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Entscheidungen

Haftfragen

Maßregelvollzug, Hala-Kost, Selbstverpfleger

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 29.08. 2011 – 2 Ws 326/11 Vollz

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Im Bereich des Maßregelvollzugs ist § 21 Satz 3 StVollzG entsprechend anzuwenden.
2. § 21 Satz 3 StVollzG sieht nur ein Recht auf Selbstverpflegung vor, wenn ein Gefangener ei-ner Religionsgemeinschaft mit besonderen Speisegeboten angehört und diese im Rahmen der Anstaltsverpflegung nicht berücksichtigt werden.
3. Die Anstalt ist nicht verpflichtet, dem Gefangenen entsprechende Speisen zu beschaffen, hat ihm jedoch zu gestatten, sich selbst mit diesen zu versorgen.
4. Die Beschränkung der Anstaltsbelieferung auf ein Unternehmen, das keinerlei Halalprodukte anbietet, stellt sich als ermessensfehlerhaft dar.


KAMMERGERICHT
Beschluß
Geschäftsnummer:
2 Ws 326/11 Vollz
In der Maßregelvollzugssache
des Untergebrachten X
zur Zeit im Krankenhaus des Maßregelvollzugs,
wegen Verpflegung
hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 29. August 2011 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten werden der Beschluss des Landgerichts Berlin – Strafvoll-streckungskammer – vom 30. Mai 2011 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung und der Bescheid des Kranken-hauses des Maßregelvollzugs vom 28. Februar 2011 auf-gehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstel-ler unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Untergebrachten in beiden Rechtszügen zu tragen.



G r ü n d e :


I.

Der Beschwerdeführer befindet sich aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 28. Juni 2005, in dem seine Unter-bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, im Krankenhaus des Maßregelvollzugs. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 beantragte der Beschwerdeführer, der der is-lamischen Religionsgemeinschaft angehört und eigenen Angaben zufolge praktizierender Muslim ist, bei dem Antragsgegner die Umstellung seiner Ernährung auf sogenannte Halal-Kost. Das Krankenhaus des Maßregelvollzugs müsse es ihm ermöglichen, die Speisevorschriften des Islam zu befolgen.

Der Antragsgegner lehnte dies mit Schreiben vom 28. Februar 2011 ab. Zur Begründung führte er aus, die Möglichkeit der Selbstversorgung mit Lebensmitteln sei an einen Lockerungssta-tus gebunden, der es dem Patienten ermögliche, in Begleitung eines Mitarbeiters der Klinik die erforderlichen Einkäufe zu erledigen. Von dieser Regelung könne nur abgesehen werden, wenn ein dringender medizinischer Grund die weitere Versorgung mit Klinikkost nicht ratsam erscheinen lasse. Im Übrigen sehe die Hausordnung des Krankenhauses des Maßregelvollzugs aus Si-cherheitsgründen „ursprünglich“ nicht die Möglichkeit vor, Le-bensmittel von Familienangehörigen oder sonstigen Personen einbringen zu lassen. Lediglich aus Kulanzgründen werde Pati-enten der Empfang von jährlich drei bis vier Paketen mit maxi-mal 5 kg Gewicht zu besonderen Gelegenheiten genehmigt.

Mit dem am 31. März 2011 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§§ 109 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG) begehrte der Beschwerdeführer, den Leiter des Krankenhauses des Maßregel-vollzugs unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Februar 2011 zu verpflichten, ihm zu ermöglichen, Speisevorschriften der islamischen Religionsgemeinschaft zu befolgen. Zur Begründung seines Antrags verwies er auf Art. 4 Abs. 1 GG und § 21 Satz 3 StVollzG. Die Möglichkeit der Selbstverpflegung dürfe ihm nur versagt werden, wenn die regelmäßige Anlieferung der nach dem Islam erlaubten Lebensmittel ein konkretes Sicherheitsrisiko darstelle. Im übrigen seien Alternativen wie die Einrichtung einer Kantine, die Bildung von Einkaufsgruppen, die Bestellung bestimmter Lebensmittel durch den Antragsteller direkt beim Supermarkt sowie Paketzustellungen durch Angehörige, Freunde und Bekannte in Betracht zu ziehen.

Der Antragsgegner führte mit Schreiben vom 20. April 2011 er-gänzend aus, die Patienten hätten die Möglichkeit, anhand eines vorgegebenen Speiseplans wochenweise unter verschiedenen Angeboten - Vollwertkost, Reduktionskost, vegetarische Kost und islamische Kost (Essen ohne Schweinefleisch) – auszuwählen und auf diese Weise den Verzehr von Fleisch- und Wurstwaren zu vermeiden, die nicht dem islamischen Regelwerk entsprächen. Zusätzlich könne der Antragsteller Lebensmittel über den Lie-ferservice des Unternehmens "Kaiser's" bestellen, der aller-dings keine Halal-Produkte anbiete.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Mai 2011 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung als unbegründet zurückgewiesen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Ver-letzung sachlichen Rechts und beantragt, den Antragsgegner un-ter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Februar 2011 und des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten, es ihm zu ermögli-chen, Speisevorschriften der islamischen Religionsgemeinschaft zu befolgen und Halalkost für die ihm bereits gestattete Selbstversorgung zu erwerben, hilfsweise, den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und die Sa-che zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Der Beschwer-deführer macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen § 21 Satz 3 StVollzG und Art. 4 Abs. 2 GG. Die von der Strafvollstreckungskammer aufgezeigte Möglichkeit, Vegetarier zu werden, reiche nicht aus, um dem Anspruch des Beschwerde-führers auf eine religionskonforme und zugleich vollwertige Ernährung gerecht zu werden. Dem Beschwerdeführer müsse viel-mehr auch die Möglichkeit eröffnet werden, Wurst- und Fleisch-waren zu verzehren, die islamischen Speisevorschriften ent-sprächen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde (§§ 118, 138 Abs. 3 StVollzG) erfüllt die besonderen Zulässig-keitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG, da es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fort-bildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

a) Die Rechtsbeschwerde ist zur Fortbildung des Rechts zuläs-sig, da sie mit der Sachrüge die Frage aufwirft, ob es in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten entsprechend § 21 Satz 3 StVollzG zu ermöglichen ist, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen. Diese Frage ist – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht entschieden und bedarf daher der Klärung.

Das Strafvollzugsgesetz regelt den Vollzug der Maßregeln der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB nur rudimentär (§§ 136-138 StVollzG; vgl. Arloth, StVollzG 3. Aufl., § 136 Rdn. 1, § 138 Rdn. 2; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug 7. Aufl., III. 1. C., S. 63). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus richtet sich nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze - insbesondere die in § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 StVollzG aufgeführten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, die Grundrechte des Grundgesetzes, das Maßregelrecht des StGB und das Strafvollstreckungsrecht der StPO - nichts anderes be-stimmen (§ 138 Abs. 1 Satz 1 StVollzG). In Berlin ist insoweit das Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG) vom 8. März 1985 (GVBl. S. 586) in der Fassung vom 17. März 1994 (GVBl. S. 86) anzuwenden.

Regelungen zur Verpflegung der Untergebrachten und insbesondere zu der Frage, inwieweit es ihnen zu ermöglichen ist, Spei-sevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen, sieht das PsychKG nicht vor. Es enthält lediglich allgemeine Vor-schriften zur Religionsausübung (§ 32 PsychKG), zur Übergabe von Gegenständen bei Besuchen (§ 33 Abs. 3 Satz 2 PsychKG), zum Empfang von Päckchen und Paketen (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 34 PsychKG) und zum Erlass einer Hausordnung (§ 39 PsychKG), die sowohl für die behördliche Unterbringung psychisch Kranker als auch – aufgrund der Verweisung in § 46 PsychKG - für die Un-terbringung aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung gelten.

Die Lücke ist durch die entsprechende Anwendung des § 21 Satz 3 StVollzG zu schließen, der vorsieht, dass es dem Gefangenen zu ermöglichen ist, Speisevorschriften seiner Religions-gemeinschaft zu befolgen. Das Recht auf Selbstverpflegung ent-sprechend den religiösen Speisegeboten hat seine Grundlage in dem Anspruch auf Achtung der Glaubens-, Gewissens- und Be-kenntnisfreiheit nach Art. 4 GG. Diesem Anspruch ist auch im Rahmen des Maßregelvollzuges Rechnung zu tragen (vgl.
Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, III. 2. B., S. 86 Rdn. 62, 63). Denn die Grundrechte gelten dort – vorbehaltlich der in § 51 PsychKG zitierten Einschränkungen – in gleicher Weise. Dementsprechend sieht auch § 32 PsychKG vor, dass der Unterge-brachte das Recht hat, innerhalb der Einrichtung an Gottes-diensten und an den Veranstaltungen von Religions- und Glau-bensgemeinschaften teilzunehmen.

Zwar dürfen allgemeine Vollzugsgrundsätze, die sich aus dem Strafvollzugsrecht herleiten lassen (vgl. Senat NStZ 2003, 50), nicht ohne weiteres auf den Maßregelvollzug übertragen werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17. August 2006 – 5 Ws 619/04 Vollz – und vom 26. Juli 2006 – 5 Ws 392/06 -; Pollähne in AV-StVollzG 5. Aufl., vor § 136 Rdn. 7; § 136 Rdnrn. 4-7;
§ 138 Rdn. 1). Denn dieser muss gemäß §§ 28 ff. PsychKG zuvör-derst therapeutische Gesichtspunkte berücksichtigen. Die the-rapeutische Ausrichtung der Unterbringung steht jedoch der entsprechenden Anwendung des § 21 Satz 3 StVollzG nicht entge-gen, da die Art der Verpflegung – anders als etwa die Einbrin-gung und Benutzung eines Computers (vgl. Senat NStZ-RR 1998, 382) – nicht geeignet ist, den Behandlungserfolg zu gefährden oder zu beeinträchtigen. § 28 Abs. 1 Satz 1 PsychKG sieht vor, dass die Unterbringung - unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte - den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden soll. Außerhalb der Klinik aber ist ohne weiteres die Möglichkeit gegeben, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, die religiösen – etwa islamischen – Speisevorschriften entsprechen. Zwischen Maßregel- und Straf-vollzug bestehen im Hinblick auf die Verpflegung auch keine maßgeblichen Unterschiede, die eine unterschiedliche Handhabung rechtfertigen würden. Vielmehr befindet sich der Untergebrachte ebenso wie ein Strafgefangener zwangsweise und – anders als etwa bei einem zeitlich begrenzten Krankenhausaufenthalt – in der Regel über längere Zeiträume in der jeweiligen Einrichtung und ist auf die dortige Verpflegung angewiesen.

b) Die Rechtsbeschwerde ist auch zur Sicherung einer einheit-lichen Rechtsprechung zulässig, da die Entscheidung der Straf-vollstreckungskammer zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung führen kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Januar 1998 – 4 Ws 275/97 – juris Rdn. 4 -; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 11. Aufl., § 116 Rdn. 2). Es soll vermieden werden, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es auch darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. BGHSt 24, 15, 22; Senat, Beschluss vom 27. August 2009 – 2 Ws 279/09 Vollz -; std. Rspr.). Eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist insbesondere dann gegeben, wenn die Strafvollstreckungskammer von der höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung nicht nur in einem besonderen Einzelfall abweichen will (vgl. OLG Hamm ZfStrVo 1984, 318). Die Abweichung muss auf einer anderen Rechtsauffassung, nicht auf einem anderen Sachverhalt beruhen (vgl. HansOLG Hamburg ZfStrVo SH 1978, 50; Arloth, § 116 StVollzG Rdn. 3; Calliess/Müller-Dietz, § 116 StVollzG Rdn. 2). So liegt es hier.

Die Strafvollstreckungskammer ist zwar zutreffend davon ausge-gangen, dass § 21 Satz 3 StVollzG im Maßregelvollzug entspre-chend anzuwenden ist. Sie hat jedoch dem Recht auf Selbstver-pflegung entsprechend den religiösen Speisevorschriften nicht das erforderliche Gewicht beigemessen. Die von ihr vertretene Auslegung des § 21 Satz 3 StVollzG, der zufolge es ausreiche, dem muslimischen Beschwerdeführer die Ernährung mit schweine-fleischfreier oder vegetarischer Kost zu ermöglichen, steht im Widerspruch zu der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm NStZ 1984, 190, 191 linke Spalte, Mitte). Wegen der er-heblichen Bedeutung der Rechtsfrage für den Maßregelvollzug insgesamt hält der Senat ein klärendes Wort für geboten, um Unsicherheiten in der Rechtsanwendung zu begegnen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Auf-hebung der angefochtenen Entscheidung – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung - und des zugrunde liegenden Bescheides vom 28. Februar 2011 sowie zum Ausspruch der Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragsteller unter Beachtung der Rechts-auffassung des Senats erneut zu bescheiden (§§ 119 Abs. 4, 115 Abs. 4 Satz 2, 138 Abs. 3 StVollzG).

a) Obergerichtlich geklärt ist zunächst, dass § 21 Satz 3 StVollzG nur ein Recht auf Selbstverpflegung vorsieht, wenn ein Gefangener einer Religionsgemeinschaft mit besonderen Speisegeboten angehört und diese im Rahmen der Anstaltsver-pflegung nicht berücksichtigt werden; dagegen enthält die Norm keine Verpflichtung der Anstalt, dem Gefangenen entsprechende Speisen auch zu beschaffen (vgl. OLG Koblenz ZfStrVo 1995, 111; OLG Hamm NStZ 1984, 190; OLG Karlsruhe Justiz 1979, 108; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. Januar 1997 – 4 VAs 23/96 – juris; Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 2 Ws 248/11 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, § 21 StVollzG Rdn.5; Arloth, § 21 StVollzG Rdn. 3; vgl. auch LG Straubing ZfStrVo 1979, 124). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 7/3998, S. 13). Gegen die Regelung des § 21 Satz 3 StVollzG bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Anspruch auf Achtung der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 GG ist nämlich, worauf auch der nach Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fort-geltende Art. 136 der Weimarer Reichsverfassung hinweist, ein Abwehrrecht des einzelnen gegenüber dem Staat; dieser ist dem Grundsatz nach nicht verpflichtet, dem einzelnen die faktische Möglichkeit der Religionsausübung - wozu auch die Befolgung religiöser Speisevorschriften gehört - zu verschaffen (vgl. OLG Hamm NStZ 1984, 190; Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 2 Ws 248/11 Vollz -). Auch der Gesichtspunkt, dass manche Gefangene nicht über genügend Eigenmittel verfügen, kann schon im Hinblick auf die gebotene weltanschauliche Neutralität des Staates nicht dazu führen, die Anstalt zur Herstellung und Ausgabe entsprechender Speisen zu verpflichten (vgl. Cal-liess/Müller-Dietz, § 21 StVollzG Rdn. 5). Im Übrigen sieht Nr. 1 Abs. 3 der VV zu § 21 StVollzG vor, dass bei einem Ge-fangenen, der religiösen Speisegeboten unterliegt, auf Antrag Bestandteile der Anstaltsverpflegung, die er nicht verzehren darf, gegen andere Nahrungsmittel ausgetauscht werden sollen.

Danach trifft es zu, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs – wovon auch das Beschwerdevorbringen selbst ausgeht – nicht gehalten war, dem Beschwerdeführer eine Verpflegung zu be-schaffen, die sämtlichen in Betracht kommenden Speisegeboten des Islam entspricht. Die Strafvollstreckungskammer hat es in-soweit zu Recht als ausreichend angesehen, dass das Krankenhaus des Maßregelvollzugs eine schweinefleischfreie oder vege-tarische Kost anbietet. Ein Anspruch auf Bereitstellung von geschächtetem Fleisch im Rahmen der Anstaltsverpflegung wird selbst von der im Schrifttum teilweise (abweichend von der
obergerichtlichen Rechtsprechung) vertretenen Auffassung, die einen Anspruch des Gefangenen auf eine seinen religiösen Spei-segeboten nicht widersprechende Verpflegung bejaht (vgl. Fröh-mcke, Muslime im Strafvollzug, S. 137 ff.), nicht angenommen, da im Islam keine religiöse Pflicht existiert, Fleisch zu essen (vgl. Fröhmcke, a.a.O., S. 147 ff.). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es einheitliche islamische Speisevor-schriften nicht gibt, die Vorschriften des Korans von den je-weiligen islamischen Autoritäten vielmehr unterschiedlich aus-gelegt werden, und dass im Rahmen einer Gemeinschaftsverpfle-gung naturgemäß nicht sämtlichen individuellen Wünschen und Bedürfnissen an die Speisen Rechnung getragen werden kann (vgl. OLG Hamm NStZ 1984, 190; Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 2 Ws 248/11 Vollz -).

b) Jedoch ist die Entscheidung des Krankenhauses des Maßregel-vollzugs, dem Untergebrachten auch eine Selbstversorgung mit Halal-Produkten zu versagen, mit der gebotenen grundrechtskon-formen Auslegung des § 21 Satz 3 StVollzG nicht vereinbar. Die Beschränkung auf ein Lieferunternehmen, das keinerlei Halal-produkte anbietet, stellt sich entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer und der Senatsverwaltung für Gesund-heit, Umwelt und Verbraucherschutz als ermessensfehlerhaft dar. Der angefochtene Beschluss wird insoweit der Reichweite des Rechts auf Selbstversorgung nicht gerecht.

Auch wenn der Antragsgegner nicht selbst für eine den religiö-sen Speisegeboten entsprechende Ernährung zu sorgen hat, so hat er dem Untergebrachten jedoch zu gestatten, sich derartige Speisen selbst zu verschaffen (vgl. OLG Koblenz ZfStrVo 1995, 111; OLG Hamm NStZ 1984, 190, 191; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. Januar 1997 – 4 VAs 23/96 – juris; LG Straubing ZfStrVo 1979, 124; Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 2 Ws 248/11 Vollz -). Er kann ihn nicht darauf verweisen, lediglich den Verzehr von bestimmten Speisen – wie etwa Schweinefleisch – zu vermeiden oder aber – sofern er nicht-geschächtetes Fleisch generell ablehnt - sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren.

Zwar ist es dem Ermessen des Antragsgegners überlassen, auf welchem Wege er die Selbstversorgung ermöglicht. Es ist inso-weit nicht zu beanstanden, wenn das Krankenhaus des Maßregel-vollzugs das Einkaufen durch den Untergebrachten selbst von einem Lockerungsstatus abhängig macht und es ihm bei Nichter-reichen dieses Status versagt. Der Antragsgegner war auch nicht gehindert, die Übergabe von Lebensmitteln durch Besucher – wie in § 17 Abs. 4 der Hausordnung vom 1. Januar 2005 geschehen - von einer vorherigen Genehmigung abhängig zu machen und auf Ausnahmefälle zu beschränken (vgl. §§ 33 Abs. 3 Satz 2, 39 Abs. 1 PsychKG). Ebenso wenig unterliegt es Bedenken, dass der Antragsgegner den Empfang von Paketen mit Lebensmitteln, bei dem Sicherheitsgesichtspunkte zu beachten sind (vgl. §§ 35 Abs. 1, 34 Abs. 3 PsychKG), nach Anzahl und Anlässen eingeschränkt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2001 – 5 Ws 373/01 Vollz -).

Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die auf der Grundlage von § 39 PsychKG erlassene Hausordnung vorsieht, dass "Dinge des alltäglichen Gebrauchs, die die Patienten evtl. nicht beschaffen können, wie Lebensmittel ..., in angemessenem Umfang entsprechend den örtlichen Gegebenheiten einmal wöchentlich nach Vorlage eines Bestellscheins beschafft werden", wobei die Beschaffung auf einen Anbieter beschränkt werden kann (§ 9 Abs. 2 der Hausordnung), und dass die Bestel-lung von Fertiggerichten und anderen Lebensmitteln außerhalb der in Abs. 2 genannten Lieferdienste nicht gestattet ist (§ 9 Abs. 3 der Hausordnung). Der Senat hat bereits früher ent-schieden, dass die Einschränkung des Einbringens von Lebens- und Genussmitteln in das Krankenhaus des Maßregelvollzugs im Hinblick auf bestehende Missbrauchsmöglichkeiten zulässig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2001 – 5 Ws 373/01 Vollz -).

Jedoch erweist sich die Beschränkung auf einen Lieferanten, der keinerlei Halal-Produkte anbietet, im Hinblick auf § 21 Satz 3 StVollzG als ermessensfehlerhaft. Wenn der Antragsgegner lediglich Lieferungen eines einzigen Unternehmens zulässt, so hat er bei der Auswahl des konkreten Anbieters darauf zu achten, dass dessen Lebensmittelangebot auch Halal-Produkte enthält. Alternativ kann er die Selbstversorgung des Unterge-brachten mit derartigen Produkten durch Erweiterung der Be-zugsmöglichkeiten um ein weiteres Lieferunternehmen mit ent-sprechendem Angebot oder durch Schaffung eines entsprechenden Angebotes in einem klinikeigenen Kiosk oder Geschäft ermögli-chen. Praktische Hindernisse sind nicht erkennbar, da es in Berlin ausreichend Unternehmen gibt, die nach islamischen Re-geln erlaubte Lebensmittel anbieten. Es ist auch keineswegs – wie der Antragsgegner besorgt – erforderlich, eine Vielzahl von Anbietern zu beauftragen, die zu unterschiedlichen Zeiten Lebensmittel anliefern und in erheblichem Umfang Arbeitskapa-zitäten des Pflegepersonals binden. Abgesehen davon, dass ein (zusätzlicher) Anbieter ausreicht, wäre auch eine Beschränkung auf eine wöchentliche Lieferung zulässig, zumal Fleisch- und Wurstwaren bei entsprechender Konservierung, Verpackung und Lagerung auch länger als nur einen Tag haltbar sind.

3. Die Sache ist im Sinne des § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG spruchreif. Einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungs-kammer bedarf es nicht. Der Antragsgegner hat den Antragsteller unverzüglich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. Es bleibt seinem pflichtgemäßem Ermessen überlassen, auf welchem Wege er es dem Untergebrachten ermöglicht, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, die den isla-mischen Speisegeboten entsprechen.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 121 Abs. 4, 138 Abs. 3 StVollzG, § 467 Abs. 1 StPO.

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