der Sicherungsverwahrungsanstalt Bautzen
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
gegen die
Sicherungsverwahrungsvollzugsanstalt B a u t z e n,
vertreten durch den Leiter der Einrichtung
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
beteiligt: Sächsisches Staatsministerium der Justiz, Hospitalstraße 7, 01097 Dresden
wegen Führens von Telefongesprächen
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden am 27.04.2016 beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz —Außenkammern Bautzen — vom 30. November 2015 aufgehoben, soweit die Kammer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung für unbegründet erachtet hat, als ihm seitens der Antragsgegnerin die Entgegennahmevermittlung eingehender Telefonate versagt wird.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Durchführung des Verfahrens und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:
Die zur Fortbildung des Rechts sowie zugleich zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne der § 119 S. 2 SächsSWollzG, § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.

1. Keinen Rechtsfehler enthält die angefochtene Entscheidung, soweit die den Antrag des Sicherungsverwahrten auf gerichtliche Entscheidung gegen die behördliche Versagung der beantragten Aufhebung einer Gesprächsunterbindung bei Rufumleitungen für unbegründet erachtet hat.

§ 31 SächsSWollzG regelt den Anspruch des Untergebrachten auf Telefongespräche „unter Vermittlung der Anstalt". Damit ist eindeutig - und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden - festgelegt, dass es im Interesse der Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie zur Erreichung des Vollzugszieles für die Unterbringungsanstalt ermöglicht sein muss festzustellen, mit wem der Untergebrachte in Kontakt tritt. Im Falle einer bei ausgehenden Gesprächen beim Empfängergerät eingerichteten Rufumleitung ist diese Vermittlung „der Anstalt" nicht mehr gewährleistet; das Gespräch wird in diesem Fall vielmehr von dem Angerufenen (weiter)„vermittelt".

2. Im Weiteren ist der Strafvollstreckungskammer allerdings ein Rechtsfehler unterlaufen. Zwar hat sie noch zu Recht die auf eine Begründungsformulierung in den Gesetzesmaterialien gestützte irrige Ansicht der Antragsgegnerin verworfen, soweit diese meint, die (Telefon)Vermittlerrolle gesetzlich nur für ausgehende Telefongespräche des Beschwerdeführers innezuhaben. Die Konsequenz aber einer daraus folgenden Teilaufhebung der Ablehnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2015 hat sie nicht mehr gezogen, weil sie - insoweit rechtsfehlerhaft - offenbar davon ausgegangen ist, dass die von der Antrags-gegnerin praktizierte Handhabung bei eingehenden Telefongesprächen (Mitteilung des [nicht weitergeleiteten] Anrufs an den Angerufenen und Vermittlung von dessen [möglich- weise vergeblichen, weil technisch abgebrochenen] Rückruf[versuchen]) dem gesetzlichen Anspruch des Untergebrachten hinreichend genüge. Insoweit liegt im Ergebnis ein Aufklärungsdefizit in der angefochtenen Gerichtsentscheidung vor.

a) Wenngleich aus der im angefochtenen Beschluss mitgeteilten und daher dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht auch unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten zugänglichen Ablehnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2015 zu entnehmen ist, dass „die Prüfung" einer Ermöglichung der Entgegennahme eingehender Telefonanrufe „noch nicht abgeschlossen" sei (weshalb der Antrag des Sicherungsverwahrten vom 26. Mai 2015 auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG insoweit möglicherweise hätte verfrüht sein können), teilen die Beschlussgründe im Übrigen jedoch mit, dass sich die Antragsgegnerin sodann nachfolgend im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens dahingehend eingelassen hat, das Begehren des Untergebrachten insgesamt negativ zu verbescheiden, weil sie unter Berufung auf den (vermeintlich einschränkenden) Gesetzeswortlaut des § 31 SächsSVVollzG (Telefongespräche „führen") lediglich ausgehende Gespräche des Antragstellers vermitteln wolle.

b) Diese beabsichtigte Handhabung eingehender Gespräche von Seiten der Antragsgegnerin genügt dem gesetzlichen Anspruch des Untergebrachten nicht. Die von ihr in Anspruch genommene (vermeintliche) Einschränkung im gesetzlichen Wortlaut greift nicht durch. § 31 Abs. 1 S. 1 SächsSVVollzG bestimmt, dass Telefongespräche (nur unter Vermittlung der Anstalt) „geführt" werden können. Die Wortwahl („geführt) der gesetzlichen Bestimmung ist neutral und umfasst entgegen der eingeschränkten Auslegung durch die Antragsgegnerin sowohl eingehende als auch ausgehende Telefonate.

Die von ihr in Bezug genommene Begründung in den Gesetzgebungsrnaterialien (Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 79), wonach mit der Formulierung „...Telefongespräche geführt" verdeutlicht werde, dass „lediglich Anrufe des Untergebrachten aus der Anstalt möglich seien, hingegen keine Entgegennahme von Anrufen in der Anstalt", ist ungeeignet, den gesetzlichen Anspruch des Untergebrachten zu beschränken.

Nach deutschen Sprachverständnis werden Gespräche ganz allgemein „geführt", womit in der Bedeutung (vgl. Duden-online; http://www.duden.de/rechtschreibung/Ge-spraech#Bedeutungl) ein mündlicher Gedankenaustausch in Rede und Gegenrede über ein bestimmtes Thema einhergeht. In Bezug auf den Auslöser (Initiator) dieses Gedankenaustausches ist der sprachlichen Wendung dagegen nichts zu entnehmen. Sie ist neutral, weil dieser Gedankenaustausch erst zustandekommt ("geführt" wird), wenn der durch das Klingeln des Telefongerätes akustisch verdeutlichte Gesprächswunsch eines Anrufers — bei Einverständnis - vom jeweils Angerufenen angenommen worden ist. Ob es sich dabei um ein eingehendes (vom Außenstehenden initiiertes) oder ein ausgehendes (vom Untergebrachten initiiertes) Gespräch handelt, ist damit nicht festgelegt. Eine andere Sinnbedeutung ist bei vernünftigem Verständnis nicht möglich.

Rein vorsorglich bemerkt der Senat, dass, soweit in der Gesetzesbegründung eine beabsichtigte Reduktion auf einen eingeschränkten Regelungssinn nur ausgehender Gespräche zum Ausdruck kommen sollte, dieses indes Art. 2 GG widersprechen würde.

c) Auch liegt in der Wortwahl „unter Vermittlung" der Anstalt „geführt" keine Einschränkung in diesem Sinne. Sie bedeutet nicht, dass die Sicherungsverwahrungsanstalt lediglich ausgehende Gesprächswünsche eines Sicherungsverwahrten zu ermöglichen hat. Auch eingehende Gesprächswünsche von Personen außerhalb können selbstverständlich von der Anstalt an den angerufenen Untergebrachten „vermittelt" werden — etwa durch die anstaltsinterne Telefonzentrale. Das Problem der Rufumleitung wird in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, zumal es kaum zu erwarten ist, dass ein externer Anrufer zunächst einen (dritten) Anschluss anwählt, von dem dann eine Rufumleitung in die Sicherungsverwahrungsanstalt erfolgt. Ungeachtet dessen, dass sich die Anstalt auch in diesem Fall über die Identität des Anrufers vergewissert haben wird.

Die Strafvollstreckungskammer wird daher im Hinblick auf die in der Ablehnungsverfügung noch erwähnten Bemühungen der Antragsgegnerin zur Klärung der technischen Umsetzung einer Vermittlung auch bei eingehenden Gesprächen im Sinne einer möglichen Entscheidung nach § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG aufzuklären haben, wie weit die Bemühungen der Antragsgegnerin inzwischen gediehen sind. Diese ist nämlich grundsätzlich verpflichtet, die technischen und gegebenenfalls personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie dem gesetzlichen Anspruch eines jeden Untergebrachten auf eine zumutbare Entgegennahmemöglichkeit von (durch die Anstalt) vermittelter Gespräche genügen kann.


Einsender: RÄin L. Grüter, Dortmund

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".