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Entscheidungen

Zivilrecht

Bahnunfall, Haftungsverteilung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Detmold, Urt. 02.07.2014 - 12 O 210/12

Leitsatz: Die Schadensverteilung erfolgt auch bei Unfällen zwischen Schienenbahnen und Kfz auf Bahnübergängen nach § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StVG.


In pp.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 28.197,20 € zu zahlen, die Beklagten zu 1) und 2) nebst Zinsen in Höhe 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 8.9.2012, der Beklagte zu 3) nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent auf einen Betrag von 25.915,96 € ab dem 8.9.2012 bis zum 10.11.2012 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 28.197,20 € ab dem 11.11.2012.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.005,40 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 8.9.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägen die Klägerin zu 7 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 93 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin aber in Bezug auf die Beklagten zu 1) und zu 2), nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Klägerin, Betreiberin des Audi-Zentrums in M, macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 22.6.2012 geltend.
Am 22.6.2012 kurz vor 23:00 Uhr bog der Zeuge L3 mit dem im Eigentum der Klägerin stehenden Fahrzeug, einen Pkw Audi A6 Avant 2,7 TDI, amtliches Kennzeichen MS-XX 222, in Detmold von der Straße S links in die O-Strasse ein. Im Fahrzeug befanden sich auch die beiden minderjährigen Kinder des Fahrers L3 und der Zeuge X2.
Etwa 150 m von der Einmündung entfernt, kreuzt die O-Strasse den durch ein Andreaskreuz mit Rotlicht und einer Schrankenanlage abgesicherten, schwer einsehbaren Bahnübergang der Bahnstrecke von L nach D. An der Stelle des Bahnübergangs gilt das Tempolimit innerorts von 50 km/h. Die Infrastrukturanlagen dieser Bahnstrecke stehen im Eigentum der Beklagten zu 1), die Beklagte zu 2) betreibt auf der Strecke den Bahnbetrieb.
Als sich der Zeuge L3 dem Bahnübergang näherte, war die Schranke geöffnet und das Rotlicht leuchtete nicht auf. Der Zeuge L3 betreibt in unmittelbarer Nähe zum Bahnübergang die Sportstätte "S" und nutzte daher häufig diese Bahnüberquerung. Er wusste, dass der Bahnübergang durch eine Schrankenanlage gesichert ist, welche übergangsweise von einem Schrankenwärter, dem Beklagten zu 3), bedient wurde. Die als Container aufgestellte Schrankenwärterstation war an dem Abend beleuchtet und neben ihr befand sich ein geparkter Pkw.
Vor dem Bahnübergang vernahm der Zeuge L3 das für einen herannahenden Zug typische Hupsignal. Trotz Einleitung einer Vollbremsung konnte er das Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig zum Stehen bringen und fuhr seitlich in den mit 100 km/h von rechts kommend an ihn vorbeifahrenden, von dem Zeugen L4 geführten Zug mit der Nummer 9xxx.
Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt gab es keine Anordnung an den Zugführer zur eigenständigen Sicherung des Bahnübergangs. Vielmehr hatte der Beklagte zu 3) Dienst, um den Bahnübergang zu sichern. Die Errichtung der mobilen Schrankenanlage war erforderlich geworden, da die ursprüngliche Bahnübergangssicherungsanlage aufgrund eines Blitzeinschlags ausgefallen war und aufwändig erneuert werden musste. Aufgrund eines Rahmenvertrages, den die E GmbH im eigenen und im Namen der Beklagten zu 1) im Jahr 2009 abgeschlossen hatte, oblag die Bahnübergangssicherung der B GmbH, für die der Beklagte zu 3) tätig war. Gegen 22:50 Uhr wurde dieser auch telefonisch darüber informiert, dass der Zug Nr. 9xxx den Bahnhof in Lage planmäßig verlassen würde. Dieses trug der Beklagte auch vorschriftsgemäß in dem Buch "Nachweis der Benachrichtigung" ein. Er sicherte den Bahnübergang jedoch nicht ab.
Auf Veranlassung der Polizei wurde der fahruntüchtige Wagen der Klägerin durch die Fa. I vom Unfallort zu deren Betriebsgelände abgeschleppt. Hierfür und für Standgebühren wurden der Klägerin netto 330,00 € in Rechnung gestellt. Am 28.6.2012 überführte die Klägerin ihr Fahrzeug dann zu ihrem Firmensitz nach M. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von netto 209,24 €.
Die Klägerin holte ein Sachverständigengutachten über ihr Fahrzeug ein. Nach dem Gutachten des Sachverständigenbüros K vom 3.7.2012 entstand an dem Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sachverständigengutachten vom 3.7.2012 (Anl. K1, Bl. 7 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit Rechnung vom 3.7.2012 stellte das Ingenieurbüro für die Erstellung des Gutachtens Kosten in Höhe von 1.647 € netto in Rechnung.
Am 18.7.2012 veräußerte die Klägerin den Audi im verunfallten Zustand zu einem Kaufpreis von 13.101 EUR brutto.
Die Klägerin forderte die Begleichung von Schadensersatzpositionen in Höhe von insgesamt 32.909,70 € von den Beklagten zu 1) und 2) bis zum 17.8.2012. Weitere Schadenspositionen wurden unter Fristsetzung bis zum 7.9.2012 von den Beklagten eingefordert. Auf die Schreiben vom 6.8.2012, 30.8.2012, 31.8.2012 und 6.9.2012 (Anl. K6- K11, Bl. 20 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.099 € beglichen.
Die Klägerin behauptet, der Fahrzeugführer des Pkw habe sich mit 40-50 km/h der Unfallstelle genähert. Dieser habe erst unmittelbar vor dem Bahnübergang das Hubsignal vernommen und instinktiv eine Vollbremsung eingeleitet.
Die Klägerin ist der Ansicht, eine Haftung der Beklagten liege vor. Die Beklagte zu 1) müsse sich das Verhalten des Beklagten zu 3) zurechnen lassen und die Beklagte zu 2) müsse sich das Verhalten des Zeugen L4 zurechnen lassen. Dieser hätte damit rechnen müssen, dass der Bahnübergang zum Unfallzeitpunkt nicht ordnungsgemäß gesichert war und hätte vorsorglich Anhalten oder die Geschwindigkeit zumindest erheblich reduzieren müssen.
Die Klägerin behauptet weiter, der Zeuge L4 habe ein Bahnsignal, welches auf die offene Schrankenanlage hinweise, nicht beachtet.
Mit der Klage macht die Klägerin ausgehend von einem Wiederbeschaffungswert von netto 36.932,77 € und einem Restwert von netto 11.016,81 € einen Totalschaden des Fahrzeugs in Höhe von 25.915,96 € geltend. Darüber hinaus fordert sie Ersatz der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens, der Abschlepp-, Stand- und Überführungsgebühren.
Aufgrund der größeren Entfernung zum Unfallort und des daraus resultierenden höheren Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwandes für die Informationsbeschaffungen fordert die Klägerin eine Auslagenpauschale in Höhe von 30 € und für den Aufwand bezüglich der Abmeldung des Fahrzeugs eine Pauschale in Höhe von 70 €.
Die Klägerin ist der Ansicht, ab dem 6.7.2012 bis zum 19.7.2012, also für insgesamt 28 Tage, stehe ihr ein Nutzungsausfallanspruch zu, welcher nach der anzuwendenden Tabelle von Sanden und Danner pro Tag mit 65 € zu berechnen sei, also mithin 1.820 € betrage. Die Klägerin behauptet, ein zusätzliches Fahrzeug für den Ausfall des zu repräsentativen Zwecken angeschafften Audis sei nicht vorhanden gewesen. Erst nach dem 19.7.2012 sei ein Neufahrzeug für das verunfallte Fahrzeug angeschafft worden.
Mit der Klage macht die Klägerin weiter vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten, ausgehend von einer 1,3 Geschäftsgebühr, in Höhe von 1.079 € zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € geltend.
Die Klägerin beantragt,
1. 1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 30.022,20 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 8.9.2012 zu zahlen;
2. 2.
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, als Nebenforderung vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.099,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 8.9.2012 zu zahlen;
3. 3.
gegen den Beklagten zu 3) im schriftlichen Verfahren ein Teil-Versäumnisurteil zu erlassen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 3) ist in der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2014 nicht erschienen.
Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, der Unfall sei ganz überwiegend und grob schuldhaft durch eine Vorfahrtsverletzung und einen Verstoß gegen die Wartepflicht des Fahrers L3 verursacht worden und durch dessen hohe Geschwindigkeit. Der Fahrzeugführer sei gehalten gewesen, sich dem Bahnübergang nur mit mäßiger Geschwindigkeit zu nähern. Die Betriebsgefahr auf Seiten der Beklagten zu 1) trete vollständig zurück.
Sie behauptet, zu einer messbaren Nutzungsbeeinträchtigung aufgrund des Unfalls sei es bei der Klägerin nicht gekommen, da die Klägerin als Autohaus über mehrere Vorführfahrzeuge verfüge.
Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, die nicht erfolgte vorschriftsmäßige Sicherung des Bahnübergangs liege allein im Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1) und 3). Der Unfall habe sich für sie als Fall höherer Gewalt dargestellt.
Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten, das Fahrzeug der Klägerin habe sich mit einer weit höheren Geschwindigkeit als 50 km/h dem Bahnübergang genähert.
Sie sind der Ansicht, eine Gefahrenlage sei für den Zugführer nicht ersichtlich oder abzusehen gewesen. Dieser habe auch darauf vertrauen dürfen, dass die Verkehrsteilnehmer den Grundsatz des Vorrangs des Bahnverkehrs beachten würden. Auch nach dem Passieren des Bahnübergangs habe dieser nicht von einem Unfall ausgehen müssen.
Jedenfalls treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden, da sie sich das Verhalten des Fahrzeugführers L3 zurechnen lassen müsse. Dieser hätte sich unter Berücksichtigung seiner Kenntnis von der konkreten Örtlichkeit dem Bahnübergang langsamer nähern müssen.
Sie sind weiter der Ansicht, ein Nutzungsausfallersatz scheide bei gewerblich genutzten Fahrzeugen aus.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst dazu überreichten Anlagen, sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.4.2013 (Bl. 265 ff. d.A.) und vom 4.6.2014 (Bl.430 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte zu 3) ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4.6.2014 trotz ordnungsgemäßer Ladung (s. Bl. 417 d.A.) nicht erschienen.
Das Gericht hat Beweis darüber erhoben, ob der Zeuge L3 den Bahnübergang mit einer Geschwindigkeit von über 50 km/h überfahren hat, und darüber, bei welcher Geschwindigkeit dieser rechtzeitig vor den Schienen hätte anhalten können sowie über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes des verunfallten Fahrzeugs durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2014 mündlich erläutert. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. T vom 25.2.2014 (Bl. 342 ff. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2014 (Bl. 430 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in Höhe des aus dem Tenor ersichtlichen Umfanges begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 28.197,20 €.
I.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) sind nach § 1 Abs. 1 HPflG der Klägerin zum Ersatz des aus dem Unfall vom 17.02.2010 entstandenen Schadens in Höhe von 28.197,20 € verpflichtet.
Danach ist der Betriebsunternehmer dem Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn bei dem Betrieb einer Schienenbahn eine Sache beschädigt wird.
1.
Der Pkw der Klägerin wurde bei dem Betrieb einer Schienenbahn beschädigt. Ein unmittelbarer äußerer - örtlicher und zeitlicher - Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung der Eisenbahn besteht, indem sich die Kollision während der Fahrt der Bahn als typischer Betriebsvorgang ereignete.
1.1.
Bei den Beklagten zu 1) und 2) handelt es sich auch um Bahnbetriebsunternehmen im Sinne von § 1 HPflG.
Denn Betriebsunternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der eine Bahn für eigene Rechnung betreibt und dem die Verfügung über den Betrieb zusteht. Damit ist zwar grundsätzlich die Verfügung über den Bahnbetrieb als Ganzes gemeint, also über Beförderungsmittel und Infrastruktur. Betriebsunternehmer kann aber auch sein, wer lediglich die Herrschaft über einen Teil des Betriebes innehat, wenn das Merkmal des Betreibens auf eigene Rechnung erfüllt ist. Entscheidend ist, dass er gerade durch die Einwirkungsmöglichkeiten und -verpflichtungen hinsichtlich dieses Teils des Betriebes imstande ist, die hiervon ausgehenden Gefahren abzuwenden oder zu verringern (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18. Mai 2011 - 2 O 8329/10 -, [...]). Die Beklagten zu 1) und 2 ) schaffen und beherrschen voneinander getrennte Gefahrenquellen und nehmen selbstständig eine Teilaufgabe des Eisenbahnbetriebes wahr.
Die Beklagte zu 1) ist als Eisenbahninfrastrukturunternehmen zuständig für den Gleisbetrieb. Sie vermarktet für eigene Rechnung ihr Netz an Eisenbahnverkehrsbetreiber, indem sie Fahrplantrassen vemietet, Fahrpläne aufstellt und den Netzbetrieb abwickelt, insbesondere durch das Bedienen von Weichen, Signalen, Schranken sowie betriebliche Melde- und Sicherheitssysteme.
Das Eisenbahnverkehrsunternehmen vermarktet seine Schienenverkehrsleistung gegenüber Kunden ebenfalls für eigene Rechnung und setzt Züge auf der fremden Infrastruktur ein. Jedes der beiden Unternehmen hat die Verfügungsgewalt über den ihn zustehenden Teil des Bahnbetriebs (vgl. Tschersich in: VersR 2003, 962, 963). Daraus folgt, dass beide die Sicherheit der Eisenbahntransporte wesentlich beeinflussen und damit Unfallgefahren abwenden können.
1.2.
Der Anspruch ist auch nicht wegen höherer Gewalt gemäß § 1 Abs. 2 HPflG ausgeschlossen. Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist.
Vorliegend fehlt es bereits an einem betriebsfremden Ereignis. Der Beklagte zu 3) hat es unterlassen, die technischen Sicherungsvorkehrungen an dem Bahnübergang zu betätigen. Diese dienen unmittelbar der Absicherung der Gefahren, die typischerweise mit dem Überqueren einer öffentlichen Straße durch die Bahn verbunden sind. Jedenfalls ist eine unzureichende Sicherung eines Bahnüberganges auch nicht unvorhersehbar. Die Gefahrenquelle wurden von beiden gleichermaßen eröffnet.
2.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) haften jeweils zu 100 %.
Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin vollständig hinter den Verursachungsbeiträgen der Beklagten zurück.
Die Schadensverteilung erfolgt auch bei Unfällen zwischen Schienenbahnen und Kfz auf Bahnübergängen nach § 17 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 StVG (vgl. SVR, Straßenverkehrsrecht 12/2010, 441 (444)). Danach hängt im Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung entscheiden in erster Linie das Maß der Verursachung, das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen und wie sie sich beim konkreten Unfall ausgewirkt haben.
Auszugehen ist dabei zunächst von den Betriebsgefahren. Dabei ist die allgemeine Betriebsgefahr der fahrenden Bahn aufgrund der großen, bewegten, schienengebundenen Masse und dem langen Bremsweg grundsätzlich höher als die des fahrenden Kfz (Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 17, Rn. 6).
Die Beklagte zu 1) muss sich zudem das Verschulden eines für die Gewährleistung der Sicherheit an Bahnübergängen beauftragten Unternehmens nach § 278 BGB zurechnen lassen.
Ein Verschulden des Fahrers muss sich die Klägerin nach § 4 HPflG zurechnen lassen. Ein Verursachungsbeitrag der Klägerin tritt jedenfalls zurück.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 StVO darf sich der Straßenverkehr Bahnübergängen nach Satz 1 nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern. Mäßig ist die Geschwindigkeit dann, wenn die Wartepflicht erfüllt werden kann, ohne dass eine Gefahrbremsung notwendig wird (Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 19, Rn.14). Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort.
Wenn die Schranke geöffnet ist, darf der Kraftfahrer jedoch darauf vertrauen, dass - auch bei Unübersichtlichkeit - kein Zug kommt. Ist die Geschwindigkeit vor dem Bahnübergang auf die allgemein innerorts zugelassene Geschwindigkeit beschränkt, darf sich der Fahrer auch mit dieser Geschwindigkeit dem Bahnübergang nähern. Denn der Kraftfahrer hält die an Bahnübergängen vorgeschriebene mäßige Geschwindigkeit ein, wenn er sich im Rahmen der allgemein für die benutzte Straße zugelassenen Höchstgeschwindigkeit fortbewegt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. März 1985 - 1 Ss OWi 659/84 -, [...]).
Vorliegend handelte es sich um einen gesicherten Bahnübergang. Dass die Schranke durch einen Bediensteten manuell bedient werden musste, ändert nichts daran, dass der Fahrzeugführer darauf vertrauen durfte, dass bei geöffneter Schranke kein Zug kreuzen würde. Dass die Schranke auch ordnungsgemäß bedient werden würde, konnte der Fahrzeugführer berechtigterweise aus dem beleuchteten Diensthäuschen und dem davor geparkten Pkw schließen. Vor dem Bahnübergang steht hier das Orteingangsschild, welches nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h anordnet.
Diese Umstände sprechen für die Kammer dafür, eine Annäherungsgeschwindigkeit an den Bahnübergang von 50 km/h als angemessen anzusehen und dann einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 StVO zu verneinen.
Dass der Fahrzeugführer sich mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h genähert hat, sieht die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen an.
Aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. T ergibt sich, dass sich das Fahrzeug der Klägerin mit 50 km/h den Bahngleisen näherte.
Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Sie sind auch für den Laien gut nachvollziehbar, das Gutachten ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Sachverständige ist für die vorliegende Beurteilung auch besonders qualifiziert. Er hat anschaulich und überzeugend dargelegt, wie er zu den jeweiligen Erkenntnissen gelangt ist und auf welchen Grundlagen diese beruhen.
Die Ergebnisse des Gutachtens konnte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung weiter vertiefen und begründen. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung die Sachverhaltsermittlung, die Versuchsübersicht und die Berechnung der Ausgangsgeschwindigkeit detailliert und für das Gericht gut nachvollziehbar erläutert.
Trotz der Einwendungen gegen sein Gutachten konnte der Sachverständige seine Feststellungen im Einklang mit seinem schriftlichen Gutachten überzeugend darlegen. Auf die Einwendung der Klägerin, der Sachverständige habe den Kollisionswinkel von 76,5° bei der Ermittlung der Kollisionsgeschwindigkeit unberücksichtigt gelassen, erläuterte dieser, bei der Beurteilung der Geschwindigkeit berücksichtigt zu haben, dass die Straße nicht genau rechtwinkelig zu der Bahnstrecke verläuft. Hinsichtlich der Einwendung, die Ecken und Kanten aus Stahl und Blech sowie die massiven Metallräder im Anstoßbereich des Zuges haben den Schaden an dem Fahrzeug vergrößern können, konnte der Sachverständige erklären, dass die Kollision mit den massiven Eisenträgern des Zuges dennoch ähnlich einer Kollision mit einer Betonwand sei. Auch den Einwand, die Reaktionsposition des Sachverständigen bei 24 m vor dem Zug sei nicht nachzuvollziehen, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung plausibel widerlegt. Durch das Streulicht des Fahrzeugs sei der Zug auch entsprechend dem Gutachten für den Fahrzeugführer erkennbar gewesen.
Selbst wenn der Fahrzeugführer aufgrund der defekten und manuell betriebenen Bahnschranke gehalten gewesen wäre mit einer mäßigen Geschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h an den Bahnübergang heranzufahren, so träte auch diese erhöhte Betriebsgefahr nach Ansicht der Kammer gegenüber der Betriebsgefahr des Bahnbetreibers jedenfalls zurück.
3.
Die mit der Klage geltend gemachten Schäden sind in Höhe von 28.197,20 € auch ersatzfähig.
Der Umfang des Schadensersatzes richtet sich für die Beklagten nach den §§ 249 ff. BGB.
Der Schaden an dem Fahrzeug der Klägerin ist in Höhe von 25.915,96 € nach § 251 BGB zu ersetzten. Dem zugrunde liegt ein Wiederbeschaffungswert des zerstörten Fahrzeugs von netto 36.932,77 Euro und ein Restwert netto 11.016,81 EUR entsprechend dem von der Klägerin eingeholten Gutachten des Sachverständigenbüros K. Der Sachverständige Prof. T hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er die von dem Gutachter vorgefundenen Werte bezüglich des beschädigten Autos daraufhin überprüft habe, ob diese Werte überzeugend sind. Dies sei der Fall gewesen. Die Kammer folgt auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen und hat keine Zweifel an deren Richtigkeit.
Die Sachverständigengebühren in Höhe von netto 1.647,00 € sind ebenfalls zu ersetzen. Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens und nach § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähig.
Die Abschleppkosten und die Überführungskosten sind ebenfalls ersatzfähige Schäden. Erstattungsfähig sind nach § 249 Abs. 2 BGB Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Beides trifft bezüglich der Abschleppkosten und Überführungskosten zu.
Die Kosten für die Neuanmeldung wurden vorliegend konkret dargelegt und sind in der geltend gemachten Höhe von 70,00 € auch ersatzfähig, § 249 Abs. 2 BGB.
Eine Auslagenpauschale ist der Klägerin in Höhe von 25,00 € zu erstatten. Für den Aufwand der Schadensabwicklung eines Verkehrsunfalls ist, da es sich um mehr als ein Bagatellschaden handelt, für Telefon, Porto und Fahrtkosten ohne weitere Spezifizierung eine Auslagenpauschale zuzuerkennen. Diese beträgt in der Regel 25,00 € (Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Auflage, 2014, § 249, Rn. 79). Darüber hinausgehende Nachweise höherer Auslagen wurden nicht erbracht.
Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung besteht nicht.
Bei einem Ausfall eines gewerblich genutzten Kfz bemisst sich der Schaden nach dem entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs oder der Miete eines Ersatzfahrzeugs (Palandt- Grüneberg, BGB, 73. Auflage, 2004 § 249, Rn. 47). Danach kann keine abstrakte Nutzungsentschädigung auf Grundlage von Tabellen geltend gemacht werden, es bedarf vielmehr einer konkreten Darlegung des Schadens. Hieran fehlt es vorliegend.
II.
Gegen den Beklagten zu 3) war der Erlass eines Versäumnisurteils zulässig und ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 3) nach ihrem Vorbringen auch begründet.
1.
Der Beklagte zu 3) ist im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung (s. Bl. 417 d.A.) nicht erschienen. Soweit ein Versäumnisurteil nicht mehr im schriftlichen Vorverfahren ergehen kann, konnte vorliegend angenommen werden, dass die Klägerin nun noch jedenfalls den Erlass eines Versäumnisurteils als Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung begehrt.
Die Klägerin stellte in der Verhandlung vom 4.6.2014 die Anträge wie zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.4.2013. In dieser Verhandlung hat die Klägerin die Anträge aus der Klageschrift vom 8.10.2012 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 24.1.2013 gestellt. In Letzterem hat sie den Erlass eines Teil- Versäumnisurteils gegen den Beklagten zu 3) beantragt. Der Antrag der Klägerin war danach dahingehend auszulegen, dass die Klägerin nunmehr weiterhin den Erlass eines Versäumnisurteils begehrt, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Denn die aus dem Antrag der Klägerin ergibt sich ohne Zweifel das Begehren auf Erlass eines Versäumnisurteils. Die Abhängigkeit von einer bestimmten Verfahrenssituation kann hingegen nicht angenommen werden.
2.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 3) einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 28.197,20 € nach § 823 Abs. 1 BGB.
Das Eigentum der Klägerin wurde durch ein Unterlassen der Beklagten zu 3) verletzt. Die Beklagte zu 3) musste als Schrankenwärter die Schranke rechtzeitig schließen (Hetschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 19, Rn. 31). Dieser Pflicht ist der Beklagte zu 3) kurz vor dem Unfallzeitpunkt nicht nachgekommen. Der geltend gemachte Schaden beruht auch auf diesem Unterlassen. Nach dem Vorbringen der Klägerin handelte der Beklagte zu 3) auch zumindest fahrlässig, indem er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Denn der Beklagte zu 3) wurde danach von dem Eintreffen des Zuges rechtzeitig informiert und unterließ dennoch die erforderlichen Absperrmaßnahmen.
Ein Mitverschulden der Klägerin liegt, wie bereits dargestellt, nicht vor.
Die Höhe des Schadens ergibt sich aus dem oben Gesagten.
III.
Die Beklagten zu 1) und 2) befinden sich durch die Zahlungsaufforderung der Klägerin bis zum 7.9.2012 seit dem 8.9.2012 in Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Die Beklagte zu 3) schuldet Zinsen mangels Zahlungsaufforderung vor Rechtshängigkeit nur nach § 849 BGB in Verbindung mit § 246 BGB. Danach kann die Klägerin den gesetzlichen Zinssatz bezüglich der zu ersetzenden Wertminderung verlangen. Zinsen sind jedoch nicht vor dem von der Klägerin beantragten Zeitpunkt zu gewähren, § 308 ZPO.
Ab Rechtshängigkeit ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 BGB.
IV.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagten zu 1) und 2), soweit die Klage begründet ist, nach §§ 286, 249 BGB. Ausgehend von einem Gegenstandswert bis zu 30.000 € und einer Geschäftsgebühr von 758,00 € ergibt sich eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 985,40 € zuzüglich einer Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 €, also insgesamt 1.005,40 €.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 100 Abs. 4 ZPO.
VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für die Klägerin aus § 709 ZPO und für die Beklagten zu 1) und 2) aus §§ 708, 711 ZPO, für den Beklagten zu 3) aus § 708 Nr. 2 ZPO.

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