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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 799/07 OLG Hamm

Leitsatz: Zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass das Amtsgericht einen Entbindungsantrag des Betroffenen nicht hätte ablehnen dürfen.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verwerfungsurteil; Verfahrensrüge; Begründung; Anforderungen; Entbindungsantrag; Ablehnung;

Normen: OWi 73; OWig 74; StPO 344

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen K.A.
wegen fahrlässigen Verkehrsverstoßes.
Auf den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen as Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 5. Juli 2007 und auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 10. Juli 2007 gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 5. Juli 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 12. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 i.V.m.
§ 349 StPO beschlossen:

Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 5. Juli 2007 gewährt.

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:
I.
Die Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 2. April 2007 wegen eines Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 125 € und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Nachdem der Betroffene Einspruch eingelegt hat, hat das Amtsgericht Hauptverhandlungstermin bestimmt. In diesem ist der Betroffene, der von der Pflicht zum Erscheinen nicht entbunden war, nicht erschienen. Das Amtsgericht hat daraufhin, nachdem es den in der Hauptverhandlung dann noch gestellten Antrag des Betroffenen, ihn vom Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, zurückgewiesen hat, den Einspruch des Betroffenen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Diese ist erst mit Schriftsatz der Verteidigerin des Betroffenen vom 9. August 2007, der am 14. August 2007 beim Amtsgericht eingegangen ist, begründet worden, obwohl das angefochtene Urteil dem Betroffenen bereits am 13. Juli 2007 zugestellt worden war. Der Betroffene beantragt Widereinsetzung in den vorigen Stand. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, die Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet zu verwerfen.

II.

Dem Betroffenen war gem. §§ 44, 45 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 5. Juli 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Fristversäumung beruht - wie der Betroffene durch die anwaltliche Versicherung seiner Verteidigerin glaubhaft gemacht hat - nicht auf einem Verschulden des Betroffenen, sondern auf einem Verschulden seiner Verteidigerin, die den rechtzeitig Versand der Rechtsbeschwerdebegründung nicht sicher gestellt bzw. nicht kontrolliert hat. Dieses Verschulden ist dem Betroffenen nicht zuzurechnen.


III.

Die form- und somit nun fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde war - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - als unbegründet zu verwerfen.

1.

Die formelle Rüge des Betroffenen, mit dem ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG und insbesondere geltend gemacht wird, das AG hätte dem in der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrag des Betroffenen folgen müssen, ist schon nicht ausreichend i.S. des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG begründet.

Ein Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 74 Rdnr. 48 b m.w.N.; Burhoff VRR 2007, 250, 255), die den strengen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen muss. Der Tatsachenvortrag zur Begründung der Verfahrensrüge muss also so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (OLG Hamm in NStZ-RR 1999, 23 = VRS 99, 60 = StraFo 1999, 132 = NZV 1999, 220; StraFo 2004, 281 = VRS 107, 120 = zfs 2004, 584; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rn. 27 d; Junker in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 1750; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 5. Aufl., 2007, Rn. 760 ff.). Es muss also in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, aus welchen Gründen das Amtsgericht dem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen. Es muss daher z.B. dargelegt werden aus welchen Gründen der Tatrichter von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts unter keinen Umständen hätte erwarten dürfen (OLG Hamm VRR 2006, 395 = NZV 2006, 667 = zfs 2006, 710 = VRS 111, 370) bzw. aus welchen Gründen ein Rechtsanspruch auf Entbindung bestand (OLG Schleswig SchlHA 2003, 208; vgl. dazu auch OLG Brandenburg zfs 2004, 235). Darlegt werden muss auch, wie sich der Betroffene bislang zum Tatvorwurf geäußert hat und was er bzw. sein Verteidiger im Falle seiner Anhörung in der Hauptverhandlung zur Sache vorgebracht hätte (OLG Karlsruhe VRR 2005, 392),

Diesen Anforderungen genügt die Begründungsschrift des Betroffenen nicht. Die Rechtsbeschwerdebegründung enthält nur die Mitteilung, dass der Betroffene seine Täterschaft nicht in Abrede gestellt habe, er sich außergerichtlich zur Sache geäußert habe und sein Verteidigerin bevollmächtigt gewesen sei, weitergehende Erklärungen abzugeben. Sie enthält aber keinerlei Angaben dazu, wie der Betroffene sich bislang zum Tatvorwurf im Einzelnen geäußert hatte und was er bzw. seine Verteidigerin im Fall der Anhörung in der Hauptverhandlung vorgebracht hätten (vgl. dazu OLG Karlsruhe, a.a.O.). Zudem ist auch nicht dargelegt, warum das Amtsgericht von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung auf keinen Fall einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts hätte erwarten dürfen (Senat in StraFo 2004, 281 = VRS 107, 120 = zfs 2004, 584). Der Betroffene hat zwar in seiner Stellungnahme zum Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft Ausführungen dazu gemacht, was seine Verteidigerin in der Hauptverhandlung hätte erklären können. Selbst wenn man daraus entnehmen kann, dass damit vorgetragen werden soll, dass die Verteidigerin dies auch in der Hauptverhandlung tatsächlich erklärt hätte, verhilft das der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Diese Ausführungen sind nämlich nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zur Akte gelangt und können daher bei der Prüfung der Zulässigkeit der formellen Rüge nicht herangezogen werden.

2.

Auch die mit der Rechtsbeschwerdebegründung erhobene allgemeine Sachrüge führt nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Mit der Sachrüge kann nur das Vorliegen von Verfahrenshindernissen oder das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen geltend gemacht werden (vgl. Senat in VRS 109, 360). Insoweit sind aber Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennbar.

IV.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 79 Abs. 3 OWiG, § 473 Abs. 1, 6 StPO.



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