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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 91/14 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen und immanenten Grenzen der auf § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB gestützten Weisung eines Kontaktverbots in Bezug auf den 17-jährigen Sohn des Verurteilten.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Weisung, Führungsaufsicht, Kontaktverbot

Normen: StGB 68

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 2. Strafsenat des OLG Hamm am 20.05.2014 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit der Verurteilte darin unter Ziff. 1. angewiesen wird, während der Dauer der Führungsaufsicht keinen Kontakt zu seinem Sohn G aufzunehmen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse (§ 473 Abs. 3 StPO).

Gründe
I.
Durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. März 2011 ist der Verurteilte wegen Vergewaltigung unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 11. Februar 2009 (Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und neun Monaten bei Festsetzung von Einzelstrafen von jeweils drei Jahren) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, welche er bis zum 20. März 2014 unter Anrechnung von 24 Tagen gemäß § 43 StVollzG voll verbüßt hat.

Dem Urteil vom 28. März 2011 lag ein Tatgeschehen im Zeitraum April/Mai 2000 zugrunde, bei dem der Verurteilte im Rahmen der - auch nach der Tat zunächst noch bestehenden - Beziehung zu seiner zweiten Ehefrau mit dieser, nachdem sie die vorherigen Versuche des Verurteilten, einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zu vollziehen, abgewehrt hatte, gegen ihren erklärten Willen und unter Anwendung von Gewalt den Geschlechtsverkehr ausübte, während die beiden gemeinsamen Kinder im 1. Obergeschoß schliefen. Die Geschädigte erlitt dabei Prellungen am Rücken und Hämatome an den Handgelenken.

Den in dieses Urteil einbezogenen Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 11. Februar 2009 lagen folgende Sachverhalte zugrunde. Nachdem der Verurteilte nach der Trennung von seiner zweiten Ehefrau wieder zu seiner ersten Ehefrau eine Beziehung aufgenommen hatte, erkrankte diese schwer an Krebs. Während ihres Aufenthaltes im Krankenhaus kam es im Zeitraum vom 29.09.2008 bis 05.10.2008 in sieben Fällen dazu, dass der Verurteilte mit seiner damals zwölfjährigen Tochter K den Geschlechtsverkehr vollzog. Dabei benutzte er jeweils ein Kondom. Die Tochter ließ die Taten jeweils aus Angst zu, dass ihr Vater ihre kranke Mutter und sie sowie ihre Geschwister wieder verlassen könnte. Am 05.10.2008 kehrte die Mutter in den Haushalt zurück und verstarb am 09.10.2008.

Zur Frage des Eintritts bzw. Entfallens der Führungsaufsicht nach § 68 f StGB hat die Justizvollzugsanstalt C unter dem 17. Januar 2014 schriftlich Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme hat sie sich gegen ein Entfallen der Führungsaufsicht ausgesprochen und die Erteilung verschiedener Weisungen, u.a. die Anordnung eines Kontaktverbotes zu den Kindern des Verurteilten, angeregt. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat sich dem angeschlossen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat nach mündlicher Anhörung des Verurteilten mit Beschluss vom 20. März 2014 festgestellt, dass nach vollständiger Vollstreckung der Freiheitsstrafe Führungsaufsicht eingetreten ist (§ 68 Abs. 1 StGB). Die Dauer der Führungsaufsicht ist auf fünf Jahre festgesetzt worden. Für die Dauer der Führungsaufsicht sind dem Verurteilten gemäß § 68 b Abs. 1 StGB verschiedene Weisungen erteilt worden, darunter unter Ziff. 1. die Weisung:" zu seinen Kindern K, G, H, D, N und E keinen Kontakt aufzunehmen, (§ 68 Buchst. b Abs. 1 Nr. 3 StGB)."

Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. April 2014 "sofortige Beschwerde" eingelegt, soweit ihm der Kontakt zu dem am 10. Oktober 1997 geborenen Sohn G verwehrt wird.

Dieser Beschwerde hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum durch Beschluss vom 16. April 2014 mit näheren Ausführungen nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Zuschrift vom 2. Mai 2014 hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Darauf hat der Verteidiger des Verurteilten mit Schriftsatz vom 14. Mai 2014 erwidert.

II.

Das gemäß § 453 Abs. 2 S. 1, § 463 Abs. 2 StPO, § 68 b StGB als einfache - da nur gegen eine einzelne Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht gerichtete - Beschwerde auszulegende Rechtsmittel des Verurteilten ist zulässig und auch in der Sache begründet.

Gemäß §§ 453 Abs. 2 S. 2, 463 Abs. 2 StPO kann eine Beschwerde gegen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist.

Eine Weisung widerspricht dem materiellen Recht und ist damit gesetzwidrig im Sinne des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO, wenn sie keine ausreichende gesetzliche Grundlage hat, das Gericht unzumutbare Anforderungen an den Verurteilten stellt und damit das ihm eingeräumte Ermessen überschreitet oder missbraucht; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Weisung entgegen § 68 b Abs. 3 StGB einen unverhältnismäßig einschneidenden Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten enthält (zu dem insoweit gleichlautenden § 56 c Abs. 1 S. 2 StGB Fischer, StGB, 61. Aufl., § 56 c, Rn 3; BGH, Beschluss vom 14. Mai 1998 - 4 StR 185/98 -, [...], Rn 6; vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 16. Januar 1998 - 2 Ws 687/97 -, [...], Rn 9). Die Weisungen müssen dabei inhaltlich in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem Gesetzeszweck stehen (Fischer, a.a.O., § 68 b, Rn 16) und gemessen am Rechtsstaatsprinzip und § 68 b Abs. 1 S. 2 StGB dem Bestimmtheitsgebot entsprechen (OLG Hamm, Beschluss vom 06. März 2014, III - 2 Ws 38/14).

Als gesetzliche Grundlage der dem Verurteilten erteilten Weisung, keinen Kontakt zu seinem Sohn G aufzunehmen, kommt nur die Vorschrift des § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB in Betracht. Dort ist ausdrücklich bestimmt, dass die verurteilte Person angewiesen werden kann, zu Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen. Dies ist dahin zu verstehen, dass es dem Verurteilten untersagt ist, aus eigenem Antrieb und aktiv einen unmittelbaren Kontakt zu einem Mitglied der Personengruppe herzustellen (BGH, Urteil vom 07. Februar 2013 - 3 StR 486/12 -, BGHSt 58, 136-140, zitiert nach [...], Rn 5).

Insoweit ist die Weisung, keinen Kontakt zu seinem Sohn G aufzunehmen, zwar ausreichend bestimmt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass das erteilte Verbot der Kontaktaufnahme zu dem am 10. Oktober 1997 geborenen Sohn G zur präventiven Ausschaltung kriminogener personengebundener Reize oder aus Gründen des Opferschutzes - allein diese beiden Gesichtspunkte sind im Hinblick auf die gesetzliche Zielrichtung der durch Gesetz vom 13. April 2007 (BGBl I 513) neu gefassten Vorschrift des § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB in deren Anwendungsbereich relevant (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 28. Aufl., § 68 b Rn. 7) - erforderlich ist. Die von dem Verurteilten begangenen Taten richteten sich ausschließlich gegen weibliche Familienmitglieder (zweite, geschiedene Ehefrau sowie die aus der ersten Ehe hervorgegangene, zur Tatzeit 12 Jahre alte Tochter des Verurteilten K). Das dem Verurteilten im Verhältnis zu K und weiteren leiblichen Kindern auferlegte Kontaktverbot hat dieser nicht mit der Beschwerde angegriffen. Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass auch der Sohn des Verurteilten G, der im übrigen den Kontakt zu dem Verurteilten als seinem leiblichen Vater wünscht, diesem Verurteilten Gelegenheit oder Anreiz für die Begehung ähnlich gelagerter Taten bieten oder dazu benutzt werden könnte, insbesondere das gegen die Töchter angeordnete Kontaktverbot zu umgehen. Im Übrigen wäre eine solche Kontaktaufnahme unter Umgehung des insoweit rechtsfehlerfrei ausgesprochenen und nicht angefochtenen Kontaktverbotes im Rahmen der Führungsaufsicht strafbewehrt (§ 145 a StGB) und hätte damit für den Verurteilten bereits strafrechtliche Konsequenzen. Sollten sich jedoch während der Dauer der Führungsaufsicht konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verurteilte durch einen - nach derzeitigem Sachstand strafrechtlich nicht zu unterbindenden - Kontakt zu seinem Sohn G versucht, verbotenen Kontakt insbesondere zu seinen minderjährigen Töchtern aufzunehmen, wird die Strafvollstreckungskammer zu prüfen haben, ob die dem Verurteilten erteilten Weisungen um ein (nach vorläufiger rechtlicher Bewertung) dann zulässiges Kontaktverbot in Bezug auf seinen Sohn G nachträglich gemäß § 68 d StGB zu ergänzen ist.

Der Umstand, dass dem Verurteilten die elterliche Sorge u.a. für seinen gehörlosen Sohn G entzogen worden ist, dieser unter der Vormundschaft des Jugendamtes der Stadt C steht, in einer therapeutischen Jugendeinrichtung lebt und sich ein Kontakt des Verurteilten zu G nach Einschätzung des Jugendamtes negativ auf die ohnehin labile psychische Verfassung Gs auswirken würde, rechtfertigt eine auf § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB gestütztes Verbot der Kontaktaufnahme zu G aufgrund der aufgezeigten engen Zweckrichtung dieser Vorschrift nicht; die vorstehenden Gesichtspunkte sind allein im Rahmen zivil- bzw. familienrechtlicher Vorschriften und Regelungen maßgebend (vgl. Schönke/Schröder, a.a.O.; OLG Dresden, Beschl. vom 11.09.2009 - 2 Ws 409/09). Ob diese ein vom Jugendamt angestrebtes Kontaktverbot in Bezug auf G ermöglichen bzw. stützen würden, unterliegt nicht der Beurteilung des Senats.

Im Ergebnis war daher der Beschluss in dem angefochtenen Umfang aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3 StPO.


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