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Entscheidungen

StPO

Ablehnung, Besorgnis der Befangenheit, zu kurze Frist, unterlassene Namhaftmachung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 03.01.2012 - 2 Ws 166/11

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Die kürzer als beantragt gewährte Fristverlängerung vermag nicht den Eindruck der Befangenheit zu begründen. Die Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren rechtfertigt eine Ablehnung nur dann, wenn eine solche Entscheidung nicht lediglich auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, sondern diese vielmehr völlig abwegig ist oder den Anschein der Willkür erweckt.
2. Sinn und Zweck einer Namhaftmachung der zur Entscheidung berufenen Richter kann es nur sein, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, etwaige - aus seiner Sicht - bestehende Vorbelastungen der Richter erkennen und entsprechende Anträge stellen zu können. Dem wird ein Blick in die Geschäftsverteilung, aus der sich auch die potentiellen Vertreter ergeben, weitaus mehr gerecht, als die Mitteilung einer konkreten Gerichtsbesetzung, die sich bis zum Tage der Entscheidungsfindung durch unvorhergesehene Umstände - Krankheit, kurzfristige Heranziehung zu Spruchrichtertätigkeit etc. - jederzeit ändern kann.


In pp.
Das Ablehnungsgesuch wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Mit seinem Ablehnungsgesuch macht der Antragsteller geltend, die abgelehnte Vorsitzende Richterin habe entgegen seinem Antrag lediglich eine unzureichende Fristverlängerung nur für die zwei Weihnachtswochen bis zum 30. Dezember 2011 gewährt, obwohl das Verfahren von der Generalstaatsanwaltschaft offenkundig unfair, fehlerhaft und nicht objektiv bearbeitet werde, so dass sich der Antragsteller vorsätzlich diskriminiert und gezielt in seinen Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren verletzt sehe. Weiter habe die abgelehnte Vorsitzende Richterin ihm die zur Entscheidung berufene Besetzung des Senats nicht mitgeteilt, sondern nur darauf hingewiesen, dass die Entscheidung erst im Januar 2012 und somit nicht mehr durch die nach der Geschäftsverteilung 2011 zuständigen Richter erfolgen werde. Bis zum Jahresende sei dem Antragsteller jedoch eine Überprüfung der zuständigen Richter nicht möglich, was ebenfalls sein rechtliches Gehör und seine Verfahrensgrundrechte auf ein faires Verfahren beschneide. Die Aussage der abgelehnten Vorsitzenden Richterin, Anfang Januar 2012 über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung befinden zu wollen, zeige, dass sie die Sache schnell vom Tisch bekommen wolle - zumal sie die Argumente der anderen Senatsmitglieder ja noch gar nicht kenne.
Zudem habe die abgelehnte Vorsitzende Richterin auch im Parallelverfahren ... die Erfüllung der Verfahrensgrundrechte des Antragstellers auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren vereitelt, da dort eine Akteneinsicht lediglich während einer bekannten Urlaubsabwesenheit des Antragstellers auf der Geschäftsstelle gewährt worden sei. Sodann habe sie die Akte unter Übergehung einer vom Senat zu bescheidenden Anhörungsrüge an den Bundesgerichtshof übersandt. Schließlich nimmt der Antragsteller Bezug auf einen Schriftsatz aus dem Parallelverfahren ... vom 10. Dezember 2011, in dem er der abgelehnten Vorsitzenden Richterin vorwirft, eine zuvor von ihm zur Akte gereichte Anfrage zu Unrecht an die Präsidialabteilung des Oberlandesgerichts weitergereicht zu haben. Die abgelehnte Vorsitzende Richterin habe eine die Besorgnis ihrer Befangenheit begründende Nähe zur Justizverwaltung und zur Generalstaatsanwaltschaft.
Das Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.
Ein Richter kann gemäß § 24 StPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an, nicht aber auf seinen subjektiven Eindruck und auf seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt. Maßgebend sind vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Betroffenen und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 24, Rn. 8, m.w.N.).
Die kürzer als beantragt gewährte Fristverlängerung vermag nicht den Eindruck der Befangenheit zu begründen. Die Mitwirkung an einer Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren rechtfertigt eine Ablehnung nur dann, wenn eine solche Entscheidung nicht lediglich auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht, sondern diese vielmehr völlig abwegig ist oder den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.09.2002, Az. 1 StR 169/02, juris). Diese Rechtsauffassung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. V. 26.06.2008, Az. 2 BvR 2067/07, juris).
Das Verhalten der abgelehnten Vorsitzenden Richterin lässt bereits keine unzutreffende Rechtsauffassung erkennen. Dabei sind im vorliegenden Fall insbesondere die Gegebenheiten des Klageerzwingungsverfahrens in Betracht zu ziehen. In diesem Verfahren müssen innerhalb der Monatsfrist des § 172 Abs. 2 S. 1 StPO dem Oberlandesgericht alle Tatsachen, die die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und alle Beweismittel vorgetragen werden. Das Oberlandesgericht muss durch den Vortrag in der Antragsschrift in die Lage versetzt werden, eine Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten vorzunehmen. Deshalb ist die Schilderung einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständliche Darstellung des Sachverhalts zur objektiven und subjektiven Tatseite erforderlich, aus dem sich der dem Beschuldigten jeweils zur Last gelegte Straftatbestand ergibt und der bei Unterstellung hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde (vgl. Meyer-Goßner, aaO., § 172 Rdn. 27a). Die - im vorliegenden Fall bereits abgelaufene - Antragsfrist kann nicht verlängert werden. Mithin ermöglicht dem Antragsteller die ihm eingeräumte Fristverlängerung nicht, seinen Antrag mit weiterem Sachvortrag auszufüllen. Bereits vor diesem Hintergrund vermag die Verfügung der Vorsitzenden Richterin, im Hinblick auf das strafprozessuale Beschleunigungsgebot dem Antragsteller nur eine eingeschränkte Fristverlängerung zu gewähren, keinen Eindruck der Befangenheit zu erwecken.
Soweit der Antragsteller rügt, die abgelehnte Vorsitzende Richterin habe ihm die Besetzung des zur Entscheidung berufenen Senats nicht mitgeteilt, so vermag auch dieser Umstand nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Die Vorabbekanntgabe der Gerichtsbesetzung ist gesetzlich lediglich in bestimmten Fällen vorgesehen. So gebietet § 222a StPO die Mitteilung der Besetzung für bestimmte Fälle erstinstanzlicher Hauptverhandlungen. Nach § 24 Abs. 3 S. 2 StPO sind einem zur Ablehnung Berechtigten - jedoch nur auf dessen Verlangen hin - die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen. Aber auch soweit teilweise die Meinung vertreten wird, die Namhaftmachung der zur Mitwirkung bei einer Entscheidung berufenen Gerichtspersonen könne - über den Wortlaut des Gesetzes hinaus - grundsätzlich für jede richterliche Maßnahme verlangt werden (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.05.1982, Az. 1 Ws 183,82, NStZ 1983, S. 470 f., BayObLG, Urt. V. 29.09.1989, Az. RReg 2 St 10/89, NStZ 1990, S. 200 [201]), so ist der Anschein einer Voreingenommenheit aufgrund der Angaben der abgelehnten Vorsitzenden Richterin nicht zu erkennen. Sinn und Zweck einer Namhaftmachung kann es nur sein, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, etwaige - aus seiner Sicht - bestehende Vorbelastungen der potentiell zur Entscheidung berufenen Richter erkennen und entsprechende Anträge stellen zu können. Dem wird ein Blick in die Geschäftsverteilung, aus der sich auch die potentiellen Vertreter ergeben, weitaus mehr gerecht, als die Mitteilung einer konkreten Gerichtsbesetzung, die sich bis zum Tage der Entscheidungsfindung durch unvorhergesehene Umstände - Krankheit, kurzfristige Heranziehung zu Spruchrichtertätigkeit etc. - jederzeit ändern kann. Die Gerichtsbesetzung für die am Tage der Beschlussfindung zur Entscheidung berufenen Richter folgt aus der Geschäftsverteilung. Hierauf hat die abgelehnte Vorsitzende Richterin hingewiesen und zugleich den voraussichtlichen Zeitpunkt der beabsichtigten Beschlussfassung genannt. Hierdurch wurde es dem Antragsteller ermöglicht, durch Einsichtnahme in die Geschäftsverteilung, die zur Entscheidung berufenen Richter - und auch deren gegebenenfalls im Falle einer Verhinderung zuständig werdende Vertreter - vorab ersehen zu können.
Soweit der Antragsteller Auskünfte betreffend die Geschäftsverteilung begehrt hat, ist auch das Weiterleiten entsprechender Anfragen an die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts rechtlich nicht zu beanstanden, da eine Zuständigkeit der Senatsvorsitzenden zur Beantwortung solcher Fragen nicht gesetzlich begründet ist. Die in diesem Zusammenhang genannte "Nähe zur Justizverwaltung" ist weder schlüssig vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
Auch die vom Antragsteller angeführte Vorbefassung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin mit dem parallelen Klageerzwingungsverfahren mit dem Aktenzeichen ... vermag den Anschein einer Befangenheit nicht zu begründen, da ein verständiger Betroffener nicht davon ausgehen kann, dass sich ein Richter durch Vorentscheidungen in anderen Verfahren für künftige Entscheidungen festgelegt haben könnte (vgl. Meyer-Goßner, aaO., § 24, Rn. 12 f., m.w.N.). Dabei ist auch eine rechtlich fehlerhafte Entscheidung im Rahmen einer Vorbefassung per se noch nicht geeignet ist, den Eindruck einer Befangenheit begründen zu können.
Auch im Übrigen lassen sich aus dem Vortrag des Antragstellers keine Anhaltspunkte entnehmen, aus denen auf den Anschein einer Befangenheit der abgelehnten Vorsitzenden Richterin geschlossen werden könnte.
Mithin liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der abgelehnten Vorsitzenden Richterin zu rechtfertigen, so dass das Ablehnungsgesuch als unbegründet zu verwerfen war.
Der Senat vermochte die vorliegende Entscheidung auch ohne die Vorlage einer Dienstlichen Erklärung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin zu treffen, da sich der Sachverhalt, auf den der Antragsteller sein Begehr stützt, umfassend und unzweifelhaft aus der Aktenlage ergibt. Zwar ist eine solche dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO grundsätzlich erforderlich. Ihr Fehlen ist aber dann unschädlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt - wie hier - feststeht. Die Äußerung eines abgelehnten Richters ist nur zu Tatsachen erforderlich. Da die dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO allein der weiteren Sachaufklärung dient, ist sie verzichtbar, wenn der Sachverhalt geklärt ist. Für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit nach § 24 Abs. 2 StPO kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich für befangen hält; entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln (vgl. BGH, Beschl. v. 24.07.2007, Az. 4 StR 236/07, juris).

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