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Entscheidungen

OWi

Nichtbescheidung,Entbindungsantrag; Auslegung, Gesuch, Entscheidung, Beschlussverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 23.05.2014 - 3 Ss OWi 596/14

Leitsatz: Der für eine Entbindung notwendige Antrag des Betroffenen, ihn gemäß § 73 II OWiG von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung nach § 73 I OWiG zu entbinden, kann in einer Anregung des Betroffenen auf Entscheidung im (schrift-lichen) Beschlussverfahren nach § 72 OWiG mitenthalten sein. Ein solches weite-res, im Einzelfall im Wege der Auslegung festzustellendes Begehren sollte bei einem verteidigten Betroffenen allerdings regelmäßig eindeutig formuliert sein, was erst recht dann gilt, wenn gerichtlich ausdrücklich um eine klarstellende Erklärung gebeten worden war (u.a. Anschluss an OLG Stuttgart Justiz 2013, 357; OLG Rostock, Beschluss vom 27.04.2011 – 2 Ss [OWi] 50/11 [bei juris] und BayObLGSt 1998, 179 = NZV 1999, 139 = OLGSt OWiG § 74 Nr. 12).


In pp.
Die Zentrale Bußgeldstelle setzte mit Bußgeldbescheid gegen den Betr. u.a. wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h eine Geldbuße von 105 Euro fest. Seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das AG in Abwesenheit des Betr. und seines Verteidigers mit Urteil vom 13.03.2014 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betr. - ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden zu sein - in der Hauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen sei. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung materiellen und formellen Rechts, insbesondere die Versagung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Zulassungsrechtsbeschwerde führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das AG.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 I Nr. 2 OWiG). Das Rechtsmittel erweist sich mit der gemäß § 80 III 3 OWiG i.V.m. § 344 II 2 StPO ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge der Verletzung von § 74 II OWiG als erfolgreich. Die Einspruchsverwer-fung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das AG über den noch rechtzeitig vor Verhandlungsbeginn gestellten (schlüssigen) Antrag des Betr., ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, nicht entschieden und deshalb das Fernbleiben des Betr. in der Hauptverhandlung zu Unrecht als nicht genügend ent-schuldigt angesehen hat. Darin liegt eine Versagung des rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103 I GG, die nach den §§ 79 I 2 i.V.m. § 80 I Nr. 2 OWiG die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedingt und zugleich deren zumindest vorläufigen Erfolg indiziert.
1. Allerdings steht einer Verurteilung nicht schon ein zur Einstellung zwingendes Ver-fahrenshindernis entgegen. Vielmehr genügt der Bußgeldbescheid als Verfahrens-grundlage den nicht zu überspannenden Anforderungen an eine hinreichende Tatbe-zeichnung. Entscheidend ist, dass der Betr. anhand der Tatbeschreibung des Bußgeld-bescheides verstehen kann, wegen welches nach der Lebensauffassung einheitlichen geschichtlichen Vorgangs er zur Verantwortung gezogen werden soll und dass insoweit eine Verwechslung mit einem möglichen gleichartigen anderen Fehlverhalten desselben Betr. ausgeschlossen ist (OLG Bamberg DAR 2009, 155 = OLGSt OWiG § 66 Nr. 11 = VRR 2009, 68 [Gieg]); hiervon ist vorliegend ohne weiteres auszugehen.
2. Der Zulassungsantrag, der als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde gilt, ist zulässig. Der Bf. hat alle zur Beurteilung der Frage, ob der gerügte Verstoß vorliegt, erforderlichen Verfahrenstatsachen vorgetragen. Insbesondere wird in der gebotenen Vollständigkeit dargelegt, weshalb von der Anwesenheit des Betr. in der am 13.03.2014 fortgesetzten Hauptverhandlung aufgrund der im Verfahren abgegebenen schriftlichen Erklärungen, namentlich dem per Telefax noch vor Beginn der Hauptverhandlung übermittelten und dem Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung auch tatsächlich vor-liegenden Verteidigerschriftsatz vom 13.03.2014 kein weiterer Beitrag zur Sachaufklä-rung mehr zu erwarten war.
3. Der Anspruch des Betr. auf rechtliches Gehör ist – wie die GenStA in ihrer Antrags-schrift im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Rechtsbeschwerderechtfertigung zutreffend ausführt – hier dadurch verletzt worden, dass das AG den mit Verteidiger-schriftsatz vom 13.03.2014 zumindest sinngemäß gestellten Antrag des Betr. auf Ent-bindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen rechtsfehlerhaft nicht be-schieden und deshalb sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung zu Unrecht als nicht genügend entschuldigt angesehen hat mit der Folge, dass das schriftliche Vorbringen des Betr. zur Sache bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden ist.
a) Einem Entbindungsantrag ist stattzugeben, wenn der Betr. sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte nicht erforderlich ist (§ 73 II OWiG). Diese Voraussetzungen waren hier gegeben.
aa) Zwar hat der Betr. nicht ausdrücklich beantragt, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Es entspricht allerdings obergericht-licher Rspr., dass der für die Entbindung notwendige Antrag im Sinne von § 73 II OWiG auch in einer – wie hier vom Gericht nicht aufgegriffenen – Anregung bzw. dem Ersu-chen des Betr. auf Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG mitenthal-ten sein kann, wenn auch ein derartiges weitergehendes, im Wege der Auslegung fest-zustellendes Begehren jedenfalls bei einem verteidigten Betr. nach Möglichkeit eindeu-tig formuliert sein sollte, was erst Recht gilt, wenn etwa seitens des Gerichts ausdrück-lich um eine klarstellende Erklärung gebeten worden war (OLG Stuttgart Justiz 2013, 357; OLG Rostock, Beschl. v. 27.04.2011 – 2 Ss [OWi] 50/11 [bei juris] und schon BayObLGSt 1998, 179 = NZV 1999, 139 = OLGSt OWiG § 74 Nr. 12; ferner OLG Bamberg, Beschluss vom 25.03.2009 – 3 Ss OWi 1326/08 [unveröffentlicht]).
bb) Nach den mit dem ‚Antrag‘ auf Aufhebung der Hauptverhandlung und Entscheidung „im schriftlichen Verfahren ohne Hauptverhandlung“ verbundenen Ausführungen im Schriftsatz seines Verteidigers vom 13.03.2014 musste das Gericht davon ausgehen, dass der seine Fahrereigenschaft zu dem im Bußgeldbescheid genannten Tatzeitpunkt einräumende Betr. entsprechend seiner Ankündigung in der anstehenden Hauptver-handlung keine weiteren Angaben zur Sache mehr machen wird und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich sein würde, womit die Voraussetzungen für eine Entpflichtung nach § 73 II OWiG gegeben waren. Warum das AG dem an keine bestimmte Form gebundenen Ansinnen auf Entbindung gleichwohl nicht entsprochen hat und warum es die Anwesenheit des Betr. in der Hauptverhandlung unbeschadet seiner bisherigen Sacheinlassung für erforderlich hielt, hat es weder in einem gesonderten Vermerk zur Akte noch in den Gründen seines Verwerfungsurteils dargelegt. Das AG hätte damit in Abwesenheit des Betr. verhandeln können; die über seinen Verteidiger abgegebene Einlassung zum Tatvorwurf hätte verwertet werden können und müssen.
b) Nach alledem hätte dem Antrag des Betr. auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entsprochen werden müssen. Hierdurch ist der Anspruch des Betr. auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden. Denn sein Einspruch hätte nicht nach § 74 II OWiG verworfen werden dürfen, weil sein Ausbleiben als entschuldigt anzusehen war. [...]

Einsender: RiOLG Dr. Georg Gieg, Würzburg

Anmerkung:


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