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aus ZAP Heft 22/2003, F. 22 R, S. 299

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Rechtsprechungsübersicht zum Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (II/2003)

Von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm


 Inhalt

I. Neue Grenze für "geringwertige Sachen" (§ 248a StGB)?

II. Nochmals: Keine Freiheitsstrafe bei Bagatelldelikten

III. Betrug (§ 263 StGB)

1. Übersendung einer Insertionsofferte

2. Irrtum bei Zweifeln des Opfers?

3. Vermögensschaden

IV. Steuerhinterziehung

1. Strohmann kein Unternehmer

2. Beihilfe durch neutrale Handlung?

3. Konkurrenzverhältnis von § 373 AO zu § 370a AO a. F.

4. Versuchsbeginn bei Einfuhrdelikten


Inhaltsverzeichnis

I.  Neue Grenze für "geringwertige Sachen" (§ 248a StGB)?

Nach § 248a StGB wird der Diebstahl und die Unterschlagung in den Fällen der §§ 242 und 246 StGB nur auf Antrag verfolgt, wenn sich die Tat nur auf eine sog. "geringwertige Sache" bezieht. Entsprechendes gilt nach § 263 Abs. 4, der auf § 248a StGB verweist, für den Betrug. Die Grenze für die "Geringwertigkeit" wurde von den Gerichten schon seit längerem i. d. R. bei etwa 50 DM bzw. nun 25 € angenommen (vgl. nur die Nachweise bei OLG Düsseldorf NJW 1987, 1958, und bei TRÖNDLE/FISCHER, StGB, 49. Aufl., § 248a Rn. 5a). Das OLG Hamm hat diese ältere Rechtsprechung jetzt aufgegeben (vgl. Beschl. v. 28. 7. 2003 – 2 Ss 427/03, NJW 2003, 3145 und Beschl. v. 23. 9. 2003 - 3 Ss 526/03 = beide http://www.burhoff.de). Die ältere, teilweise noch vom Anfang der 80er Jahre stammende Rechtsprechung sei überholt. Die Grenze sei heute vielmehr unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Kosten- und Preissteigerung bei 50 € zu ziehen. Ebenso wie der Preisentwicklung und Kostensteigerung im Rahmen des § 142 StGB bei der Frage der Schadenshöhe und bei §§ 69 Abs. 2 Nr. 3, 69a StGB bei der Frage des bedeutenden Schadens Rechnung zu tragen sei und in der Vergangenheit getragen worden ist, müssten diese Umstände, vor allem auch unter zusätzlicher Berücksichtigung der geänderten Wertvorstellungen in der Bevölkerung, bei der Bemessung der Geringwertigkeit einer Sache i. S. d. § 248a StGB Bedeutung erlangen.

Tipp/Hinweis:

Ebenso wie das OLG Hamm hatte in der Vergangenheit bereits, allerdings ohne nähere Begründung, das OLG Zweibrücken entschieden (vgl. NStZ 2000, 536 = StV 2000, 298).

Inhaltsverzeichnis

II. Nochmals: Keine Freiheitsstrafe bei Bagatelldelikten

Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Obergerichte mehr und mehr dazu übergehen, bei der Verurteilung wegen eines Bagatelldelikts die Verhängung einer (auch) kurzfristigen Freiheitsstrafe als unangemessen anzusehen (vgl. die in ZAP F. 22 R, S. 279 zitierte Rechtsprechung). Dieser Auffassung hat sich inzwischen auch der 3. Strafsenat des OLG Hamm angeschlossen (Beschl. v. 20. 3. 2003 – 3 Ss 78/03, http://www.burhoff.de; a. A. BayObLG NJW 2003, 2926). Die Vorinstanzen hatten die Angeklagte wegen des Diebstahls von gehackten Haselnüssen und Sultaninen im Gesamtkaufswert von 2,18 DM zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Das OLG Hamm hat dies als einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot angesehen. Selbst drei Vorstrafen der Angeklagten sowie ihr Bewährungsversagen wogen nach Auffassung des OLG Hamm nicht derart schwer, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei dem äußerst geringen Unrechtsgehalt der festgestellten Tat noch als gerechter Strafausgleich angesehen werden konnte (vgl. zur angemessenen Strafe bei einer Häufung von Diebstahlstaten aber auch OLG Hamm, Beschl. v. 7. 2. 2003 – 2 Ss 3/03, StraFo 2003, 177 = http://www.burhoff.de).

Tipp/Hinweis:

Der Verteidiger sollte diese Rechtsprechung der OLG auch bei anderen Bagatelldelikten anführen. Denn sie hat nicht nur bei den eigentlichen Vermögensdelikten, wie z. B. beim Betrug, Bedeutung. Sie kann darüber hinaus, insbesondere z. B. auch bei der sog. Leistungserschleichung nach § 265a StGB, bei der das "hinterzogene" Fahrentgelt i. d. R. nur gering ist, Bedeutung erlangen.

Diskutieren müssen wird man auch die Frage, welche Auswirkungen die Verurteilung wegen eines Bagatelldelikts auf eine ggf. laufende Bewährung hat, ob also diese Verurteilung den Bewährungswiderruf und damit ggf. die Vollstreckung einer längerfristigen Freiheitsstrafe rechtfertigt. Allerdings werden hier die Grundsätze des OLG Hamm zur Häufung von (Diebstahls-)Taten besondere Bedeutung erlangen (vgl. dazu OLG Hamm, a. a. O.).

Inhaltsverzeichnis

III. Betrug (§ 263 StGB)

1. Übersendung einer Insertionsofferte

In der in der Vergangenheit umstrittenen Frage, ob Angebotsschreiben, die planmäßig so abgefasst sind, dass der Eindruck einer Zahlungsverpflichtung entsteht, wegen des gezielt verschleierten Angebotscharakters als Täuschung(shandlung) i. S. d. Betrugstatbestandes einzuordnen sind, hat sich inzwischen eine h. M. dahin gebildet, dass das grds. der Fall sein kann (s. dazu BGH, Urt. v. 26. 4. 2001 (4 StR 439/00, wistra 2001, 255 = NStZ 2001, 430 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/4/00/4-439-00.php3; ebenso schon OLG Hamm, Beschl. v. 16. 2. 1999 – 2 BL 6 u. 7/99; LG Mainz, Beschl. v. 17. 5. 2001 – 1 Qs 78/01, wistra 2002, 74; sowie auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 31. 10. 2001 – 2 Ws 106/01, NStZ-RR 2002, 47 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung). Inzwischen hat auch der 1. Senat des OLG Frankfurt seine gegenteilige Auffassung aufgegeben (vgl. Beschl. v. 16. 3. 2003 – 1 Ws 126/02).

Tipp/Hinweis:

Ob ein Insertionsangebot zur Täuschung geeignet ist (§ 263 StGB), ist aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände zu ermitteln. Die Eignung zur Täuschung wird z. B. bejaht, wenn das Insertionsschreiben so gestaltet ist, dass bei einem durchschnittlichen Empfänger der Eindruck entsteht, es bestünde eine auf einer amtlichen Gebührenrechnung basierende Zahlungsverpflichtung (s. die Fallgestaltung bei OLG Frankfurt [a. a. O.] und bei den übrigen Rspr.-Nachw.).

Inhaltsverzeichnis

2. Irrtum bei Zweifeln des Opfers?

Welchen Einfluss beim Betrugstatbestand Zweifel des Opfers an der Wahrheit der vorgetäuschten Tatsache auf die Annahme eines Irrtums haben, ist in der Literatur umstritten. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass auch der Zweifelnde i. S. d. § 263 StGB irre und Zweifel so lange irrelevant seien, als er die Wahrheit der Tatsache noch für möglich halte. Ein tatbestandsmäßiger Irrtum sei erst dann nicht mehr gegeben, wenn er zwar die vorgespiegelte Tatsache für möglich halte, jedoch zur Frage der Wahrheit innerlich nicht Stellung beziehe, ihm der Wahrheitsgehalt gleichgültig sei und er die Vermögensverfügung unabhängig von ihrer Wahrheit treffe (vgl. insbesondere LACKNER, in: LK, 10. Aufl., § 263 Rn. 79 ff.; TIEDEMANN, in: LK, 11. Aufl., § 263 Rn. 84 ff., jeweils m. w. N.). Demgegenüber vertritt eine Mindermeinung mit durchweg viktimologisch orientierten Erwägungen und im einzelnen differierenden Abgrenzungen die Auffassung, dass der Betrugstatbestand bei zweifelnden Opfern wegen deren verminderter Schutzbedürftigkeit nicht anwendbar sei, wobei teilweise auf den Intensitätsgrad des Zweifels oder auf dessen Konkretisierung abgestellt wird (KREY, Strafrecht BT, Bd. 2, 2. Aufl., Rn. 373, 374 m. w. N.). Die Rspr. des BGH folgt im Wesentlichen der herrschenden Auffassung im Schrifttum (BGH wistra 1990, 305; 1992, 95, 97; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 21; vgl. auch BGHSt 2, 325, 326). Allerdings wurden bislang – soweit ersichtlich – nur Fälle entschieden, in denen das Opfer von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Wahrheit der behaupteten Tatsache ausgegangen ist.

Diese Auffassung hat der BGH in seiner Entscheidung v. 5. 12. 2002 bekräftigt (3 StR 161/02, NJW 2003, 1198 = wistra 2003, 142 = StraFo 2003, 142 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/02/3-161-02.php3 m. Anm. BECKEMPER NStZ 2003, 315 und KRÜGER wistra 2003, 297; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). In der Sache ging es um den Abrechnungsbetrug eines Zahnarztes gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Dem Arzt, der keine Kassenarztzulassung (mehr) hatte, wurde vorgeworfen, selbst Kassenpatienten behandelt zu haben, gegenüber der KZV aber bei der Abrechnung vorgetäuscht zu haben, diese seien durch einen bei ihm angestellten Kassenarzt behandelt worden. Das Verfahren war aufgrund einer anonymen Anzeige in Gang gekommen, dann jedoch zunächst eingestellt worden. Die KZV hatte die dem Arzt zustehenden Leistungen gezahlt. Das Landgericht hatte angenommen, dass die KZV die Auszahlungen aufgrund eines Irrtums i. S. d. § 263 StGB veranlasst habe: Ein Irrtum sei auch dann gegeben, wenn der Getäuschte – wie hier – die behaupteten Tatsachen bezweifle, aber gleichwohl die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer erachte.

Dies hatte beim BGH Bestand. Er hat keine Veranlassung gesehen, von den Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Die viktimologisch motivierten Ansätze zur Einschränkung des Betrugstatbestandes wegen geringerer Schutzbedürftigkeit des zweifelnden Tatopfers finden im Wortlaut des § 263 StGB keine Stütze und nehmen den strafrechtlichen Schutz vor Angriffen auf das Vermögen durch Täuschung unangemessen weit zurück. Danach spielt es für die Tatbestandsmäßigkeit keine Rolle, ob die Entscheidungsträger der KZV bei sorgfältiger Prüfung die Täuschung durch den Angeklagten hätten erkennen können, denn selbst leichtfertige Opfer werden nach st. Rspr. durch das Strafrecht geschützt (vgl. BGHSt 34, 199, 201; BGH wistra 1992, 95, 97 m. w. N.). Zur Frage, bis zu welcher Intensität Zweifel des Getäuschten die Annahme eines Irrtums nicht ausschließen oder – umgekehrt – mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit er die behauptete Tatsache für wahr halten muss, damit ein Irrtum bejaht werden kann, hat der BGH ausgeführt, dass er in Fortführung der bisherigen Rspr. in Übereinstimmung mit der h. M. in der Literatur der Auffassung zuneigt, dass – über die bislang vom BGH entschiedenen Fälle hinaus – Zweifel so lange nicht geeignet sind, die Annahme eines tatbestandsmäßigen Irrtums in Frage zu stellen, als das Opfer gleichwohl noch die Wahrheit der behaupteten Tatsache für möglich hält und deswegen die Vermögensverfügung trifft, also trotz seiner Zweifel, seien sie auch noch so erheblich, der List des Täters zum Opfer fällt. Auch bei einem solchen Geschädigten ist noch eine Fehlvorstellung vorhanden, die für die Vermögensverfügung ursächlich wird und unter den tatbestandlichen Begriff des Irrtums subsumiert werden kann. Hinzu kommt – so der BGH –, dass erhebliche praktische Bedenken gegen eine Abgrenzung nach Wahrscheinlichkeitsgraden bestehen. Diese ließen sich begrifflich schwer fassen und würden Feststellungen erforderlich machen, die über die Grenzen dessen hinausgingen, was die Beweisaufnahme leisten kann.

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3. Vermögensschaden

Im Berichtszeitraum haben sich einige obergerichtliche Entscheidungen zum Vermögensschaden geäußert. Im einzelnen:

  • Beim Prozessbetrug liegt bei Nichteinhaltung der in einem Prozessvergleich versprochenen Leistungen ein täuschungsbedingter Vermögensschaden bei Abschluss eines Prozessvergleichs nur dann vor, wenn sich nach einem Vergleich des Vermögens des Geschädigten vor und nach dem Abschluss des Prozessvergleichs eine Minderung des Vermögens ergibt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die klageweise geltend gemachten Ansprüche wirtschaftlich werthaltig waren und durch den Abschluss des Vergleichs sich deren Realisierungsmöglichkeiten verschlechtert haben. Für den Vermögensschaden ist das zu berücksichtigen, was der Geschädigte zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung (Vergleichsabschluss) "aufgegeben" und "erhalten" hat. Bei von vornherein beabsichtigter Nichterfüllung der aus dem täuschungsbedingten Vergleich geschuldeten Leistung liegt, wenn diese nicht erbracht wird, kein weiterer (selbständiger) Vermögensschaden vor (BayObLG, Beschl. v. 29. 1. 2003 – 5 St RR 8/2003).
  • Beim Erschwindeln von Darlehen liegt ein Vermögensschaden nur dann vor, wenn die Täuschungshandlung das Risiko einer Nichterfüllung der Schuld erhöht hat (BGH, Beschl. v. 27. 3. 2003 – 5 StR 508/02, StraFo 2003, 287 = StV 2003, 446 = wistra 2003, 343 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/02/5-508-02.php3).
  • Veräußert der Täter einen zuvor durch Betrug erlangten Pkw, kommt im Hinblick auf die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs nach § 932 BGB eine Verurteilung wegen Betruges zum Nachteil des Käufers nur dann in Betracht, wenn bei dem Erwerber zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdung vorliegt. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Erwerber ein nicht unerhebliches Prozessrisiko- – auch im Hinblick auf § 935 BGB – zu gewärtigen hat (BGH, Beschl. v. 15. 1. 2003 – 5 StR 525/02, wistra 2003, 230 = StraFo 2003, 214 = StV 2003, 447 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/02/5-525-02.php3).
  • Die Bewilligung und Auszahlung von Mietzuschüssen nach dem Wohngeldgesetz stellen einen Vermögensschaden dar, wenn der Antragsteller von Anfang an nicht beabsichtigt, das Geld für Mietzahlungen zu verwenden (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11. 2. 2003 – 1 Ss 3/03).

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IV. Steuerhinterziehung

1. Strohmann kein Unternehmer

Ein weites Feld der Steuerhinterziehung ist das der Hinterziehung von Umsatzsteuer (vgl. dazu schon ZAP F. 22 R, S. 283). Immer wieder hat der für Steuerstrafsachen zuständige 5. Strafsenat des BGH mit den damit zusammenhängenden Fragen zu tun (vgl. allgemein zur Rechtsprechung des BGH zum Steuerstrafrecht 2002/2003 HARMS/JÄGER NStZ 2003, 189). Seiner Entscheidung v. 22. 5. 2003 (5 StR 520/02, PStR 2003, 193 = wistra 2003, 344 = NJW 2003, 2924 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/02/5-520-02.php3) liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte war zunächst als freier Mitarbeiter der U-GmbH mit dem Einkauf von Computerbauteilen (CPUs) betraut. Ab August 1996 hatte er bei der U-GmbH die Stellung eines Geschäftsführers inne. Auf Rechnung der U kaufte der Angeklagte von einem H über dessen Unternehmen C solche CPUs in großem Ausmaß. Die U finanzierte dem H die Bestellungen vor, die dieser als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei aus dem EU-Ausland einführte. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass H die CPUs an U zwar mit USt-Ausweis verkaufte, seinerseits aber keine USt-Voranmeldungen abgab. Dies geschah in Absprache mit dem Angeklagten, der die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer für die U als Vorsteuer geltend machte. Ihm kam es darauf an, die Ware durch diese Vorgehensweise um den Umsatzsteueranteil zu verbilligen. Den Vermögensvorteil, der durch die nicht angemeldete und nicht abgeführte Umsatzsteuer entstand, teilten sich H, der hiervon 70 % erhielt, und der Angeklagte. Hierdurch erzielte der Angeklagte insgesamt einen "Umsatzsteuergewinn" i. H. v. ca. 1 Mio. DM. Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur USt-Hinterziehung (§§ 370 AO, 27 StGB) verurteilt. Eine eigene Täterschaft des Angeklagten hat es verneint, weil dieser zulässigerweise die ausgewiesene USt als Vorsteuer abgezogen habe. H habe als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne der GmbH die Ware verschafft. Dass er keine USt-Voranmeldungen abgab, ändere daran nichts.

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Das Urteil des Landgerichts ist auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin vom BGH teilweise aufgehoben worden. Der BGH hat die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe die der U in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer in Abzug bringen dürfen, beanstandet. Eine hier allein in Betracht kommende Vorsteuererstattung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setze voraus, dass in Rechnungen i. S. d. § 14 UStG eine Steuer gesondert ausgewiesen ist für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmen für das Unternehmen des Vorsteuerberechtigten ausgeführt wurden. Demnach müsste zwischen dem Lieferanten und dem Empfänger ein Leistungsaustausch stattgefunden haben, mithin der H als Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG geliefert haben. Zwar ist Unternehmer – so der BGH – grundsätzlich derjenige, der nach außen als Leistender aufgetreten und aus dem Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein vorgeschobenes Strohmanngeschäft vorliegt und die Parteien davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Strohmann und der Dritte kollusiv handeln. In solchen Kollusionsfällen bedient sich eine Seite des Strohmanns für die Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen. Liege eine solche Fallgestaltung vor, sei dieser Strohmann nur noch als Hilfsperson dem Lager desjenigen zuzuordnen, in dessen Interesse er handelt.

Tipp/Hinweis:

Entscheidend ist deshalb immer, ob nach dem Gesamtbild der Umstände noch ein Verhalten "wie ein Händler" angenommen werden kann oder ob das Verhalten dem einer Hilfsperson entspricht. Für letzteres spricht z. B., dass die Aufgabe der Hilfsperson trotz formaler Auftragsabwicklung darin besteht, durch Hinterziehung der Umsatzsteuer einen "USt-Gewinn" zu ermöglichen, die Hilfsperson kein Kapitalrisiko trägt und auch kein wesentliches Abnahmerisiko. Einer Hilfsperson fehlt die Unternehmereigenschaft i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG. Vorsteuer darf aus ihren Rechnungen nicht gezogen werden. Der Auftraggeber des Strohmanns erhält vielmehr direkt die Leistung. Handelt es sich dabei um eine steuerfrei innergemeinschaftliche Lieferung entsteht keine Umsatzsteuer, die Gegenstand einer Vorsteuererstattung zugunsten des Auftraggebers sein könnte. Wird dennoch Vorsteuer geltend gemacht, liegt eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor.

Zur Frage des Umsatzsteuerkarussells s. auch PStR 2000, 112; GOTZENS PStR 2001, 210; GOTZENS/WEGNER PStR 2002, 32 und zur Strafzumessung bei USt-Karussellen BURHOFF PStR 2002, 214.

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2. Beihilfe durch neutrale Handlung?

In der Vergangenheit hat der BGH in den Fällen der Beteiligung von Mitarbeitern von Geldinstituten am Kapitaltransfer ins Ausland durch ihre Kunden bereits Grundsätze dazu entwickelt, wann berufstypische neutrale Handlungen als Beihilfe (auch) zur Steuerhinterziehung angesehen werden können (BGHSt 46, 107, 112 = NJW 2000, 3010 = PStR 2000, 197 = wistra 200, 340 m. zahlreichen Anm., wie z. B. LESCH wistra 2000, 344 ff., JÄGER EWiR 2000, 895 f., JAHN BB 2000, 2240 f.; STEINER wistra 2001, 1 ff., SINGER ZAP F. 22 R, S. 161; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20). Die zu den "berufstypischen neutralen Handlungen" entwickelten Grundsätze hat der BGH nun auf neutrale Alltagshandlungen ohne berufstypischen Bezug übertragen (vgl. BGH, Urt. v. 18. 6. 2003 – 5 StR 498/02, PStR 2003, 194 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/02/5-489-02.php3).

Nach dem Sachverhalt setzte der Angeklagte Schwarzgeld für Schmiergeldzahlungen ein. Aus Angst, die Zuwendungsempfänger könnten mit den erheblichen Schmiergeldsummen einen auffallend aufwendigen Lebensstil führen, gab er diesen schon bei der Übergabe des ersten Betrages einen Tipp, wie und wo sie diese Gelder in der Schweiz anlegen könnten. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Ihm sei bewusst gewesen, dass Schmiergeldzahlungen schon allein aufgrund ihrer strafrechtlichen Herkunft nicht geeignet seien, in ESt-Erklärungen Eingang zu finden.

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In den Fällen "berufstypischer neutraler Handlungen" hatte der BGH zur Hilfeleistung i. S. d. § 27 StGB folgende Grundsätze aufgestellt: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten. Unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den Charakter des "Alltäglichen". Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen. Etwas anderes gilt, wenn das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch war, dass er sich mit seiner Hilfeleistung "die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein" ließ.

Für Schmiergeldzuwendungen ergibt sich nach Ansicht des BGH hieraus folgendes: Gibt der Bestechende konkrete Hinweise, an welche Person oder Institution sich der Empfänger zum Zwecke von Geldtransfer und -anlage in der Schweiz, Luxemburg o. a. wenden kann oder bietet er gar an, den entsprechenden Kontakt herzustellen, dann liegt es nahe, dass er sich "die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt". In diesem Fall verliert die an sich neutrale Handlung des Hinweisgebers ihren Alltagscharakter und das Handeln ist als Beihilfe i. S. d. § 27 StGB zu werten.

Tipp/Hinweis:

Die Revision des Angeklagten hatte dennoch Erfolg. Nach Auffassung des BGH reichten nämlich die Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für eine Verurteilung nach §§ 370 AO, 27 StGB nicht aus. Ausführungen, wonach der Angeklagte den Zuwendungsempfängern einen Tipp gegeben habe, "wie und wo sie diese Gelder in der Schweiz anlegen konnten", seien zu ungenau und ermöglichten keine revisionsrechtliche Prüfung. Es fehle insbesondere an hinreichend klaren und durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegten Feststellungen, dass die Empfänger zumindest auch aufgrund des Tipps Gelder in der Schweiz angelegt haben, um diese dem deutschen Fiskus gegenüber nicht zu offenbaren und unter Ausnutzung dieses Umstandes unrichtige ESt-Erklärungen abgegeben haben.

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3. Konkurrenzverhältnis von § 373 AO zu § 370a AO a. F.

In der Praxis wächst die Bedeutung der Schmuggeldelikte (§ 373 AO). Insbesondere ist eine Zunahme des Zigarettenschmuggels, vornehmlich aus den ehemaligen Ostblockstaaten, festzustellen. Deshalb ist mit den damit zusammenhängenden Rechtsfragen immer wieder auch der BGH befasst. In seiner Entscheidung v. 19. 6. 2003 (5 StR 160/03, PStR 2003, 218 = wistra 2003, 389 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/03/5-160-03.php3) hat er nun zum Konkurrenzverhältnis zwischen dem gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Schmuggel nach § 373 AO und der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO a. F. Stellung genommen.

Der Entscheidung lag folgende Fallgestaltung zugrunde: Der Angeklagte betrieb in großem Umfang Schmuggel mit Zigaretten chinesischen Ursprungs, die in Containern hinter Tarnladung verborgen über die deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven nach Deutschland eingeführt wurden. Dadurch verkürzte er Eingangsabgaben i. H. v. mindestens 4,2 Mio. €. Im Rahmen der Ermittlungen beschlagnahmten die Zollbehörden am 18. 1. 2002 einen Container, nachdem der mit der Abholung beauftragte Fahrer die vom Angeklagten vorbereiteten und inhaltlich unrichtigen Abfertigungspapiere beim Zollamt Hamburg Hafen eingereicht hatte. In dem – zuvor bereits von den Zollbehörden im Freihafen überwachten – Container waren 9.587.200 Zigaretten enthalten. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370a AO a. F. verurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Seine Revision hatte beim BGH Erfolg. Der BGH hat bemängelt, dass das Landgericht nicht bedacht hat, dass die Vorschrift des § 370a AO zwischen dem Zeitpunkt der Tatbegehung und der Aburteilung durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen v. 23. 7. 2002 (BGBl. I, S. 2715) geändert worden ist. Danach führt nun erst eine Steuerverkürzung "in großem Ausmaß" zur Qualifikation als Verbrechen; ferner wurde ein minder schwerer Fall eingeführt, der insbesondere unter den Voraussetzungen einer Selbstanzeige nach § 371 AO gegeben sein soll. Das machte nach Auffassung des BGH die Anwendung des § 2 Abs. 3 StGB erforderlich. Danach ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat geltende Gesetz vor der Entscheidung geändert worden ist. Bei der Ermittlung des milderen Rechts kommt es dabei maßgebend darauf an, welche Regelung in dem zu entscheidenden Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die den Täter schonendere Beurteilung gestattet.

Das Landgericht hatte seiner Entscheidung die mit Wirkung v. 27. 7. 2002 eingeführte Neufassung des § 370a AO zugrunde gelegt und dabei das Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung "in großem Ausmaß" ausdrücklich bejaht. Insoweit bestanden nach Auffassung des BGH grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken. Denn die Neufassung, die einerseits die Schwelle zum Verbrechenstatbestand durch schärfere Eingangsvoraussetzungen erhöht und andererseits einen minder schweren Fall eingeführt hat, stelle sich als das mildere Gesetz i. S. v. § 2 Abs. 3 StGB dar. Der BGH hat jedoch darauf hingewiesen, dass zur Ermittlung des mildesten Gesetzes i. S. v. § 2 Abs. 3 StGB der gesamte Rechtszustand im Bereich des materiellen Rechts heranzuziehen sei. Das bedeute, dass es bei dem vorzunehmenden Gesamtvergleich vorliegend auch auf das rechtliche Verhältnis des neuen Verbrechenstatbestandes gem. § 370a AO zum unverändert fortgeltenden Vergehenstatbestand des § 373 AO ankomme. Da den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen seien, wie der Gesetzgeber die Konkurrenzen zwischen den sich weitgehend überschneidenden gesetzlichen Vorschriften regeln wollte, wie sich der Verbrechenstatbestand des § 370a AO in das System des Steuerstrafrechts einfügen sollte, und ob die Kollisionen überhaupt erkannt wurden, müsse dazu auf die allgemeinen Grundsätze in Fällen der Gesetzeseinheit zurückgegriffen werden. Maßgebend für die Beurteilung seien danach die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine, wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein. Diese Voraussetzungen seien jedenfalls im Verhältnis zwischen § 370a AO a. F. und § 373 AO gegeben, der bei gleichem allgemeinen Schutzgut – der Sicherung des vollständigen Steueraufkommens – und bei identischem Anwendungsbereich hinsichtlich der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Strukturen und Begehungsweisen als lex specialis vorgeht. Denn der ausdrückliche Schutz von Eingangsabgaben bzw. Ein- und Ausfuhrabgaben lässt den Tatbestand des Schmuggels als die speziellere und damit vorrangige Norm erscheinen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dieses zusätzliche Merkmal zu einer Privilegierung, d. h. zum Vorrang des Vergehenstatbestandes gegenüber dem (neueren) Verbrechenstatbestand des § 370a AO a. F., führt. 

Hinweis:

Der BGH hat die Frage, ob der Vorrang des § 373 AO auch im Verhältnis zum neugefassten § 370a AO gilt oder ob durch das zusätzliche Tatbestandsmerkmal des "großen Ausmaßes" nunmehr diese Norm zum spezielleren Tatbestand wird, weil das Merkmal der Einfuhrabgaben dadurch enger gefasst wird, offengelassen. Denn zum in der Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbegehung im Januar 2002 war jedenfalls der Tatbestand des Schmuggels nach § 373 AO die speziellere Strafnorm, der der Vorrang gebührte.

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4. Versuchsbeginn bei Einfuhrdelikten

Ein anderer Teil des Beschlusses v. 19. 6. 2003 (5 StR 160/03, a. a. O., insoweit aber nicht in PStR 2003, 218) befasst sich mit dem Beginn der Versuchsstrafbarkeit bei Einfuhrdelikten, wenn die beabsichtigte Steuerverkürzung durch Abgabe inhaltlich falscher Anmeldungen bei der zollamtlichen Abfertigung bewirkt werden soll. Der BGH hat dazu ausgeführt, dass der Versuch dann erst mit der Vorlage der wahrheitswidrigen – weil unvollständigen – Zollanmeldung beginnt. Erst dann überschreite nämlich der Täter die Schwelle zum "jetzt geht es los", von da an bedürfe es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr und es werde objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt. 

Hinweis:

Das gilt – so der BGHauch, wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren schon bei der Verladung der Container im Ausland nicht in die Frachtpapiere aufgenommen wurden. Der konkrete Angriff auf das geschützte Rechtsgut – das öffentliche Interesse am vollständigen Aufkommen der einzelnen Steuern – beginne nämlich erst mit Erreichen der Zollgrenzstelle. Denn erst zu diesem Zeitpunkt haben – so der BGH – die Zollbehörden zum Schutz der inländischen und gemeinschaftsrechtlichen Fiskalinteressen Kontroll- und Zugriffsrechte, denen andererseits zollrechtlich ausdrücklich geregelte Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen entsprechen, die bis zum Erreichen der Zollgrenze eben nicht bestehen.

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