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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 159/09 OLG Hamm

Leitsatz: Die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistands wird nach Teil 4 Abschnitt 3 Vv RVG abgerechnet (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung).

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Zeugenbeistand; Beiordnung; Tätigkeit; Abrechnung; Einzeltätigkeit;

Normen: Vorbem. 4 VV RVG

Beschluss:

Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.,
(hier: Vergütung für den als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalt).

Auf die Beschwerde ................vom 08. Mai 2009 gegen den Beschluss der IV. Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 05. Mai 2009 hat der
2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht beschlossen:

Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen der Festsetzungsentscheidung vom 23. März 2009 und des angefochtenen Beschlusses vom
05. Mai 2009, die weder durch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Erinnerung vom 26. März 2009 noch in der Beschwerde vom 08. Mai 2009 ausgeräumt werden, als unbegründet verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe:
I.
Beim Landgericht Hagen war gegen den Angeklagten und weitere Angeklagte ein Strafverfahren u.a. wegen erpresserischen Menschenraubes anhängig. In diesem wurde Rechtsanwalt Heim in der Hauptverhandlung vom 21. Oktober 2008 der Zeugin J.G. gemäß § 68b StPO als Beistand beigeordnet.

Rechtsanwalt Heim hat beantragt, die Gebühren für seine Tätigkeit als beigeordneter Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG festzusetzen und hat die Festsetzung einer Grundgebühr gemäß Nr. 4100, einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 sowie einer Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG nebst Auslagen, Tage- und Abwesenheitsgeld und Umsatzsteuer beantragt. Die Rechtspflegerin ist hingegen von einer Einzeltätigkeit ausgegangen und hat mit Festsetzungsbeschluss vom 23. März 2009 nur eine Verfahrensgebühr nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG gemäß Ziffer 4301 Nr. 4 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer über insgesamt 283,12 € EURO festgesetzt. Dem hat sich die Strafkammer im Erinnerungsverfahren mit dem angefochtenen Beschluss angeschlossen.

Hiergegen wendet sich Rechtsanwalt Heim nunmehr mit der Beschwerde. Der Vertreter der Staatskasse hat beantragt diese zu verwerfen, da die Rechtsanwalt Heim zustehende Vergütung zutreffend nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG festgesetzt worden sei.


II.
Die Beschwerde ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:

„Meines Erachtens ist die Tätigkeit des Vernehmungsbeistandes nach § 68b StPO aus der Staatskasse als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 VV RVG und nicht nach Abschnitt 1 des Teils 4 des VV RVG zu vergüten. Diese Auffassung vertreten auch inzwischen - bis auf den erkennenden Senat - alle übrigen 4 Strafsenate des OLG Hamm in folgenden Entscheidungen, denen vergleichbare Sachverhalte zugrunde lagen:

- 1. Strafsenat: Beschluss vom 23.10.2007
(- 1 Ws 711/07-,www.juris.de, www.burhoff.de),auf
den im Festsetzungsbeschluss vom 23.03.2009
(KH BI. 38) auch Bezug genommen wird,
- 3. Strafsenat: Beschluss vom 17.07.2007
(- 3 Ws 307/07 -, www.juris.de),
- 4. Strafsenat: Beschlüsse vom 28.05.2008
(4 Ws 91/08; www.juris.de, www.burhoff.de) und
vom 04.12.2008 (4 Ws 315/08),
- 5. Strafsenat: Beschlüsse
vom 24.06.2008 (5 Ws 166/08),
vom 13.10.2008 (5 Ws 315/08),
vom 23.10.2008 (5 Ws 356/08) und
vom 21.11.2008 (5 Ws 396/08, www.burhoff.de).


Insofern hat sich zumindest unter den hiesigen Strafsenaten eine herrschende Meinung zu dieser Vergütungsproblematik gebildet.
Soweit ich in den o.a. Verfahren vorab beteiligt wurde, sind die Senate meinen begründenden Ausführungen, die der 4. Strafsenat in seiner o.g. veröffentlichten Entscheidung vom 28.05.2008 für das zugrunde liegende Verfahren umfassend zitiert und auf die ich zur Vermeidung von Wiederholungen auch hier vollinhaltlich Bezug nehme, gefolgt. Ich habe mich dabei auch mit den gegenteiligen Argumenten des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 07.11.2007 (2 Ws 289/07) auseinandergesetzt.
Der 5. Strafsenat des OLG Hamm hat in seiner o.a. Entscheidung vom 24.06.2008 noch ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Vergütung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG für den beigeordneten Zeugenbeistand zu einer ungerechtfertigten Besserstellung gegenüber einem gewählten Verteidiger führen wurde. Die Beiordnung ist auf die Dauer der jeweiligen Vernehmung beschränkt. Eine erneute Vernehmung stellt eine neue Angelegenheit dar, so dass § 15 Abs. 2 und 5 RVG nicht gelten. Gesteht man dem Vernehmungsbeistand die Grund-, die Verfahrens- und die Terminsgebühr zu, so könnte er diese Gebühren ggf. mehrfach abrechnen, während der gewählte oder bestellte Verteidiger die Grund- und die Verfahrensgebühr in derselben Angelegenheit nur einmal fordern darf.

Die beim OLG Hamm vorherrschende Auffassung stellt im Hinblick auf die Rechtsprechung der weiteren deutschen Oberlandesgerichte m.E. auch keine Mindermeinung dar. Insoweit möchte ich insbesondere auf die veröffentlichte neuere oberlandesgerichtliche Rechtsprechung ab dem Jahr 2008 hinweisen. Für eine Vergütung als Einzeltätigkeit sprechen sich mit zutreffender Begründung u.a. aus:

- OLG Jena im Beschluss v. 09.02.2008 (1 Ws 378/08,
www.burhoff.de)
- OLG Frankfurt im Beschluss v. 14.02.2008 (2 Ws 21/08,
www.juris.de, www.burhoff.de),
- OLG Zweibrücken im Beschluss v. 19.02.2008 (1 Ws 346/07,
www.iuris.de, www.burhoff.de),
- OLG Bamberg im Beschluss v. 14.04.2008 (1 Ws 157/08,
www.juris.de, www.burhoff.de),
- OLG Stuttgart im Beschluss v. 30.05.2008 (5 — 2 StE 2/05,
www.iuris.de, www.burhoff.de) und
- OLG Düsseldorf im Beschluss v. 05.02.2009 (lII-3Ws 451/08,
www.burhoff.de).

Anderer Ansicht ist dabei das OLG München in seinem Beschluss vom
25.03.2008 (Az.: 4 Ws 27/08, www.juris.de, www.burhoff.de).

Bemerkenswert ist auch die Rechtsprechung des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 17.12.2007 (3 Ws 84/07; RVGreport 2008, 265 f. mit kritischer Anmerkung von D. Burhoff, www.jurisde).
Dieser ist nunmehr ebenfalls der Ansicht, dass dem nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistand nur eine Vergütung als Einzeltätigkeit zusteht und revidiert mit seiner Entscheidung seine früher geäußerte Ansicht im Beschluss vom 13. Juni 2007 (3 Ws 36/07, nicht veröffentlicht). Er stellt sich damit auf die Seite des dortigen 1. Strafsenats (vgl. Beschluss v. 17.09.2007 —1 Ws 173/07-, Hinweis in RVGreport 2008, 266) und gegen den 2. Strafsenat des OLG Dresden (vgl. Beschluss v. 06.11.2007—2 Ws 495/06-, www.iuris.de, und später fortführend mit Beschluss v. 06.11.2008 - 2 Ws 103/08, www.iuris.de, www.burhoff.de).

Der Beschwerdeführer beruft sich hier darauf, dass er neben der eigentlichen Vernehmungsbeistandschaft vor dem Termin mit dem Gericht telefoniert und einen schriftlichen Antrag gestellt hat. Dass eine erforderliche und von der Bestellung nach § 68b StPO erfasste Vorbereitung auch an Tagen vor dem Termin stattfinden kann, führt aber nicht zu einer anderen Auslegung, da davon auszugehen ist, dass eine solche Vorbereitung auch bei der Beistandsleistung für den Beschuldigten nach Nr. 4301 Nr. 4 W RVG erfolgt (5. Straf-senat des OLG Hamm im o.a. Beschluss vom 24.06.2008).

Ich rege daher an, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Soweit der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 07. November 2007 in 2 Ws 289/07 noch die Auffassung vertreten hatte, beim gerichtlich bestellten Vernehmungsbeistand nach § 68b StPO erstrecke sich die Beiordnung zwar vornehmlich auf die Beistandsleistung in der Hauptverhandlung, aber in diesem Umfang dann auf die „volle Vertretung“ des Zeugen, so dass auf den Vertreter dann Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden sei hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest. Der Senat schließt sich nunmehr der ständigen Rechtsprechung des 1., 3., 4. und 5.Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm sowie der Auffassung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm an, wonach sich die Vergütung eines beigeordneten Zeugenbeistands nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG richtet.
Nach dem engen Wortlaut des § 68b StPO erfolgt die Beiordnung lediglich „für die Dauer der Vernehmung“. Allein für die Dauer der Zeugeneinvernahme soll der beigeordnete Zeugenbeistand dem Zeugen dabei behilflich sein, ein ihm ggfls. nach den §§ 52 ff. zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht geltend zu machen. Er soll Zeugen, die in ihrer Aussagefähigkeit und –bereitschaft gehemmt sind, vor Aussagefehlern und Missverständnissen bewahren und sie insoweit beraten (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., Vor § 48, Rn. 11 m.w.N.). Der Vernehmungsbeistand hat weder ein selbstständiges Antragsrecht (vgl. BVerfG NJW 1975, 103) noch ein Anwesenheitsrecht außerhalb der Vernehmung des Zeugen in der Hauptver-handlung (BVerfG, a.a.O.). Auch ist er nicht zur Akteneinsicht berechtigt. Die Tätigkeit des gerichtlich bestellten Vernehmungsbeistandes erstreckt sich damit nicht auf die vollumfängliche Beratung und Unterstützung des Zeugen und bleibt damit hinter den Möglichkeiten des gewählten Zeugenbeistandes zurück (LR-Rieß Nachtrag, StPO, 25. Aufl., § 68 b Rn. 19). Der gewählte Zeugenbeistand berät und unterstützt den Zeugen nämlich in jeder Hinsicht und im gesamten Verfahren.
Ist aber die Beiordnung sowohl zeitlich -nämlich für die Dauer der Einvernahme als Zeuge im Ermittlungsverfahren oder in der Hauptverhandlung - als auch inhaltlich - nämlich Hilfe bei der Inanspruchnahme eines Zeugnisverweigerungsrechtes - derart beschränkt, kann von einer vollumfänglichen und zeitlich unbeschränkten Beiord-nung nicht mehr die Rede sein. Die Bestimmung, die sich auf diese Tätigkeit am ehesten anwenden lässt, ist Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG. Die Beistandsleistung für einen Beschuldigten bei einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung bzw. die Beistandsleistung in einer Hauptverhandlung ist mit der Beiordnung für die Dauer einer Zeugenvernehmung durchaus zu vergleichen.

Nach alledem ist die im vorliegenden Fall vorgenommene Gebührenfestsetzung nicht zu beanstanden.


Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs.2 S.2 und 3 RVG.


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