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Entscheidungen

StPO

Einstellung, § 153a StPO, Auslagenentscheidung,

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Backnang, Beschl. v. 16.10.2012 - 2 Ds 93 Js 111535/11

Leitsatz: Wenn erst ein begründeter Antrag des Verteidigers dazu führt, dass sich die Schwere des Tatvorwurfs weitgehend reduziert, so dass das Verfahren gemäߧ 153 Abs.2 StPO eingestellt werden kann, sind die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.


In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u. a.
erlässt das Amtsgericht Backnang durch Richter am Amtsgericht am 16.10.2012 folgenden Beschluss
1. Das Verfahren wird gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
I.
In der Anklageschrift vom 19.01.2012 wurde der Angeklagten u. a. vorgeworfen, sie habe, nachdem es zum wiederholten Male zu Streitereien zwischen ihr und dem im selben Haus wohnenden Zeugen S., gekommen sei, einen Stein ergriffen und diesen nach dem Zeugen S. geworfen. Dieser habe den Wurf zwar teilweise abwehren können, sei jedoch seitlich an der Nase und oberhalb der linken Augenbraue getroffen worden.
Nach Zustellung der Anklageschrift äußerte sich die Angeklagte zunächst nicht, ehe mit Beschluss vom 24.02.2012 das Hauptverfahren eröffnet wurde. Mit Schriftsatz vom 29.03.2012 beantragte der Verteidiger u.a die Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens, da die Verletzungen des Zeugen S. nicht durch einen Steinwurf entstanden sein könnten. Hätte es den der Angeklagten vorgeworfenen Steinwurf tatsächlich gegeben, so hätte dies massive Verletzungen hervorgerufen, beim Zeugen S. seien aber lediglich oberflächliche Verletzungen festgestellt worden.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wurde zu dem Antrag angehört. Sie ist der beantragten Beweiserhebung entgegen getreten, da der entsprechende Antrag auf eine „unzulässige, weil unmögliche Nicht-Tatsache“ gerichtet sei. Es sei nur noch möglich, „im Nachhinein die Plausibilität mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ festzustellen. Dass die Verletzung im Gesicht des Zeugen auch von einem Stein herrühren kann, sei schon anhand der allgemeinen Lebenserfahrung nachvollziehbar, weshalb es der Hinzuziehung einer/eines Sachverständigen nicht bedürfe.
Mit Beschluss vom 22.05.2012 wurde die Sachverständige Dr. S. dem Antrag der Verteidigung entsprechend mit der Erstellung eines rechtsmedizinischen Gutachtens beauftragt. Das Gutachten ging am 03.09.2012 bei Gericht ein und kommt in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass der behauptete Steinwurf aus biomechanischer Sicht nicht plausibel zu verifizieren ist. Hätte es einen Steinwurf gegeben, so wären mit hoher Wahrscheinlichkeit Riss-Quetsch-Wunden der Kopfhaut und massive Hämatome die Folge gewesen, auch hätte es zu Frakturen kommen können.
Das Ergebnis des Gutachtens hat das Gericht zum Anlass genommen, die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 Abs.2 StPO anzuregen, da die Schuld der strafrechtlich nicht vorbelasteten Angeklagten auch hinsichtlich der weiteren Anklagevorwürfe insgesamt als gering anzusehen wäre. Dem haben die Verfahrensbeteiligten zugestimmt, so dass nunmehr Einstellungsbeschluss ergehen konnte.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO.
Von der Möglichkeit des § 467 Abs. 4 StPO, wonach im Falle einer Ermessenseinstellung davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Auch bei Einstellungen nach Ermessen gilt als Grundsatz die Regelung des § 467 Abs. 1 StPO. Ferner ist anerkannt, dass die Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind, wenn der bei der Einstellung noch vorhandene Verdacht sich auf eine Straftat bezieht, die sehr viel leichter wiegt als der Vorwurf, zu dessen Entkräftung der Angeklagten die Auslagen entstanden sind (Meyer-Goßner, § 467 StPO, Rn. 19). Dies ist vorliegend der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat der Angeklagten zunächst gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt, das Gericht hat die entsprechende Anklage in vollem Umfang zur Hauptverhandlung zugelassen. Aufgrund des auf Antrag des von der Angeklagten hinzugezogenen Verteidigers eingeholten Sachverständigengutachtens stellte sich heraus, dass der diesbezügliche Anklagevorwurf nicht aufrecht erhalten werden kann; die verbliebenen weiteren Anklagevorwürfe waren allesamt von deutlich geringerem Gewicht. Bereits dieser Umstand führt dazu, dass ein Abweichen vom Grundsatz des § 467 Abs.1 StPO nicht sachgerecht erscheint.
Hinzu kommt vorliegend, dass der wesentliche entlastende Umstand, der überhaupt erst zur Einstellung führte, ausschließlich aufgrund des begründeten Antrags des Verteidigers ermittelt wurde. Die Staatsanwaltschaft sah im Ermittlungsverfahren keinen Anlass, die Angaben des Zeugen S. überprüfen zu lassen, und das Gericht ließ die Anklage in vollem Umfang zu, ohne etwa von der Möglichkeit des § 202 StPO Gebrauch zu machen. Werden aber wesentliche entlastende Umstände von den Strafverfolgungsbehörden nicht von Amts wegen ermittelt, sondern bedarf es hierzu entsprechender Verteidigeranträge, so erschiene es unbillig, die Angeklagte mit den hierfür anfallenden Anwaltskosten zu belasten.

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