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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Jugendrecht, Elternrecht, Verhältnis, Abwägung

Gericht / Entscheidungsdatum: VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.07.2012 - VGH B 10/12

Leitsatz: Zum Verhältnis des elterlichen Erziehungsrechts und der staatlichen Strafrechtspflege.


Beschluss
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren

betreffend die Verfassungsbeschwerde
…,
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Trier vom 21. März 2012
- 2a Qs 6/12 -
b) den Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 24. Januar 2012
- 12 VR Js 255/11 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz durch seinen Ausschuss am 13. Juli 2012 unter Mitwirkung von
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Brocker
Präsident des Landessozialgerichts Bartz
Landrat Dr. Saftig
einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. 
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verhängung von Ungehorsamsarrest gegen eine Jugendliche wegen der Nichtbefolgung gerichtlicher Auflagen.
I. Der Beschwerdeführer ist der erziehungsberechtigte Vater der 1995 geborenen X.
Mit Urteil vom 27. Januar 2011 sprach das Amtsgericht Trier – Jugendgericht – die Tochter des Beschwerdeführers des teils gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen in zwei Fällen schuldig, verwarnte sie und gab ihr die Ableistung von 25 Stunden gemeinnütziger Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe bei der Kreisverwaltung T. auf. Der in der mündlichen Verhandlung zunächst anwesende Beschwerdeführer war ausweislich des am 12. April 2011 ergänzten Protokolls während der Vernehmung der Angeklagten zur Sache durch Beschluss des Jugendrichters von der Verhandlung ausgeschlossen und des Sitzungssaales verwiesen worden, da er "trotz Abmahnung dem Vorsitzenden mehrfach ins Wort gefallen" sei.
Das Oberlandesgericht Koblenz verwarf die durch den Beschwerdeführer gegen das Urteil eingelegte Revision gemäß § 349 Abs. 2 und 3 Strafprozessordnung – StPO – mit einstimmigem Beschluss vom 22. September 2011; ein nachfolgend gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (sog. Anhörungsrüge, § 356a StPO) blieb ebenfalls erfolglos und wurde durch den Senat mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 zurückgewiesen.
Am 14. November 2011 erhob der Beschwerdeführer in eigenem Namen Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VGH B 34/11), mit der er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV) sowie der Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz (Artikel 77 Abs. 2 LV) geltend machte.
II. Die Tochter des Beschwerdeführers kam in der Folgezeit trotz mehrfacher Anschreiben der Jugendgerichtshilfe und des Vollstreckungsgerichts nicht der gegen sie verhängten Auflage nach. Mit einem an das Amtsgericht Trier gerichteten Schreiben vom 16. Dezember 2011 beantragte der Beschwerdeführer, die Vollstreckung der Auflagen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen. Das Vollstreckungsgericht lehnte dies am 9. Januar 2012 ab, nachdem darauf hingewiesen worden war, dass die eingelegte Verfassungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Vollstreckung des zugrundeliegenden Urteils entfalte.
Da die Tochter des Beschwerdeführers weiterhin weder die ihr auferlegten Arbeitsstunden ableistete noch auf ihr übermittelte Schreiben reagierte, beantragte die Staatsanwaltschaft Trier gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 11 Abs. 3 Jugendgerichtsgesetz – JGG – die Festsetzung von Jugendarrest mit einer Dauer von zwei Wochen (sog. Ungehorsamsarrest) gegen die Jugendliche. Der hierzu angehörte Beschwerdeführer widersprach der Festsetzung mit Schreiben vom 18. Januar 2012 und führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen der Verhängung des Ungehorsamsarrests lägen nicht vor, da er seiner Tochter die Befolgung der jugendgerichtlichen Auflage in seiner Rolle als Erziehungsberechtigter verboten habe. Aufgrund der hierdurch hervorgerufenen Pflichtenkollision fehle es an der durch § 11 Abs. 3 JGG vorausgesetzten schuldhaften Nichtbefolgung der Auflage. Mangels richterlicher Erörterung der vorgesehenen Weisung habe die entstandene „Normen-/
Erwartungskollision“ bislang noch nicht ausgeräumt werden können. Zu einem am 20. Januar 2012 anberaumten Erörterungstermin des Vollstreckungsgerichts erschienen weder der Beschwerdeführer noch seine Tochter.
Durch Beschluss vom 24. Januar 2012 setzte das Amtsgericht Trier gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 11 Abs. 3 JGG gegen die Tochter des Beschwerdeführers Jugendarrest von zwei Wochen Dauer fest. Zur Begründung führte das Gericht aus, es bedürfe offensichtlich dieser Vollstreckungsmaßnahme, um der Verurteilten mit dem erforderlichen Nachdruck deutlich vor Augen zur führen, dass gerichtliche Weisungen und Auflagen zu erfüllen seien. Offenbar habe sich die Verurteilte die von erheblichen querulatorischen Zügen geprägte Einstellung ihres Vaters zu Eigen gemacht. Dieser setze das eigene Rechtsempfinden konsequent an die Stelle gerichtlicher Entscheidungen und versuche, seine persönlichen Ansichten durch exzessive Nutzung der ihm durch den Rechtsstaat zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe durchzusetzen, auch wenn dies objektiv erzieherischen Gründen widerspreche. Dieser Auffassung habe sich ersichtlich nun auch die Verurteilte angeschlossen und versuche mit allen Mitteln, sich der Erfüllung der erkannten Arbeitsauflage zu entziehen. Von daher liege auch trotz einer etwaig entgegenstehenden Weisung des Erziehungsberechtigten keine Pflichtenkollision vor, denn diese sei nur anzunehmen, wenn der eigentlich arbeitswillige Jugendliche ausschließlich aufgrund eines entgegenstehenden elterlichen Verbots von der Erfüllung der Weisung absehe. Vorliegend beruhe die Nichterfüllung der Auflage jedoch ersichtlich auch auf einer eigenen Entscheidung der Verurteilten, so dass eine entgegenstehende Weisung, die eine Konfliktsituation begründen könnte, gerade nicht vorliege. Da sich bisher gegenüber dem Vollstreckungsgericht weder die Verurteilte noch ihr Vater im Schreiben vom 16. Dezember 2011 auf diese angebliche Weisung berufen hätten, spreche überdies alles dafür, dass es sich bei dem – nunmehr erstmals vorgetragenen – elterlichen Verbot offensichtlich um eine weitere prozesstaktische Maßnahme handele, um die Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils zu verhindern.
III. Mit Schreiben vom 1. Februar 2012 legte der Beschwerdeführer in eigenem Namen sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Trier ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ungehorsamsarrests nicht gegeben seien. Vielmehr sei gerichtsbekannt und aktenkundig, dass er – der Beschwerdeführer – die Vollstreckung der Weisung derzeit aufgrund des anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens für erzieherisch nicht sinnvoll erachte und deshalb seiner Tochter die Ableistung der Arbeitsstunden verboten habe. Da sie dieses Verbot zu beachten habe, fehle es an der erforderlichen Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung.
Das Landgericht Trier – Jugendkammer – verwarf die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 21. März 2012 als unbegründet. Zur Begründung verwies die Kammer auf die Ausführungen des Amtsgerichts, denen sie sich anschloss, und führte ergänzend aus, dass eine den Schuldvorwurf gegen die Jugendliche beseitigende elterliche Weisung nur im Falle einer schutzwürdigen Anordnung des Erziehungsberechtigten vorliege. Nur in diesem Falle komme es zu einem Konflikt zwischen der gerichtlichen Auflage und der elterlichen Weisung. Selbst wenn eine derartige, der Ableistung der Arbeitsstunden entgegenstehende Weisung des Beschwerdeführers bestünde, vermittele diese jedoch keine schutzwürdige Bindung zwischen der Verurteilten und dem Beschwerdeführer, sondern stelle sich als missbräuchliche Ausübung des Elternrechts dar. Das bisherige Prozessverhalten belege, dass der Beschwerdeführer aufgrund querulatorischer Neigungen bewusst versuche, der Rechtsordnung schon aus Prinzip zu trotzen und seine Tochter auch in diesem Sinne zur Rechtsuntreue zu erziehen. Diese Einstellung des Vaters werde auch durch verschiedene im Jahr 2009 auf der Internetplattform Twitter veröffentlichte Kurznachrichten („Tweets“) belegt.
Der Beschluss des Landgerichts wurde dem Beschwerdeführer zu Beginn der 13. Kalenderwoche 2012 zugestellt.
IV. Am 30. März 2012 hat der Beschwerdeführer in eigenem Namen weitere Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Trier vom 24. Januar 2012 und des Landgerichts Trier vom 21. März 2012 erhoben (VGH B 10/12). Er rügt eine Verletzung seines elterlichen Erziehungsrechts (Artikel 25 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV) sowie Verstöße gegen die Bindung der rechtsprechenden Gewalt an Recht und Gesetz (Artikel 77 Abs. 2 LV) und sinngemäß gegen das Verbot willkürlicher Entscheidung (Artikel 17 Abs. 2 LV), jeweils in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Zudem macht er "hilfsweise" eine Verletzung von Artikel 6 Abs. 2 LV geltend (Anhörungsrüge).
Zur Begründung macht er geltend, das Jugendstrafrecht sehe eine Verhängung von Ungehorsamsarrest gegen Jugendliche im Falle einer durch ein elterliches Verbot gerechtfertigten Nichtbefolgung der richterlichen Auflage nicht vor. Dies ergebe sich aus den einschlägigen Kommentierungen zum JGG. Auch sei eine Auslegung des Gesetzes in diesem Sinne nicht möglich. Indem die Gerichte dennoch den Jugendarrest angeordnet hätten, seien die Grenzen unzulässiger Rechtsfortbildung überschritten. Gleiches gelte, soweit die Gerichte die Verhängung des Ungehorsamsarrests gegen seine auf sein – des Beschwerdeführers – Fehlverhalten gestützt hätten.
Zudem hätten die Gerichte den Gehalt des elterlichen Erziehungsrechts missachtet. Die insbesondere durch das Landgericht vorgenommene Unterscheidung der elterlichen Erziehungsgewalt nach Kriterien der Schutzwürdigkeit sei unstatthaft und in der Verfassung nicht vorgesehen. Vielmehr unterfalle jedes elterliche Erziehungsverhalten dem Schutz der Verfassung.
Schließlich habe das Landgericht ihn im Rahmen seiner Beschwerdeentscheidung nicht zu den geltend gemachten Verfahrensfehlern im Erkenntnisverfahren angehört. Hierin liege eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Außerdem sei es dem Landgericht verwehrt gewesen, die vermeintlich von ihm – dem Beschwerdeführer – stammenden Twitter-Nachrichten ohne Überprüfung seiner Autorenschaft zu seinen Lasten in die Entscheidung einzustellen. Er versichere an Eides statt, dass diese Tweets nicht von ihm stammten.
Am gleichen Tag hat der Beschwerdeführer – bezogen auf das bereits anhängige Verfahren VGH B 34/11 – einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, um dem Amtsgericht die weitere Vollstreckung aus seinem Urteil vom 27. Januar 2011 zu untersagen (VGH A 9/12). Dieses Verfahren wurde durch Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 3. April 2012 eingestellt, nachdem das Amtsgericht erklärt hatte, von der weiteren Vollstreckung bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in der Sache VGH B 34/11 abzusehen und der Beschwerdeführer den Antrag daraufhin zurücknahm.
V. Die Verfassungsbeschwerde VGH B 34/11 wurde am 15. Mai 2012 durch den beim Verfassungsgerichtshof bestellten Ausschuss mit einstimmigem Beschluss als unzulässig zurückgewiesen.
VI. Da die Tochter des Beschwerdeführers weiterhin nicht zur Ableistung der gegen sie verhängten Arbeitsstunden erschien, verfügte das Amtsgericht Trier – Jugendrichter – am 26. Juni 2012 die Ladung zum Arrestantritt in der Jugendarrestanstalt L. 16. Juli 2012.
VII. Am 5. Juli 2012 hat der Beschwerdeführer daraufhin seine Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse über die Verhängung von Ungehorsamsarrest (VGH B 10/12) um einen weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ergänzt, mit dem die Untersagung der weiteren Vollstreckung aus den Beschlüssen begehrt wird (VGH B 18/10). Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Hauptsacheverfahren.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen offensichtlich unbegründet. Sie kann daher gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – durch den vom Verfassungsgerichtshof bestellten Ausschuss zurückgewiesen werden.
I. Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Artikel 6 Abs. 2 LV) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Zwar ist die „hilfsweise“ Erhebung einer Grundrechtsrüge nicht ausgeschlossen (in diesem Sinne: VerfGH RP, AS 38, 362 [370, 377]). Jedoch hat der Beschwerdeführer es vorliegend versäumt, die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlichen Gehörsverstoßes substantiiert darzulegen (§ 45 VerfGHG), zumal eine verfahrensrechtliche Überprüfung des Erkenntnisverfahrens im Rahmen des hier in Frage stehenden Vollstreckungsverfahrens in aller Regel nicht stattfindet. Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers ist jedoch auch nicht erkennbar, weshalb eine ausnahmsweise Überprüfung des zu vollstreckenden Urteils hätte stattfinden sollen und weshalb sein unterbliebener Vortrag das Landgericht zu einer abweichenden Entscheidung hätte veranlassen sollen.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Der Beschwerdeführer ist auch befugt, die Entscheidungen des Amtsgerichts Trier und des Landgerichts Trier verfassungsgerichtlich überprüfen zu lassen, obwohl sich die von ihm beanstandeten Vollstreckungsmaßnahmen nicht unmittelbar gegen ihn richten.
Das Vorliegen der Beschwerdebefugnis im Sinne des Artikels 130a LV setzt voraus, dass aus der Begründungsschrift (§ 45 VerfGHG) bei objektiver Beurteilung zumindest die Möglichkeit einer Verletzung konkret bestimmbarer Gewährleistungen der Verfassung erkennbar wird, die zumindest auch dem subjektiven Schutz des Beschwerdeführers zu dienen bestimmt sind (VerfGH RP, NJW 1995, 444 [445]). Dieses Erfordernis ist sowohl im Hinblick auf die geltend gemachte Beeinträchtigung des elterlichen Erziehungsrechts (Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 LV) als auch hinsichtlich der behaupteten Verletzung der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bindung der rechtsprechenden Gewalt des Landes an Recht und Gesetz (Artikel 77 Abs. 2 LV) und des hiermit in Verbindung stehenden Verbots willkürlicher Entscheidung (Artikel 17 Abs. 2 LV) erfüllt.
Die durch die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen ausgesprochene Verhängung von Jugendarrest wegen des Verstoßes gegen gerichtliche Auflagen berührt das durch Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 LV garantierte natürliche Recht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder, das in seiner Teilfunktion als subjektives Abwehrrecht die Eltern vor unzulässigen Eingriffen der Staatsgewalt in ihre vorrangige Erziehungsberechtigung schützt (VerfGH RP, AS 37, 292 [302]). Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum inhaltsgleichen Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz – GG –, dass Erziehungsmaßregeln im Rahmen des „staatlichen Wächteramts“ grundsätzlich zulässig sein können und mit dem elterlichen Erziehungsrecht nicht in Konflikt geraten, soweit sie einer Fehlhaltung des Jugendlichen begegnen und abhelfen wollen, die sich ggf. trotz der elterlichen Erziehungsbemühungen eingestellt hat (BVerfGE 74, 102 [124 f.]; BVerfGE 107, 104 [117]). Hieraus ergibt sich jedoch zugleich, dass eine strafgerichtliche Entscheidung, mit der der Staat auf eine Straftat des Jugendlichen reagiert, den Schutzbereich des Artikel 6 Abs. 2 GG berühren kann und dass die Eltern insoweit die Verletzung eigener Rechte geltend machen können (BVerfGE 107, 104 [115]). Diese – für jedes Verfahren auf Grundlage des JGG bestehende – Grundrechtsrelevanz in Bezug auf das elterliche Erziehungsrecht wird im vorliegenden Fall durch den Umstand verstärkt, dass der dem verhängten Jugendarrest zugrundeliegende Ungehorsam nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest auch auf eine elterliche Weisung zurückzuführen sein soll und mithin die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen im unmittelbaren Widerstreit zwischen elterlichem Erziehungsrecht und dem durch Artikel 25 Abs. 1 Satz 2 LV verfassungsrechtlich verankerten staatlichen Wächteramt zu treffen waren.
Aus der demzufolge vorliegenden Beschwerdebefugnis im Hinblick auf Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 LV folgt zugleich, dass der Beschwerdeführer als Grundrechtsträger des elterlichen Erziehungsrechts – Träger dieser Grundrechte sind die Eltern je für sich (BVerfGE 47, 46 [76]; BVerfGE 99, 145 [164]) – eine diese Grundrechtsrelevanz möglicherweise verkennende oder nur unzureichend berücksichtigende Rechtsprechung der verfassungsgerichtlichen Überprüfung am Maßstab von Artikel 77 Abs. 2 LV und Artikel 17 Abs. 2 LV zuführen können muss. Die Beschwerdebefugnis im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Normen folgt insoweit der Grundrechtsträgerschaft des möglicherweise durch das Gericht verkannten Grundrechts nach (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 27. Mai 2009 – VGH B 6/09 – zur Beschwerdebefugnis eines Bürgerbegehrens im Hinblick auf ihm gegenüber ergangene gerichtliche Entscheidungen am Maßstab des Artikels 77 Abs. 2 LV).
3. Die Bundesrechtsklausel des § 44 Abs. 2 VerfGHG steht der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, soweit sie im Übrigen zulässig ist.
Eine Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit die öffentliche Gewalt des Landes Bundesrecht ausführt oder anwendet (§ 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG). Unter Rückgriff auf § 44 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG ist der Verfassungsgerichtshof jedoch befugt, die Durchführung des durch Prozessordnungen des Bundes geregelten Ver-fahrens der Gerichte an den Grundrechten der Landesverfassung zu messen, soweit diese den gleichen Inhalt wie entsprechende Rechte des Grundgesetzes haben
(VerfGH RP, AS 29, 89 [91 f.]; BVerfGE 96, 345 [373]).
Die verfassungsrechtliche Verankerung des elterlichen Erziehungsrechts in Artikel 25 Abs. 1 LV ist – mit Ausnahme der in Satz 1 genannten Erziehungsziele – inhaltlich mit Artikel 6 Abs. 2 GG identisch (M. Jutzi, in: Grimm/Caesar [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar, 2001, Artikel 25, Rn. 5 und 17). Der Verfassungsgerichtshof ist daher nicht daran gehindert, die Durchführung des im JGG geregelten Jugendgerichtsverfahrens einschließlich etwaiger Beugemaßnahmen nach § 15 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 11 Abs. 3 JGG am Maßstab der Landesverfassung zu messen. Dabei sind jedoch die in Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 LV genannten Erziehungsziele außer Acht zu lassen, soweit sie über die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 6 Abs. 2 GG aufgestellten Grundsätze hinaus weiterreichende Rechte des Grundrechtsadressaten oder Grundrechtschranken vermitteln (Held, in: Grimm/Caesar [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar, 2001, Artikel 130a, Rn. 29 f.).
Entsprechend scheitert die Verfassungsbeschwerde nach Maßgabe dieser Grundsätze auch im Übrigen nicht an § 44 Abs. 2 VerfGHG. Das Rechtsstaatsprinzip ist auf Bundesebene in Artikel 20 Abs. 3 GG und inhaltsgleich in Artikel 77 LV verankert (VerfGH RP, AS 24, 321 [346]; VerfGH RP, Beschluss vom 22. Juli 2009 – VGH B 24/09; VerfGH RP, Beschluss vom 17. August 2011 – VGH B 20/11). Daher ist der Verfassungsgerichtshof auch befugt, zu überprüfen, ob eine gerichtliche Entscheidung gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Artikel 77 Abs. 2 LV) verstößt (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 6. August 2007 – VGH B 12/07; VerfGH RP, Beschluss vom 18. März 2011 – VGH B 49/10). Darüber hinaus prüft der Verfassungsgerichtshof auch, ob die angegriffene Entscheidung mit dem Willkürverbot in Einklang steht (Artikel 17 Abs. 2 LV). Liegen dessen Voraussetzungen vor, hat sich das Gericht bei der verfassungsgerichtlich zu überprüfenden Entscheidung außerhalb jeder Rechtsanwendung gestellt mit der Folge, dass seiner Entscheidung in Wahrheit auch kein (materielles) Bundesrecht zugrunde liegt, dessen Anwendung gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle entzogen wäre.
4. Weitergehende Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. Insbesondere hat der Beschwerdeführer den fachgerichtlichen Rechtsweg erschöpft (§ 44 Abs. 3 VerfGHG) und die Beschwerdefrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG eingehalten.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist – soweit sie zulässig ist – jedoch offensichtlich unbegründet.
1. Maßstab der verfassungsgerichtlichen Kontrolle sind dabei nicht die einfachgesetzlichen Regelungen. Die Entscheidungen der zuständigen Fachgerichte, namentlich die Feststellung und Würdigung des Tatbestands sowie die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall, sind grundsätzlich der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen (VerfGH RP, Beschluss vom 14. Juni 1996 – VGB B 4/96; VerfGH RP, DVBl. 1999, 309 [310]). Bereits aus diesem Grund ist es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, die Feststellung des Amtsgerichts, die Tochter des Beschwerdeführers habe sich die Einstellung ihres Vaters zu Eigen gemacht, zu hinterfragen oder die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der Verwertung vermeintlich vom Beschwerdeführer stammender Twitter-Nachrichten durch das Landgericht in die verfassungsrechtliche Überprüfung einzustellen.
In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 18, 85 [92 f.]; BVerfG[K], NJW 2009, 3151 [3152], stRspr.) ist der Verfassungsgerichtshof vielmehr darauf beschränkt, die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zu korrigieren. Diese Schwelle ist – außerhalb der stets zulässigen Willkürkontrolle – erst erreicht, wenn das Fachgericht dem einfachen Recht einen Inhalt entnommen hat, den auch der Gesetzgeber nicht ohne Verstoß gegen die Verfassung festlegen könnte (BVerfGE 81, 29 [31]) oder wenn die fachgerichtliche Entscheidung bei der Tatbestandsfeststellung oder Auslegung des einfachen Rechts die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das gesamte Recht grundsätzlich verkannt hat und die Entscheidung auf dieser unrichtigen Auffassung von Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruht (BVerfGE 18, 85 [92 f.]; BVerfGE 42, 143 [149]). Zudem hängen die Grenzen der verfassungsgerichtlichen Eingriffsmöglichkeiten von der Intensität der geltend gemachten Grundrechtsbeeinträchtigung ab: Je tiefgreifender und nachhaltiger der Eingriff in den Schutzbereich erfolgt, desto strengere Anforderungen sind an die Begründung dieses Eingriffs zu stellen und desto weiter reichen die Nachprüfungsmöglichkeiten des Verfassungsgerichtshofs (BVerfGE 43, 130 [135 f.]; BVerfGE 67, 213 [222 f.]; BVerfGE 83, 130 [145]; BVerfG[K], NJW 2009, 3151 [3152]; Held, in: Grimm/Caesar [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar, 2001, Artikel 130a, Rn. 32 f.). Diese Maßstäbe gelten auch für die verfassungsrechtliche Überprüfung von Eingriffen in das elterliche Erziehungsrecht (Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 6 Abs. 2 und 3 [75. Lfg., Dez. 1995], Rn. 366
m. w. N.).
2. Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab verletzen die Beschlüsse des Amtsgerichts Trier und des Landgerichts Trier den Beschwerdeführer nicht in seinen Elternrechten. Beide Gerichte haben die Existenz oder den Gehalt des in Artikel 25 Abs. 1 LV verbürgten vorrangigen elterlichen Erziehungsrechts nicht grundsätzlich verkannt oder in einer nicht mehr vertretbaren und damit willkürlichen Auslegung ihren Entscheidungen zugrunde gelegt.
a) Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 LV garantiert den Eltern das Recht zur Erziehung ihrer Kinder und legt ihnen zugleich die oberste Verpflichtung hierzu auf (VerfGH RP, AS 37, 292 [315]). Grundsätzlich können Eltern frei von staatlichem Einfluss darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen und Ziel, Inhalt und Methoden der Erziehung nach ihren eigenen Vorstellungen definieren (BVerfGE 24, 119 [143 f.]; BVerfGE 60, 79 [88]; BVerfGE 107, 104 [117], stRspr.). Oberste Richtschnur des erzieherischen Handelns muss aber das Wohl des Kindes sein, wobei Pflege und Erziehung einen Prozess darstellen, an dessen Ende und als dessen Ziel die Entlassung in das selbstverantwortliche Erwachsensein steht (Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Stark [Hrsg.], GG-Kommentar, 5. Auflage [2005], Band 1, Art. 6 Abs. 2, Rn. 159). In diesem Sinne ist das Elternrecht ausschließlich ein Recht im Interesse des Kindes, das den Eltern treuhänderisch um des Kindes Willen durch die Verfassung verbürgt ist (VerfGH RP, AS 37, 292 [316]; BVerfGE 56, 363 [381 f.]).
Die neben dem Recht zur Erziehung ihres Kindes bestehende elterliche Pflicht zur Wahrnehmung dieser Aufgabe gilt nicht allein gegenüber dem Staat. Eltern sind vielmehr auch unmittelbar ihrem Kind gegenüber zu dessen Erziehung verpflichtet. Dieses ist nämlich nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung, sondern Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten (VerfGH RP, AS 37, 292 [316]; BVerfGE 59, 360 [376]; BVerfG(K), NJW 2008, 1287 [1288]). In der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz wird diese Grundrechtsposition des Kindes zudem durch den in Artikel 24 Satz 1 LV festgeschriebenen Anspruch des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung untermauert, dem nach dem Willen des Verfassungsgebers eigenständiger Grundrechtscharakter zukommen soll (LT-Drs. 13/5066, 11). Inhaltlich umfasst dieses Recht unter anderem den Anspruch auf Entfaltung und Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit (BVerfGE 45, 400 [417], zu Artikel 6 Abs. 2 GG) sowie einen Schutzanspruch gegenüber dem Staat vor persönlichkeitsschädigenden Einflüssen (BVerfGE 83, 130 [140], zu Artikel 6 Abs. 2 GG). Der hierdurch vermittelte verfassungsrechtliche Anspruch des Kindes kann mit der Grundrechtsposition der Eltern kollidieren und diese beschränken, sofern die elterliche Erziehungsgewalt nicht mehr zum Wohl des Kindes ausgeübt wird. Insoweit ist das Elternrecht keinesfalls als Freiheit im Sinne eines ungebundenen Machtanspruchs gegenüber den Kindern zu verstehen (BVerfGE 72, 155 [172]), sondern als verfassungsimmanenten Begrenzungen und Bindungen unterliegendes Freiheitsrecht.
b) Mit dieser Berechtigung des Kindes und der Verpflichtung der Eltern korrespondiert das „Wächteramt des Staates“ nach Artikel 25 Abs. 1 Satz 2 LV (VerfGH RP, AS 37, 292 [316]). Werden Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht, weil sie nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Erziehungsaufgabe zum Wohle des Kindes wahrzunehmen, oder finden die Rechte des Kindes auf Erziehung, Entwicklung und Entfaltung nicht ausreichende Berücksichtigung, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern von Verfassungs wegen auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen; das Kind, das der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Person innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes bzw. der Landesverfassung entspricht, hat insoweit ergänzend einen subjektiven Anspruch auf den Schutz des Staates (BVerfGE 24, 119 [144]; BVerfGE 60, 79 [88]; BVerfGE 107, 104 [117]). Flankiert wird dieser Anspruch durch die in Artikel 24 Satz 2 LV konkretisierte besondere staatliche Schutzpflicht im Hinblick auf die Grundrechtspositionen des Kindes.
Im Rahmen des staatlichen Wächteramtes und des durch Artikel 24 Satz 2 LV erteilten Verfassungsauftrags kommt der staatlichen Gewalt die Aufgabe zu, das aus Artikel 25 Abs. 1 Satz 1 LV folgende Recht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder mit seiner gleichzeitigen Pflichtenbindung und das Recht des Kindes auf Erziehung durch seine Eltern unter strikter Beachtung der durch die Landesverfassung vorgegebenen Verantwortungszuweisung zu einem Ausgleich zu bringen (VerfGH RP, AS 37, 292 [316]). Nicht jedes Versagen und nicht jede Nachlässigkeit berechtigen indes den Staat, Erziehungsmaßnahmen gegen den Willen der Eltern vorzunehmen. Art und Ausmaß des zulässigen Eingriffs bestimmen sich vielmehr nach dem Grad des Versagens der Eltern und danach, was im Interesse des Kindes geboten ist (BVerfGE 24, 119 [145]). In diesem Sinne ist das staatliche Handeln nicht um seiner selbst willen, sondern nur zum Schutz der im Einzelfall durch das unzureichend wahrgenommene Erziehungsrecht der Eltern geschädigten Grundrechtspositionen des Kindes gerechtfertigt.
c) Zudem kann die Ausübung des Elternrechts durch den Staat – soweit die Wahrnehmung von Erziehungsrechten in einem Jugendstrafverfahren betroffen ist – auch zum Schutz kollidierender Grundrechte Dritter sowie anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung begrenzt werden (BVerfGE 107, 104 [118], m. w. N.). Hierzu zählt unter anderem die Sicherung des Rechtsfriedens als wesentliche Aufgabe der staatlichen Strafrechtspflege, die zum Schutz der Bürger den staatlichen Strafanspruch in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichteten Verfahren durchsetzen soll (BVerfGE 57, 250 [275]; BVerfGE 100, 313 [389]). Zur Durchsetzung dieser Verfassungsaufgabe (BVerfGE 107, 104 [119]) ist die staatliche Strafrechtspflege grundsätzlich nicht gehindert, auch in das elterliche Erziehungsrecht einzugreifen. Das bedeutet jedoch nicht zugleich, dass das Elternrecht im Rahmen des (Jugend-) Strafverfahrens unter allen Umständen zurückzutreten hat (BVerfGE 107, 104 [117]). Konflikte zwischen dem (prinzipiell vorrangigen) Elternrecht einerseits und dem Verfassungsgebot des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes sowie seiner Durchsetzung im Verfahren andererseits sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – der sich der Verfassungsgerichtshof anschließt – ebenfalls durch Abwägung aufzulösen, im Rahmen derer das betroffene Elternrecht und der strafrechtliche Rechtsgüterschutz zum Ausgleich gebracht werden. Lässt sich dieser Ausgleich – wie im vorliegenden Falle aufgrund des ausdrücklich entgegenstehenden Willens des Beschwerdeführers – nicht herstellen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat (BVerfGE 93, 1 [21]; BVerfGE 107, 104 [119]).
d) Nach Maßgabe dieser Grundsätze begegnen der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 24. Januar 2012, durch den gegen die Tochter des Beschwerdeführers Ungehorsamsarrest von zwei Wochen Dauer festgesetzt wurde, und der Beschluss des Landgerichts Trier vom 21. März 2012, der die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückwies, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Beide Entscheidungen waren in Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts (aa.) sowie zum Schutz der mit Verfassungsrang ausgestatteten staatlichen Strafrechtspflege (bb.) geboten. Zudem durften die Gerichte die verminderte Schutzwürdigkeit einer im Einzelfall auf Rechtsuntreue abzielenden Erziehung (cc.) und die aufgrund des fortgeschrittenen Alters der Jugendlichen verminderte Bedeutung der Elternrechte (dd.) in ihre Abwägungsentscheidung einstellen.
aa) Die mit den Entscheidungen verbundene Zurückdrängung des elterlichen Erziehungsrechts rechtfertigt sich zunächst vor dem Hintergrund des Artikels 25 Abs. 1 Satz 2 LV. Auflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JGG und sonstige Erziehungsmaßregeln nach dem JGG sind im Rahmen des „staatlichen Wächteramts“ zulässige Erziehungshilfen. Sie begegnen einer Fehlhaltung des Jugendlichen, die sich trotz oder wegen der elterlichen Erziehung eingestellt hat, und wollen ihn zu einem Leben ohne Straftaten hinführen (BVerfGE 74, 102 [124 f.]; BVerfGE 107, 104 [117]; Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Stark [Hrsg.], GG-Kommentar, 5. Auflage [2005], Band 1, Art. 6 Abs. 2, Rn. 254). Zwar scheidet eine Suspendierung entgegenstehenden Elternrechts im jugendgerichtlichen Erkenntnisverfahren in der Regel aus, da durch den dem Jugendstrafrecht innewohnenden Erziehungsgedanken (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG) kein staatliches Erziehungsprivileg geschaffen wird und der rechtsförmige Beweis eines (ergänzenden) staatlichen Erziehungsbedarfs in der Person des Jugendlichen noch nicht erbracht ist (BVerfGE 107, 104 [119]). Diese Einschränkungen gelten jedoch für das Vollstreckungsverfahren nicht mehr, da durch die rechtskräftige Verurteilung des Jugendlichen wegen einer rechtswidrig und schuldhaft begangenen Straftat das Bedürfnis weitergehender Erziehung mit dem Ziel eines künftig straffreien Lebens (BVerfGE 74, 102 [122 f.]) offen zutage getreten ist. Im konkreten Fall war diese Tendenz zur fehlenden Rechtstreue der Jugendlichen zudem – im Anschluss an die Verurteilung, jedoch vor dessen Vollstreckung – durch ihre Weigerung, den gerichtlich ausgesprochenen Auflagen nachzukommen, bestätigt worden. Da sich insoweit die Reichweite des staatlichen Wächteramts und die verfassungsrechtliche Stellung des Kindes als Berechtigter eines eigenen auf ausreichende Erziehung gerichteten Grundrechts decken, dient eine jugendgerichtliche Erziehungsmaßnahme nicht nur der Wahrnehmung des Verfassungsauftrags, sondern bewirkt zugleich den Schutz einer mit dem Elternrecht im Einzelfall kollidierenden Grundrechtsposition.
Zwar gebietet die Subsidiarität staatlicher Erziehung auch in diesem Fall aus Gründen des Übermaßverbots eine Abwägung, ob die durch das Gericht erkannten Erziehungsdefizite nicht auch durch die zuvörderst hierzu berufenen Eltern beseitigt werden können. Jedoch sind im vorliegenden Fall die Gerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die elterliche Erziehung aufgrund des während des gesamten Verfahrens zutage getretenen Prozessverhaltens des Beschwerdeführers ungeeignet sein musste, die Tochter zu einem zukünftig rechtstreuen Verhalten zu erziehen. In diesem Sinne stellen die durch die Gerichte hierzu angestellten Erwägungen – entgegen der Annahme des Beschwerdeführers – gerade keine Zurechnung seines Verschuldens gegenüber seiner Tochter dar, sondern die im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderliche Prognose, ob das erkannte Erziehungsdefizit von der vorrangig hierzu berufenen elterlichen Seite effektiv beseitigt werden kann oder nicht.
Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung dürfte zwar das Verhalten des Beschwerdeführers im Erkenntnisverfahren, das mit seinem Ausschluss aus der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Trier am 27. Januar 2011 endete, und die spätere Einlegung mehrerer Rechtsbehelfe gegen das Urteil für sich genommen unzureichend sein, eine fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern im Hinblick auf die Erziehung der Tochter zur Rechtstreue anzunehmen. Vielmehr entspricht es gerade der Grundentscheidung des Jugendstrafrechts, den Erziehungsberechtigten am Verfahren gegen sein Kind zu beteiligen und ihm durch die Verleihung eigener prozessualer Rechtspositionen die Möglichkeit zu geben, auf den Ausgang des Verfahrens einzuwirken (BVerfGE 107, 104 [121], vgl. auch § 67 Abs. 1 JGG). Jedoch konnten die Gerichte aus der Gesamtschau des Verhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zulässigerweise den Rückschluss ziehen, dass dieser die Verwirklichung der im Rahmen eines rechtskräftigen Urteils festgesetzten Erziehungsmaßnahme gegen seine Tochter unter allen Umständen vermeiden wollte. Hierbei waren die Gerichte nicht daran gehindert, in ihre Entscheidung einstellen, dass das vermeintliche Verbot zur Ableistung der verhängten Arbeitsleistungen erstmals deutlich nach Ablauf der hierfür angesetzten Fristen vorgetragen wurde und sich die Tochter des Beschwerdeführers weder gegenüber der Jugendgerichtshilfe noch dem Vollstreckungsgericht gegenüber jemals hierauf berufen hatte, sondern sämtliche Anschreiben seitens der staatlichen Stellen schlicht ignorierte. Ebenfalls nicht zu beanstanden war der aus ihrem Verhalten (keine Kontaktaufnahme mit Gericht oder Jugendgerichtshilfe, Nichterscheinen beim Erörterungstermin am 20. Januar 2012) gezogene Rückschluss der erkennenden Gerichte, sie habe sich die Ansichten ihres Vaters zu Eigen gemacht und sei in ihrem Hang zur Rechtsuntreue bestärkt worden, weshalb eine erhöhte Gefahr weiterer Straffälligkeiten bestehe. Dieser, den ausdrücklichen Zielsetzungen des Jugendstrafrechts zuwiderlaufenden (vgl. § 2 Abs. 1 JGG), Entwicklung durften die Gerichte in Ausübung des staatlichen Wächteramtes und ihres Verfassungsauftrags aus Artikel 25 Abs. 1 Satz 2 LV konsequent durch die geeignete und erforderliche Maßnahme der Festsetzung eines Jugendarrests begegnen.
bb) Zusätzlich konnten die erkennenden Gerichte zu Lasten der Rechtsposition des Beschwerdeführers in die Abwägung einstellen, dass die verhängte Erziehungsmaßnahme und ihre zwangsweise Durchsetzung auch vor dem Hintergrund der mit Verfassungsrang ausgestatteten staatlichen Strafrechtspflege geboten waren. Nicht nur die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung dienen der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs und damit der Sicherung des Rechtsfriedens (BVerfGE 39, 1 [45 ff.], BVerfGE 88, 203 [257 f.]; BVerfGE 107, 104 [118 f.]), sondern auch die effektive und zeitnahe Vollstreckung der erkannten Strafen und Erziehungsmaßregeln. Eine in der Sphäre des Verurteilten bestehende Möglichkeit, dem staatlichen Straf- und Erziehungsanspruch durch einseitige Verweigerung zu entgehen, würde nicht nur aus generalpräventiver Warte das Vertrauen der Bevölkerung in die (Straf-)Rechtsordnung und den staatlichen Strafanspruch unterminieren, sondern zugleich auch aus spezialpräventiver Sicht die Gefahr der wiederholten Begehung von Straftaten durch den Jugendlichen erhöhen. Dies widerspräche jedoch grundlegend der in § 2 Abs. 1 Satz 1 JGG ausdrücklich festgeschriebenen Zielsetzung des Jugendstrafrechts als legitimer Ausgestaltung und Konkretisierung des staatlichen Wächteramts über die Erziehung von Kindern und Jugendlichen.
cc) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist ebenfalls die Annahme der erkennenden Gerichte, eine Ausübung des elterlichen Erziehungsrechts, die auf die Aufrechterhaltung eines Rechtsbruchs des Jugendlichen oder dessen Bestärkung in einem rechtsuntreuen Verhalten abziele, genieße nicht den uneingeschränkten Schutz der Landesverfassung. Neben das Interesse am Schutz des Kindeswohls und den Schutz der staatlichen Strafrechtspflege tritt das legitime Interesse der staatlichen Gemeinschaft an der Erziehung des Nachwuchses (Robbers, in: von Mangoldt/Klein/Stark [Hrsg.], GG-Kommentar, 5. Auflage [2005], Band 1, Art. 6 Abs. 2, Rn. 242). Daher sind die Elternrechte auch durch die Verpflichtung zur Rechtstreue begrenzt (BVerfGE 99, 145 [156]), was die Eltern dazu verpflichtet, ihre Kinder auch zur Beachtung der geltenden Strafrechtsnormen anzuhalten (von Coelln, in: Sachs [Hrsg.], GG-Kommentar, 6. Auflage [2011], Art. 6, Rn. 64). Jede andere Interpretation der mit dem elterlichen Erziehungsrecht untrennbar einhergehenden elterlichen Erziehungspflicht ließe das verfassungsimmanente Ziel, die Entwicklung des Jugendlichen durch die Erziehung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern und zu unterstützen (vgl. auch Artikel 24 Sätze 1 und 2 LV), in nicht mehr vertretbarer Weise außer Acht. Ein Verstoß der Eltern gegen diese Pflicht zur Vermittlung des Rechtstreuegedankens führt zwar nicht zu einer zwingenden Zurückdrängung des elterlichen Erziehungsrechts gegenüber der staatlichen Wächterfunktion; die im Konfliktfall zur Abwägung zwischen dem Elternrecht einerseits und dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz sowie dem Kindeswohl andererseits berufenen Fachgerichte sind jedoch nicht daran gehindert, diesbezügliche Erwägungen in ihre Abwägungsentscheidung einzustellen.
dd) Schließlich rechtfertigt auch die Intensität des mit dem Ungehorsamsarrest verbundenen Grundrechtseingriffs in das elterliche Erziehungsrecht keine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung. Die Verhängung von Jugendarrest gegen den ausdrücklich erklärten Willen des erziehungsberechtigten Elternteils stellt aufgrund des vorübergehenden Charakters bereits keinen mit der Trennung des Kindes von der Familie (Artikel 25 Abs. 3 LV) vergleichbaren Eingriff dar.
Zudem war zu berücksichtigen, dass mit dem fortschreitenden Alter des Jugendlichen und der hiermit wachsenden Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbefugnisse zurückgedrängt werden, bis sie schließlich mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen (VerfGH RP, Beschluss vom 12. März 2012 – VGH B 26/11; BVerfGE 59, 360 [382]; M. Jutzi, in: Grimm/Caesar [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar, 2001, Art. 25, Rn. 9). Aufgrund dieser Ausstrahlungswirkung der zunehmenden Selbstbestimmungsfähigkeit des Jugendlichen stellen sich staatlicherseits vorgenommene Zwangsmaßnahmen mit fortschreitender Reife des Jugendlichen in der Regel nur noch als untergeordnete Beeinträchtigungen des als Folge dieser Entwicklung zurückweichenden Elternrechts dar, die – jedenfalls gegenüber den Eltern – keine hohe Schutzbereichsrelevanz aufweisen. Daher konnten die erkennenden Gerichte auch zu Recht davon ausgehen, dass die Entscheidung der siebzehnjährigen Tochter des Beschwerdeführers, die ihr auferlegten Arbeitsstunden nicht entsprechend der gerichtlichen Vorgaben abzuleisten, aufgrund des fortgeschrittenen Entwicklungstandes der Jugendlichen zumindest teilweise auf Grundlage selbstverantwortlicher Entscheidungsfindungsprozesse getroffen war. Die dementsprechend nur noch untergeordnete Beeinträchtigung des elterlichen Erziehungsrechts des Beschwerdeführers konnte im Rahmen der zu treffenden Abwägung nicht mehr entscheidend zu Gunsten seiner Rechtspositionen ins Gewicht fallen.
4. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (Artikel 17 Abs. 2 LV).
Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf objektiv sachfremden Erwägungen beruht. Willkür ist in diesem Zusammenhang anzunehmen, wenn die Entscheidung unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, sondern schlechthin unhaltbar ist (VerfGH RP, NVwZ 2002, 77).
Auch insoweit ist in den angefochtenen Entscheidungen kein Verfassungsverstoß zu erkennen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine seiner Auffassung nach nicht nachvollziehbare Auslegung des Tatbestandsmerkmals „schuldhaft“ in § 11 Abs. 3 Satz 1 JGG durch die Gerichte geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass weder das Amtsgericht die Festsetzung des Ungehorsamsarrests noch das Landgericht die Entscheidung über die sofortige Beschwerde auf ein ausschließliches Verschulden des Beschwerdeführers gestützt hat, das der Tochter zugerechnet wurde. Vielmehr haben beide Gerichte ihren Entscheidungen zumindest auch ein eigenes schuldhaftes Unterlassen der Tochter zugrunde gelegt, dessen Vorliegen der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt substantiiert in Abrede gestellt hat.
5. Nach Maßgabe dessen scheidet auch ein Verstoß gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Artikel 77 Abs. 2 LV) – der nur im Falle einer unzulässigen richterlichen Rechtsfortbildung anzunehmen wäre (BVerfGE 87, 273 [280]) – aus.
III. Mit der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
IV. Die Verfahren sind gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG).

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