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Entscheidungen

OWi

Akteneinsicht, Bußgeldverfahren, Bedienungsanleitung, Urheberrecht

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Nordhausen, Beschl. v. 19.04.2013 - 32 OWi 185/13

Leitsatz: Aus dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines fairen Verfahrens, der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit folgt, dass dem Verteidiger auch im Bußgeldverfahren alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, die auch dem Sachverständigen zugänglich sind, so dass es nicht ausreichend ist, den Verteidiger auf allgemein zugängliche Sekundärliteratur zu verweisen, in denen die Funktions- und Bedienungsweisen von Geschwindigkeitsmessgeräten erklärt wird.


32 OWi 185/13
Beschluss
In der Bußgeldsache gegen:
Verteidiger: Rechtsanwalt Stefan Busch, Holstenstr. 6, 23552 Lübeck
wegen: Verkehrsordnungswidrigkeit
hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung
Dein Betroffenen ist über seinen Verteidiger Einsicht in die Bedienungs-anleitung/Gebrauchsanweisung des Messgerätes Traffipax - Geräte-Typ Speedoguard - zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:
Dem Betroffenen wird mit Anhörungsschreiben der Zentralen Bußgeldstelle Adern vom 02.02.2013 vorgeworfen, am 07.01.2013 um 12.29 Uhr in Hesserode, Ortsdurchfahrt K 4 als Führer und Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen die dort zulässige Geschwindigkeit von 30 km/h um 30 km/h überschritten zu haben.
Mit Schreiben vorn 12.02.2013 beantragt sein Verteidiger Akteneinsicht, die auch gewährt wurde.
Mit weiterem Schreiben vorn 22.02.2013 beantragt der Verteidiger ergänzende Akteneinsicht, insbesondere die Beiziehung und Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung/Gebrauchs-anweisung des Messgerätes Traffipax - Speedoguard. Der Antrag des Verteidigers wurde durch die Zentrale Bußgeldstele Artern mit Schreiben vom 26.02.103 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 28.02.2013 beantragt der Verteidiger die gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 Abs. 1 OWiG.

Die Zentrale Bußgeldstelle Artern hat dem Antrag nicht abgeholfen und den Antrag dem Amtsgericht Nordhausen vorgelegt. Zur Begründen wird ausgeführt:

„... Zu den Akten des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahrensbezogene Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten genommen worden sind, einschließlich der polizeilichen Ermittlungsvorgänge und etwaiger Bild- und Tonaufnahmen, auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird, sowie Auszüge aus dem VZR oder Gewerberegister.

Nicht zu den Akten gehören dagegen Handakten und andere innerdienstliche Vorgänge, die im Fall des Einspruchs der Staatsanwaltschaft nicht vorzulegen wären, ferner grundsätzlich nicht Eichurkunden, Lebensakten von technischen Messgeräten und Lehrgangsbescheinigungen des Messpersonals (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 14. Aufl., § 60, Rdnr. 49). Auch Bedienungsanleitungen sind grundsätzlich kein Bestandteil einer Bußgeldakte, da es sich nicht um verfahrensbezogene Unterlagen. Darüberhinaus enthalt das Recht auf Akteneinsicht keinen Anspruch auf Erweiterung des Aktenbestandes, etwa durch Beiziehung von Akten anderer Behörden oder Gerichte (OLG Jena v. 20.02.2008, 1 S's 1/08).

Hinsichtlich der Übersendung oder Mitgabe einer Bedienungsanleitung in die Kanzleiräume des Verteidigers besteht kein Anspruch, da dem der wichtige Grund der ständigen Präsenz und Verfügbarkeit bei der Polizeidienststelle entgegensteht und andererseits diese Form der Überlassung es zur fachgerechten Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts des Verteidigers und des rechtlichen Gehörs des Betroffenen nicht erfordert. Auch hier liegt der Verwaltungsbehörde die Genehmigung des Urheberrechtsinhabers, der ROBOT GmbH, zur Anfertigung und Versand von Kopien der Bedienungsanleitungen nicht vor. In einem anderen Fall (Messgerät TRAFFIPAX TraffiPatrol) ist es der Verwaltungsbehörde durch den Urheberrechtsinhaber erst im Dezember 2012 ausdrücklich nicht gestattet worden. Kopien der Gebrauchsanweisungen weiterzugeben. Der Urheberrechtsinhaber führte weiter aus, dass die Bedienungsanleitungen unmittelbar bei ihm angefordert werden können....“.

Der Verteidiger hatte Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme.

Der Antrag des Verteidigers ist zulässig und begründet.

Gemäß § 147 StPO i. V in. § 46 OWiG hat der Verteidiger ein vollständiges Akteneinsichtsrecht. Ausgenommen vorn Grundsatz der Aktenvollständigkeit sind zwar immer dienstliche Vorgänge. Allerdings handelt es sich bei der Bedienungsanleitung/Gebrauchsanweisung eines Messgerätes nicht um einen innerdienstlichen Vorgang. Aus dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines fairen Verfahrens, der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit folgt, dass dem Verteidiger alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, die auch dem Sachverständigen zugänglich sind, so dass es nicht ausreichend ist, den Verteidiger auf allgemein zugängliche Sekundärliteratur zu verweisen, in denen die Funktions- und Bedienungsweisen von Geschwindigkeitsmessgeräten erklärt wird [s. a. OLG Naumburg, Beschluss vom 05.11.2012 - 2 Ss (Bz) 100/12 mit weiteren Nachweisen zur aktuellen Rechtsprechung].

Das erkennende Gericht schließt sich der Auffassung des OLG Naumburg an, so dass vorliegend dem Betroffenen über seinen Verteidiger Einsicht in die Bedienungsanleitung/Gebrauchs-anweisung des Messgerätes Traffipax - Gerätetyp Speedoguard - zu gewähren ist.

Die Verwaltungsbehörde wird gehalten sein, einen Ausgleich mit dem Urheberrechtsinhaher zu finden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i. V. m. § 467 StPO.

Beschl. v. 19.04.2013

Einsender: RA St. Busch, Lübeck

Anmerkung:


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