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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 280/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleiben muss, seine Freiheit wieder zu erlangen, ergibt sich bei Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer wegen besonderer Schwere der Schuld keine Obergrenze im Sinne einer „Höchstverbüßungsdauer“.
2. Dementsprechend kann bei Vorliegen einer im Verhältnis zu anderen Morddelikten mit besonderer Schuldschwere noch deutlich hervorstechenden besonderen Schwere der Schuld auch die Festsetzung einer Mindestverbüßungsdauer von 30 Jahren angemessen sein.


Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: besondere Schwere der Schuld, Mindestverbüßungsdauer, lebenslange Freiheitsstrafe

Normen: StGB 57a

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.07.2017 beschlossen:
Schuldschwere,


Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Zusatz:
In der Sache schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen der Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss nach eigener Sachprüfung an.

Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer, bereits die Feststellungen der die besondere Schwere der Schuld begründenden Umstände in dem Urteil des Landgerichts Münster vom 01.08.2003 erforderten es, die Schuld des Verurteilten so zu gewichten, dass das für die lebenslange Freiheitsstrafe vorausgesetzte Mindestmaß von 15 Jahren deutlich überschritten werde, sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Senat hält bei Abwägung der zutreffenden sonstigen Umstände in dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis eine Mindestverbüßungsdauer von 30 Jahren zwar für ungewöhnlich lang, aber angesichts der konkreten Tatumstände und der bisherigen Entwicklung des Verurteilten im Vollzug für angemessen. Der Senat hat als Beschwerdegericht ohne die Beschränkungen des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, § 454 Rdnr. 47). Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass das Landgericht Münster in seinem Urteil vom 01.08.2003 bei der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB nicht nur darauf abgestellt hat, dass der Verurteilte bei der Tötung drei Mordmerkmale verwirklicht hat, sondern als entscheidend für die Bewertung der Schuld des Beschwerdeführers als besonders schwer auch die Anzahl von drei Todesopfern sowie den erhöhten Unrechtsgehalt der konkreten Tatausführung angesehen hat. Diese komme - so das erkennende Gericht in den Urteilsgründen – einer entwürdigenden Hinrichtung der drei Frauen gleich und gibt auch nach Bewertung des Senats deutlichen Hinweis auf eine im Tatzeitpunkt vorliegende besonders unbarmherzige und menschenverachtende Gesinnung des Verurteilten in einem schon außergewöhnlichen Ausmaß.

Hinsichtlich der Entwicklung des Verurteilten während des bisherigen Vollzugs ist zwar festzustellen, dass er sich nicht immer beanstandungsfrei geführt hat, so dass es auch zu drei Disziplinarverfahren gekommen war, jedoch hat sich das Verhalten seit Beginn seines aktuellen Arbeitseinsatzes in einem Unternehmerbetrieb im November 2015 beruhigt. Allerdings hat der Verurteilte sich nach dem Bericht des Psychologischen Dienstes der JVA H bislang im Vollzug nicht ausreichend erreichen lassen. Es haben zwar in X psychologische Einzelgespräche stattgefunden, - nach den Angaben des Verurteilten 25 Stunden - in denen über alles geredet worden sei, auch über die Tat. Auch leistet er freiwillige Zahlungen als Opferentschädigung aus seinem Verdienst. Eine abschließende authentische und offene Einlassung zu und eine Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit und der Tat hätte aber nach dem Bericht des psychologischen Dienstes der JVA H bisher nicht stattgefunden. Auch sei bei dem Verurteilten eine ausreichende Motivation und ein nachhaltiges Durchhaltevermögen, sich mit den der massiven Delinquenz zugrunde liegenden Persönlichkeitsdefiziten zu beschäftigen, nicht deutlich geworden. In diesem Zusammenhang fällt zudem auf, dass bei Haftraumkontrollen in den Jahren 2012 eine türkischsprachige Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ sowie Literatur über eine muslimische SS-Einheit sowie ein selbstgefertigtes Bild mit der Aufschrift „ülkücü hareket“ und 2013 Druckerzeugnisse mit Parolen und Symbolen der Partei MHP („graue Wölfe“) sichergestellt wurden. Insofern zeigt sich bei dem Verurteilten eine Affinität für nationalistische, rassistische und gewaltverherrlichende Ideologien, die eine Durchlässigkeit gegenüber aggressiven Einstellungen und Handlungen deutlich werden lässt, die der Verurteilte offenbar nicht in dem erforderlichen Maße zu hinterfragen bereit ist.

Angesichts dessen lassen sich besondere Gründe, die dem allgemeinen Rechtsbewusstsein den Verzicht auf eine der besonderen Schuldschwere entsprechende Strafvollstreckung angebracht erscheinen lassen (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB, 29. Auflage, § 57a Rn. 8) oder die die erhöhte Schuld des Verurteilten jedenfalls in einem solchen Umfang auszugleichen vermögen, dass eine niedrigere Mindestverbüßungszeit angemessen wäre, nicht feststellen.

Hieran ändert sich auch nichts angesichts des Umstandes, dass der Verurteilte - worauf die Beschwerdebegründung zutreffend hinweist - bei der Tatbegehung nur wenig älter als 21 Jahre alt war. Angesichts des schriftlichen Ausführungen des im Erkenntnisverfahrens tätigen Sachverständigen Prof. Dr. M, der den Verurteilten als Menschen schilderte, der mit einer Egozentrizität, Impulsivität und geringen Skrupelhaftigkeit imponiere, ohne dass aus sachverständiger Sicht sicher gesagt werden könne, ob es sich bereits um eine stabile, dissoziale Persönlichkeitsstruktur oder um eine noch eher unreife Persönlichkeit handle, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass der Verurteilte, hätte er zum Zeitpunkt der Tat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet, nach Jugendstrafrecht abgeurteilt und eine Jugendstrafe von höchstens zehn Jahren festgesetzt worden wäre. Insoweit hatte der Sachverständige nach den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Verurteilte Entwicklungsdefizite im Sinne einer Reifeverzögerung aufweise. Dass die Tat nur einen Monat nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen wurde und der Verurteilte daher nicht mehr als Heranwachsender nach dem Jugendstrafrecht abgeurteilt werden konnte, mag zwar angesichts der sich ganz erheblich unterscheidenden Rechtsfolgen für ihn als besondere Härte erscheinen, allerdings führt dies angesichts der konkreten Tatumstände und der zumal auch im Verhältnis zu anderen Morddelikten mit besonderer Schuldschwere noch deutlich hervorstechenden besonderen Schwere der Schuld, die der Verurteilte als strafrechtlich voll verantwortlicher Erwachsener verwirklicht hat, nicht dazu, dass die festgesetzte Mindestverbüßungsdauer von 30 Jahren unverhältnismäßig wäre. Das Gesetz sieht eine Obergrenze im Sinne einer „Höchstverbüßungsdauer“ nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleiben muss, seine Freiheit wieder zu erlangen (BVerfGE 45, 187 ff.), ist die hier festgesetzte Mindestverbüßungsdauer angesichts der konkreten Umstände der Tat und der bisherigen Entwicklung des Verurteilten im Vollzug nicht zu beanstanden. Nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer wird der Verurteilte 51 Jahre alt sein, hat also eine durchaus realistische Chance, seine Freiheit wieder zu erlangen, auch wenn - was der Senat nicht verkennt - er noch sehr lange Zeit darauf wird warten müssen.

Entgegen der Beschwerdebegründung ist auch nicht zu beanstanden, dass die Strafvollstreckungskammer ohne Hinzuziehung eines externen Sachverständigen entschieden hat. Denn sie hat eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Erwägung gezogen. Hat das Tatgericht die besondere Schwere der Schuld festgestellt, ist eine Vollstreckung von mehr als 15 Jahren regelmäßig nur dann nicht geboten, wenn eine vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung ergibt, dass besondere Gründe vorliegen, die nach dem allgemeinen Rechtsbewusstsein den Verzicht auf eine der besonderen Schuldschwere entsprechende Strafvollstreckung angebracht erscheinen lassen. Diese Gesamtwürdigung hat die Strafvollstreckungskammer in eigener Verantwortung auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen und unter Berücksichtigung tatunabhängiger Umstände wie Persönlichkeitsentwicklung im Vollzug, Sühneanstrengungen, hohes Alter und schlechter Gesundheitszustand vorzunehmen. Erst wenn sie die Voraussetzungen des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht und deshalb eine Reststrafaussetzung erwägt, muss sie nach § 454 Abs. 2 StPO ein Sachverständigengutachten einholen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2000, StB 1/2000, zitiert nach juris, Rdnr. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.12.2006, 1 Ws 787/06, zitiert nach juris, Rdnr. 13).


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