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Entscheidungen

StPO

Zeuge, Ausland, Erscheinenspflicht

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.10.2013 - 2 Ws 58/13

Leitsatz: 1. Zeugenpflichten sind staatsrechtlich begründete Pflichten und verpflichten jeden, der mit Wohnsitz in Deutschland als Zeuge geladen wird.
2. Verlässt der Zeuge zwischen Ladung und Hauptverhandlungstermin das Bundesgebiet, ändert das an seiner durch die Ladung in seiner Person begründeten Zeugenpflicht nichts.
3. Gegen ihn darf ein Ordnungsmittel nach § 51 StPO verhängt werden, und zwar unabhängig davon, ob er deutscher oder ausländischer Staatsangehöriger ist (entgegen OLG Düsseldorf, 25. Januar 1999, 1 Ws 702/98, NJW 1999, 1647 und 29. Mai 1991, 2 Ws 148/91, NJW 1991, 2223).


In pp.
Die Beschwerde wird kostenpflichtig verworfen.
Gründe
I.
Das Landgericht Darmstadt hat mit Beschluss vom 13. August 2012 gegen die ordnungsgemäß geladene Zeugin türkischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Deutschland ein Ordnungsgeld verhängt, nachdem sie in der Hauptverhandlung am 13. August 2012, für die sie geladen war, nicht zu ihrer Vernehmung erschienen war, weil sie sich vorübergehend in der Türkei aufgehalten hat.

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2013 legte die Zeugin gegen den Ordnungsgeldbeschluss Rechtsmittel ein und entschuldigte nachträglich gemäß § 51 Abs. 2 S. 3 StPO ihr Fernbleiben. Mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 1. Juli 2013 hat das Landgericht Darmstadt den Antrag auf nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses vom 13. August 2012 zurückgewiesen. Der hiergegen mit Schreiben vom 5. Juli 2013 eingegangenen einfachen Beschwerde (§§ 304 Abs. 1, 2, 305 StPO) hat das Landgericht nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zur Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 51 StPO gegen die türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland war das Landgericht berechtigt, obwohl sich die Zeugin zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung in der Türkei aufgehalten hat (entgegen OLG Düsseldorf NJW 1999, 1647 [OLG Düsseldorf 25.01.1999 - 1 Ws 702/98]-1648 m. w. N.).

Alle Zeugenpflichten sind staatsrechtlich begründete Pflichten, die die Strafprozessordnung nicht konstituiert, sondern voraussetzt (vgl. BVerfG NJW 1979, 32 [BVerfG 10.10.1978 - 2 BvL 3/78]; für alle LR-Ignor/Bertheau StPO 26. Aufl. Vor. § 48 Rn. 16). Die Durchsetzung dieser Pflicht durch Anordnung von Sanktionen gehört zum überlieferten Normenbestand (BVerfGE 43, 101, 106 [BVerfG 09.11.1976 - 2 BvL 1/76]) und ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG 1988, 897 Rn. 67 m.w.N.). Diese Pflicht trifft zumindest jeden, der mit Wohnsitz in Deutschland als Zeuge geladen wird, und zwar unabhängig davon, ob er deutscher oder ausländischer Staatsangehöriger ist (h.M. vgl. nur Anm. Staudinger StraFo 2012, 12 zu OLG Stuttgart v. 01.06.2011 - 5-3 StE 6/10 m.w.N.; Ausnahme §§ 18-20 GVG). Begründet wird die Pflicht mit der ordnungsgemäßen Ladung, und sie endet mit Erscheinen und wahrheitsgemäßer Aussage vor dem Gericht oder Abladung, was sich nicht zuletzt aus dem Wortlaut des § 51 StPO ergibt. Verlässt der Zeuge zwischen Ladung und Hauptverhandlungstermin das Bundesgebiet, ändert sich an seiner durch die Ladung in seiner Person begründeten Zeugenpflicht nichts. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Territorialprinzip (a.A. OLG Düsseldorf NJW 1999, 1647 Rn. 9 [OLG Düsseldorf 25.01.1999 - 1 Ws 702/98] m.w.N.). Die deutsche Gerichtsbarkeit ist zwar hinsichtlich ihres Geltungsbereichs auf das deutsche Staatsgebiet beschränkt und kann deswegen gegen Zeugen im Ausland, und zwar unabhängig von deren Staatsangehörigkeit, keine Zwangsmittel anwenden. Eine zwangsweise Vorführung nach § 51 Abs. 1 S. 3 StPO gegen einen nicht erschienen Zeugen scheidet deswegen aus, solange er sich nicht in Deutschland und damit im Hoheitsgebiet der deutschen Strafgewalt befindet. Das gilt aber nicht für die Anordnung der Ordnungsmittel (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) und die Kostentragungspflicht (§ 51 Abs. 1 S.1 StPO). Es sind nämlich keine Zwangsmittel oder Vollstreckungsmaßnahmen, die die Durchführung der Hauptverhandlung sicherstellen, oder den Zeugen zur Aussage zwingen sollen, sondern Sanktionsmittel zur Ahndung eines bereits begangenen Ungehorsams (vgl. BVerfG NJW 1988, 897, 898 [BVerfG 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86]). Historisch waren als Sanktionen für derartigen Ungehorsam sogar Geld- und Gefängnisstrafen vorgesehen, die erst durch das Einführungsgesetz zum StGB v. 02.03.1974 durch den Begriff "Ordnungsgeld" und damit zu einer "Ungehorsamsfolge nichtkrimineller Art" auf einer Ebene unterhalb der Strafsanktionen und Ordnungswidrigkeiten ersetzt wurden (vgl. ausführlich zur Historie des §§ 51 StPO, 380 ZPO Grüneberg MDR 1992, 326, 329 m.w.N.). Bestätigt wird dies auch durch den Wortlaut des § 51 StPO, der als Tatbestandsvoraussetzung lediglich die Ladung und das unentschuldigte (§ 51 Abs. 2 StPO) Nichterscheinen nennt. Es ist dabei unerheblich, wo sich der Betroffene befindet und welche Staatsangehörigkeit er hat. § 51 StPO verlangt auch kein absichtliches Entziehen von der Zeugenpflicht (so offensichtlich OLG Düsseldorf NJW 1999, 1647 Rn. 11 [OLG Düsseldorf 25.01.1999 - 1 Ws 702/98]). Ausreichend ist alleine das (unentschuldigte) Nichterscheinen des Verpflichteten. Dies löst die Anordnung der Sanktion aus. Das Territorialprinzip steht, soweit keine internationalen Vollstreckungsabkommen bestehen, deswegen nur der Vollstreckung dieser Sanktion, nicht aber deren Anordnung entgegen.

Die Voraussetzungen des § 51 StPO sind gegeben.

Die Beschwerdeführerin ist eine in Deutschland wohnhafte türkische Staatsangehörige, die aufgrund ordnungsgemäßer gerichtlicher Verfügung als Zeugin im Hauptverhandlungstermin am 13. August 2012 vor die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Darmstadt als Zeugin geladen worden war. Die Ladung war der Beschwerdeführerin am 23. Juni 2012 zugestellt. Im Hauptverhandlungstermin am 13. August 2012 erschien die Beschwerdeführerin nicht. Ihre im Sitzungssaal anwesende Schwester erklärte, dass sich die Beschwerdeführerin in Ankara zur Ableistung eines Praktikums befinde und erst im Oktober nach Deutschland zurückkehre. Daraufhin setzte das Landgericht durch Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,-- Euro, ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft fest.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2013 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des am 2. Mai zugestellten Ordnungsgeldbeschlusses und verwies zur Begründung darauf, dass sie unmittelbar nach der Ladung ihrem jetzigen Rechtsanwalt Unterlagen übersandt hatte, die belegen sollten, dass sie zur Hauptverhandlung nicht erscheinen könne, weil sie in der Türkei ein Praktikum absolvieren würde. Diese Unterlagen sind - aus welchen Gründen auch immer - nicht bei Gericht vorgelegt worden.

Die Beschwerdeführerin ist ordnungsgemäß geladen worden und bis zum Hauptverhandlungstermin nicht rechtzeitig genügend entschuldigt im Sinne des § 51 Abs. 2 S. 1 StPO.

Eine Entschuldigung, die rechtzeitig vorgebracht wird und genügende Gründe enthält, schließt die Folgen des § 51 Abs. 1 StPO aus. Ob die Zeugin sich selbst oder ob ein anderer sie entschuldigt, ist gleichgültig. Erforderlich ist aber stets, dass sie entschuldigt wird (Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 51 Rn. 7). Rechtzeitig war die Entschuldigung vorliegend schon deswegen nicht, weil sie nicht bei Gericht eingegangen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin oder ihr Vertreter diese Säumnis verursacht haben, da das Gericht vorliegend mangels Kenntnis von dem Praktikum keine Disposition in seiner Verhandlungsführung vornehmen konnte.

Die Beschwerdeführerin hat sich auch nicht nachträglich entschuldigt (§ 51 Abs. 2 S. 3 StPO).

Eine nachträgliche Entschuldigung führt zur Aufhebung des Ordnungsmittels nur dann, wenn unabhängig davon, dass das Ausbleiben genügend entschuldigt ist, glaubhaft gemacht wird, dass die Beschwerdeführerin an dem verspäteten Vorbringen der Entschuldigungsgründe kein Verschulden trifft. Wie das Landgericht Darmstadt in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 30. Juli 2013 zutreffend festgestellt hat, fehlt es vorliegend am fehlenden Verschulden der Beschwerdeführerin. Selbst wenn sie durch die mittlerweile vorgelegten Unterlagen aus Ausbildungsgründen konkret daran gehindert gewesen wäre, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, weil sie in der Türkei ein Pflichtpraktikum absolviert hat, wäre die Beschwerdeführerin gehalten gewesen, nachzufragen, ob ihre Entschuldigung beim Landgericht eingegangen ist und wie die Strafkammer daraufhin entschieden hat. Das gleiche gilt auch, wenn sie einen Dritten, hier ihren späteren Rechtsanwalt, mit der Weiterleitung und der entsprechenden Entschuldigungserklärung beauftragt hat. Bis zum Antritt ihres Praktikums in der Türkei war sie durch keine Entscheidung des Landgerichts von der Pflicht zum Erscheinen, befreit. Bei dieser Sachlage ist es ihre Verpflichtung, von der sie sich nicht exkulpiert hat, sich über den Sachstand und eine eventuelle Befreiung von der Zeugenpflicht vorab zu erkundigen. Ohne Rückfragen und ohne Befreiung von der Zeugenpflicht in die Türkei zu fliegen und damit der Hauptverhandlung fern zu bleiben, löst die Ungehorsamsfolge des § 51 StPO aus.

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