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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, Anordnung bei einem Dritten, Anordnungsvoraussetzungen

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 05.09.2011 - 5 Qs 59/11

Fundstellen:

Leitsatz: Zur Frage der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anordnung einer Durchsuchung bei einem sog. Dritten.


Aktenzeichen: 5 Qs 59/11
BESCHLUSS
In dem Ermittlungsverfahren gegen

wegen Steuerhinterziehung
weitere Beteiligte/Beschwerdeführer:

ergeht am 05.09.2011
durch das Landgericht Dresden - 5. Große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer -
nachfolgende Entscheidung:
1. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 06.04.2011, Az. 270 Gs 1259/11, aufgehoben und festgestellt, dass die am 21.04.2011 durchgeführte Durchsuchung der Geschäftsräume der weiteren Beteiligten in der D.Straße in D. rechtswidrig war.
2. Die Kosten einschließlich der notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten hat die Staats-kasse zu tragen.
Gründe
I.
Das Finanzamt Freital - Bußgeld- und Strafsachenstelle - führt gegen die Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung den Zeitraum 2003-2008 und 2010 betreffend. Der in der Rechtsanwaltskanzlei der weiteren Beteiligten tätige Rechts-anwalt H. vertrat den Beschuldigten A. dem Finanzamt Dresden III steuerrechtlich und im Jahr 2008 strafrechtlich wegen des Verdachts der Geldwäsche, der ebenfalls in der Kanzlei der weiteren Beteiligten tätige Rechtsanwalt D. die Beschuldigte B wegen des Verdachts der Geldwäsche im Jahr 2008. Das Finanzamt Freital erwirkte beim Amtsgericht Dresden am 06.04.2011 einen Beschluss über die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume der unverdächtigen weiteren Beteiligten zum Zwecke des Auffindens folgender Unterlagen:
alle Unterlagen zu dem von dem Beschuldigten A bis 31.03.2008 und von der Beschuldigten B. ab 01.04.2008 ausgeübten Fachbetrieb für Einbruchschutz sowie ihre Einkommens- und Vermögensquellen, insbesondere:
- Buchführungsunterlagen (Bücher, Konten, Belege)
- Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen und -ausgaben
- Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Kaufverträge, Belege und Quittungen zum Zahlungs-verkehr (Zahlungsnachweise)
- Kassenbons, Kassenbücher, Kontoauszüge und andere Belege
- sonstige Buchführungsunterlagen, soweit diese geführt bzw. erstellt wurden (Gewinnermittlung, betriebswirtschaftliche Auswertungen, Journale)
- Geschäftsbriefe, Notizen, interne Vermerke, Schriftwechsel
- alle privaten Aufzeichnungen, Belege und sonstige Unterlagen der Beschuldigten B
alle privaten Aufzeichnungen, Belege und sonstigen Unterlagen des Beschuldigtem A, seiner geschiedenen Ehefrau, seiner früheren Lebensgefährtin sowie seiner Kinder X, y, z, die Aufschluss über den Umfang der Verwendung des zu ermittelnden Einkommens, mithin auch der Umsätze geben können
alle Aufzeichnungen und Belege über steuerpflichtige, nicht steuerbare oder steuerfreie Geld- und Vermögenszuflüsse v.g. Personen, insbesondere deshalb, weil dies im Rahmen einer Geldverkehrs- oder Vermögenszuwachsrechnung zugunsten der Beschuldigten Be-rücksichtigung finden müssen
- sowie alle gleichartigen Unterlagen, aus denen die Entstehung oder die Verwendung von Einkünften der Beschuldigten sowie Vermögensübertragungen zwischen den Beschuldigten ersichtlich sind und die geeignet sind, den Tatvorwurf zu beweisen.

Der Beschluss stellte weiter fest, dass von der Sicherstellung ausgenommen sind, die in den § 97 StPO bezeichneten Gegenstände. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, aus der Tätigkeit der weiteren Beteiligten sei zu schließen, dass die gesuchten Sachen sich in den zu durchsuchenden Räumen der Unverdächtigen befinden. Weiter wurde die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bejaht. Die Durchsuchung wurde am 21.04.2011 vollzogen. Die Akten der weiteren Beteiligten wurden eingesehen. Eine Beschlagnahme erfolgte mangels relevanter und beschlagnahmefähiger Unterlagen nicht.

Mit Schriftsatz vom 28.04.2011 legte die weitere Beteiligte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden ein. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Beschluss und der Vollzug der Maßnahme verletze das Recht der Verteidigung und die anwaltliche Schweigepflicht. Allein der Umstand, dass sie durch die bei ihr tätigen Rechtsanwälte die Beschuldigten vertreten habe, sei nicht geeignet, die Durchsuchungsmaßnahme zu rechtfertigen. Der Beschluss gehe auch von falschen Voraussetzungen aus, da sie (die weitere Beteiligte) zu keinem Zeitpunkt die Buchhaltung oder Ähnliches für den Beschuldigten X.geführt habe. Die Maßnahme sei überdies unverhältnismäßig. Das Finanzamt Freital - Bußgeld- und Strafsachenstelle - hat hierzu mit Schriftsatz vom 27.05.2011 Stellung genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere ist die weitere Beteiligte durch die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme un-verändert beschwert. Zwar ist die Durchsuchungsanordnung durch den zwischenzeitlichen Vollzug erledigt, allerdings ist bei Durchsuchungen typischerweise das Verfahren auf eine kurze Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene keinen gerichtlichen Rechtsschutz erlangen kann. Die Durchsuchung, auch eines Geschäftsraumes, stellt aber einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, weshalb es der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gebietet, die Maßnahme trotz Erledigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Es ist daher anerkannt, dass bei dieser Sachlage die Beschwerde zulässig bleibt (BVerfG NJW 1998, 2131, Meyer-Goßner, StPO-Kommentar, vor § 296, Rz. 18a).

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO stellt an die Durchsuchung bei einem Unverdächtigen gegenüber der Durchsuchung beim Verdächtigen (§ 102 StPO) erhöhte Anforderungen. Danach müssen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich u.a. die gesuchte Sache in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Außerdem stellt die Durchsuchung bei einem Unverdäch-tigen erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, da der Unverdächtige durch sein Verhalten aus der Sicht der Ermittlungsbehörde in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat (BVerfG NJW 2007, 1804 (1805)). Richtet sich die Maß-nahme - wie vorliegend - gegen einen Berufsgeheimnisträger, ist in die Abwägungsüberlegung überdies einzubeziehen, dass die Maßnahme neben den Grundrechten der Mandanten das Gemeininteresse an einer wirksamen Rechtspflege berührt (BVerfG NJW 2009, 281), weshalb zusätzlich erhöhte Anforderungen an die Auffindewahrscheinlichkeit und an die Bedeutung des potenziellen Beweismittels für das Ermittlungsverfahren zu stellen sind.

2. Gemessen daran war vorliegend die Anordnung der Durchsuchung bei der weiteren Betei-ligten nicht gerechtfertigt.
a) Zwar war die Anordnung der Durchsuchung entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht ohne Weiteres deshalb ungeeignet und damit rechtswidrig, weil sie sich von vornherein nur auf die Beschlagnahme solcher Gegenstände bezogen hätte, die gemäß § 97 StPO beschlagnahmefrei gewesen wären. Denn jedenfalls bei einem Steuerberater sind nach Ab-schluss des Mandatsverhältnisses vorher geschützte Buchführungsunterlagen nicht mehr beschlagnahmefrei (vgl. Beschluss der Kammer vom 22.01.2007 - NJW 07, 2707). Auf die im Einzelnen umstrittene Frage wann und in welchem Umfang Unterlagen eines Beschuldigten beschlagnahmt werden dürfen, die sich bei dessen Rechtsanwalt befinden, kommt es aber nicht an (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. (2011), § 97, Rz. 36 und 40). Die Anordnung der Durchsuchung erweist sich vorliegend aus anderen Gründen als rechtswidrig. Es lagen schon keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die im Durchsuchungsbeschluss erwähnten, beschlagnahmefreien Unterlagen tatsächlich in den Kanzleiräumen der weiteren Beteiligten befinden würden. Dies ergibt sich aus dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen. Anhaltspunkte, dass die weitere Beteiligte auch nur in der Vergangenheit mit Buchführungsarbeiten für die Beschuldigten befasst war, lagen nicht vor. Dies hat das Finanzamt auch in seiner Stellungnahme zur Beschwerde bestätigt. Danach sollte die Klärung der Frage, ob und wenn ja in welchem zeitlichen Umfang die weitere Beteiligte Buchführungsarbeiten für die Beschuldigten erledigt habe, gerade der Durchsuchungsmaßnahme vorbehalten bleiben. Dass ein Sozius der Drittbetroffenen zu einem früheren Zeitpunkt Unterlagen aus der Buchführung vorgelegt hat, gibt keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass er weitergehende Unterlagen , zumal nach Beendigung dieses Mandats, in seinem Gewahrsam hat. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden bestand daher lediglich eine vage und damit nicht hinreichende Möglichkeit, dass die aufzufindenden Unterlagen sich tatsächlich bei der weiteren Beteiligten befinden. Ein solchermaßen ungewisser Verdacht genügt den Anforderungen des § 103 Abs. 1 StPO aber nicht.

b) Neben der fehlenden Tatsachengrundlage für ein Auffinden der gesuchten Unterlagen war die Maßnahme auch unverhältnismäßig.

aa) Soweit das Finanzamt das mögliche Auffinden von Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Kaufverträgen, Belegen und Quittungen zum Zahlungsverkehr mit den bei den Beschuldigten aufgefundenen Unterlagen zum vor dem Amtsgericht Dresden zum Aktenzeichen XXXXX geführten Verfahren gegen die Fa. P. gewonnenen Erkenntnissen begründet, in dem die weitere Beteiligte mit einer Rubrums Berichtigung befasst war, ist dieser Umstand schon deshalb nicht geeignet, weil er zum Zeitpunkt des Erlasses und dem Vollzug der Maßnahme (noch) nicht bekannt war. Im Übrigen wäre als weniger einschneidende, den Ermittlungszweck nicht gefährdende Maßnahme anstelle einer Durchsuchung beim Unverdächtigen (zunächst) die Beiziehung der Gerichtsakte sowie die Vernehmung von Vertragspartnern der Beschuldigten möglich und Erfolg versprechend gewesen. Zwar kommt der Ermittlungsbehörde grundsätzlich ein Auswahlermessen bei der Wahl ihrer Maßnahmen zu, insbesondere ist sie nicht gehalten, sich auf weniger Erfolg versprechende Maßnahmen verweisen zu lassen. Hier wäre aber eine (vorherige) Vernehmung möglicher Vertragspartner der Beschuldigen durchaus entweder verdachtserhärternd oder -entlastend gewesen Da die potenziellen Vertragspartner keine mit den Beschuldigten identische Interessen verfolgten, war nicht von vornherein damit zu rechnen, dass die als Zeugen in Betracht kommenden Vertragspartner unrichtige oder unvollständige Angaben machen würden. Im Übrigen wäre -entgegen der Auffassung des Finanzamts- auch der (bloße) zivilrechtliche Angelegenheiten betreffende Schriftverkehr zwischen der Beschuldigten und ihrem Verteidiger wenn nicht von § 97 Abs.1 Nr.1 StPO, so doch u.U. von § 100a Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner aaO § 160a, Rz. 3/4) erfasst gewesen, was die Kammer aber nicht zu entscheiden braucht.

bb) Soweit das Finanzamt bei der weiteren Beteiligten nach "Kontoauszügen und anderen Bankbelegen" gesucht hat, hätte dem Finanzamt als weniger einschneidende, aber Erfolg versprechendere Maßnahme die Erlangung dieser Unterlagen im Wege der Bankauskunft zur Verfügung gestanden.

cc) Hinsichtlich der weiteren im angegriffenen Beschluss aufgeführten Unterlagen, namentlich der Suche nach privaten Aufzeichnungen der Beschuldigten, insbesondere des Beschuldigten A. zu seinen Kindern, seiner geschiedenen Ehefrau und seiner früheren Lebensgefährtin war, nicht zuletzt im Hinblick auf die Art des Mandatsverhältnisses, eine lediglich geringfügige Auffindewahrscheinlichkeit gegeben, die insbesondere vor dem Hintergrund der Durchsuchung eines Berufsgeheimnisträgers den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht genügte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 analog StPO.

Einsender: RA J. Dänzer, Dresden

Anmerkung:


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