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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Einstellung, erkennungsdienstliche Unterlagen, Löschung,

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Neustadt, Urt. v. 21.05.2013 - 5 K 969/12.NW

Leitsatz: 1. Zum Anspruch auf Löschung erkennungsdienstlicher Unterlagen einschließlich eines durch molekulargenetische Untersuchung gewonnenen DNA Identifizierungsmusters (genetischer Fingerabdruck).
2. Nach Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO kann die Polizeibehörde im Rahmen von § 11 Abs. 2 POG nicht regelmäßig von einem fortbestehenden Verdacht einer strafbaren Handlung ausgehen, der die Aufbewahrung von nach § 81 b und § 81 g St PO gewonnenen Daten rechtfertigt. Sie darf sich zur Beurteilung nicht allein auf die Formulierung der Einstellungsverfügung stützen, wenn diese nicht alle für eine mögliche Strafbarkeit wesentlichen Umstände berücksichtigt. Erfolgt die Einstellung aufgrund einer ungenügenden Beweislage, hat die Polizeibehörde ggf. selbst noch zu prüfen, ob überhaupt die Tatbestandsmerkmale einer Strafnorm erfüllt wären.


In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn C.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Norbert Krämer, Rudolf-Breitscheid-Straße 73, 67655 Kaiserslautern,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des Polizeipräsidiums X.........,
- Beklagter -
wegen Polizeirechts
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2013, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Cambeis
Richter am Verwaltungsgericht Wingerter
Richterin am Verwaltungsgericht Reitnauer
ehrenamtlicher Richter Physiker Dr. Springer
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Tobergte
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird - unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juni 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2012 - verpflichtet, die im Zusammenhang mit der Anzeige vom 19. Oktober 2011 erhobenen erkennungsdienstlichen Daten zu löschen und die dabei abgenommene Speichelprobe zu vernichten.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Vernichtung oder Löschung der bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung (Fingerabdrücke, Feststellungen über körperliche Merkmale) und der ihm abgenommenen Speichelprobe im Jahre 2011 gewonnenen Daten. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Aufgrund einer Anzeige vom 19. Oktober 2011 bei der Polizei seines Heimatortes war gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses eingeleitet worden. Nach Aussage einer Zeugin soll er an diesem Tag morgens gegen 8.00 Uhr in der Nähe der Grundschule in seinem Fahrzeug sitzend mit der Hand in seiner Hose gespielt haben, sich also möglicherweise selbst befriedigt haben. Mit diesem Verdacht wurde der Kläger erst durch Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung bei der Kriminalinspektion X................ vom 1. Dezember 2011 konfrontiert. Er machte am 7. Dezember 2011 dort zunächst keine Angaben zur Sache, widersetzte sich aber der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Abnahme einer Speichelprobe nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 25. Januar 2012 an die Staatsanwaltschaft in Y................... verwahrte sich der Kläger gegen den Tatvorwurf. Er ließ vortragen, er bringe jeden Morgen gegen 7.40 Uhr sein Kind zur Grundschule seines Heimatortes. Die ihm zur Last gelegte und angeblich beobachtete Tat habe er zu keinem Zeitpunkt begangen. An der Wahrnehmung und den Angaben der Zeugin bestünden erhebliche Zweifel. Sie könne, wenn sie von vorne auf den PKW des Klägers zugegangen sei, nur sehr kurz in den PKW hineingeschaut haben. Bedenken bestünden auch im Hinblick darauf, dass die Zeugin angegeben habe, sie habe bereits früher einen ähnlichen Vorfall erlebt. Einen Monitor - wie von der Zeugin erwähnt - besitze der Kläger nicht, nur ein Handy.
Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 183 StGB wurde am 10. April 2012 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zur Begründung heißt es unter anderem, ein strafbares Verhalten könne nicht mit der für eine Anklageerhebung hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei ein Tatnachweis unmöglich, weil eindeutige Beweismittel fehlten und die Begehung der Tat bestritten werde. Insbesondere sei nicht klar, welche Bewegungen der Kläger überhaupt durchgeführt habe "oder eben nicht". Die Zeugin habe gerade nicht ausgesagt, dass sie tatsächlich einen Vorgang der Selbstbefriedigung gesehen habe. Sie habe nach eigenen Angaben auch beim Vorübergehen an dem PKW nur einen flüchtigen Blick ins Innere getan.
Mit Schreiben vom 26. April 2012 beantragte der Kläger durch seinen Rechtsanwalt die sofortige Löschung der erkennungsdienstlichen Erkenntnisse und die Vernichtung des DNA-Abstriches.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Löschung der polizeilich gespeicherten Daten ab.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zulässigkeit der Datenspeicherung ergebe sich aus § 33 Abs. 4 POG. Die Voraussetzungen für eine Löschung nach § 39 Abs. 2 POG lägen nicht vor. Die weitere Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten von Personen, die einer Straftat verdächtig seien, sei zulässig, wenn nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die betreffende Person auch künftig strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Hier sei der Verdacht eines Sexualvergehens durch die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht gänzlich ausgeräumt. Die Zeugin habe ihn in seinem Auto sitzend an seinem Geschlechtsteil manipulieren sehen. Gerade Sexualstraftaten würden eine signifikant hohe Rückfallgefahr bergen. Der Kläger sei in der Vergangenheit zweimal als Sexualstraftäter verurteilt worden, 1986 wegen versuchter und vollendeter Vergewaltigung zu drei Jahren Jugendstrafe und 1994 wegen einer exhibitionistischen Handlung zu 6 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Damals sei er auch erkennungsdienstlich behandelt worden. 2002 habe es ein Verfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (sog. Spannen) gegeben, das gem. § 153 StPO eingestellt worden sei. Nun sei er nach weiteren neun Jahren nochmals als Sexualstraftäter auffällig geworden. Erschwerend komme die Tatörtlichkeit an der Grundschule hinzu, so dass er billigend in Kauf genommen habe, dass auch Kinder ihn bei exhibitionistischen Handlungen sehen könnten. Unter diesen Umständen sei die Speicherung und Aufbewahrung von Daten aus präventivpolizeilichen Gründen notwendig und auch verhältnismäßig. Gem. § 33 Abs. 4 POG erfolge die Prüfung zur Löschung von Daten im Oktober 2013. Eine vorzeitige Löschung werde abgelehnt.
Der rechtzeitig erhobene, jedoch nicht weiter begründete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums W........... vom 11. Oktober 2012 zurückgewiesen mit der Begründung, ein Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten gem. § 39 POG bestehe nicht. Sie seien nach wie vor erforderlich. Der Widerspruchsbescheid listet dazu alle in der kriminalpolizeilichen Datensammlung enthaltenen, den Kläger betreffenden Eintragungen seit 1985 auf und führt - im Wesentlichen wie der Ausgangsbescheid - weiter aus, die für die Zulässigkeit der weiteren Speicherung und Nutzung der über den Kläger vorliegenden Daten anzustellende Prognose, dass die Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich seien, sei angesichts des Verhaltens des Klägers, der seit 1985 immer wieder als Tatverdächtiger einer Straftat mit sexuellem Hintergrund in Erscheinung getreten sei, gerechtfertigt. Insbesondere der Umstand, dass er als Tatort die Nähe einer Grundschule gewählt habe, mache seine niedrige Hemmschwelle zu sexuellen und exhibitionistischen Handlungen deutlich. Nach kriminalistischer Erfahrung deuteten gerade Sexualstraftaten auf Persönlichkeitsmängel und krankhafte Neigungen hin. Hier bestehe eine signifikant höhe Rückfallgefahr. Die vorhandenen Unterlagen seien für eine schnellere Aufklärung hilfreich, gerade auch bei in bestimmten regionalen Bereichen agierenden Tätern. Ihr Vorhandensein könne auch den potentiellen Täter unter Umständen von weiteren Straftaten abhalten.
Mit seiner am 13. November 2012 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Löschung bzw. Vernichtung der von ihm im Zusammenhang mit der Anzeige vom Oktober 2011 erhobenen erkennungsdienstlichen Daten und der Speichelprobe weiter. Die Klagebegründung setzt sich mit den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden auseinander und beanstandet insbesondere, dass der Beklagte trotz der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO und entgegen der dortigen Begründung davon ausgeht, der Kläger habe am 19. Oktober 2011 eine Straftat mit sexuellem Hintergrund begangen. Auch sei erschwerend auf die Nähe der Grundschule abgestellt worden, ohne zu berücksichtigen, dass der Kläger jeden Morgen sein Kind in diese Grundschule bringe. Es werde außerdem außer Acht gelassen, dass der Kläger seit mehr als 19 Jahren straffrei sei und seit der Verfahrenseinstellung aus dem Jahre 2002 auch fast 10 Jahre vergangen seien, ohne dass ihm etwas vorzuwerfen gewesen sei. Die früheren Straftaten seien im Bundeszentralregister getilgt. Anders als vom Beklagten in dem Bescheid wiedergegeben, habe die Zeugin auch gerade nicht angegeben, dass sie den Kläger an seinem Geschlechtsteil manipulieren sah. Aufgrund der nicht eindeutigen Angaben der Zeugin sei die Staatsanwaltschaft zu der Auffassung gekommen, dass ein hinreichender Tatverdacht nicht bestehe.
In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger berichtet, dass er an einem Tag im Oktober 2011 von der Polizei in seinem Wagen kontrolliert worden sei, als er gerade sein Kind in die Schule gebracht hatte. Er habe gedacht, Anlass dafür sei gewesen, dass er sein Auto gegen die Fahrtrichtung geparkt hatte. Erst im Dezember 2011 habe er dann davon erfahren, dass gegen ihn wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses ermittelt werde. Er begehre auch nur die Vernichtung der in diesem Zusammenhang über ihn erhobenen Daten, nicht die vorzeitige Löschung sämtlicher sonst in der polizeilichen Sammlung über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen bzw. zu verpflichten, die von ihm im Dezember 2011 erhobenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sowie die ihm abgenommene Speichelprobe zu vernichten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt hierzu aus, die Entscheidung, ob gem. § 33 Abs. 4 POG die Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten notwendig und damit gerechtfertigt sei, sei von einer kriminalpolizeilichen Prognose abhängig, d. h. davon, ob Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Betroffene zukünftig in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden Straftat einzubeziehen wäre und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen für die zu führenden Ermittlungen - den Kläger entlastend oder belastend - förderlich sein könnten. Dabei seien Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum zu berücksichtigen, in dem er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten sei. Dieser Maßstab gelte auch dann, wenn wie vorliegend das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, weil weder Einstellung noch Freispruch per se einen fortbestehenden Tatverdacht notwendigerweise ausschlössen, wenn noch ein Restverdacht bestehen bleibe. Dafür komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Ein Restverdacht bestehe unter Berücksichtigung der Einstellungsverfügung und der weiteren Gesamtumstände, insbesondere der Vergangenheit des Klägers weiter. Er sei, auch nachdem er in den 80er Jahren eine Therapie gemacht habe, noch mehrmals wegen Straftaten mit sexuellem Hintergrund aufgefallen, wenn auch in langen zeitlichen Abständen. Zuletzt sei 2002 ein Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt worden. Das aktuelle Ermittlungsverfahren sei aus Mangel an Beweisen eingestellt worden und nicht wegen erwiesener Unschuld.
Die weitere Speicherung seiner Daten sei auch nicht unverhältnismäßig. Das hohe Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Sexualdelikten überwiege gegenüber dem Interesse des Klägers an einer Löschung.
In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Beklagten ihre Praxis im Zusammenhang mit Einstellungsverfügungen dargelegt und noch ausgeführt, dass die derzeit einschlägigen Richtlinien für die Aufbewahrung kriminalpolizeilicher Unterlagen vorsähen, dass Unterlagen erst gelöscht würden, wenn zehn Jahre lang keine neuen Vorfälle im Zusammenhang mit der betroffenen Person bekannt geworden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie der Strafakten der Staatsanwaltschaft Y........... .......... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist auch begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Löschung bzw. Vernichtung der über ihn am 7. Dezember 2011 angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen (dazu unten I) und der ihm abgenommenen Speichelprobe. Der Antrag umfasst bei sachgerechter Auslegung auch die Löschung der anhand dieses Körpermaterials durch DNA-Analyse erstellten DNA-Identifizierungsmuster, die im weiteren Sinne ebenfalls erkennungsdienstliche Daten darstellen (dazu unten II). Der die Löschung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 4. Juni 2012 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2012 sind rechtswidrig und daher gem. § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben; die Beklagte ist antragsgemäß zu verpflichten. .
I) Zunächst ist klarzustellen, dass als Rechtsgrundlage für die begehrte Vernichtung der aufgrund der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gewonnenen Unterlagen hier nicht die von dem Beklagten herangezogene Vorschrift des § 39 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes - POG - sein kann, da sie sich nicht auf - etwa nach § 11 POG oder nach §§ 81 b ff. StPO - durch besondere erkennungsdienstliche Maßnahmen erlangte Daten über die körperliche Beschaffenheit einer Person bezieht, sondern in der polizeilichen Sammlung vorhandene personenbezogene schriftliche/nachrichtliche Hinweise und Erkenntnisse, die sich aus früheren Verhaltensweisen des Betroffenen ergeben, also z.B. hier die im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen sog. Merkblätter über das Vorleben des Klägers, frühere Straftaten und Verurteilungen etc. (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990, NJW 90, 20768). Deren Löschung begehrt der Kläger ausdrücklich nicht, wie in der mündlichen Verhandlung nochmals klargestellt wurde.
Der Löschungsanspruch ergibt sich stattdessen hinsichtlich der beim Kläger am 7. Dezember durchgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen (im Folgenden: ED-Maßnahmen), wie sie in § 11 Abs. 3 POG aufgeführt sind und auch auf der Grundlage von § 81 b der Strafprozessordnung - StPO - erhoben werden, aus § 11 Abs. 2 Satz 1 POG. Danach kann der Betroffene die Vernichtung von präventiv erhobenen erkennungsdienstlichen Unterlagen im Sinne von § 11 Abs. 3 POG (Finger- und Handflächenabdrücke, Lichtbilder, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, Messungen) verlangen, wenn die Voraussetzungen zu ihrer Erhebung nach Absatz 1 entfallen sind. § 11 Abs. 2 POG ist auch anwendbar, wenn die ED-Behandlung ursprünglich nicht auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 POG durchgeführt wurde, sondern - wie auch hier - auf der Grundlage von § 81 b StPO, der so lange Anwendung findet, wie der von der Maßnahme Betroffene noch Beschuldigter eines strafrechtlichen Verfahrens ist. Ist ein solches Verfahren nicht (mehr) anhängig, so ist dann § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG die Grundlage für präventiv-polizeiliche ED-Maßnahmen. Die materiellen Voraussetzungen der beiden Vorschriften sind - trotz unterschiedlicher Formulierungen in § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG und in § 81 b StPO - gleich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. August 2005 - 12 A 11100/05.OVG - ständige Rechtsprechung).
Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die (weitere) Aufbewahrung/Speicherung erkennungsdienstlicher Unterlagen noch gegeben sind, richtet sich im Wesentlichen nach denselben Kriterien wie die Entscheidung, ob eine ED-Behandlung angeordnet wird. Erkennungsdienstliche Unterlagen dürfen aufbewahrt werden, wenn der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalstatistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982, BVerwGE 66, 202, [BVerwG 19.10.1982 - BVerwG 1 C 114.79] dort zu § 81 b stopp; st. Rspr.). Liegen dahin gehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen oder die Aufbewahrung bereits erhobener Unterlagen nicht (mehr) zulässig (BVerwGE 26, 169,171 [BVerwG 09.02.1967 - BVerwG I C 57.66]).
Da es sich hier um eine Verpflichtungsklage handelt, ist für die Beurteilung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend. Es kann daher offenbleiben, ob die erkennungsdienstliche Behandlung am 7. Dezember 2011 zunächst rechtmäßig war. Da man noch am Anfang des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat nach § 183 a StGB stand, mag die Einschätzung der Polizei, dass eine ED-Behandlung vorzunehmen sei, aus damaliger Sicht auf der Grundlage von § 81b StPO und unter Berücksichtigung der über den Kläger vorhandenen personenbezogenen Unterlagen, die auch auf frühere Sexualstraftaten hinwiesen, rechtlich in Ordnung gewesen sein.
Die Sachlage hat sich jedoch danach wesentlich geändert. Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens, in dem der Kläger sich durch seinen Rechtsanwalt im Januar 2012 gegenüber der Staatsanwaltschaft auch zur Sache geäußert hatte, durch Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vom 10. April 2012 lagen die Voraussetzungen für die Anordnung einer ED-Behandlung nicht mehr vor, so dass auch die weitere Aufbewahrung der dabei gefertigten Unterlagen nicht gerechtfertigt ist.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Voraussetzung für die Anordnung von ED-Maßnahmen nach § 81 b StPO und nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG ist zum Einen vor allem, dass der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und zum andern, dass wegen der Art und Ausführung der Tat eine Gefahr der Wiederholung besteht. An beidem fehlt es vorliegend.
Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verdacht grundsätzlich auch fortbestehen kann, obwohl das Strafverfahren ohne Schuldspruch endet. So hat sogar das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Einschätzung bestätigt, dass bei der Verfahrensbeendigung durch Einstellung nach § 153 ff. StPO oder bei einem Freispruch, der ausweislich der Gründe aus Mangel an Beweisen erfolgt, der Straftatverdacht nicht notwendig ausgeräumt sei. Gleiches gelte bei einer Verfahrensbeendigung aus anderen Gründen. Dürfe ein fortbestehender Verdacht Grundlage für Maßnahmen der weiteren Datenspeicherung sein, so stehe die Unschuldsvermutung als solche dem nicht entgegen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Mai 2002, NJW 2002, 3231 f. [BVerfG 16.05.2002 - 1 BvR 2257/01]).
Auch bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft kann - parallel zur Situation des Freispruchs - ein Restverdacht fortbestehen. Ergibt sich aus den Gründen der Einstellungsverfügung, dass der Beschuldigte eine Tat nicht begangen hat oder dass ein strafbarer Sachverhalt nicht vorliegt, dann darf auch die Polizei für präventiv-polizeiliche Zwecke nicht von einem fortbestehenden Tatverdacht ausgehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010, BVerwGE 137, 133 ff. zum speziellen Löschungsanspruch nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG). Andernfalls kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.
Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Oktober 1983 (a.a.O.), dem eine Einstellung des Anlass-Strafverfahrens nicht nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern wegen fehlenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung zugrunde lag, Folgendes aus:
"Nach diesen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Maßstäben bemißt sich auch, welches Gewicht der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, bei der Entscheidung darüber zukommt, ob die Anfertigung oder die weitere Aufbewahrung von Unterlagen für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Entgegen der Auffassung der Revision läßt die Einstellung von Strafverfahren diese Notwendigkeit nicht ohne weiteres entfallen; vielmehr hängt es von einer Würdigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles ab, ob wegen der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, die Anfertigung oder Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nach den dargelegten Maßstäben nicht mehr notwendig ist".
Vorliegend beruht die Einstellung des Verfahrens auf § 170 Abs. 2 StPO. Eine solche Einstellung hat zu erfolgen, wenn die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage im Sinne von § 170 Abs. 1 StPO bieten. Diese Form der Einstellung ist die "beste" Möglichkeit einer Einstellung eines Strafverfahrens und entspricht in diesem frühen Stadium des Verfahrens in etwa dem, was ein Freispruch im Gerichtsverfahren wäre.
Der Beklagte hat hier zu Unrecht aus den Gründen der Einstellungsverfügung vom 10. April 2012 geschlossen, es handele sich um eine Einstellung aus Mangel an Beweisen, so dass die Annahme eines Restverdachts ohne Weiteres zulässig sei. Zwar trifft es zu, dass die Staatsanwaltschaft nicht von erwiesener Unschuld des Klägers spricht. Sie führt vielmehr in der Begründung zunächst aus, nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei ein Tatnachweis unmöglich, weil eindeutige Beweismittel fehlten und die Begehung der Tat bestritten werde. Aus den Gründen der Einstellungsverfügung wird aber darüber hinaus deutlich, dass die Staatsanwaltschaft auch den Tatbestand einer strafbaren Handlung nicht feststellen konnte, indem es dort unter anderem heißt:
". .. jedoch ist weiterhin überhaupt nicht klar, ob und was der Beschuldigte in seinem Auto für Bewegungen durchführte oder eben nicht. Die Zeugin gab mehrmals gegenüber der Polizei an, dass es "..so aussah, als ob er sich selbst befriedige.." und dass er sich "wohl selbst befriedigt..." habe. Dass ein solcher Vorgang tatsächlich beobachtet wurde, wurde jedoch gerade nicht ausgesagt. Dies ist auch gerade unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass ein Vorbeilaufen an einem PKW nur wenige Augenblicke dauert und in einer solchen Situation - also bei einem flüchtigen Blick in das Innere eines Wagens- wohl kaum beurteilt werden kann, was eine Person gerade genau tut oder nicht tut..."
Auch wenn es nicht explizit formuliert wird, ergibt sich daraus sinngemäß, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 183 a StGB - Erregung öffentlichen Ärgernisses - nicht als erfüllt angesehen werden können. Gem. § 183 a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, sofern die Tat nicht gem. § 183 StGB mit Strafe bedroht ist.
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind auch dann nicht erfüllt, wenn zuträfe, was die Zeugin bekundet hat, dass nämlich ein Mann auf dem Fahrersitz einen Monitor vor sich hielt und mit einer Hand in seiner Hose spielte, und dass es für sie so aussah, als ob er sich wohl selbst befriedige. Es fehlt schon an einer ö f f e n t l i c h e n Vornahme einer sexuellen Handlung (in einem geschlossenen, am Straßenrand geparkten Auto, nur sichtbar für jemanden, der am Auto nicht nur vorbeigeht, sondern auch direkt hineinschaut). Außerdem sind weitere Merkmale der Norm zum subjektiven Tatbestand nicht erfüllt. Hierzu kann auf einen Beschluss des OLG Bamberg vom 22. Februar 2011, 3 Ss 136/10 - [...] -, Leitsatz 2, verwiesen werden, in dem es heißt:
"Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183a StGB setzt in subjektiver Hinsicht hinsichtlich des sexuellen Charakters der Handlung und ihrer Erheblichkeit zwar nur bedingten Vorsatz voraus, der auch die Öffentlichkeit der Begehung umfassen muss. Bezüglich der Erregung des Ärgernisses muss der Täter jedoch in der Absicht handeln, Ärgernis zu erregen, d.h. es muss ihm entweder gerade darauf ankommen, dass er Ärgernis erregt, oder er muss wissen, nämlich als sicher voraussehen, dass dies geschieht, weshalb es nicht ausreichend ist, wenn der Täter die Möglichkeit des Zusehens durch andere lediglich in Kauf nimmt".
Weder der Zeugenaussage selbst noch deren Würdigung durch die Staatsanwaltschaft sind irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger - wiederum unterstellt, er hätte wirklich eine Hand in seiner Hose bewegt - dies getan haben könnte, um absichtlich oder wissentlich Ärgernis zu erregen.
Während die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung zu diesen Fragen keine näheren Ausführungen machen musste, weil es von ihrem Standpunkt aus darauf nicht mehr ankam, hätte sich der Beklagte, der den Kläger weiter als Verdächtigen betrachtete, bei der Entscheidung über den Löschungsantrag die Frage nach der Strafbarkeit der in Rede stehenden Handlung jedoch notwendig stellen müssen, denn er durfte die Löschung nur ablehnen, wenn der Kläger auch einer strafbaren Handlung verdächtig war. Dies hat der Beklagte nicht geprüft. Vielmehr verwendet er in seinen ablehnenden Bescheiden Formulierungen, die zum einen eine sexuelle Handlung zum Zweck der Selbstbefriedigung als feststehend erscheinen lassen und zum andern auch den Eindruck erwecken, dass die Zeugin gesehen habe, dass der Kläger an seinem Geschlechtsteil manipuliert habe. Dies findet weder in den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft noch im Wortlaut der Einstellungsverfügung eine Stütze. Verfehlt ist es weiter, dass in den Bescheiden auch von "exhibitionistischen Handlungen" die Rede ist. Der Zeugenaussage kann nicht entnommen werden, dass der Mann in dem Auto sich in irgendeiner Form entblößt gezeigt hätte. Soweit der Beklagte dem Kläger schließlich vorwirft, es falle erschwerend ins Gewicht, dass er für seine Tat den Standort vor der Grundschule "gewählt" habe, setzt das ebenfalls implizit - aber sachlich unzutreffend - die Annahme einer strafbaren Handlung voraus.
Fehlt es nach alledem schon an einer strafbaren Anlasstat, so erübrigt sich die andernfalls erforderliche weitere Prüfung, ob der Beklagte unter korrekter Würdigung aller relevanten Umstände damals und noch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung des Verwaltungsgerichts davon ausgehen durfte, dass Wiederholungsgefahr bestand und deshalb die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlage zur Prävention künftiger Straftaten und zur Erleichterung etwaiger späterer strafrechtlicher Ermittlungen erforderlich waren (siehe dazu noch die folgenden Ausführungen zu § 81 g StPO).
II) Der Kläger hat auch Anspruch auf Vernichtung der Speichelprobe, sofern sie noch verwahrt wird, und außerdem auf Löschung seines mit Hilfe der Speichelprobe erstellten "genetischen Fingerabdrucks", die ebenfalls als erkennungsdienstlich gewonnene Daten anzusehen sind. Anspruchsgrundlage ist insoweit § 32 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz - BKAG -). Danach sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. § 11 Abs. 2 POG ist hier nicht anwendbar, weil solche Daten von dieser Vorschrift nicht erfasst sind.
Rechtsgrundlage für die Abnahme der Speichelprobe zu präventiv-polizeilichen Zwecken konnte hier nur § 81 g Abs. 1 StPO sein. Danach dürfen zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren einem Beschuldigten Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig ist und u.a. wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen (Absatz 1 Satz 2).
Die aus den Körperzellen nach sog. DNA-Analyse gewonnenen DNA-Identifizierungsmuster werden von den sie erhebenden Polizeidienststellen in das polizeiliche Informationssystem eingegeben, das beim Bundeskriminalamt als Zentralstelle nach § 11 BKAG geführt wird. Dort werden die Daten gespeichert und dürfen nach Maßgabe des BKAG verwendet werden (so ausdrücklich § 81 g Abs. 5 StPO; vgl. dazu auch Frister in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, G 270 ff., 288; VG Augsburg, Urteil vom 25. September 2012, Au 1 K 12536 - [...] - ). Das Gericht geht davon aus - die Akten enthalten dazu keine Angaben - dass dieses Verfahren auch im Falle des Klägers, der sich mit der Abnahme der Speichelprobe einverstanden erklärt hatte, eingehalten wurde.
Die Voraussetzungen für die Löschung der so erhobenen Daten gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG sind erfüllt. Danach sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Zuständig für die Entscheidung über die Löschung ist nach § 32 Abs. 9 Satz 1 BKAG dann, wenn nicht das BKA selbst die Daten erhoben hat, sondern als Zentralstelle fungiert, die Stelle des mitteilenden Landes, die nach § 12 Abs. 2 BKAG die Daten eingegeben hat. Dies waren vorliegend ebenfalls die beklagten Polizeibehörden in X...............
Der Löschungsanspruch ist aus denselben Erwägungen begründet wie der Anspruch auf Löschung der erkennungsdienstlichen Unterlagen.
Auch in diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Abnahme der Speichelprobe und die daraufhin wahrscheinlich vorgenommene molekular-genetische Untersuchung anfänglich rechtmäßig waren. Daran bestehen allerdings durchaus Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Denn auch wenn der Straftatbestand des § 183 a StGB zu den in § 81 g StPO genannten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zählt, handelt es sich doch bei der Abnahme von Körperzellen und der Erstellung von DNA-Identitätsmustern um einen deutlich schwerer wiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte einer Person als bei Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81 b StPO oder § 11 POG, bei der es nur um die Feststellung äußerer Merkmale geht. Deshalb dürfen gem. § 81 g Abs. 3 StPO die Entnahme der Körperzellen und deren molekular-genetische Untersuchung ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten auch grundsätzlich nur nach richterlicher Anordnung geschehen. Ob hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gewahrt war, kann bei angemessener Würdigung der konkreten Umstände, selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger früher wegen Sexualstraftaten verurteilt worden war, bezweifelt werden. Es wäre nämlich zu seinen Gunsten auch zu berücksichtigen gewesen, dass die verbüßte Freiheitsstrafe schon Mitte der 1980er Jahre und die letzte Bewährungsstrafe 1994 verhängt worden war und dass auch der letzte in den Polizeiakten vermerkte Vorfall - die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 183 a StGB - im Jahre 2002 offenbar nicht schwerwiegend war, weil es sonst nicht zu einer Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld gem. § 153 StPO gekommen wäre. So ist auch im Bundeszentralregister über den Kläger keine Eintrag vorhanden, er gilt also im allgemeinen Rechtsverkehr als nicht vorbestraft.
Unabhängig von der Beurteilung der anfänglichen Unzulässigkeit der Datenerhebung zur DNA-Identitätsfeststellung ist die Speicherung der Daten ebenso wie die weitere Aufbewahrung der eventuell noch vorhandenen Speichelprobe selbst jedenfalls jetzt nicht mehr zulässig, weil - wie unter I) schon dargelegt - der Kläger im Zusammenhang mit dem Geschehen am 19. Oktober 2011 nicht mehr als einer Straftat nach § 183 a StGB verdächtig angesehen werden kann. Deshalb kann daraus auch die weiter für die Rechtfertigung der Datenerhebung nach § 81 g Abs. 1 Satz1 StPO notwendige Voraussetzung nicht mehr hergeleitet werden, dass "Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind" oder dass die "wiederholte Begehung sonstiger Straftaten" zu befürchten wäre, die "im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen" würde (§ 81 g Abs. 1 Satz 2 StPO). Diese veränderte Sachlage schlägt auf die Berechtigung zur Speicherung der betreffenden Daten in dem vom BKA zentral geführten Register durch, weil dadurch ihre Speicherung im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 BKAG für die Aufgabenerfüllung auch nicht mehr als erforderlich angesehen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000.- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.


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