aus ZAP Heft 6/2011,ZAP F. 22 R. S. 673
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Nur kurz sei darauf hingewiesen, dass derjenige, der den Strafrecht-online-Blog verfolgt und liest, diesen nicht mehr unter dem Namen LexisNexis®Strafrecht-Online Blog findet. Sondern: Wir firmieren jetzt unter Heymanns Strafrecht online Blog. Inhaltlich hat sich aber nichts geändert.
Hinzuweisen ist auf zwei neuere obergerichtliche Entscheidungen, die sich mit dem Begriff der Vernehmung befassen.
In seinem Beschl. v. 14. 9. 2010 (3 StR 573/09, StRR 2011, 61 m. Anm. Krawczyk) hatte der BGH die Verwertbarkeit von Angaben aus einem Gespräch mit einem Konsularbeamten, das dieser mit einem in ausländischer Haft befindlichen deutschen Beschuldigten geführt hat, zu beurteilen. Von Bedeutung war die Frage insofern, weil der Beschuldigter zuvor in ausländischer Haft bei Vernehmungen geschlagen worden war und sich damit die Frage der Verwertbarkeit der gemachten Angaben (§ 136a StPO) stellte. Der BGH ist davon ausgegangen, dass dieses Gespräch, dass der Konsularbeamter in Erfüllung seiner Hilfspflicht nach § 7 KonsG führt, keine Vernehmung i.S. des § 136a StPO darstellt. Zu den Pflichten nach dem KonsG gehöre auch die Vermittlung von Rechtschutz und die Aufklärung des Grundes der Inhaftierung des Angeklagten gehört. Dazu sei es erforderlich, sich mit dem Inhaftierten (auch) über die ihm zur Last gelegten Straftaten zu unterhalten. Es habe sich um reine konsularische Beistandsleistung gehandelt und nicht um eine Vernehmung auf Ersuchen des Entsendestaates, bei der die für Vernehmungen geltenden deutschen Verfahrensvorschriften sinngemäß anzuwenden gewesen wären.
Damit war eine direkte Anwendung des § 136a StPO und ein darauf gegründetes Verwertungsverbot nicht möglich. Ein Verwertungsverbot würde sich nach Auffassung des BGH (a.a.O.) aber selbst bei einer analogen Anwendung des § 136a StPO nicht ergeben, weil die Misshandlungen des Angeklagten auf dessen Angaben gegenüber dem Konsularbeamten M. keinen Einfluss gehabt hätten. Der BGH hat insbesondere ein Verwertungsverbot aufgrund einer Fernwirkung der erlittenen Misshandlungen abgelehnt. Dieses sei auch nicht der UN-Antifolterkonvention (namentlich des Art. 15) zu entnehmen. Gleiches gelte für die Verpflichtung der Bundesrepublik aus Art. 3 EMRK (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung).
Tipp/Hinweis: |
Soweit der BGH (a.a.O.) eine Vernehmungssituation liegt seine Entscheidung konsequent auf der Linie des von Rechtsprechung angewendeten (formellen) Vernehmungsbegriffs (BGHSt 42, 139, 145 f.; zum Vernehmungsbegriff s. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1836 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 136a Rn. 4 [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner]). Zu kritisieren sind aber die Ausführungen zur Fort- und Fernwirkung der erlittenen Misshandlungen (vgl. dazu eingehend Krawczyk StRR 2011, 62). |
Zu begrüßen ist allerdings, dass der BGH die Frage, ob der Verwertbarkeit der Angaben des Konsularbeamten der Grundsatz des fairen Verfahrens entgegengestanden hat, offen gelassen hat. In dem Zusammenhang deutet er immerhin an, dass es die besondere Situation eines im Ausland Inhaftierten gebieten könnte, diesen darüber zu belehren, dass der Inhalt des Gespräches mit dem Konsularbeamten regelmäßig innerhalb der Behörde und ggf. auch bei den Strafverfolgungsbehörden des Heimatlandes bekannt werde. Der BGH hat eine Entscheidung dieser Frage jedoch deshalb für nicht erforderlich gehalten, weil der Angeklagte in der Revision eine Rüge mit dieser Stoßrichtung d.h. eine Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nicht erhoben hatte. Darauf ist also ggf. zu achten.
Ein weitere Entscheidung befasst sich mit der Abgrenzung der sog. bloßen informatorischen Befragung mit einer Vernehmung (vgl. dazu OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16. 08. 2010 - 1 SsBs 2/10, VRR 2010, 429 = StRR 2010, 468 = zfs 2010, 589). Nach dem Sachverhalt war der Betroffene, der vom AG wegen einer fahrlässigen Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG verurteilt worden war, mit seinem Pkw von Speyer nach Germersheim gefahren, wo er auf der Polizeiinspektion einen Bekannten abholen wollte. Der auf der Dienststelle anwesende Polizeibeamte B. gewann den Eindruck, der Betroffene stehe unter Drogeneinfluss. Auf seine Frage, wie er nach Germersheim gekommen sei, erklärte der Betroffene, er sei mit dem Auto gefahren. Daraufhin belehrte der Polizeibeamte den Betroffenen als Beschuldigten und setzte die Befragung fort, wobei sich der Betroffene in Widersprüche verwickelte. Das AG hat dann in der Hauptverhandlung auch die vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Betroffenen verwertet. Das OLG Zweibrücken (a.a.O.) hat darin keine Verletzung von Verfahrensrecht gesehen. Seit der Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 1992 sei zwar anerkannt, dass der Verstoß gegen die Belehrungspflicht bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten durch die Polizei (§§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO; hier i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) grds. ein Verwertungsverbot nach sich ziehe (BGHSt 38, 214 = NJW 1992, 1463; vgl. a. Meyer-Goßner, § 136 Rn. 20). Dabei werde aber davon ausgegangen, dass nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründe mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr komme es auf die Stärke des Verdachts an. Es obliege der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob dieser sich bereits so verdichtet habe, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht komme. Falls der Tatverdacht aber so stark sei, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, sei es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende ohne Beschuldigtenbelehrung vernommen wird (BGH, a.a.O.; BGHSt 51, 367 = StRR 2007, 224). Diese Grenze der sog. informellen Befragung hat das OLG hier als noch nicht überschritten angesehen. Der Tatbestand der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG setze einerseits einen durch den Genuss von Drogen geschaffenen körperlichen Zustand voraus, und andererseits, dass in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt werde. Die Wahrnehmungen des Polizeibeamten deuteten zunächst nur auf den Einfluss von Drogen hin. Der Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs sei erst durch die Antwort hergestellt worden, die der Betroffene auf die an ihn gestellte erste Frage gegeben hatte. Die Wertung des Beamten, der erst hierdurch den zur Belehrungspflicht führenden Verdachtsgrad als erfüllt erachtete, sei nicht zu beanstanden.
Tipp/Hinweis: |
Die Entscheidung geht m.E. zu weit, wenn sie den bestimmten Tatverdacht verneint. Es steht ein offenbar erkennbar unter Drogeneinfluss stehender Betroffener vor einem Polizisten, der fragt, wie er von A nach B ist. Erst die Antwort auf die Frage, soll zum Tatverdacht wegen Trunkenheits- oder Drogenfahrt führen? Das ist m.E. deshalb nicht zutreffend, weil die Frage doch gerade auf den Umstand des Fahrens abzielt. Denn warum sollte sich die Polizei sonst bei einem unter Drogeneinfluss Stehenden dafür interessieren, wie er von A nach B gekommen ist. Deshalb hätte hier m.E. vor dieser Frage belehrt werden müssen (vgl. zur Beschuldigteneigenschaft eingehend auch Burhoff, EV, Rn. 380 ff.). Entscheidend ist die sog. Dichte des Tatverdachts. Und der hatte sich hier so verdichtet, dass der Betroffene als Fahrer in Betracht kam. |
Die Frage des Umfangs der Bestellung des Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger spielt bei der Frage eine Rolle, ob ggf. Tätigkeiten die der Rechtsanwalt im Adhäsionsverfahren erbringt, ohne weiteres auch von der Pflichtverteidigerbestellung erfasst werden und damit dann die Gebühren der Nrn. 4143, 4144 VV RVG als gesetzliche Gebühren geltend gemacht werden können. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. die Nachweise unten in der Rechtsprechungsübersicht) . Es stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber (vgl. die Nachw. zur Rechtsprechung in der Anm. zu OLG Hamburg ([3. Strafsenat] StraFo 2010, 307). Auch kommt es immer wieder zu Lagerwechseln. So hat vor kurzem das KG, das bislang der Auffassung war, dass die Pflichtverteidigerbestellung sich auch auf die Tätigkeiten des Verteidigers im Adhäsionsverfahren erstreckt, seine frühere Rechtsprechung (KG, Beschl. v. 4. 9. 2006 4 Ws 31/06) aufgegeben und sich der Gegenmeinung angeschlossen (vgl. Beschl. v. 24. 6. 2010 1 Ws 22/09). Dazu soll hier nicht mehr Stellung genommen werden, da dazu bereits genug geschrieben, diese Frage ist ausgeschrieben (vgl. auch die Anmerkungen bei OLG Köln RVGreport 2005, 316; OLG Celle RVGreport 2008, 102; RVGreport 2008, 395; vgl. auch Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Nr. 4143 VV Rn. 12 m.w.N.).
Berichtens- und eines Hinweises wert ist der Beschl. des KG aber aus einem anderen Grund. Der dort im Verfahren tätige Pflichtverteidiger hatte in der Hauptverhandlung offenbar im Hinblick auf die Unberechenbarkeit obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. dazu nur OLG Hamburg, a.a.O.) das Richtige getan, und ausdrücklich die Erweiterung seiner Bestellung auch auf das dort anhängige Adhäsionsverfahren auf der Grundlage der §§ 404 Abs. 5 StPO, 114 ZPO beantragt. Dem Angeklagten war in der Hauptverhandlung vor dem LG unter Beiordnung seines Verteidigers PKH im Adhäsionsverfahren bewilligt worden. Damit standen dem Pflichtverteidiger die Gebühr nach den § 4143 VV RVG für die 1. Instanz zu. Er hatte den Angeklagten aber auch im Revisionsverfahren vertreten und für dieses als gesetzliche Gebühr die Nr. 4144 VV geltend gemacht. Die ist ihm aber nicht gewährt worden. Das KG (a.a.O.) weist in seiner Entscheidung nämlich darauf hin, dass die landgerichtliche Beiordnung lediglich den ersten Rechtszug betroffen habe, denn die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolge gem. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO, auf den § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO verweise, für jeden Rechtszug besonders. Da der Begriff des Rechtszugs kostenrechtlich zu verstehen sei (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 66. Aufl., § 119 Rdn. 30), habe sich die durch das LG beschlossene Beiordnung nach § 404 Abs. 5 StPO unter Berücksichtigung der Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG (nur) auf die Einlegung der Revision, nicht jedoch auf weitere Verfahrensabschnitte, insbesondere nicht auf die Fertigung der Revisionsbegründung durch den Verteidiger, die einen Gebührenanspruch nach Nr. 4144 VV RVG auslösen könnte (vgl. KG NStZ-RR 2010, 115), erstreckt. Eine Beiordnung auch für die Revisionsinstanz, die durch den BGH hätte erfolgen müssen, sei in Ermangelung eines entsprechenden Antrags aber nicht erfolgt.
Tipp/Hinweis: |
Es darf nicht übersehen werden, dass die Gewährung von PKH immer nur für den Rechtszug gilt (BGH NJW 1999, 2380 m.w.N.; Meyer-Goßner, § 397a Rn. 17). Ein entsprechender Beiordnungsantrag muss also im Berufungs- oder Revisionsverfahren wiederholt werden, wenn die Gebühr Nr. 4144 VV RVG nicht verloren gehen soll. |
Pflichtverteidigungsfragen spielen in der Praxis eine große Rolle. das zeigt schon die doch recht große Anzahl von veröffentlichten und nicht veröffentlichten Entscheidungen der Instanzgerichte. Die nachfolgende Zusammenstellung enthält daher die wesentliche Rechtsprechung zu den die Praxis berührenden Fragen aus den Jahren 2009 und 2010 (zur Pflichtverteidigung beim inhaftierten Mandanten vgl. ZAP F. 22 R, S. 639, 643 f.; s. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1229a f.).
Die mit dem Richtervorbehalt bei einer Blutentnahme zusammenhängenden Fragen (vgl. § 81a Abs. 2 StPO) beschäftigen die Rspr. zwar noch (vgl. u.a. die Rechtsprechungszusammenstellung bei Burhoff VA 2010, 140 und bei Burhoff, EV, Rn. 461g). Inzwischen ist es an der Front aber erkennbar ruhiger geworden:
Tipp/Hinweis: |
Inzwischen ist auch aufgrund einer Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen eine Gesetzesänderung geplant, wonach der Richtervorbehalt bei den §§ 316, 315c ff. StGB und bei § 24a StVO entfallen soll (vgl. BR-Drucks. 615/10; s. auch Elsner, DAR 2010, 633). Es bleibt abzuwarten, wie sich der Gesetzgeber entscheiden wird. |
Von Bedeutung ist in dem Zusammenhang allerdings eine Entscheidung des OLG Hamm (Beschl. v. 2. 11. 2010 - III-3 RVs 93/10, StRR 2011, 24 = VRR 2011, 31), die sich mit der Wirksamkeit der Einwilligung des Beschuldigten in die Blutprobenentnahme befasst. Die Frage ist deshalb von Bedeutung, weil bei einer wirksamen Einwilligung nach h.M. in Rspr. und Lit. das Erfordernis einer richterlichen Einwilligung entfällt (u.a. OLG Hamm StRR 2008, 463 = VRR 2008, 472 = NZV 2009, 90, 91; Meyer-Goßner, § 81 a Rn. 3 m.w.N). Entscheidend für die Wirksamkeit der Einwilligung ist, ob der Beschuldigte die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennt und er die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklärt. In dem .). In dem Zusammenhang spielt dann auch die Frage der Einwilligungsfähigkeit eine Rolle. Der Beschuldigte muss zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Einwilligung in die Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner Einwilligungserklärung zu erkennen (OLG Hamm, a.a.O.; vgl. auch Heinrich NZV 2010, 278, 279, jew. m.w.N.). Erforderlich ist, dass der Betroffene nach seiner Verstandesreife den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt (LG Saarbrücken StRR 2009, 27 = VRR 2009, 37). Dabei ist darauf zu achten, dass die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein. Dafür genügt aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung (LG Saarbrücken, a.a.O., m.w.N.). Ab wann von einer zu berücksichtigen Alkoholbeeinflussung auszugehen ist, dürfte sich jetzt aus dem Beschl. des OLG Hamm v. 2. 11. 2010 (III-3 RVs 93/10, StRR 2011, 24 = VRR 2011, 31) ergeben. Der Angeklagte war dort mit 1,23 Promille Blutalkohol alkoholisiert. Das OLG hat das als eine nur mittelmäßige Alkoholisierung angesehen. Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liege bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert sei der Angeklagte dort sehr weit entfernt gewesen. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere einen festgestellten schwankenden Gang, sei aber durchaus in der Lage gewesen, mit seinem PKW unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.
Mit der Entscheidung des OLG Hamm liegen endlich Zahlen auf dem Tisch, ab wann von fehlender Einwilligungsfähigkeit des Beschuldigten in die Einwilligung zu einer Blutentnahme auszugehen ist. Mit der Frage der Einwilligung im Rahmen des § 81a StPO hatten sich in der Vergangenheit die OLG zwar schon häufiger beschäftigt, bisher hatte aber kein OLG konkret zur Wirksamkeit einer Einwilligung Stellung genommen, sondern sich nur allgemein mit dem Zusammenhang von Einwilligung und Erforderlichkeit der richterlichen Anordnung befasst (vgl. dazu grundlegend OLG Bamberg VRR 2009, 190 = StRR 2009, 185; OLG Celle, NZV 2009, 463 = VA 2009, 154 = StRR 2009, 282 [Ls.] = VRR 2009, 283 [Ls.]; LG Saarbrücken StRR 2009, 27 = VRR 2009, 37). Aus der Entscheidung des OLG Hamm v. 2. 11. 2010 (a.a.O.) wird man nun den Schluss ziehen müssen: Bis 2,0 Promille soll offenbar noch von Einwilligungsfähigkeit auszugehen sein, darüber nicht mehr. Das OLG stellt damit auf den Grenzwert ab, ab dem die Obergerichte in den tatrichterlichen Urteilen Ausführungen zu § 21 StGB erwarten (BGH NStZ 1997, 383; OLG Brandenburg VRR 2008, 148 m. Anm. Deutscher; OLG Hamm NZV 1998, 510 = VRS 96, 19 = zfs 1999, 172; BA 2007, 38; 2007, 40; 2007, 381; OLG Köln StRR 2009, 470; OLG München NZV 2008, 529 = zfs 2008, 712; Fischer, StGB, 57 Aufl., § 20 Rn. 21).
Tipp/Hinweis: |
Allerdings: Es verbietet sich Schematismus. Denn das OLG Hamm (a.a.O.) untersucht auch die beim Angeklagten festgestellten Ausfallerscheinungen. Auf die hat der Verteidiger also zusätzlich zur Höhe der BAK zu achten. In dem Zusammenhang ist im Übrigen sicher zu stellen, dass Befunderhebungen des Arztes, der die Blutprobe entnommen hat, zum Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) gemacht werden. Insoweit sind ggf. Verlesungs- und/oder Beweisanträge zu stellen. |
Zum Beweisantragsrecht ist auf zwei neuere Entscheidungen des BGH hinzuweisen. Im Beschluss v. 28. 10. 2010 (4 StR 359/10, StRR 2010, 19) hat der 4. Strafsenat darauf hingewiesen, dass der Tatrichter in dem Beschluss, mit dem er einen Beweisantrag wegen Verschleppungsabsicht ablehnt, darlegen muss, warum die beantragte Beweiserhebung nicht der Sachaufklärung dient. Denn dem Gebot der Sachaufklärung kommt auch gegenüber dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung bzw. einer Verhinderung und Abwehr eines missbräuchlichen Verhaltens grds. der Vorrang zukomme. Gebiete daher die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit, einem Beweisantrag in der Sache nachzugehen, dürfe dieser nicht wegen Prozessverschleppung abgelehnt werden (BVerfG NJW 2010, 592, 593, 594; BGH NStZ 2010, 161 f.). Die Frage, ob eine Beweiserhebung der Sachaufklärung diene, müsse der Tatrichter in dem Beschluss, mit dem er den Beweisantrag wegen Verschleppungsabsicht ablehne, beantworten, weil nur dann das Revisionsgericht überprüfen könne, ob die Ablehnung rechtsfehlerfrei erfolgt sei.
In einer weiteren Entscheidung hat der 1. Strafsenat in seinem Beschl. v. 3. 11. 2010 ( 1 StR 497/10) noch einmal die Frage der Erforderlichkeit der Darlegung der Konnexität eines Beweisantrags aufgegriffen. Er bejaht (nochmals) die Erforderlichkeit entsprechender Darlegungen, was in der Literatur kritisch gesehen wird (vgl. Witting/Junker StRR 2009, 244, 246 f.; vgl. grundsätzlich zur Konnexität auch Junker, Beweisantragsrecht im Strafprozess, Rn. 46 ff. m.w.N. und Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 6. Aufl., 2010, Rn. 293a m.w.N. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]). Darüber hinaus verschärft er das das Merkmal der Konnexität eines Beweisantrags (zur sog. erweiterten Konnexität s. BGHSt 52, 284 = NJW 2008, 3446 = StRR 2008, 425) wenn er verlangt, dass dann, wenn es der Darlegung der Konnexität bedürfe, der Antragsteller die Tatsachen, die diese begründen sollen, bestimmt zu behaupten hat.
Tipp/Hinweis: |
Letzteres hat zur Folge, dass der Verteidiger in den Fällen, in denen er ggf. wegen mangelnder Kenntnisse die strengen Konnexitätserfordernisse nicht erfüllen kann, jedenfalls versuchen muss, die als möglich erachteten Beweisbehauptungen so stark mit Anhaltspunkten zu unterfüttern, dass er damit einer Herabstufung seines Beweisantrages zum bloßen Beweisermittlungsantrag entgegenwirkt oder erreicht, dass seinem Antrag zumindest noch im Hinblick auf die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nachgegangen werden muss . |
Immer wieder beschäftigen den BGH auch die mit der Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO zusammenhängenden Fragen, die in der Praxis für den Verteidiger vor allem auch deshalb von Bedeutung sind, weil i.d.R. der unterlassene, aber erforderliche rechtliche Hinweis, meist immer noch in der Revision erfolgreich gerügt werden kann. Ein lehrreiches Beispiel ist der Beschl. des BGH v. 12. 1. 2011 (1 StR 582/10), der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist. Zugrunde liegt dieser Entscheidung des BGH ein Verfahren, in dem der Angeklagte wegen Mordes (§ 211 StGB) verurteilt worden ist. Die Anklage war u.a. vom Mordmerkmal Verdeckungsabsicht ausgegangen. Als sog. Bezugstat war ein veruntreuende Unterschlagung (§ 246 S. 2 StGB) angenommen worden. Das LG hatte als Bezugstat aber eine Körperverletzung (§ 223 StGB) festgestellt. Nach Auffassung des BGH hat das Austauschen der "anderen Straftat" (Bezugstat) einen Hinweis nach § 265 StPO erforderlich gemacht. Das Gericht, das den Schuldspruch innerhalb des Rahmens der angeklagten Tat (§ 264 StPO) auf einen gegenüber der Anklage im Tatsächlichen wesentlich veränderten Sachverhalt stütze, müsse dem Angeklagten, um ihn vor einer Überraschungsentscheidung zu schützen, zuvor grds. einen entsprechenden Hinweis erteilen. Diese Hinweispflicht diene dem schutzwürdigen Verteidigungsinteresse des Angeklagten. Sie gelte auch und gerade für wesentliche Veränderungen des dem gesetzlichen Straftatbestand zugeordneten Tatverhaltens. Die Abweichung in der Beschreibung des Tatverhaltens, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gedient habe, sei gerade auch bei der vorliegenden Fallgestaltung wesentlich. Das Verhalten des Angeklagten, in dem die "andere Straftat" i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB gesehen wurde, habe sich schon zeitlich erheblich von demjenigen, das die Anklage für tatbestandsmäßig hielt unterschieden, und inhaltlich sei ein Vermögensdelikt durch ein Körperverletzungsdelikt ersetzt worden.
Tipp/Hinweis: |
Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BGH , der auch bei anderen Delikten, wenn Bezugstaten o.Ä. ausgetauscht wird, einen richterlichen Hinweis verlangt (vgl. z.B. BGH StV 1990, 249, 250). Und: Gerade wenn es st.Rspr. Rechtsprechung entspricht, dass ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO gewissen Mindestanforderungen entsprechen muss, wozu auch die Angabe gehört, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale als erfüllt ansieht (vgl. hierzu u.a. BGH StV 2007, 229 m.w.N.), liegt es auch nahe, überhaupt einen entsprechenden Hinweis zu verlangen, wenn das Tatverhalten, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes dient, wesentlich von dem Anklagevorwurf abweicht. Fazit: Es kommt immer darauf an, ob der Angeklagte vor Überraschungen geschützt werden muss. |
Beim fehlenden rechtlichen Hinweis spielt immer auch die Beruhensfrage (§ 337 StPO) eine Rolle bzw., es kommt für die revisionsrechtliche Erheblichkeit des Unterlassens des Hinweises darauf an, ob der Angeklagte nicht ggf. aus dem weiteren Gang der Hauptverhandlung die Kenntnis erlangen konnte, welches Verhalten das Gericht als tatbestandsmäßig werten und zur Grundlage des Schuldvorwurfs machen will. Zu den Fragen sollte in der Revisionsbegründung, spätestens dann, wenn die Generalstaatsanwaltschaft/Bundesanwaltschaft zur Beruhensfrage Stellung nimmt, vorgetragen werden. Auch insoweit bietet der BGH-Beschl. 12. 1. 2011 (1 StR 582/10) Anhaltspunkte. So weist der BGH (a.a.O.) darauf hin, dass es unerheblich ist, dass der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag der Verdeckungsabsicht als neue Bezugstat eine Körperverletzung zugeordnet hat (vgl. u.a. BGH StV 2006, 5). Maßgeblich ist nämlich, dass eine andere Betrachtung nach Auffassung des Gerichts in Betracht kommt (vgl. u.a. BGH StV 2008, 431 m.w.N.). Ohne Bedeutung war für den BGH (Beschl. v. 12. 1. 2011 - 1 StR 582/10) auch, dass vor dem Plädoyer des Staatsanwalts das Verfahren gem. § 154 Abs. StPO auf Antrag des Staatsanwalts insoweit eingestellt worden ist, als gegen den Angeklagten der Vorwurf "veruntreuter" Unterschlagung erhoben worden ist. Diesem Beschluss lasse sich schon nicht entnehmen, dass das LG den Vorwurf der Verdeckungsabsicht wegen eines Vermögensdeliktes gänzlich fallen lassen wollte.
Tipp/Hinweis: |
Die Revisionsbegründung sollte bei geltend gemachten Verstößen gegen § 265 StPO immer auch Ausführungen dazu erhalten, wie sich der der Angeklagte, wenn er vom Gericht den entsprechenden Hinweis erhalten hätte, sich anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können und auch verteidigt hätte Dabei sollte nicht übersehen werden, dass sich der rechtliche Hinweis nicht nur an den Angeklagten richtet, sondern auch an seinen Verteidiger (vgl. BGH StV 1993, 179). Das bedeutet, dass auch der darlegen kann und sollte, was er bei einem ordnungsgemäßen Hinweis noch zur (anderen) Verteidigung des Angeklagten vorgebracht hätte. |
Vorgestellt werden soll an dieser Stelle eine an sich außerhalb des strafverfahrensrechtlichen Bereichs liegende Entscheidung des BGH, die aber auch für den Verteidiger Bedeutung erlangen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 12. 1. 2011 - XII ZB 181/10) ging es in einem familienrechtlichen Verfahren, in dem die Klägerin den Beklagten auf Trennungsunterhalt in Anspruch nahm, um die Frage, bei der Bewilligung der vom Beklagten beantragten PKH eine von dem Beklagten auf eine Geldstrafe zu zahlende Rate zu berücksichtigen ist oder nicht. Das OLG München hatte bei der PKH-Bewilligung die Geldstrafe unberücksichtigt gelassen, weil das im Rahmen von § 115 ZPO nicht angemessen, da dadurch der Strafcharakter teilweise entfallen würde. Dem ist der BGH (a.a.O.) in der Rechtsbeschwerde gefolgt. Ausgangspunkt seiner Erörterungen ist § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO: Danach sind für die Ermittlung des - für die Prozesskosten - einzusetzenden Einkommens weitere Beträge abzusetzen, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist. In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob dazu auch die auf eine Geldstrafe zu entrichtenden Rate zählt. Das wird von einem Teil (vgl. OLG Hamburg FamRZ 2001, 235; OLG Brandenburg, Beschl, v. 3. 9. 2003 - 9 WF 153/03; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29. 6. 2007 - 3 Ta 143/07; Zöller/Geimer, ZPO 28. Aufl. § 115 Rn. 37; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. § 115 Rn. 14; Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. § 115 Rn. 67; HK-ZPO/Pukall, 3. Aufl., § 115 Rn. 26; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 115 Rn. 24) unter Hinweis darauf bejaht, dass es mit dem Sinn und Zweck der PKH nicht zu vereinbaren sei, im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung Ratenzahlungen auf eine Geldstrafe unberücksichtigt zu lassen. Der BGH (a.a.O.) hat sich jedoch der wohl überwiegenden a.A. an geschlossen, die eine Berücksichtigung von Geldstrafen im Rahmen des § 115 ZPO ablehnt (OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 1541; OLG München FamRZ 2007, 1340; KG FamRZ 2006, 871; OLG Koblenz JurBüro 1997, 30, 31; AG Ludwigslust FamRZ 2003, 1934 f.; LAG Köln, Beschl. v. 14. 7. 2010 - 1 Ta 161/10; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 9. 2009 - 3 Ta 564/09; LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17. 7. 2008 - 21 Ta 1105/08; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 1. 8. 1989 - 4 Ta 33/89; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 30; MünchKomm-ZPO/Motzer, 3. Aufl., § 115 Rn. 42; Völker/Zempel in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 115 Rn. 29; Zimmermann Prozesskostenhilfe, 3. Aufl,. Rn. 117). Von dieser Auffassung wird darauf verwiesen, dass der Strafcharakter der Geldstrafe teilweise entfallen würde, wenn der Bedürftige seinen Prozess auf Kosten der Allgemeinheit wegen Anrechnung etwaiger Geldstrafen führen könnte (siehe dazu etwa OLG München FamRZ 2007, 1340). Zum anderen wird argumentiert, dass auch ein Sozialhilfeempfänger die gegen ihn verhängte Geldstrafe aus der ihm gewährten Sozialhilfe unter entsprechenden persönlichen Einschränkungen zu begleichen habe, ohne dass seine Sozialhilfe deshalb erhöht würde. Dem schließt sich der BGH an. Es sei grds. nicht angemessen, die auf eine Geldstrafe zu zahlende Rate bei der Einkommensermittlung gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen. Allerdings dürfe dem Bedürftigen der Zugang zu den Gerichten nicht verwehrt werden. Ebenso müsse ausgeschlossen sein, dass die Nichtberücksichtigung dieser Rate dazu führe, dass der Bedürftige Gefahr laufe, eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten zu müssen. Dem Weg, um das zu verhindern, sieht der BGH über § 42 StGB i.V.m. § 459 a StPO. Danach könne der Bedürftige bei der Strafvollstreckungsbehörde Zahlungserleichterungen bis hin zu einer Stundung beantragen. Danach kann der Bedürftige bei einer - auch im Lichte der von ihm verwirkten Strafe - nicht mehr zumutbaren wirtschaftlichen Belastung eine entsprechende Zahlungserleichterung bei der Vollstreckungsbehörde, also der Staatsanwaltschaft (§ 451 Abs. 1 StPO), erreichen (ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 1541).
In entsprechenden Fällen muss daher bei den Vollstreckungsbehörde ein Antrag auf (weitere) Ratenbewilligung gestellt werden. Grundlage dafür ist, worauf auch der BGH (a.a.O.) hinweist, § 42 StGB, wonach das Gericht dem Verurteilten eine Zahlungsfrist bewilligen oder ihm gestatten kann, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, sofern es dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen. Nach rechtskräftiger Verurteilung ist die Vollstreckungsbehörde für die Entscheidung über Zahlungserleichterungen zuständig, § 459 a Abs. 1 StPO. Sie kann diese auch nachträglich ändern oder aufheben (Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. § 42 Rn. 9; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 42 Rn. 13; Meyer-Goßner, § 459 a Rn. 4, wonach auch mehrfache Änderungen zulässig sind). Die Gewährung von Zahlungserleichterungen liegt nicht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Liegen die Voraussetzungen von § 42 StGB vor, so müssen die Zahlungserleichterungen gewährt werden (OLG Stuttgart MDR 1993, 996; siehe auch Stree/Kinzig, a.a.O., § 42 Rn. 4). § 42 StGB erlaubt es auch, die Geldstrafe für eine längere Zeit zu stunden (OLG Stuttgart MDR 1993, 996 f.; OLG Bremen NJW 1962, 217; Stree/Kinzig, a.a.O., § 42 Rn. 5). Anders als das Prozesskostenhilferecht sieht das Straf- bzw. Strafprozessrecht auch keine Höchstzahl von zu leistenden Monatsraten vor (vgl. Stree/Kinzig, a.a.O. § 42 Rn. 5 m.w.N., wonach nach h.M. für die Ratenanordnung keine zeitliche Begrenzung besteht). Deshalb würde der Bedürftige bei einer nach Maßgabe des Strafrechts angeordneten Zahlungserleichterung im Ergebnis - anders als bei der Berücksichtigung einer Geldstrafe nach § 115 ZPO - keine (Prozess-) Kosten ersparen.
Tipp/Hinweis: |
Zur Anwaltsvergütung in diesen Fällen: Die Tätigkeiten des Verteidigers/Rechtsanwalts im Rahmen der Zahlungserleichterung nach § 42 StGB sind Tätigkeiten in der Strafvollstreckung nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG (zur Strafvollstreckung Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Vorbem. 4.2 Rn. 1 ff.). Es handelt sich um sog. sonstige Verfahren i.S. der Nr. 4204 VV RVG bzw. der Nr. 4301 Ziff. 6 VV RVG (Volpert VRR 2005, 179). Ob der Rechtsanwalt nach Nr. 4204 VV RVG oder nach Nr. 4301 Ziff. 6 VV RVG abrechnet, richtet sich danach, ob er voller Verteidiger des Verurteilten i.S. des Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG ist oder ob ihm nur eine Einzeltätigkeit übertragen worden ist. Derjenige Rechtsanwalt, der den Verurteilten auch im Erkenntnisverfahren verteidigt hat, wird i.d.R. auch noch Verteidiger des Verurteilten sein und nach Nr. 4204 VV RVG abrechnen. War der Rechtsanwalt nicht Verteidiger, hat also ggf. nach Abschluss des Zivilverfahrens die Vertretung des Verurteilten in diesem übernommen, dann wird es sich im Zweifel um eine Einzeltätigkeit handeln und die Abrechnung nach Nr. 4301 Ziff. 6 VV RVG erfolgen. Um eine gegenüber dem Erkenntnisverfahren und dem Zivilverfahren besondere Angelegenheit handelt es sich bei dem Verfahren nach § 42 StGB i.V.m. § 459a StPO auf jeden Fall. |
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob das sog. gezielte Schweigen als Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens genügen kann, mit der Folge, dass durch den Rat des Verteidigers zum Schweigen ggf. die Gebühr Nr. 4141 VV RVG bzw. Nr. 5115 VV RVG entsteht, wenn das Verfahren dann eingestellt wird. Die Frage ist jetzt vom für die Nr. 5115 VV RVG BGH bejaht worden (vgl. BGH, Urt. v. 20. 1. 2011 - IX ZR 123/10; vgl. dazu auch AG Charlottenburg AGS 2007, 309, 310; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 5115 VV Rn. 6; AnwKomm-RVG/N.Schneider, 5. Aufl., VV 5115 VV Rn. 32; Bischof/Uher, RVG, 3. Aufl. Nr. 5115-5116 VV, Rn. 30b; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl. Nr. 5100-5200 VV Rn. 18; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 1; Hartung in: Hartung/Schons/Enders, RVG, Nr. 5115 VV Rn. 9; zu § 84 Abs. 2 BRAGO: AG Bremen AGS 2003, 29; a.A. AG Hannover JurBüro 2006, 79; AG Halle AGS 2007, 85; AG Meinerzhagen AGS 2007, 454; AG Potsdam, Urt. v. 16. 4. 2009 - 36 C 31/09, n.v.; zu § 84 Abs. 2 BRAGO: AG Dinslaken JurBüro 1996, 308; AG Achern JurBüro 2001, 304). Die Behörde wisse nach einer solchen Mitteilung, dass sie einen Bußgeldbescheid nicht auf die Einlassung des Betroffenen stützen könne, sondern sich darüber klar werden muss, ob die übrigen Beweismittel für eine Ahndung ausreichen. Komme sie zu dem Ergebnis, dass die übrigen Beweismittel nicht ausreichen und stelle sie deshalb das Verfahren ein, habe die Tätigkeit des Verteidigers diese Art der Verfahrenserledigung objektiv gefördert.
Tipp/Hinweis: |
Es ist zu begrüßen, dass der BGH zum sog. gezielten Schweigen Stellung genommen hat und dieses grds. als Mitwirkung ansieht. Mit der Einschränkung tut man sich allerdings schwer, das der Streit um die Gebühr damit auf eine andere Ebene verlagert wird. Denn was ist offenkundig. Darüber wird neuer Streit zwischen den Betroffenen/ihren Verteidigern und den Rechtsschutzversichern entstehen. Offenkundigkeit will der BGH wohl bejahen, wenn - wie im entschiedenen Fall das von dem Verkehrsverstoß gefertigte Beweisfoto zweifelsfrei einen männlichen Fahrer zeigt, es sich aber um eine weibliche Betroffene handelt. Nur führt das nicht bei allen Verwaltungsbehörden automatisch zur Einstellung, sondern häufig erst nach einem entsprechenden Hinweis des Betroffenen bzw. seines Verteidigers. Soll das dann keine Mitwirkung sein? Neuer Streit ist vorprogrammiert. |
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".