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Entscheidungen

Haftfragen

Haftbefehl. Hauptverhandlung, Nichterscheinen,

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Kleve, Beschl. v. 12.09.2009 - 110 Qs-303 Js 826/06-16/09

Leitsatz: Ein Haftbefehl, der allein deshalb ergangen ist, weil der Angeklagte in einem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt nicht erschienen ist (§ 230 Abs. 2 StPO) kann jedenfalls dann nicht aufrecht erhalten werden, wenn ein neuer Hauptverhandlungstermin noch nicht bestimmt ist.


Landgericht Kleve
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Kleve
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht , den Richter am Landgericht und den Richter am Amtsgericht am 12. Februar 2009 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Angeklagten K. wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Geldern vom 4. November 2008 aufgehoben.

Gründe
Die Staatsanwaltschaft hat die Beschwerdeführerin und ihren Lebensgefährten angeklagt, im Jahr 2005 gemeinschaftlich einen Betrug begangen zu haben. Nachdem eine frühere Hauptverhandlung bis zum 17.7.2008 nicht zu Ende geführt werden konnte, beraumte das Amtsgericht Geldern neuen Hauptverhandlungstermin auf den 25.9.2009 an.

In diesem Termin erschien die Beschwerdeführerin nicht. Ihr Verteidiger erklärte im Termin, dass die Be-schwerdeführerin erkrankt sei und daher den Termin nicht wahrnehmen könne. Das Amtsgericht forderte darauf hin die Beschwerdeführerin auf, ihre Erkrankung und ihre Verhandlungsunfähigkeit binnen einer Woche durch Vorlage eines ärztlichen Attests zu belegen. Dieser Nachweis erfolgte bis zum 10.10.2008 nicht; der Verteidiger der Beschwerdeführerin hatte zwischenzeitlich um eine entsprechende Verlängerung der Frist nachgesucht.

Unter dem 4.11.2008 erließ das Amtsgericht einen Haftbefehl gegen die Beschwerdeführerin und ordnete gleichzeitig an, dass dieser nicht vor dem 20.1.2009 vollstreckt werden dürfte, weil ein neuer Termin vor diesem Tag nicht stattfinden könne.

Mit am selben Tag beim Amtsgericht Geldern eingegangenem Schriftsatz ihres Verteidigers hat die Be-schwerdeführerin gegen den Haftbefehl Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass gegen sie ein dringender Tatverdacht nicht bestehe, und hat zum Nachweis ihrer Erkrankung als Anlagen zu ihrer Einga-be vom 27.12.2008 Bescheinigungen einer Ärztin und einer Psychotherapeutin vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der angefochtene Haftbefehl ist auf das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin hin aufzuheben. In diesem Zusammenhang kommt es auf die von dem Verteidiger der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob die Angeklagte der ihr vorgeworfenen Tat dringend verdächtig ist, nicht an. Selbst wenn man dies bejaht, kann der Haftbefehl, der allein deshalb ergangen ist, weil die Beschwerdeführerin in einem Hauptverhand-lungstermin unentschuldigt nicht erschienen ist (§ 230 Abs. 2 StPO), jedenfalls im vorliegenden Fall nicht bestehen bleiben, solange ein neuer Hauptverhandlungstermin noch nicht bestimmt ist. Das Amtsgericht hat dies im Ansatz ebenfalls so gesehen, als es angeordnet hat, dass der Haftbefehl vor dem 20.1.2009 nicht vollstreckt werden dürfte. Es erscheint jedoch angesichts des bisherigen Verlaufs des Verfahrens fraglich, ob ein neuer Hauptverhandlungstermin zeitnah anberaumt werden kann; dagegen spricht schon der Umstand, dass das vorliegende Verfahren sehr umfangreich ist, weil eine Vielzahl von Zeugen zu ver-nehmen ist. Bereits der Termin vom 25.9.2008 war ein Fortsetzungstermin gewesen, nachdem in einem früheren Termin am 17.7.2008 Zeugen nicht vernommen werden konnten, weil sie verhindert waren. Im Termin vom 25.9.2009 hat das Amtsgericht darüber hinaus das Verfahren nicht nur terminslos vertagt, weil die Angeklagten nicht erschienen waren, sondern auch angeordnet, dass ein Zeuge durch den ersuchten Richter vernommen werden sollte. Diese Vernehmung ist zwar zwischenzeitlich (am 14.1.2009) erfolgt, jedoch hat das Amtsgericht gleichwohl noch keinen neuen Hauptverhandlungstermin bestimmt. Bei dieser Sachlage ist der Erlass eines Haftbefehls zur Sicherung des Verfahrens unverhältnismäßig. Hinzu tritt das Folgende: Nach der Anklageschrift beläuft sich der Schaden, den die Angeklagte zusammen mit ihrem Lebensgefährten verursacht haben soll, auf rund 7.700 €. Die Beschwerdeführerin ist nicht vorbestraft und kann daher auch im Falle ihrer Verurteilung mit einer Strafe rechnen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Bei dieser Sachlage ist die Anordnung einer Haft zur Sicherung des Verfahrens nicht zu vertreten, wenn deren Ende wie hier nicht abzusehen ist.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin mittlerweile ihre psychische Erkrankung, mit der sie ihr Nichter-scheinen am 25.9.2008 begründet hat, belegt. Jedenfalls aus dem Attest der Psychotherapeutin R. vom 13.11.2008, das als Anlage zur Beschwerde vom 27.11.2008 vorgelegt worden ist, ergibt sich, dass bei der Beschwerdeführerin eine Agoraphobie mit einer Panikstörung vorliegt. Das Amtsgericht hat auch in seiner Nichtabhilfeentscheidung nichtausgeführt, dass es diese Bescheinigung als unzureichend ansieht. Sollte es insofern gleichwohl Bedenken haben, wird es eine amtsärztliche Untersuchung der Be-schwerdeführerin zu erwägen haben. Die Kammer vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass angesichts des damit verbundenen Zeitablaufs die Haft ebenfalls nicht mehr als verhältnismäßig anzusehen ist.


Einsender: RA O.Sydow, Berlin

Anmerkung:


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