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Entscheidungen

Gebühren

Längenzuschlag, Pflichtverteidiger, Mittagspause, Verständigungsgespräche

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 03.11. 2014 - 4c Ws 18/14

Leitsatz: 1. Bei der Festsetzung eines Längenzuschlags für den Pflichtverteidiger wird die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht eingerechnet.
2. Die Zeit für die Durchführung von Verständigungsgesprächen zwischen Verteidigern, der Staats-anwaltschaft und dem Gericht ist beim Längenzuschlag, wenn die Gespräche in Sitzungsunter-brechungen der Hauptverhandlung stattfinden, zu berücksichtigen.
3. Soweit der Rechtsanwalt Kopien aus ihm digital zur Verfügung stellten Akten gefertigt hat, um bestimmte Vorgänge plastischer vor Augen zu haben oder in der Handakte leichter finden zu können, handelt es sich nicht um zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache gebotene Ausdrucke. Vielmehr dienen diese Ausdrucke lediglich der Vereinfachung der Arbeit des Rechtsanwalts. Es handelt sich daher um allgemeine Geschäftskosten, die mit den allgemeinen Gebühren abgegolten werden.
4. Es ist dem Rechtsanwalt auch zumutbar, die ihn interessierenden Informationen am Bildschirm zusammenzusuchen.


4c Ws 18/14
BESCHLUSS
Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 3. November 2014
in dem Strafverfahren gegen den Angeklag-ten xx, geboren am 8. August 1969 in Mün-chen
Pflichtverteidiger: Rechtsanwalt xx (Bestellung durch Verfügung vom 12. Juni 2013 SB 21.26 Haftakte, Bl. 431; Anzeige des Wahlmandats am 18.10.2012 mit Voll-macht vom 17.10.2012 SB 21.26 Haftakte Bl. 309/310)
hier: Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 13. Juni 2014
b e s c h l o s s e n :
1. Das Verfahren wird zur Entscheidung dem Senat übertragen.
2. Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers wird der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 13. Juni 2014 dahingehend abgeändert, dass die dem Pflichtverteidiger xx aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf weitere 211,82 € brutto festgesetzt werden.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde des Pflichtverteidigers xx gegen den Kosten-festsetzungsbeschluss des Landgerichts Augsburg vom 13. Juni 2014 als unbegründet zurück-gewiesen.
4. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. G r ü n d e :

I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Kürzung seines Kosten-festsetzungsantrags vom 22.1.2014. Er wendet sich gegen die Nichtfestsetzung der beantrag-ten Zusatzgebühren nach Ziffer RVG VV Nr. 4122 in Höhe von jeweils 178 € netto an insgesamt 5 Hauptverhandlungstagen und die Nichtfestsetzung der beantragten Zusatzgebühr nach Ziffer RVG VV Nr. 4123 in Höhe von 356 € und die stattdessen erfolgte Festsetzung nach Ziffer RVG VV Nr. 4122 in Höhe von netto 178 € für den Termin vom 17.12.2013. Er begehrt die Berück-sichtigung der Zeit der Mittagspause als Teilnahme an der Hauptverhandlung und die Berück-sichtigung der Zeit der Durchführung von Verständigungsgesprächen am 1.10.2013. Des Weite-ren wendet er sich gegen die Nichtfestsetzung von Kopierkosten nach Ziffer RVG VV Nr. 7000 für den Ausdruck der im Rahmen der Akteneinsicht ihm zur Verfügung gestellten elektronischen Akte für sich und seinen Mandanten und den durchgeführten Abzug von Übernachtungskosten.

In dem bei der 7. Strafkammer des Landgerichts Augsburg (Wirtschaftsstrafkammer) anhängi-gen Strafverfahren gegen den Angeklagten xx, der sich seit dem 14.6.2012 bis zum 21.1.2014 in Untersuchungshaft befand, wurde Rechtsanwalt xx mit Verfügung dieser Strafkammer vom 12.6.2013 dem Angeklagten als Pflichtverteidiger bestellt. Dieser hatte am 18.10.2012 die Ver-teidigung des Angeklagten unter Vorlage einer Vollmacht vom 17.10.2012 angezeigt. Der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 24.5.2012 wurde mit Beschluss der Strafkammer vom 20.1.2014 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt und mit Be-schluss der Strafkammer vom 13.2.2014 aufgehoben. Mit Beschluss der Strafkammer vom 24.2.2014 wurde das Strafverfahren gegen den Angeklagten gemäß § 153a StPO endgül-tig eingestellt.

Der Beschwerdeführer nahm an den im Zeitraum vom 30.9.2013 bis 21.1.2014 stattgefunden Hauptverhandlungen als Pflichtverteidiger des Angeklagten teil.

Mit Schriftsatz vom 22.1.2014 hat der Pflichtverteidiger die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen als Zwischenabrechnung in Höhe von insgesamt 27775,09 € (brutto) beantragt.

Der Rechtspfleger des Landgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 27.1.2014 den dem Pflichtverteidiger xx aus der Staatskasse zu zahlenden Vorschuss auf die entstandenen Gebüh-ren und Auslagen auf (brutto) 21.545,87 € festgesetzt. Die beantragte Zusatzgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 1.10.2013 nach RVG VV Nr. 4122 in Höhe von 178 € netto hat das Landgericht nicht festgesetzt, da die Verhandlung auf 14.00 Uhr angesetzt worden sei und um 16.35 Uhr geendet habe, somit der Pflichtverteidiger nicht mehr als 5 Stunden an der Hauptverhandlung teilgenommen habe. Die beantragte Zusatzgebühr nach RVG VV Nr. 4122 in Höhe von 178 € netto jeweils für den 17.10.2013, 24.10.2013, 18.11.2013 und 16.1.2014 wurde nicht festgesetzt, da die Verhandlungsdauer nach Abzug der jeweiligen Mittagspause weniger als 5 Stunden betragen habe. Die beantragte Zusatzgebühr nach RVG VV Nr. 4123 in Höhe von 356 € netto für den 17.12.2013 hat das Landgericht nicht festgesetzt, da die Verhandlungsdauer nach Abzug der Mittagspause 7 Stunden und 45 Minuten betragen habe. Statt dessen hat das Landgericht eine Zusatzgebühr nach RVG VV Nr. 4122 in Höhe von 178 € netto festgesetzt. Ferner hat das Landgericht die beantragten Kopierkosten nicht festgesetzt, da es sich insoweit nicht um zur sachgerechten Durchführung der Angelegenheit erforderliche Auslagen handele. Die gesamte Akte sei digital dem Angeklagten und dem Antragsteller zur Verfügung gestellt wor-den. Für den Terminstag 1.10.2013 wurde statt 60 € ein Abwesenheitsentgelt in Höhe von 35 € festgesetzt. Bei den Hotelkosten wurden die Kosten für das Frühstück in Höhe von 13,87 € in Abzug gebracht. Aktenversendungsgebühren in Höhe von 12,50 € wurden ferner nicht festge-setzt. Dieser Festsetzungsbeschluss ist dem Antragsteller mit Verfügung vom 4.2.2014, die am 17.2.2014 ausgeführt worden ist, mitgeteilt worden.

Mit Schriftsatz vom 31.1.2014 hat der Pflichtverteidiger seinen Antrag vom 22.1.2014 dahinge-hend berichtigt, dass von den geltend gemachten Hotelkosten die Kosten für das Frühstück in Höhe von 11,50 € in Abzug zu bringen seien und somit insoweit die Festsetzung von 67,75 € be-antragt werde.

Mit Schriftsatz vom 3.3.2014 hat der Pflichtverteidiger gegen diesen Beschluss „sofortige Be-schwerde“ eingelegt mit dem Antrag, den Festsetzungsbeschluss dahingehend abzuändern, dass die aus der Staatskasse zu zahlende Pflichtverteidigervergütung auf 27.090,86 € festge-setzt wird. Er wendet sich unter anderem gegen die Nichtberücksichtigung der Zeit der Mittags-pause und die Nichterstattung der Kopierkosten. Die geltend gemachten Kopierkosten in Höhe von 3.562,45 €, die durch die Anfertigung von Ausdrucken der elektronischen Akte entstanden seien, seien gemäß RVG VV Nr. 7000 Nr. 1a zu erstatten. Dem Angeklagten sei es erst ab dem 13.12.2013 in der JVA erlaubt worden, die Akte elektronisch zu sichten. Um vorherige Bespre-chungen mit dem Angeklagten durchführen zu können, sei der Ausdruck der elektronischen Ak-te erforderlich gewesen. Für den Termin am 1.10.2013 sei ein Abwesenheitsgeld in Höhe von 60 € festzusetzen, da er an diesem Tag mehr als 11 Stunden unterwegs gewesen sei, wie die auf den Zugfahrkarten ersichtlichen Zeiten bestätigen. Die Aktenversendungspauschale sei erstat-tungsfähig, da das Verfahren abgeschlossen worden sei.

Mit Schriftsatz vom 24.3.2014 hat der Pflichtverteidiger ergänzende Ausführungen gemacht. Am 1.10.2013 sei er auf 9.00 Uhr geladen worden. In der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr hätten Verständigungsgespräche mit den Verfahrensbeteiligten stattgefunden. Nach der Mittagspause habe die Hauptverhandlung um 14.00 Uhr begonnen.

Mit Beschluss vom 15.5.2014 hat der Rechtspfleger des Landgerichts Augsburg der Erinnerung hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 44,63 € abgeholfen (weiteres Tagegeld in Höhe von 25 € für den 1.10.2013 und Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,50 €) und im Übrigen der Erinnerung nicht abgeholfen.

Die Vorsitzende der 9. Strafkammer des Landgerichts Augsburg als Einzelrichterin hat mit Be-schluss vom 13.6.2014 diese Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt unter Bezugnahme auf Beschlüsse des Oberlandesgerichts München (Az.: 4 Ws 150/08), die Mittagspause sei nicht in die Dauer der Hauptverhandlung mit einzurechnen. Die Kopierkosten seien nicht erstattungsfähig, da mangels körperlicher Vorlage der Kopien trotz Anforderung durch den Rechtspfleger nicht überprüft werden könne, ob die Anfertigung dieser neben der zur Verfügung Stellung der elektronischen Akte tatsächlich erforderlich gewe-sen sei. Vor dem 13.12.2013 sei es fernliegend, dass der Pflichtverteidiger derart um-fangreiche Besprechungen mit dem Angeklagten durchgeführt habe, die einen Ausdruck der elektronischen Akte erforderlich gemacht hätten. Dieser Beschluss wurde dem Pflichtverteidiger mit Verfügung vom 13.6.2014, die am 16.6.2014 ausgeführt wurde, formlos mitgeteilt.

Mit Schriftsatz vom 26.6.2014, der auch an diesem Tag beim Landgericht eingegangen ist, hat der Pflichtverteidiger gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt, die er mit Schrift-satz vom 4.7.2014, der am 7.7.2014 eingegangen ist, begründet hat. Er hat auf die Begründung seines Schriftsatzes, mit dem er Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss eingelegt hatte, Bezug genommen hinsichtlich des Abzugs der Mittagspause. Hinsichtlich der Kopierkosten hat er ergänzende Ausführungen gemacht. Insoweit wird auf den Schriftsatz Bezug genommen. Mit Schreiben vom 26.6.2014 hat er Beiakten 14 bis 38 zum Nachweis der Kopierkosten vorgelegt.

Mit Beschluss der Vorsitzenden der 9. Strafkammer als Einzelrichterin vom 4.8.2014 hat das Landgericht Augsburg der Beschwerde nicht abgeholfen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 1.9.2014 hat der Beschwerdeführer zum Nichtabhilfebeschluss Stellung ge-nommen.

II.
Das Verfahren war gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem Senat zur Entschei-dung zu übertragen, da die Rechtssache hinsichtlich der Geltendmachung der Kosten für die Erstellung von Abzügen aus der elektronischen Akte grundsätzliche Bedeutung hat.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Sätze 1 und 3 RVG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 €. Die Beschwerdefrist von 2 Wochen wurde eingehalten.

2. Die Beschwerde ist unbegründet soweit sie sich gegen den nur teilweisen Ansatz der Über-nachtungskosten wendet. Wie sich aus der vom Beschwerdeführer in der Anlage zu seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 22.1.2014 vorgelegten Hotelrechnung ergibt, betragen die Über-nachtungskosten netto 63,55 €, die auch im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.1.2014 zu-züglich der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer festgesetzt worden sind. Daher war von dem ursprünglich geltend gemachten Betrag in Höhe von 77,42 € netto nicht nur ein Betrag in Höhe von 11,50 € brutto für die Frühstückskosten in Abzug zu bringen, wie vom Beschwerde-führer in seinem Schriftsatz vom 31.1.2014 beantragt wurde.

3. Die Beschwerde ist unbegründet soweit sie sich gegen die Nichtberücksichtigung der Zeiten der jeweiligen Mittagspause bei der Bemessung des Längenzuschlags an den Hauptverhand-lungstagen 17.10.2013, 24.10.2013, 18.11.2013 und 17.12.2013 wendet. Sie ist ferner unbegründet soweit sie sich gegen die Nichtgewährung eines Längenzuschlages nach RVG VV Nr. 4122 am 16.1.2014 wendet, da die Hauptverhandlung an diesem Tag in der Zeit von 9.00 Uhr bis 13.15 Uhr stattfand und somit der Verteidiger weniger als 5 Stunden an der Hauptverhandlung teilgenommen hat.

Hinsichtlich der Dauer der jeweiligen Sitzungen und der Mittagspausen wird auf die Zeitaufstel-lung im Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 27.1.2014 Bezug genommen.

Bei der Festsetzung des Längenzuschlags (vorliegend aus VV RVG Nr. 4122 und 4123) wird die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht eingerechnet.

a) Der Senat hat bereits mit (ausführlich begründetem) Beschluss vom 23.10.2008 4 Ws 150/08 (K) - (zitiert nach juris; siehe auch RVGreport 2009, 110), auf den ausdrücklich Be-zug genommen wird, entschieden, dass bei der Festsetzung des Längenzuschlags die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht einge-rechnet wird. Es gibt keinen Anlass von dieser ständigen Rechtsprechung des Senats auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 10.10.2013 AZ.: 1 Ws 166/12 StraFo 2014, 39ff.) Abstand zu nehmen.

Wie in diesem Beschluss des OLG Karlsruhe zutreffend ausgeführt wird, wird die Frage, ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung der für diese sogenannten Längenzuschläge maßgebli-chen Hauptverhandlungsdauer eine im Sitzungsprotokoll ausdrücklich als solche ausgewiesene oder ersichtlich als solche angeordnete Mittagspause anzurechnen oder in Abzug zu bringen ist, in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Von dem überwiegenden Teil der Oberlandesgerichte wird die Auffassung vertreten, dass die Zeit der Mittagspause unab-hängig von ihrer Länge grundsätzlich und regelmäßig in vollem Umfang von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen ist, es sei denn, wenn diese sich auf einen ganz kurzen Zeitraum erstreckt (OLG Karlsruhe aaO zitiert nach juris Rdn. 6).

b) Nach dem eindeutigen Wortlaut der hier in Betracht kommenden RVG VV Nr. 4123 und Nr. 4122 setzt deren Anwendung voraus, dass der Rechtsanwalt mehr als acht Stunden, bezie-hungsweise mehr als 5 Stunden bis zu acht Stunden an einer Hauptverhandlung teilge-nommen hat. Eine Teilnahme an der Hauptverhandlung bedingt aber, dass sie stattfindet. Ist die Hauptverhandlung unterbrochen, kann der Rechtsanwalt an ihr nicht teilnehmen.

c) Allerdings ist auch der Senat der Auffassung, dass kurze Sitzungspausen „die Uhr weiterlau-fen“ lassen, weil eine kleinliche Auslegung dieser Vorschrift zu unfruchtbaren Streitereien führen würde, zumal in diesen Pausen oft sitzungsrelevante Probleme zwischen den Prozessbeteiligten besprochen werden. Dies kann jedoch für längere Sitzungspausen, insbesondere die Mittags-pause, nicht gelten. In dieser Zeit findet die Hauptverhandlung nicht statt und der Rechts-anwalt nimmt an ihr nicht teil.

d) Auch Sinn und Zweck der Regelung und ihre thematische Stellung sprechen für diese Ausle-gung. Durch das Rechtsanwaltsvergütungsrecht sind die Gebühren für die gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwälte völlig neu geregelt worden. Zusätzlich können sie Zuschläge verdienen, wenn sie z.B. an einer Hauptverhandlung mehr als fünf bis acht Stunden oder mehr als acht Stunden teilgenommen haben.
Wartezeiten und Pausen werden im Rahmen dieser Gesetzessystematik bereits durch die (all-gemeine) Terminsgebühr (hier: 424 € gemäß RVG VV Nr. 4120) erfasst. So erhält ein im Straf-recht tätiger Rechtsanwalt nach VV RVG Teil 4 Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 auch dann die Ter-minsgebühr, wenn er zu einem Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die der Rechtsan-walt nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Wenn aber der bloße Zeitaufwand bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten wird, muss mit dem Längenzuschlag etwas qualitativ an-deres abgegolten werden als der bloße Zeitaufwand. Das kann nur die Tätigkeit als Verteidiger in der laufenden Hauptverhandlung sein.

Bei dieser Sachlage vermag die von den Oberlandesgerichten Düsseldorf, Koblenz, Stuttgart, Hamm und Karlsruhe (siehe oben aaO) vertretene Gegenmeinung nicht zu überzeugen, da sich diese aus der Sicht des Senats nicht mit dem Wortlaut von RVG VV Nr. 4123 vereinbaren lässt und zudem zu wenig berücksichtigt, dass es sich hierbei um eine Zusatzgebühr handelt, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zusätzlich zu der immer fällig werdenden Ter-minsgebühr anfällt (vgl. OLG München Beschluss vom 12.11.2007 - 2 Ws 807-809/07 (K)). Dies gilt ebenso für die nicht näher begründete Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27.7.2012 (5 Ws 33/12).

Mittagspausen dienen allgemein der Regeneration und werden üblicherweise von Rechtsanwäl-ten auch an Arbeitstagen eingelegt, an denen sie ihrer beruflichen Tätigkeit außerhalb einer Hauptverhandlung nachgehen. Im Übrigen handelt es sich bei den Mittagspausen um eine „pro-zessneutrale“ Unterbrechung, während der der an dem Verfahren beteiligte Rechtsanwalt auch aus eigenem Interesse nicht an einer Verhandlung teilnimmt und deshalb eine zeitliche Bean-spruchung seiner Arbeitskraft nicht geltend machen kann (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 392).

e) Die Höhe der einzelnen Gebühren richtet sich hierbei gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG nach dem alten Recht, da der Rechtsanwalt vor der am 1.8.2013 in Kraft getretenen Gesetzesände-rung bestellt wurde.

f) Die Beschwerde war daher insoweit als unbegründet zu verwerfen. Zutreffend hat das Land-gericht für die Hauptverhandlungstermine vom 17.10.2013, 24.10.2013, und 18.11.2013 die Gebühr RVG VV 4122 in Höhe von 178 € netto nicht festgesetzt, da nach Abzug der Zeit der Mittagspause der Beschwerdeführer nicht länger als 5 Stunden an der Hauptverhandlung teilge-nommen hat. Der Nichtansatz des Längenzuschlages für den 16.1.2014 ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, da die Sitzungsdauer 4 Stunden 15 Minuten betragen hat. Des Weiteren hat das Landgericht zutreffend für die Hauptverhandlung vom 17.12.2013 lediglich einen Län-genzuschlag nach Ziffer RVG VV 4122 in Höhe von 178 € netto zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer festgesetzt, da nach Abzug der Zeit der Mittagspause der Beschwerdeführer an der Hauptver-handlung mehr als 5 Stunden, nicht aber mehr als 8 Stunden teilgenommen hat.

5. Die Beschwerde ist begründet soweit sie sich gegen die Nichtfestsetzung des Län-genzuschlages für den Hauptverhandlungstermin am 1.10.2013 nach RVG VV 4122 in Höhe von 178 € netto richtet. Auch bei Abzug der Zeit der Mittagspause (12.30 Uhr bis 14.00 Uhr) hat der Beschwerdeführer mehr als 5 Stunden und bis zu 8 Stunden an der Hauptverhandlung teil-genommen. Der Pflichtverteidiger war an diesem Tag auf 9.00 Uhr geladen worden. In der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr fanden Verständigungsgespräche zwischen dem Gericht, den Ver-teidigern und der Staatsanwaltschaft statt. In der Zeit von 14.00 Uhr bis 16.30 Uhr fand dann die Hauptverhandlung statt.

Maßgeblich für die Stundenberechnung ist der anberaumte Beginn und der gerichtlich angeord-nete Schluss der Verhandlung (Hartmann Kostengesetz 44. Aufl. RVG VV 4111 Rdn. 1). Denn in dieser Zeit stellt der anwesende Rechtsanwalt für das Verfahren seine Arbeitszeit zur Verfü-gung. Nicht maßgeblich ist, wann das Gericht die Sache tatsächlich aufruft (Hartmann aaO). Da vorliegend der Beschwerdeführer am 1.10.2013 auf 9.00 Uhr geladen wurde und auch zu die-sem Zeitpunkt erschienen war, rechnet die erste Terminsstunde ab diesem Zeitpunkt. Bei einem Sitzungsende um 16.35 Uhr hat der Beschwerdeführer somit mehr als 5 Stunden an der Hauptverhandlung teilgenommen.

Die Zeit für die Durchführung von Verständigungsgesprächen zwischen den Verteidigern, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht (hier von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr) ist beim Längenzuschlag auch bei Sitzungsunterbrechungen zu berücksichtigen, denn diese Zeit hat der Pflichtverteidiger anders als die Zeiten der Mittagspause nicht zur freien Verfügung. Es handelt sich insoweit nicht um eine „prozessneutrale“ Unterbrechung. Diese Zeiten stellen gleichgültig, ob nach Aufruf der Sache innerhalb einer Sitzungsunterbrechung oder vor Aufruf der Sache, aber ab dem Zeitpunkt der Terminsanberaumung, eine Teilnahme des Rechtsanwalts an der Hauptverhandlung dar.

Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers war daher der Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 13.6.2014 dahingehend abzuändern, dass der dem Pflichtverteidiger xx aus der Staatskas-se zu zahlende Vorschuss auf die entstanden Gebühren und Auslagen auf weitere 211,82 € brutto festgesetzt wird.

6. Die Beschwerde ist unbegründet soweit sie sich gegen die Nichterstattung der Kopierkosten in Höhe von 3.562,45 € richtet.

6.1 Ein Anspruch auf Ersatz von Auslagen gem. § 46 RVG i.V.m. RVG VV Nr. 7000 gegenüber der Staatskasse scheidet für vor dem 12.6.2013 gefertigte Ausdrucke aus der elektronischen Akte aus. Der Beschwerdeführer wurde erst mit Verfügung vom 12.6.2013 anstelle des vormali-gen Pflichtverteidigers RA xx dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Ab diesem Zeitpunkt war die Beiordnung somit erst wirksam. Erstattungsfähig gegenüber der Staatskasse sind jedoch nur solche Auslagen, die der Beschwerdeführer für eine Tätigkeit nach der Bestellung tatsächlich gemacht hat (Hartmann aaO § 46 Rdn. 12 und 3 RVG). Damit scheiden die Er-stattung von Aufwendungen für Ausdrucke, die vor dem 27.11.2012 (17.410 Blatt) und zum 8.1.2013 (Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 1.9.2014) gefertigt wurden, bereits aus die-sem Grunde aus.

6.2 Eine Erstattung der Auslagen für die restlichen angefertigten 5.121 Ausdrucke aus der elekt-ronischen Akte gemäß § 46 RVG i.V.m. RVG VV Nr. 7000 Nr. 1a, die nach Gewährung der digi-talen Akteneinsicht im weiteren Prozess gegenüber dem Beschwerdeführer und dem Angeklag-ten zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung und Fertigung von Anmerkungen sowie Anlagen gefertigt wurden, scheidet ebenfalls aus.

a) Gemäß RVG VV Nr. 7000 Nr. 1a kann der Rechtsanwalt die Pauschale für Ausdrucke aus Gerichtsakten gegenüber der Staatskasse nur in Rechnung stellen, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Aus dieser positiven Formulierung ergibt sich, dass anders als in § 46 Abs. 1 RVG die Darlegungs- und Beweislast dafür beim an-tragstellenden Rechtsanwalt liegt (OLG Rostock, Beschluss vom 4.8.2014, AZ.: 20 Ws 193/14, zitiert nach juris Rdn. 14).

b) Mit Ausnahme der im Rahmen der Akteneinsicht am 7.11.2013 angefertigten 1.497 Aus-drucke wurde vom Beschwerdeführer nicht dargelegt, ob diese nach dem 12.6.2013 angefertigt wurden. Soweit sie vor diesem Zeitpunkt angefertigt worden sein sollten, scheidet eine Erstattung aus der Staatskasse aus den oben unter Ziffer 6a) benannten Gründen aus. Man-gels entsprechenden Sachvortrag des Beschwerdeführers scheidet ein Anspruch bereits aus die-sem Grunde aus.

c) Ein Anspruch gegenüber der Staatskasse scheidet unabhängig davon für diese Ausdrucke gemäß § 46 Abs. 1 RVG aus, da die Anfertigung der Ausdrucke zur sachgemäßen Durchfüh-rung der Angelegenheit nicht geboten war.

aa) Aus der Vorbemerkung zu Ziffer 7 Abs. 1 Satz 1 VV ergibt sich, dass mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten abgegolten werden. Diese hat der Rechtsanwalt selbst zu tragen. Auch die Kosten für Abschriften, Ausdrucke und Ablichtungen gehören zu diesen allgemeinen Geschäftskosten, es sei denn, dass sich eine Erstattungsfähigkeit aus der Ziffer VV RVG 7000 ergibt.

bb) Was in diesem Zusammenhang zur Bearbeitung einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Ansicht des Anwalts oder seines Mandanten, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten (Hartmann aaO Nr. 7000 VV RVG Rdn. 6). Da-bei hat der Rechtsanwalt allerdings einen gewissen und auch nicht zu engen, sondern eher groß-zügigeren Ermessensspielraum (Hartmann aaO RVG VV Nr. 7000 Rdn. 7). Er muss allerdings den all-gemeinen Kostengrundsatz berücksichtigen, dass jeder die Auslagen möglichst gering halten muss (Hartmann aaO § 46 Rdn. 14 RVG).
cc) Ein Ausdruck der elektronischen Akte war im Zeitpunkt der Anfertigung nach dem objekti-ven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten nicht erforderlich. Zum Zeitpunkt der Anfertigung der Auszüge standen dem Angeklagten und dem Beschwerdeführer die elektronischen Akten dauerhaft zu Verfügung. Der Beschwerdeführer konnte außerhalb der Hauptverhandlung jederzeit unter Nutzung entsprechender Hard- und Software auf die Akten Zugriff nehmen. Dem in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten war ein entsprechender Zugriff mit den Einschränkungen, die sich aus dem Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, ebenfalls möglich. Wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt, war dem Angeklagten auch eine jederzeitige Ein-sichtnahme in die überlassenen umfangreichen Auszüge aus der elektronischen Akte aufgrund der räumlichen Verhältnisse nicht möglich. Diese Zugriffsmöglichkeit hatte der Beschwerdeführer auch während der Hauptverhandlung soweit er einen mobilen Computer mit sich führte. Dem Angeklagten stand zwar insoweit keine direkte Einsichtnahme zu. Er konnte jedoch jederzeit im Rahmen von Unterbrechungen eine derartige Einsichtnahme in den vom Verteidiger mitgeführ-ten mobilen Computer vornehmen. Eine Einsichtnahme in diese Aktenbestandteile in Papier-form wäre schon aufgrund ihres Umfangs nicht möglich gewesen.

dd) Soweit der Beschwerdeführer diese Auszüge auch angefertigt hat, um bestimmte Vorgän-ge plastischer vor Augen zu haben oder in der Handakte leichter finden zu können, handelt es sich nicht um zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache gebotene Ausdrucke. Vielmehr dienen diese Ausdrucke lediglich der Vereinfachung der Arbeit des Rechtsanwalts. Es handelt sich daher um allgemeine Geschäftskosten, die mit den allgemeinen Gebühren abgegolten werden.

ee) Es ist dem Rechtsanwalt auch zumutbar, die ihn interessierenden Informationen am Bild-schirm zusammenzusuchen. Die elektronische Aktenbearbeitung gehört für viele Berufstätige, auch Rechtsanwälte und Richter, zum normalen Arbeitstag. In Kürze wird die elektronische Ak-te im Justizbereich eingeführt werden.

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Dr. Dauster Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

Dr. Koch
Richter
am Oberlandesgericht

Beckers
Richterin
am Oberlandesgericht

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Anmerkung:


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