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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 111 - 113/17 OLG Hamm

Leitsatz: Wenn das Gericht über einen Bewährungswiderruf wegen eines Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden hat, darf von der nach § 453 Abs. 1 S. 4 StPO vorgesehenen Gelegenheit zur mündlichen Anhörung des Verurteilten nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden. Wenn der Verurteilte mitteilt, wegen einer Erkrankung den Anhörungstermin nicht wahrnehmen zu können, rechtfertigt der bloße Verdacht, dass dieser Entschuldigungsgrund nur vorgeschoben sei, es nicht, ohne weitergehende Ermittlungen von der Anhörung des Verurteilten abzusehen.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf der Strafaussetzung; Gelegenheit zur mündlichen Anhörung

Normen: StGB 56f; StPO 453

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.02.2017 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen zurückverwiesen.

Gründe:
I.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Januar 2017 hat die 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen die dem Verurteilten mit Beschluss des Landgerichts Siegen vom 24. Februar 2015 (71 StVK 36-38/15) gewährte Reststrafenaussetzungen zur Bewährung widerrufen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.

II.
Die gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO i.V.m. § 56 f StGB statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat – zumindest vorläufig – Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 16. Februar 2017 hierzu folgendes ausgeführt:

„Die angefochtene Entscheidung leidet an einem im Beschwerderechtszug nicht behebbaren Verfahrensmangel. Das Landgericht Siegen hat die Vorschrift des § 453 Abs. 1 S. 4 StPO i. V. m. § 57 Abs. 5 S. 1 StGB nicht hinreichend beachtet und dadurch den Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt. Der Widerrufsbeschluss stützt sich auf die Vorschrift des § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB. Danach widerruft das Gericht die Strafaussetzung u. a. dann, wenn ein Verurteilter sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen werde. Zwar dürften die Voraussetzungen für einen Widerruf nach dieser Vorschrift vorgelegen haben. Jedoch soll das Gericht nach § 453 Abs. 1 S. 4 StPO, wenn es - wie hier - über einen Bewährungswiderruf wegen eines Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden hat, dem Verurteilten zuvor Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Verurteilte beachtenswerte Gründe für die Nichterfüllung haben kann, aber nicht in der Lage ist, diese Gründe in einer das Gericht überzeugenden Weise schriftlich darzustellen. Das Gesetz will damit von vornherein der Gefahr begegnen, dass schwerwiegende Widerrufsentscheidungen ohne zureichende Tatsachengrundlage ergehen. Die Ausgestaltung als Sollvorschrift eröffnet dem Gericht allein die Möglichkeit, aus schwerwiegenden Gründen von der grundsätzlich zwingend gebotenen mündlichen Anhörung abzusehen (Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2008,1 Ws 171/08, m. w. N., zitiert nach juris). Das Landgericht Siegen hat zwar die Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung des Verurteilten grundsätzlich erkannt und ihn dazu auf den 10.01.2017 vorgeladen (Bl. 27, 29-29 BewH 71 StVK 36-37/15) Am 09.01.2017 hat der Verurteilte indes der Geschäftsstelle des Landgerichts Siegen mitgeteilt, dass er erkrankt sei und den Anhörungstermin nicht wahrnehmen könne (Bl. 32 BewH 71 StVK 36-37/15). Zum anberaumten Anhörungstermin ist der Verurteilte sodann nicht erschienen. Bei dieser Sachlage durfte das Landgericht Siegen nicht von der Durchführung einer mündlichen Anhörung absehen. Zwar kann grundsätzlich das Gericht ohne mündliche Anhörung entscheiden, wenn der ordnungsgemäß zum Anhörungstermin geladene Verurteilte diesen Termin nicht wahrnimmt. Dies gilt aber dann nicht, wenn beachtliche Gründe für das Ausbleiben vorgetragen worden oder erkennbar waren. Das war hier der Fall, da der Verurteilte vorgebracht hat, wegen einer Erkrankung den Anhörungstermin nicht wahrnehmen zu können. Damit hat er gerade nicht auf sein Recht zur mündlichen Anhörung verzichtet. Dass die Erkrankung vom Verurteilten nur vorgeschoben worden ist, um die Anhörung und damit einen Bewährungswiderruf hinauszuzögern, mag angesichts des bisherigen Bewährungsverlaufs nicht fern liegen. Das Landgericht Siegen hätte dazu jedoch weitergehende Ermittlungen anstellen müssen, um sich von einem unentschuldigten Ausbleiben im Anhörungstermin zu überzeugen. Auf dem bloßen Verdacht hin, ein vor der Verhandlung mitgeteilter Entschuldigungsgrund sei vorgetäuscht, durfte von der Anhörung nicht abgesehen werden (vgl. Thüringer OLG, a.a.O.).

Die daher zu Unrecht unterbliebene Anhörung des Verurteilten ist vom Landgericht Siegen und nicht etwa vom Senat nachzuholen, da anderenfalls der Verurteilte ggf. in seiner Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, beschränkt würde.“

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.


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