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Entscheidungen

OWi

Geschwindigkeitsüberschreitung, rechtliches Gehör, Verstoß, Freispruch

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Landstuhl. Urt. v. 10.02.2011 - 4286 Js 12300/10

Leitsatz: Zur Verwertbarkeit einer Messung mit dem Messgerät ES 3.0.


4286 Js 12300/10
Amtsgericht Landstuhl
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Bußgeldsache
gegen pp.

Verteidiger: RA …
wegen: Ordnungswidrigkeit nach der StVO
hat das Amtsgericht Landstuhl – Bußgeldrichter –
in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 10.02.2011

an der teilgenommen haben:

Richter am Amtsgericht … als Bußgeldrichter

Rechtsanwalt … als Verteidiger

am 10.02.2011

für Recht erkannt:

1. Die Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 600 EUR verurteilt.

Der Betroffenen wird für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten nach Eintritt der Rechtskraft.

2. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.

A.V.: §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 Abs. 1, Abs. 2a StVG, 4 Abs. 1 BKatV, 11.3.10 BKat

Gründe
I.
Die Betroffene, die nach Zugeständnis der Fahrereigenschaft und Mitteilung eines geregelten Einkommens von der Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung entbunden worden war, ist verkehrsrechtlich bisher wie folgt in Erscheinung getreten:

Am 07.02.2010 überschritt die Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit betrug 80 km/h, die festgestellte Geschwindigkeit 113 km/h. Der Bußgeldbescheid vom 29.03.2010 wurde am 23.04.2010 rechtskräftig und war mit einer Geldbuße in Höhe von 120 EUR bewehrt.

II.
Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat sich folgender Sachverhalt feststellen lassen:

Die Betroffene führte am 18.08.2010 dem PKW Marke General Motors GMC, amtl. Kennzeichen …, und befuhr die BAB6 Fahrtrichtung Mannheim. Um 18:33 Ihr wurde bei km 629,3 ihre Geschwindigkeit mit 214 km/h gemessen. Die zulässige Geschwindigkeit an der Messstelle betrug 130 km/h. Die Betroffene hatte die zulässige Geschwindigkeit um 84 km/h überschritten. Dies tat sie in ungefährer Vorstellung bezüglich der eigenen und in Kenntnis der vorgeschriebenen Geschwindigkeit, ohne möglicherweise die exakte Überschreitung berechnet zu haben, nahm dabei aber wenigstens billigend die Geschwindigkeitsüberschreitung in Kauf.

Gemessen wurde die Geschwindigkeit mit dem Messgerät Einheitssensor ES 3.0. Gemessen wurde eine Geschwindigkeit von 221 km/h. Abgezogen wurde ein Toleranzwert von 7 km/h, was 3% vom gemessenen Wert nebst Aufrundung auf den nächsten vollen Kilometerwert entspricht.

III.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung der Betroffenen, soweit diese in ihrer zugelassenen Abwesenheit durch ihren Verteidiger abgegeben wurde, darüber hinaus auf der Beweisaufnahme im Übrigen.

1.
Die Betroffene hat sich über ihren Verteidiger dahin gehend eingelassen, dass sie über ein geregeltes Einkommen verfügt und zum Zeitpunkt der Messung Fahrerin des abgelichteten Fahrzeugs war. Eine weitere Einlassung zur Tat wurde weder abgegeben noch verlesen.

Der Verteidiger rügte die Ordnungsmäßigkeit der Messung dergestalt, dass das Fahrzeug der Betroffenen nicht auf der von der Bedienungsanleitung geforderten logischen Messposition zur Fotolinie stand. Im Übrigen wurde die Messung nicht angegriffen.
2.
Die Feststellung zur früheren verkehrsrechtlichen Auffälligkeit der Betroffenen beruht auf der Verlesung des Verkehrszentralregisterauszugs

3.
Die Feststellungen zur Messung beruhen zunächst auf der Verlesung des Messprotokolls, der Verlesung des Eichscheins und der Bescheinigung des Softwareupdates, der Inaugenscheinnahme und Verlesung des Lichtbildes zum Messaufbau (Bl. 22 d.A.) sowie der Inaugenscheinnahme und Verlesung der beiden Messfotos (Bl. 17 und 21 d.A.). Des Weiteren beruhen die Feststellungen zur Messung auf der auszugsweisen Verlesung (S. 43) der Gebrauchsanweisung des Messgeräts ESO 3.0, das von der Firma ESO GmbH bereitgestellt und in das Verfahren als Anlage zur Akte eingeführt wurde, der Verlesung des vorab beauftragten Sachverständigengutachtens (Bl. 60 ff. d.A.), der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder des Sachverständigengutachtens (Bl. 68 d.A.) ,der Anhörung des beauftragten Sachverständigen …, Saarbrücken, sowie der Vernehmung des Entwicklungsleiters der FirmaESO GmbH, Ing.-Grad. …, als sachverständigen Zeugen, sowie schließlich der Verlesung zweiter Anlagenblätter, die vom sachverständigen Zeugen … dem Gericht, dem Sachverständigen und dem Verteidiger im Termin zur Verfügung gestellt wurden und als Anlage zum Protokoll genommen wurden.

a) Die Bedienung des Messgeräts durch die eingesetzten Messbeamten erfolgte ausweislich der vorhandenen und in die Hauptverhandlung eingeführten Dokumente und Lichtbilder ordnungsgemäß. Insbesondere lag ein vollständig ausgefülltes Messprotokoll vor, das u.a. die Betriebsart Automatik, die ortsfeste Fahrbahnmarkierung für die Fotolinie, den Anfangstest und die Überprüfung der korrekten Ausrichtung des Messsensors zur Fahrbahnneigung nach Messende mittels Wasserwaage dokumentiert. Darüber hinaus war das Messgerät zum Messzeitpunkt ordnungsgemäß geeicht und wurde mit der Software 1.002 betrieben. Der Aufbau der Messeinrichtung und die Nachvollziehbarkeit des Messaufbaus wurden fotografisch dokumentiert. Der Schulungsnachweis des Messbeamten war dem Verteidiger, der nur diesmal nicht zur Anwesenheit verpflichteten Betroffenen und dem Gericht aus der Befragung des Messbeamten … in einer früheren Verhandlung bekannt. Diese Vernehmung wurde aber nach Verzicht des Verteidigers in der ausgesetzten und neu terminierten Hauptverhandlung nicht wiederholt.

Anhaltspunkte für eine Fehlmessung des Geräts lagen dabei nicht vor. Eine Schrägfahrt lag nicht vor. Auf Höhe oder gar in der Nähe der Betroffenen fahrende Fahrzeuge waren nicht vorhanden oder auf den Lichtbildern der Akte erkennbar. Auf dem Messfoto, Blatt 17 der Akte, auf das im Übrigen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen und Bezug genommen wird, ist zwar erkennbar, dass als die Messung auslösender Kontrast der vorauseilende Schatten des Fahrzeugs und nicht das Fahrzeug selbst fungiert hat. Dennoch ist der Schatten hinsichtlich der Umrisse zweifelsfrei dem Fahrzeug der Betroffenen zuzuordnen und nicht etwa einem anderen fahrenden oder gar fliegenden Objekt, das dazu noch mit höherer Geschwindigkeit als die Betroffene unterwegs gewesen wäre, etwa ein Flugzeug im Landeanflug auf den nahe gelegenen Flughafen Ramstein. Auch eine Messung verschieden hoher Stufen des Fahrzeugs oder mglw. mit Eigengeschwindigkeit pendelnder herausragender Bestandteile konnte nicht festgestellt werden.

b)Das Gericht hat darüber hinaus, nach eingehender sachverständiger Beratung, nicht feststellen können, dass im vorliegenden Fall eine fehlerhafte Messung oder eine Benutzung des Geräts außerhalb der Bedienungsvorschriften vorgelegen haben.

aa) Der vorab beauftragte Sachverständige hatte in seinem Gutachten ausgeführt, dass zwar bei den einzelnen Messfotos des Films Nr. 180003_5 bei den Einblendungen des seitlichen Abstands in Bezug auf die Aufnahmeposition der Fahrzeuge keine unplausiblen Messpositionen festgestellt werden konnten, jedoch stark abweichende Positionen der aufgenommenen Fahrzeuge zur Fotolinie, wobei jeweils weitere Fahrzeuge im Bereich der Fotolinie nicht festzustellen waren. Es sei deshalb möglich, dass eine unzulässige Bedienung des Messgeräts vorgelegen habe, die eine Ablichtung von Fahrzeugen trotz Nichterreichens der Fotolinie ermöglicht hätte.

Der Sachverständige hat durch Vergleich mit mehreren Messfotos des betroffenen Films Nr. 180003_5 aufgezeigt, dass es verschiedene Situationen gab, so auch die der Betroffenen, in welchen das gemessene Fahrzeug nicht mit der Fahrzeugfront an der Fotolinie stand, sondern davor oder gar schon darüber. Auch das Fahrzeug der Betroffenen war bei Auslösung des Lichtbildes noch vor der Fotolinie befindlich, erreicht hatte die Fotolinie aber bereits der dem Fahrzeug der Betroffenen zuzuordnende Schattenwurf des Fahrzeugs.
bb) Zur Problematik des „vorauslaufenden Schattens“ an sich hat das Gericht zunächst durch den in der Gebrauchsanweisung auf S. 43 enthaltenen und von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) genehmigten Hinweis davon überzeugen können, dass durch dieses bekannte Phänomen die Messung der Geschwindigkeit nicht beeinflusst wird.

Der Hinweis lautet: „In seltenen Fällen kann die Fotoposition durch Lichteffekte (z.B. vorauslaufende Schatten o.Ä.) abweichen. […] Diese Effekte haben keine Auswirkung auf den Geschwindigkeitsmesswert. Eine sichere Auswertung kann trotzdem erfolgen, wenn anhand der Fahrtrichtungssymbolik, der Position bezüglich der Fotolinie und des gemessenen Abstands eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Dies ist auf jeden Fall gegeben, wenn nur ein Fahrzeug in Frage kommt.“

Vorliegend befand sich nur das Fahrzeug der Betroffenen im Ablichtungsbereich.

cc) es Weiteren hat die Befragung des Sachverständigen und des sachverständigen Zeugen ergeben, dass abgesehen von einem nur theoretischen Fall des Schattenwurfs einer schnelleren Objekts, z.B. eines Flugzeugs, was hier mit anhand der Lichtbilder und anhand des eindeutigen Schattenwurfs ausgeschlossen werden konnte, die Messung eines Fahrzeugs auch durch den vorauslaufenden Schatten ausgelöst werden kann und dennoch eine zuverlässige und zulässige Messung erfolgt.

Der sachverständige Zeuge hat, dies ohne durchgreifenden Einwand des Sachverständigen, die Messmethodik des Geräts ES 3.0 erläutert. Er führte aus: Ein Schatten oder auch ein Fahrzeugteil können das erste brauchbare Signal für die Messeinrichtung liefern, die daraufhin die Messung startet und nach exakt drei Metern das Foto auslöst, sofern die bis dahin getätigten vorläufigen Messungen in einer Korrelationsrechnung als im Rahmen der zulässigen Verkehrsfehlergrenzen liegend bestätigt werden. Jede Messung wird nach spätestens fünf Metern abgebrochen. Die Geschwindigkeit wird dabei mittels drei parallel liegenden Sensoren durch Vergleich der Zeitabstände zwischen den Messungen ermittelt. Dazu kann mittels der schräg liegenden Sensoren der Abstand ermittelt werden. Ob dabei abstrakt Fehlerquellen entstehen können, war im vorliegenden Fall mangels einschlägiger Messsituation nicht zu entscheiden. Zudem hat der Sachverständige in seinem Gutachten keine Abweichungen beim seitlichen Abstand feststellen können. Jedenfalls würde bei einer möglichen Schrägfahrt die Toleranz zugunsten des Betroffenen erhöht und die gemessene Geschwindigkeit wird dann sogar niedriger ausgeworfen werden.

Auslöser der Messung ist ein Helligkeitsunterschied, der z.B. bei Nacht auch erst durch die Heckleuchten ausgelöst werden kann, was als Sonderfall aber an die Messung erhöhte Anforderungen stellen würde, da ja das Fahrzeug nicht mehr auf einer längeren Strecke von den passiven Sensoren abgetastet werden kann. Sofern der erste gemessene, aber vorläufige Wert geräteintern noch eine Divergenz von 6% zur gemessenen Geschwindigkeit aufweisen kann, hat dies noch keine Auswirkung auf das Messergebnis. Nach der ersten vorläufigen Messung erfolgen weitere Messungen, z.B. eine Triggermessung, und sodann in einem dritten Schritt die bereits genannte Korrelationsrechnung, die zum endgültigen Wert maximal in einer Höhe von weniger als 2% abweichen darf. Dabei werden die verschiedenen erhaltenen Messkurven übereinandergelegt und verglichen. Sollte ein Schatten als Auslöser während der Messung eine andere Geschwindigkeit aufweisen als das Fahrzeug selbst, wird die Messung automatisch annulliert. Dennoch kann man nicht generell vom Schatten als Auslöser ausgehen, da es auch auf die Umgebungsverhältnisse wie Tageslicht, Bewölkungsgrad, etc. ankommt, und damit jedes Fahrzeug ein verschiedenes Signal abgibt, auf das die Messeinrichtung reagiert. Insoweit können auch nicht zwei Messfotos miteinander verglichen werden, da nie die gleichen Lichtverhältnisse existieren und man, so die Sachverständigen unisono, mittels der gängigen Messtechnik nie zwei exakt gleiche Messergebnisse erhält. Jedenfalls ist aber die Fotolinie selbst kein Fixum für die Messung, sondern erlaubt nur eine eindeutige Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug. Wenn wie hier nur ein Fahrzeug vorliegt, ist die Nichtablichtung der Fahrzeugfront exakt an der Fotolinie ein bereits in die üblichen Toleranzen einberechnetes Vorkommnis.

dd)Darüber hinaus entspricht es nach dem Ausschluss möglicher Fremdeinwirkungen auf die Messung auch allgemeinen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, dass bei Sonnenlicht als Lichtquelle angesichts des minimalen Winkels im Vergleich zur Position der Lichtquelle, den das Fahrzeug des Betroffenen auf der maximal fünf Meter langen Messstrecke durchlaufen hat, eine abweichende Geschwindigkeit des geworfenen Schattens zur Geschwindigkeit des Objekts nicht denkbar, jedenfalls im gegebenen Toleranzbereich irrelevant ist.

c)Im Übrigen ergaben die Ausführungen des Sachverständigen keinen Anlass zur weiteren Beweiserhebung im Sinne des § 77 OWiG, die ebendort in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Soweit der Sachverständige ausführt, dass er die gemessenen Werte mangels Kenntnis der genauen geschützten technischen Zusammensetzung des Geräts und seiner Funktionen sowie mangels Kenntnis der Korrelationsrechnung zur Verifizierung des Messergebnisses im Besonderen weder nachvollziehen noch nachprüfen kann, ist dies für das Gericht unerheblich. Die Herstellerfirma ist nicht zur Offenlegung ihres insbesondere geistig geschützten Eigentums verpflichtet, nur weil sie eine quantitativ herausragende Stellung bei der Geschwindigkeitsmessung in Deutschland innehat. Wenn das Messverfahren durch die PTB zugelassen wurde, die Eichung vorlag und der Einsatz des Geräts gemäß der Bedienungsanleitung erfolgt ist, ist gewährleistet, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Verkehrsfehlergrenzen stets eingehalten werden und das gerade auch in Sonderfällen. Dass möglicherweise, so der Vortrag der Verteidigung, bei anderen Geräten eine durch die PTB nicht frühzeitig unterbundene Fehlmessung in besonderen Fällen vorlag, hat keine Auswirkung, etwa in Form eines Rückschlusses auf die Plausibilität der Begutachtung durch die PTB, zumindest nicht für das entscheidende Gericht. Zudem musste der Sachverständige auf Vorhalt des sachverständigen Zeugen einräumen, dass Unregelmäßigkeiten der Geschwindigkeitsmessung bei ESO 3.0 bisher nicht aufgefallen sind. Insoweit liegt also ein durch das Gericht weiter aufzuklärender Sachverhalt nicht vor.

d) Insofern konnte das Gericht nach sachverständiger Beratung nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgehen, dass eine ordnungsgemäße Messung der Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Betroffenen vorlag. Insbesondere war die Auslösung der Messung durch den vorauslaufenden Schatten kein Grund, an der Ordnungsmäßigkeit der Messung der Geschwindigkeit zu zweifeln. Auch die Position des Fahrzeugs zur Fotolinie hatte keine Auswirkung auf die gemessene Geschwindigkeit.

4. Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand beruhen auf dem Indiz des festgestellten Messergebnisses, dazu unten IV. Weitere Umstände konnten mangels Angaben der Betroffenen nicht in die Beweiswürdigung hierzu einfließen.

IV.
1. Die Betroffene hat sich damit für einen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG zu verantworten. Sie hat, so die ordnungsgemäße Messung, außerhalb geschlossener Ortschaften auf einer Bundesautobahn die vorgeschriebene Geschwindigkeit um 84 km/h überschritten. Das Gerät ESO ES 3.0 ermöglicht ein standardisiertes Messverfahren (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2009, Az. 1 SsRs 71/09). Mehr als die obigen Feststellungen (II.) musste das Gericht zum Messergebnis nicht treffen.

2. Die Betroffene handelte vorsätzlich. Grundsätzlich wird bei standardisierten Verkehrsordnungswidrigkeiten die fahrlässige Begehung angenommen. Bei Vorliegen besonderer Umstände und gleichzeitigem Schweigen des Betroffenen zur Begehungsweise der Tat ist jedoch die Annahme der vorsätzlichen Begehung zulässig. Vorsätzliches Handeln wird bei Geschwindigkeitsverstößen im Bußgeldrecht ohne nötige weitere Indizien bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von über 40% unproblematisch angenommen (vgl. Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Auflage, 2010, Kap. C, §5, Rn. 201 m.w.N.). Bei dem hier erreichten Wert von 60,74% (214 km/h bei erlaubten 130 km/h) ist die Annahme von Vorsatz zu bejahen (vgl. auch OLG Bamberg, DAR 2006, 464; OLG Jena, DAR 2006, 523).

3. Soweit der Verteidiger unter Berufung auf das auch von der Firma ESO zitierte Urteil des OLG Brandenburg (Beschl. v. 03.06.2010, Az. 2 Ss (Owi) 110 B/10) vorgetragen hat, das Gericht würde, indem das Verschweigen weiterer Messdetails durch die Firma ESO GmbH hingenommen würde sowie die Begutachtungen der PTB kritiklos übernommen würden, gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, und eine ureigene Sachaufklärung durch das Gericht würde nicht mehr stattfinden, so kann dem nicht gefolgt werden. Das Gericht hat entsprechend der obergerichtlichen Vorgaben und Grenzen die Tatsachenfeststellung betrieben und sich, mehr als in üblichem Maße, sachverständig beraten lassen. Dass darüber hinaus keine Sachaufklärung erfolgt ist und die Korrektheit der Prüfungsarbeit der PTB angenommen wird, beruht zum einen auf dem jedem Gericht eingeräumten Ermessen bei der Sachaufklärung im Bußgeldverfahren, zum anderen auf den Besonderheiten der hier durchgeführten Beweisaufnahme. Das Gericht ist nach wie vor daran gebunden, wenigstens Indizien dafür finden zu müssen, um ein Messergebnis als falsch zu erachten, wenn dieses sich den äußeren Umständen nach als korrekt darstellt. Solche Indizien wurden hier nicht aufgedeckt. Die vom Sachverständigen vorgetragenen Problempunkte waren bereits Gegenstand der Begutachtung durch die PTB und sind im Übrigen theoretischer Natur. Eine abstrakte Sachaufklärung ist weder Ziel des einzelnen Verfahrens noch des OWiG. Wenn die vorhandenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind, und das waren sie im vorliegenden Fall, und sich eine Korrelation zu anderen Sachverhalten nicht anbietet oder gar aufdrängt und schließlich die vorgetragenen Zweifel ausgeräumt oder jedenfalls nicht ohne Bezugsverlust zum Fall weiter verfolgt werden können, ist ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Gerichts nicht zu bejahen.

V.
1.Die Höhe des Bußgelds richtet sich indiziell nach lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 als Anhang zu Ziffer 11 der Anlage zur BKatV und ist mit 600 EUR auch angemessen. Eine Erhöhung wegen des vom Gericht anzunehmenden Vorsatzes oder wegen der einschlägigen Voreintragung im Verkehrszentralregister war nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht erforderlich, wäre aber nicht ausgeschlossen gewesen. Die auch für Gerichte als Zumessungsrichtlinie verbindliche BKatV samt Anlage (vgl. Janker in Burmann / Heß / Jahnke / Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, 2010, Einführung, Rn. 62; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Auflage, 2010, Kap. C, §1, Rn. 12) hat mit der genannten Höhe des Bußgeldes einen dem Verstoß entsprechenden Rahmen gesetzt, den das Gericht nach Abwägung der den Fall betreffenden Umstände hier nicht abändern muss. Insbesondere hat die Betroffene ein geregeltes Einkommen und wird durch das Bußgeld nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.

2. Gegen die Betroffene war ein Fahrverbot von drei Monaten Dauer anzuordnen.

Dem Grunde nach richtet sich die Anordnung nach § 4 Abs. 1 BKatV, der § 25 Abs. 1 StVG konkretisiert. Durch die Verwirklichung eines Tatbestands, der lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 als Anhang zu Ziffer 11 der Anlage zur BKatV entspricht, hat die Betroffene eine grobe Pflichtverletzung begangen, hier explizit eine Geschwindigkeitsüberschreitung von großem Ausmaß. Dies ist mit einem Regelfahrverbot zu sanktionieren. Umstände, die für ein Absehen von der Regelanordnung sprechen, liegen nicht vor. Aus den Äußerungen der Betroffenen waren solche Umstände nicht zu entnehmen. Insbesondere wurden keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die berufliche Existenz der Betroffenen gefährdet wäre oder anderweitige Gründe wie ein Augenblicksversagen für eine Unverhältnismäßigkeit sprechen könnten. Auch die objektiven Umstände des Falles führen nicht zu einem Absehen vom Regelfahrverbot. Dem Gericht ist die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV bekannt – das Maß des Verstoßes, der Vorsatz und die einschlägige Voreintragung sprachen aber gegen eine Anwendung der Vorschrift. Das Fehlen einer abstrakten Gefährdung kann mangels Indizien hierfür nicht angenommen werden

Der Höhe nach richtet sich das Fahrverbot auch hier indiziell nach lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 als Anhang zu Ziffer 11 der Anlage zur BKatV. Das Gericht hat hier nach Abwägung der den Fall betreffenden Umstände die Anordnung eines Fahrverbots von drei Monaten Dauer für angemessen erachtet.

Bezüglich des Fahrverbots war die Viermonatsfrist zu gewähren, § 25 Abs. 2a StVG.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.

Einsender: entnommen openjur.de

Anmerkung:


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