Referat auf dem 26. Strafverteidigertag in Mainz am 9. März 2002 - AG 3
(Ich bedanke mich bei dem Leiter der AG 3, Herrn Rechtsanwalt Mike Sturm, Dresden, für die freundliche Genehmigung, dieses Referat auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Inhalt:
A. Allgemeines
I. Einleitung
II. Inhalt
III. Erfolgsaussichten der besonderen Haftprüfung
B. Allgemeine Voraussetzungen der U-Haft
I. Grundlage der Haftprüfung
II. Akteneinsicht
III. Dringender Tatverdacht
IV. Haftgründe
1. Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO)
a) Allgemeines
b) Fluchtgefahr bei Ausländern/Auslandskontakten
c) Fluchtgefahr allein infolge hoher Straferwartung?
aa) Auch bei hoher Strafe Abwägung
bb) Vortrag/welcher Erwartungshorizont
2. Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO)
a) Verdunkelungsgefahr allein wegen der Eigenart des Delikts?
b) Kaution auch bei Verdunkelungsgefahr?
C. Besondere Voraussetzungen für die Fortdauer der U-Haft
I. Exkurs: Beschleunigungsgrundsatz
II. Berechnung der 6-Monats-Frist
1. Berücksichtigung von sonstigem Freiheitsentzug bei der Fristberechnung
2. Ende der Haftprüfung
3."Dieselbe Tat" im Sinn des § 121 StPO
III. Wichtiger Grund für Fortdauer der U-Haft
1. Allgemeines
2. Zu den "wichtigen" Gründen
a) "Besondere Schwierigkeit der Ermittlungen"
b) "Besonderer Umfang der Ermittlungen"
c) Anderer "wichtiger Grund"
3. Keine Kompensation
D. Verfahrenshinweise
E. Schluss
Inhaltsverzeichnis
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich darf mich zunächst für die freundliche Begrüßung und Einführung durch Herrn Rechtsanwalt Sturm bedanken. Ich freue mich, dass ich heute an dieser Stelle zu dem sensiblen Bereich der "Haftprüfung durch das OLG" referieren darf.
Ich denke, vorstellen muss ich mich nicht mehr. Ich hoffe, dass ich Ihnen allen als Autor meiner beiden strafverfahrensrechtlichen Handbücher (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl., 1999 [im folgenden kurz: Burhoff, EV]; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 3. Aufl., 1999 [im folgenden kurz: Burhoff, HV]) und durch meine vielfältigen, der ein oder andere Kollege meint gar "zu vielfältigen", Aktivitäten bekannt bin. Als Mitglied des 2. Strafsenats beim OLG Hamm bin ich - auch - für die besondere Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO zuständig.
Damit sind wir dann auch beim Thema, zu dem ich mir allerdings eine Vorbemerkung erlauben möchte bzw. muss: Übergreifendes Thema dieser Arbeitsgruppe 3 ist "Vermeidung von Untersuchungshaft durch frühzeitige Verteidigermitwirkung". Diese Klammer für die Referate passt natürlich nicht so ganz zu den Fragen der besonderen Haftprüfung durch das Oberlandesgericht. Denn, wenn das OLG mit einer Haftsache im Rahmen der besonderen Haftprüfung befasst wird, sind bereits mindestens sechs Monate Untersuchungshaft vollzogen. Damit ist, wenn man boshaft formulieren will, die "Vermeidung von Untersuchungshaft durch frühzeitige Verteidigermitwirkung" an sich gescheitert. Ich habe das Thema für meinen Beitrag daher abgeändert, und zwar in "Vermeidung von weiterer Untersuchungshaft durch Verteidigermitwirkung?" oder - allgemeiner - "Verteidigungsmöglichkeiten im Rahmen der besonderen Haftprüfung durch das Oberlandesgericht".
Dazu an dieser Stelle folgender Hinweis: Alles das, was für die besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht von Bedeutung ist, hat m.E. entsprechende Bedeutung auch im Rahmen des Verfahrens über eine Haftbeschwerde bzw. der weiteren Beschwerde nach § 310 StPO, ein wenig eingeschränkt natürlich hinsichtlich der Fragen zum "besonderen Grund". Aber auch die haben im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes Bedeutung.
Bei meinen nachfolgenden Ausführungen werde ich wie folgt vorgehen:
Ich werde das Prüfungsschema einhalten, das ich auch als Berichterstatter im Senat bei der besonderen Haftprüfung einhalte. Wenn Sie dem als Verteidiger im Rahmen der besonderen Haftprüfung auch folgen, hat das den Vorteil, dass Sie keine der wichtigen Fragen aus den bedeutsamen Komplexen übersehen.
Bei der Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO geht es im Übrigen ja nicht nur um die in der Praxis meist im Vordergrund stehende Frage, ob ein "wichtiger Grund" im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO vorliegt, der es rechtfertigt, die U-Haft über sechs oder noch mehr Monate hinaus zu verlängern. Vielmehr hat das OLG nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zu prüfen, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Untersuchungshaft gegeben sind (zum Prüfungsumfang siehe auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45 Aufl., 2001, § 122 Rn. 13 m.w.N.). Denn nur, wenn "dringender Tatverdacht" und ein Haftgrund und damit die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach den §§ 112 ff. StPO noch - bejaht werden können, darf das OLG die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus überhaupt anordnen. Wichtig scheint mir an der Stelle der Hinweis, dass zur Prüfungskompetenz des OLG darüber hinaus z.B. bei Untersuchungshaft von Jugendlichen auch die in § 72 Abs. 1 JGG geforderte Subsidiarität der Untersuchungshaft für Jugendliche gehört (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 55 = StV 2001, 182) ein Punkt, der in der Praxis leider häufig übersehen wird.
Sie werden daher also auch zu den allgemeinen Voraussetzungen der U-Haft etwas hören. Insgesamt muss ich mich - schon aus Zeitgründen - auf ausgewählte Fragen beschränken und werde natürlich nur meine persönliche Meinung zu den angesprochenen Problemen kundtun, also nicht die meines Senats und schon gar nicht die des OLG Hamm (zu allem auch eingehend Burhoff, Die besondere Haftprüfung durch das OLG nach den §§ 121, 122 StPO, eine Übersicht anhand neuerer Rechtsprechung mit Hinweisen für die Praxis, StraFo 2000, 109; zu Haftfragen siehe auch noch Gatzweiler, Unerträgliche Realität Zwang zur Totalreform der Untersuchungshaft in der Bundesrepublik Deutschland, StraFo 1999, 326; Münchhalffen, Apokryphe Haftgründe in Wirtschaftsstrafverfahren, StraFo 1999, 332; Lammer, Verteidigungsstrategie zur Vermeidung von Untersuchungshaft, StraFo 1999, 366; Neuhaus, Die Befristung der Haftverschonung: Stets unzulässiger Urlaub aus der Untersuchungshaft?, StraFo 2000, 13; Rieß, Die besondere Haftkontrolle des Oberlandesgerichte nach den §§ 121, 122 StPO - Funktionen und Konsequenzen, StraFo 1999, 397).
Bevor ich zu den einzelnen Prüfungsschritten komme, möchte ich kurz mit ein paar Zahlen auf die Erfolgsaussichten der besonderen Haftprüfung eingehen. Dabei muss ich mich auf das OLG Hamm beschränken; eine bundesweite Statistik zu den §§ 121, 122 StPO gibt es leider nicht. Die Zahlen sind also nicht unbedingt für andere Oberlandesgerichte repräsentativ (zu weiteren Zahlen siehe Rieß, a.a.O., Fn. 9 m.w.N.).
Eine Auszählung der beim OLG Hamm anhängigen, sogenannten BL-Sachen - das sind die Verfahren der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO - hat für die Jahre ab 1993 bis 2001 zu folgendem Ergebnis geführt: Die Haftprüfung hat in dieser Zeit in rund 60 Verfahren zur Aufhebung der Haftbefehle geführt; in wie viel Verfahren darüber hinaus der Haftbefehl vom OLG außer Vollzug gesetzt worden ist, habe ich nicht ausgezählt. Diese Zahl entspricht in etwa der Zahl, die Rieß für das OLG Düsseldorf ermittelt hat, nämlich innerhalb von 10 Jahren 53 Aufhebungen bei etwa 500 Verfahren jährlich. Das ist - werden Sie als Verteidiger sagen - ein nur geringer, im Grunde zu geringer Prozentsatz. Ich meine aber, bei aller Kritik an der oberlandesgerichtlichen Praxis der besonderen Haftprüfung (Rieß, a.a.O.) sollte man diese Zahlen aber dennoch als Beweis dafür nehmen, dass das System der Haftprüfung grundsätzlich funktioniert (Rieß, StraFo 1999, 402). Und verkennen dürfen Sie bitte auch nicht, dass die Senate des OLG durch die Haftprüfung "Dienst- und Fachaufsicht" über die Ermittlungs/Strafverfolgungsbehörden und/oder die später mit den Verfahren befassten Gerichte ausüben, die sie - wie die veröffentlichte Rechtsprechung zeigt auch wahrnehmen (Rieß, StraFo 1999, 399) Allein schon dadurch wird m.E. zur Verkürzung der Haftzeiten beigetragen. Dass sicherlich an der ein oder anderen Stelle bei der besonderen Haftprüfung noch etwas verbessert werden kann, verkenne ich natürlich nicht (so wohl auch Rieß, StraFo 1999, 402).
Nach dieser langen Vorrede möchte ich nun aber wirklich mit der eigentlichen Thematik beginnen. Zunächst also einiges zur
Die erste Prüfung, die Sie bei der besonderen Haftprüfung vorzunehmen haben, ist die Beantwortung der Frage "Was ist eigentlich Grundlage der Haftprüfung?". Diese Frage erlangt insbesondere dann Bedeutung, wenn der gegen den Beschuldigten erhobene Vorwurf im Laufe des Verfahrens Erweiterungen erfahren hat, was in der Praxis gar nicht so selten ist. Sie alle kennen die Verfahrenssituation, dass zu Beginn des Verfahrens auf der Grundlage des vorliegenden Ermittlungsergebnisses vom Haftrichter des Amtsgerichts ein Haftbefehl erlassen worden ist, dann weiter ermittelt wird, der Haftbefehl dann aber nicht an diese weiteren Ermittlungen angepasst, also nicht erweitert wird. Ähnlich ist die Verfahrenssituation häufig nach Anklageerhebung. Leider allzu selten ist der Haftbefehl an eine vom ursprünglichen Verfahrensgegenstand abweichende Anklage angepasst worden. Ist der Haftbefehl erweitert worden, ist dieser erweiterte Haftbefehl dem Beschuldigten dann aber häufig nicht verkündet worden. Für diese Verfahrenssituation gilt Folgendes:
Grundlage der oberlandesgerichtlichen Haftprüfung ist in diesen Fällen nur der erste/ursprüngliche Haftbefehl. Art. 103 Abs. 1 GG gilt auch bei Entscheidungen über die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft. Das heißt, dass der Haftbefehl und die ihn bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen des Haftprüfungsverfahrens nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden dürfen, die dem Beschuldigten vorher bekannt waren und zu denen er sich äußern konnte (BVerfG NJW 1992, 1749; NStZ 1994, 551, 552 = StV 1994, 465). Für das oberlandesgerichtliche Haftprüfungsverfahren hat das zur Folge, dass diesem nur der Haftbefehl zugrunde gelegt werden darf, der dem Beschuldigten ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Das ist nach h.M. aber nur der Haftbefehl, bei dessen Bekanntmachung § 115 StPO beachtet wurde, d.h.: Der Haftbefehl muss dem Beschuldigten verkündet worden sein und der Beschuldigte muss die Möglichkeit gehabt haben, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern; so jetzt ausdrücklich auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG StV 2001, 691 m.w.N. und m. zust. Anm. Hagmann StV 2001, 693; so auch die st. Rspr. des OLG Hamm, schon seit OLG Hamm StV 1995, 200). Und das gilt auch, wenn der ursprüngliche Haftbefehl "nur" erweitert worden ist (OLG Hamm, a.a.O., und StV 1998, 273 = wistra 1998, 158; StV 1998, 555 = StraFo 1998, 242 = NStZ-RR 1998, 277). Auch in diesen Fällen ist also die richterliche Vernehmung/Anhörung des Beschuldigten erforderlich (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 115 Rn. 11 m.w.N), es genügt nicht, dem Beschuldigte den erweiterten Haftbefehl einfach nur zu übersenden (OLG Hamm, a.a.O.).
Diese Frage kann erhebliche Auswirkungen haben: Zugrundegelegt werden darf nämlich sowohl beim dringenden Tatverdacht und als auch bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der U-Haft für die Entscheidung über die Fortdauer der U-Haft nur der ursprüngliche, in der Regel geringere Vorwurf. Entsprechendes gilt für die wichtigen Gründe des § 121 Abs. 1 StPO. Diese dürfen sich nämlich nur auf die Taten beziehen, die im Haftbefehl aufgeführt sind und derentwegen die Untersuchungshaft vollzogen wird (BVerfG NJW 1992, 1749; OLG Nürnberg StraFo 2000, 138).
Enthält also der Haftbefehl nur zwei Vergewaltigungsvorwürfe, können auch nur die dazu angestellten Ermittlungen als "wichtiger Grund" im Rahmen des § 121 StPO angesehen werden. Ermittlungen, die darüber hinaus in anderen Fällen angestellt worden sind, bleiben zur Begründung der Fortdauer der Untersuchungshaft außer Betracht (siehe die Fallgestaltung bei OLG Nürnberg, a.a.O.). Das kann insbesondere auch oder vor allem in umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren Bedeutung erlangen (so jüngst OLG Hamm, Beschl. v. 13. 2. 2002 - 2 BL 7/02).
Zu dem Punkt noch folgender Hinweis: Es ist nicht Ihre Aufgabe als Verteidiger auf die ordnungsgemäße Verkündung eines erweiterten Haftbefehls hinzuweisen (BVerfG 2001, 691, 691) oder zu drängen. Im Rahmen der besonderen Haftprüfung sollten Sie dazu aber vortragen. Schon damit das OLG diese Frage nicht "übersieht" und auch, um sich nicht im Rahmen einer ggf. eingelegten Verfassungsbeschwerde deren Unzulässigkeit aus Gründen der Subsidiarität entgegenhalten lassen zu müssen (BVerfG, a.a.O.).
Eine andere allgemeine Frage, die sich vorab stellt, ist die, welche Auswirkungen eine Ihnen als Verteidiger im Ermittlungsverfahren unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO nicht oder nicht vollständig gewährte Akteneinsicht im Rahmen des Haftprüfungsverfahrens hat.
In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist die neuere Rechtsprechung des EGMR (EGMR StV 1993, 283; 2001, 201, 203, 205 m. zust. Anm. Kempf StV 2001, 207) zur Akteneinsicht sowie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. 7. 1994 (BVerfG StV 1994, 465 = NStZ 1994, 551; vgl. dazu auch Burhoff, EV, Rn. 55 m.w.N.), die m.E. nicht dadurch an Bedeutung verloren hat, dass der Gesetzgeber dem inhaftierten Beschuldigten in § 147 Abs. 5 StPO inzwischen eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Verweigerung der Akteneinsicht eingeräumt hat (so auch Schlothauer StV 2001, 192, 195). Ausfluss dieser Rechtsprechung, die mit der sog. Lamy-Entscheidung des EGMR (EGMR StV 1993, 283) ihren Anfang genommen hat, ist, dass auf solche Tatsachen, die dem Beschuldigten infolge einer Akteneinsichtsverweigerung unbekannt sind, keine Haftentscheidungen, vor allem auch keine Haftfortdauerentscheidungen gestützt werden dürfen (so auch Schlothauer, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 13. 2. 2002, 2 BL 7/02). Es besteht insoweit ein verfassungsrechtliches Verwertungsverbot hinsichtlich der dem Verteidiger und Beschuldigten unbekannten Aktenteile, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Akteneinsicht berechtigt oder unberechtigt verweigert worden ist (so auch Schlothauer, StV 2001, 192, 195, 196; OLG Hamm, a.a.O.) . Dieses Verwertungsverbot bezieht sich nicht nur auf die Tatsachen, die Sie zur Beurteilung des "dringenden Tatverdachts" kennen müssen, - das wird allerdings der in der Praxis häufigste Fall sein - sondern auch auf den Haftgrund und vor allem auch auf die "wichtigen Gründe" im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO (Schlothauer, a.a.O., OLG Hamm, a.a.O.). Das hat "mein" Senat gerade erst im Februar in einem 6-Monats-Beschluss dargelegt und einen Haftbefehl aufgehoben, weil eben wegen der verweigerten Akteneinsicht nicht überprüft und von uns nicht dargelegt werden konnte, ob die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus gegeben waren.
Was müssen bzw. sollten Sie als Verteidiger tun?
M.E. müssen Sie auf jeden Fall auf die nicht ausreichend gewährte bzw. vollständig verweigerte Akteneinsicht in einer Stellungnahme gegenüber dem Oberlandesgericht hinweisen. Das Oberlandesgericht muss sich dann damit auseinandersetzen. In der Regel wird es - so jedenfalls die Praxis in meinem Senat - Ihre Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft zuleiten, die dann in Übereinstimmung mit der örtlichen Staatsanwaltschaft entscheidet, ob möglicherweise jetzt noch Akteneinsicht gewährt werden kann bzw. muss.
Wird Ihnen Akteneinsicht gewährt, dann haben Sie zwar möglicherweise zunächst nicht die Aufhebung des Haftbefehls erreicht, aber zumindest nun eine bisweilen lange Zeit verweigerte Akteneinsicht erhalten. Zudem stellt sich dann die m.E. weitere - ebenfalls interessante - Frage, wie mit der nun - spät - gewährten Akteneinsicht umzugehen ist. Das gilt vor allem dann, wenn sich bei umfangreichem Aktenmaterial, das Ihnen erst jetzt im Rahmen der Haftprüfung zur Verfügung gestellt wird, nun die Frage von Verfahrensverzögerungen stellt. Denn Sie müssen - das Akteneinsichtsrecht ist Ausfluss des verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG normierten Rechts auf rechtliches Gehör - nun auch Gelegenheit haben, zu den Ihnen erst jetzt bekannt gewordenen Aktenteilen Stellung zu nehmen, und zwar in einer ausreichend langen Zeit. Das kann dann zu einer solchen Verfahrensverzögerung führen, dass schon deshalb - obwohl das Verfahren bis dahin möglicherweise beschleunigt geführt worden ist - der Haftbefehl aufzuheben ist.
Gewähren Ihnen die Generalstaatsanwaltschaft oder die Staatsanwaltschaft keine Akteneinsicht, dann treten die vorhin dargelegten Auswirkungen ein. Alles das, was Ihnen unbekannt ist, kann nicht Grundlage der Haftfortdauerentscheidung des OLG sein. Das Oberlandesgericht muss sich also mit der Frage auseinandersetzen, ob der übrige, Ihnen ggf. bekannte Akteninhalt ausreicht, den "Haftbefehl zu halten" (siehe dazu die Fallgestaltung bei OLG Hamm, Beschl. v. 13. 2. 2002, 2 BL 7/02) und Haftfortdauer zu beschließen.
Im Folgenden nun Einiges zu den mit § 112 StPO zusammenhängenden Problemen.
Davon sind für den (bestreitenden) Mandanten natürlich insbesondere die mit dem "dringenden Tatverdacht" i.S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO verknüpften Fragen von Bedeutung.
Von allgemeiner Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob und wenn ja, wie umfangreich zum "dringenden Tatverdacht" in einer Schutzschrift an das Oberlandesgericht ggf. Stellung genommen werden soll. Das ist natürlich zunächst eine Frage, deren Beantwortung vom jeweiligen Einzelfall und vom Stand der Ermittlungen abhängig ist. Sie hat aber allgemeine Bedeutung insofern, als m.E. zum dringenden Tatverdacht nur in Ausnahmefällen vorgetragen werden sollte. Denn Sie riskieren als Verteidiger sonst, dass durch die dann erforderliche Auseinandersetzung des Oberlandesgerichts mit Ihren gegen den dringenden Tatverdacht vorgetragenen Argumenten nicht nur der "dringende Tatverdacht" festgeschrieben wird, sondern ggf. schon im Haftprüfungsverfahren eine eingehende Beweiswürdigung durch das Oberlandesgericht erfolgt. Diese wird dann später gern von den Instanzgerichten übernommen. Etwas anderes kann natürlich gelten, wenn Sie die Chance sehen, den "dringenden Tatverdacht" "herunter zu schreiben", also z.B. von Mittäterschaft zur Beihilfe. Wie gesagt: Die Frage der Stellungnahme hängt vom Einzelfall ab, ich tendiere aber dazu, im Zweifel lieber kein "Präjudiz" zu riskieren und daher keine Stellungnahme zum "dringenden Tatverdacht" abzugeben.
Die in der Praxis bedeutsamsten Fragen bei der Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen der U-Haft ergeben sich in Zusammenhang mit den Haftgründen im Sinne des § 112 StPO. Hier muss ich mich allerdings aus Zeitgründen beschränken auf den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und den der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Auch die interessante Frage, ob es über die gesetzlichen Gründe hinaus noch andere Haftgründe gibt - Schlothauer/Weider, (Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 633 ff. m.w.N.; s. auch Weider, Die Anordnung der Untersuchungshaft leichtfertige Annahme von Fluchtgefahr und apokryphe Haftgründe, StraFo 1995, 11) und Münchhalffen (Münchhalffen, StraFo 1999, 332 ff.) sprechen von den sog. "apokryphen" Haftgründen, wie z.B. die Förderung der Geständnisbereitschaft durch Untersuchungshaft - kann ich nicht vertiefen. Dazu kann ich nur feststellen: Beim OLG Hamm gibt es diese Haftgründe nicht.
Zunächst zur Fluchtgefahr:
Ich denke, auf die allgemeinen Voraussetzungen der Fluchtgefahr im Sinn des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO brauche ich nicht näher einzugehen (siehe dazu Burhoff, EV, Rn. 812, 813; Kleinknecht/Meyer-Goßner , § 112 Rn. 22 m.w.N. aus der Rspr. auch zur a.A.). Ob Fluchtgefahr vorliegt oder nicht, erfordert nach allgemeiner Meinung die Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Falles.
An dieser Stelle sind Sie als Verteidiger m.E. besonders gefordert. Denn anders als beim "dringenden Tatverdacht" ist m.E. hier in der Regel zwingend Vortrag erforderlich. Sie müssen als Verteidiger zu den Gründen, die gegen Fluchtgefahr sprechen, konkret vortragen. Dazu gehört auch die häufig übersehene Frage, ob der Beschuldigte überhaupt in der Lage ist zu fliehen, weil er z.B. entweder nicht über die finanziellen Mittel für eine Flucht verfügt oder ihm z.B. die sprachlichen Fähigkeiten fehlen, um im Ausland leben zu können (vgl. dazu aus der Rechtsprechung OLG Hamm StV 1999, 37; 215; OLG Köln StV 1995, 475; AG Leipzig NStZ-RR 1997, 305.; siehe dazu auch Böhm NStZ 2001, 635). Dies alles sind wesentliche persönliche Umständen, die dem Oberlandesgericht naturgemäß in der Regel nicht bzw. nicht vollständig bekannt sind. Deshalb muss dazu vorgetragen werden.
Und. Kommt die Stellung einer Kaution in Betracht, sollten Sie diese auch konkret anbieten. Gerade an dieser Stelle empfiehlt sich m.E. immer auch ein Gespräch mit dem Berichterstatter des Senats.
Im Zusammenhang mit der "Fluchtgefahr" möchte ich auf zwei für die Praxis erhebliche Punkte besonders eingehen.
Der erste ist das besondere Problem der Begründung der Fluchtgefahr, wenn ich will das mal untechnisch so ausdrücken - Auslandsberührung festzustellen ist, sei es, dass der Beschuldigte Ausländer ist, sei es, dass ein deutscher Beschuldigter im Ausland lebt oder Auslandsverbindung hat. Häufig wird dann die Fluchtgefahr allein mit dieser Auslandsberührung begründet (vgl. die Nachweise bei Bleckmann, Verbotene Diskriminierung von EG-Ausländern bei der Untersuchungshaft, StV 1995, 552, Fn. 1 ff.).
M.E. kann man jedoch allein aus dem Umstand der Auslandsberührung nicht auf Fluchtgefahr schließen. Das gilt insbesondere auch für Wirtschaftsstrafverfahren, in denen die beschuldigten "Wirtschaftsbosse" über Beziehungen ins Ausland verfügen. Auch in diesen ist die "Auslandsberührung nur ein Umstand, der gleichwertig neben den übrigen bei der Abwägung zu berücksichtigenden Umständen für die Annahme der Fluchtgefahr steht. Ich empfehle allerdings gerade an dieser Stelle besonders sorgfältigen und ausführlichen Vortrag vorgetragen werden, warum die "Auslandsberührung" eben nicht die Fluchtgefahr begründet.
Entsprechendes gilt für den Mandanten, der Ausländer ist. Bei Ausländern, die schon länger in der Bundesrepublik Deutschland leben, besteht m.E. insbesondere dann keine Fluchtgefahr, wenn sie hier sozial und beruflich verwurzelt sind (so auch OLG Köln StV 1997, 642; StV 2000, 508 [Ls.]) - so vor kurzem noch einmal ausdrücklich das OLG Köln (OLG Köln StV 2000, 508). Jedenfalls haben diese Umstände dann in der Reihe derjenigen, die gegen die Fluchtgefahr sprechen, ein erhebliches Gewicht (so auch Schlothauer/Weider, Rn. 538 f. m.w.N.). Insoweit müssen Sie aber auch wieder darlegen, warum trotz der Ausländereigenschaft eben keine Fluchtgefahr besteht, z.B. weil die gesamte Familie hier wohnt.
Häufig bietet sich gerade auch bei Ausländern die Stellung einer Kaution an. Wenn diese dann nämlich ggf. ganz oder teilweise aus dem Familienverband aufgebracht wird, kann das ein zusätzlicher Umstand sein, der den Mandanten von der Flucht abhält und damit gegen Fluchtgefahr spricht. Das hat "mein" Senat schon 1997 für einen aus Kasachstan stammenden Beschuldigten entschieden (OLG Hamm StV 1997, 643) und darauf haben wir gerade erst vor kurzem noch einmal für einen türkischen Beschuldigten hingewiesen (OLG Hamm, Beschluss v. 6. 2. 2002, 2 Ws 34/02). Aber auch hier ist Vortrag zwingend erforderlich.
Nun zur Fluchtgefahr infolge hoher Straferwartung. Viele, wahrscheinlich sogar die meisten Haftbefehle werden von den Haftrichtern mit diesem Umstand, hinter den dann in der Praxis häufig alle anderen Umstände zurücktreten, begründet. Ungeklärt ist in dem Zusammenhang, wann eigentlich eine "hohe Strafe" vorliegt (vgl. auch die Nachweise bei Münchhalffen , StraFo 1999, 334). M.E. wird man bei einer Freiheitsstrafe, die über drei Jahren liegt schon von einer hohen Freiheitsstrafe sprechen können (vgl. dazu auch OLG Hamm StV 1999, 37; 215; StV 2001, 115; krit. dazu Paeffgen NStZ 2002, 79 Fn. 5), wobei ich nicht verkenne, dass andere Gerichte die Grenze noch höher legen, so z.B. das OLG Köln (OLG Köln StV 1995, 419, noch weitergehend OLG Köln StV 1993, 371; s. auch LG Zweibrücken StV 1997, 534).
Allein das Abstellen auf "hohe Strafe" zu Begründung der Fluchtgefahr ist falsch. Das ergibt sich m.E. schon eindeutig aus der StPO. Denn nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO setzt der Haftgrund der "Fluchtgefahr voraus, dass "aufgrund bestimmter Tatsachen ... bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls" die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Verfahren durch Flucht entziehen werde. Hinzu kommt, dass aus dem Vorhandensein des "besonderen" Haftgrundes der Tatschwere in § 112 Abs. 3 StPO m.E. folgt, dass bei anderen Taten als den dort aufgeführten allein die Höhe der Strafe die Fluchtgefahr eben nicht rechtfertigen kann (so auch Burhoff, EV, Rn. 814a m.w.N.).
Das scheint inzwischen auch Auffassung der Rechtsprechung, zumindest der obergerichtlichen, zu sein. Zu dieser Frage hat es in den letzten Jahren einige Entscheidungen der Oberlandesgerichte gegeben (z.B. OLG Bremen StV 1995, 85; OLG Köln StV 1997, 642; StraFo 2001, 143; OLG Hamm StV 1999, 37; 1999, 215 [für bereits verhängte Strafe] mit Anmerkung Hohmann StV 2000, 152; OLG Frankfurt StV 2000, 151), wobei, das verkenne ich nicht, graduelle Unterschiede bestehen.
Erforderlich ist vielmehr also auch bei einer "hohen Strafe" eine Abwägung. Dabei bleibt die zu erwartende Strafe natürlich nicht unberücksichtigt. Sie ist aber nur Ausgangspunkt für die sorgfältige Abwägung (siehe z.B. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Köln StraFo 1997, 279) mit den anderen wesentlichen persönlichen Umständen, wie enge persönliche Bindungen an Angehörige und Wohnort, fehlende Fähigkeiten und Mittel zur Flucht usw. (OLG Frankfurt StV 1997, 138; 2000, 151; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Köln StV 1995, 475; AG Leipzig NStZ-RR 1997, 305 [geringer Verdienst). Bei der Abwägung darf auch nicht übersehen werden, dass im Lauf des Verfahrens mit zunehmender Dauer der U-Haft die auf die Straferwartung gestützte Annahme, der Beschuldigte werde sich dem Verfahren ggf. durch Flucht entziehen, so abnehmen kann, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr nicht mehr gegeben ist (LG Köln StV 1996, 385; Schlothauer/Weider , Rn. 549), so z.B., wenn nach einer möglichen Anrechnung von U-Haft nach §§ 51 StGB, §§ 450, 450a StPO nur noch eine geringe überhaupt zu vollstreckende Strafe verbleibt.
Als Verteidiger müssen Sie an dieser Stelle vortragen, und zwar alles das, was im Fall der Verurteilung ggf. strafmildernd = strafmindernd bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein wird. Dabei stellt sich dann die Frage, auf welchen Erwartungshorizont abzustellen ist. Ist es der des Beschuldigten/Angeklagten oder der des Haft-Richters (vgl. dazu insbesondere Münchhalffen, a.a.O., m.w.N., und Schwenn, Straferwartung- ein Haftgrund, StV 1984, 32)? Dazu ist Münchhalffen in ihrem Beitrag im StraFo 1999 (Münchhalffen, Apokryphe Haftgründe in Wirtschaftsstrafverfahren, StraFo 1999, 332). der Ansicht, dass es wegen des Begriffs "Erwartung" nur auf die innere Einstellung des Beschuldigten ankommen könne. Dieser rein subjektiven Sicht muss man m.E. jedoch ein objektives Element korrigierend bzw. einschränkend zur Seite stellen. Dieses findet über den Umstand, dass bei der Beurteilung der Frage der "Fluchtgefahr" alle Umstände zu berücksichtigen sind, Eingang in die Beurteilung. Bei diesem objektiven Moment handelt es sich - so auch unsere Auffassung beim OLG Hamm - um die Erwartung, die der Haftrichter von der ggf. gegen den Beschuldigten im Fall der Verurteilung zu verhängenden Strafe hat. Denn er ist derjenige, der die Prognose(entscheidung) über die Fluchtgefahr, die dem Erlass des Haftbefehls zugrunde liegt, treffen muss, so dass seine Erwartung nicht völlig außer Betracht bleiben kann. Zustimmung haben wir insoweit von Paeffgen bekommen, was natürlich bei seiner sonst kritischen Sicht der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zu Haftfragen besonders freut (so jetzt auch OLG Hamm, Beschl. v. 28. 1. 2000 2 BL 27/2000 - NStZ-RR 2000, 188 = StraFo 2000, 203 = StV 2001, 115 m. insoweit zust. Anm. Deckers StV 2001, 116; zustimmend auch Paeffgen NStZ 2002, 79 Fn. 6; siehe auch SK Paeffgen § 112 Rn. 25; vgl. zur Bedeutung der subjektiven Einschätzung des Beschuldigten auch noch OLG Köln StraFo 1999, 103; siehe dazu noch Schwenn , StV 1984, 132).
Nun zum Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, geregelt in § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Dieser wird zwar in der Praxis nicht so häufig angewandt wie der der "Fluchtgefahr". Er ist aber für den Beschuldigten gefährlicher, weil er zur Sicherung des Ermittlungsverfahrens auch dann angenommen werden kann, wenn sich aufgrund einer nur niedrigen Straferwartung Fluchtgefahr nicht begründen lässt.
Fraglich und immer wieder Gegenstand von Diskussionen ist, ob ggf. allein schon aus der Eigenart der der Beschuldigten zur Last gelegten Straftat der Schluss auf Verdunkelungsgefahr gezogen werden kann (vgl. dazu aus neuerer Zeit Münchhalffen, a.a.O., StraFo 1999, 335 m.w.N. in Fn. 44). Das wird von den Haftrichtern gern und häufig bei den Delikten des Betruges, der Bestechung, der Hehlerei, bei "Konkurs"-delikten und bei Steuerstraftaten, manchmal formularmäßig, angenommen, weil es sich dabei so häufig die Begründung in den Haftbefehlen um Delikte handelt, die schon ihrer Natur nach auf Verschleierung und Irreführung angelegt seien.
Diese Frage ist m.E. zu verneinen (so auch OLG Frankfurt NStZ 1997, 200 und StV 2000, 152 [jeweils für §§ 331 ff. StGB]; OLG Köln StV 1999, 37; StraFo 2000, 135; OLG München StV 1995, 86, eingehend dazu Park wistra 2001, 247). Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr setzt dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nach ebenso wie der der Fluchtgefahr bestimmte Tatsachen bzw. bestimmte Handlungen voraus, die den Verdacht der prozessordnungswidrigen Einwirkung auf Beweismittel begründen. Das Delikt, um das es bei dem Vorwurf gegen den Beschuldigten geht, ist aber keine "bestimmte Tatsache" in diesem Sinn, sondern nur der Vorwurf, der von den Ermittlungsbehörden gegen den Beschuldigten erhoben wird und der erst noch im Verfahren gegen den Beschuldigten erwiesen werden soll. Diese Tat ist noch nicht "bestimmt" i.S. des § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO und scheidet damit als Anknüpfungspunkt, erst recht als "alleiniger" für die Bejahung des Haftgrundes "Verdunkelungsgefahr" aus. Hinzu kommen müssen für deren Annahme vielmehr noch weitere Umstände, aus denen auf die Gefahr der negativen = verdunkelnden Einflussnahme geschlossen werden kann (so insbesondere OLG Frankfurt, OLG Köln, jeweils a.a.O.; jetzt auch OLG Hamm, Beschl. v. 6. 2. 2002, 2 Ws 27/01; siehe auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 112 Rn. 30; Münchhalffen, StraFo 1999, 335; zustimmend zu OLG Köln Paeffgen NStZ 2000, 75, 77 in Fn. 5.).
Eine andere Auslegung würde bei den genannten Delikten m.E. zu einer nicht hinnehmbaren "gesetzlichen Vermutung" führen: Der Erlass des Haftbefehls setzt dringenden Tatverdacht voraus. Würde bei bestimmten Delikten allein der Charakter der vorgeworfenen Straftat die Verdunkelungsgefahr begründen, bedeutete das bei diesen Delikten, dass mit der Bejahung des dringenden Tatverdachts zugleich immer der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr indiziert wäre (so auch Münchhalffen, StraFo 1999, 336).
Auch bei den eben erwähnten Delikten müssen also alle Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Für die Bejahung von "Verdunkelungsgefahr" kommt es m.E. darauf an, ob der Beschuldigte mehr getan hat, als zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist, wobei dann auch von Bedeutung ist, ob er ggf. andere in seine Taten mitverstrickt hat. Das hat "mein" Senat erst vor kurzem in etwa so in einem Steuerstrafverfahren entschieden (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 6. 2. 2002, 2 Ws 27/01 [s.o.]). Übersehen wird in dem Zusammenhang häufig, dass z.B. allein das Besprechen mit Zeugen zur Feststellung ihres Wissens keine Verdunkelungsgefahr begründet. Der Beschuldigte muss mehr tun, also z.B. die Zeugen unter Druck setzen, oder versuchen, ihnen eine falsche Erinnerung zu suggerieren (OLG Karlsruhe StraFo 2001, 395).
Ist Verdunkelungsgefahr als Haftgrund angenommen worden, müssen Sie als Verteidiger bei der besonderen Haftprüfung m.E. immer auch besonders darauf achten, ob dieser Haftgrund überhaupt noch fortbesteht, also aktuell noch Verdunkelungsgefahr gegeben ist. Mit fortschreitender Dauer des Verfahrens und damit fortschreitender "Dichte" des Ermittlungsergebnisses wird sich in der Regel nämlich der Haftgrund der "Verdunkelungsgefahr" abschwächen. Desto mehr ermittelt ist, desto mehr wird gegen noch aktuelle "Verdunkelungsgefahr" sprechen. Oder anders: Wo alles oder fast alles ermittelt ist, bleibt kaum noch Raum zum Verdunkeln bzw. kann der Beschuldigte die Ermittlungen nicht mehr behindern (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 112 Rn. 31 m.w.N). In der Regel werden daher der Abschluss der Ermittlungen und die Erhebung der Anklage die Verdunkelungsgefahr ausräumen (siehe dazu OLG Frankfurt StV 1984, 583; Krekeler, Zum Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, insbesondere bei Wirtschaftsdelikten, wistra 1982, 8, 10).
In dem Zusammenhang noch ein weiterer Hinweis: Die Verdunkelungsgefahr wird bei einem bislang bestreitenden Beschuldigten sicherlich auch dadurch ausgeräumt bzw. erheblich vermindert, dass dieser sich zur Sache geständig einlässt. Tut der Beschuldigte das gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft, während das Haftprüfungsverfahren beim OLG läuft, dann teilen Sie dem Oberlandesgericht bitte nicht nur diesen Umstand, sondern auch den Inhalt des Geständnisses mit. Denn ohne Kenntnis vom Inhalt der Einlassung wird das Oberlandesgericht nicht beurteilen können, ob durch die Einlassung nun tatsächlich die Verdunkelungsgefahr ausgeräumt wird.
Übersehen wird in der Praxis häufig bei einem auf Verdunkelungsgefahr gestützten Haftbefehl die Frage, ob (auch) dieser gemäß § 116 Abs. 2 StPO gegen eine Kaution außer Vollzug gesetzt werden kann. Bei Fluchtgefahr ist das klar, bei Verdunkelungsgefahr wird um die Frage hingegen gestritten. Sie wird, man muss wohl sagen von der - noch - überwiegenden Meinung unter Hinweis auf den angeblich eindeutigen Wortlaut des § 116 Abs. 2 StPO verneint (vgl. z.B. OLG Frankfurt NJW 1978, 838; KG JR 1990, 34; eingehend dazu Hohlweck, Sicherheitsleistung bei Verdunkelungsgefahr, NStZ 1998, 600; krit. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 116 Rn. 16 m.w.N.), während andere Stimmen diese Frage bejahen (§ 116 Abs. 2; OLG Hamburg MDR 1974, 595; LG Bochum StV 1998, 207; LG München StraFo 1998, 209; siehe auch Amelung, Die Sicherheitsleistung gem. § 116 StPO, StraFo 1997, 300; 301; Burhoff, EV, Rn. 483; siehe auch OLG Köln StraFo 1997, 150, dass sogar beim Haftgrund der Wiederholungsgefahr die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung bejaht). Ich meine, dass der Wortlaut des § 116 Abs. 2 StPO einer Kaution nicht entgegensteht (so wohl auch OLG Hamm StraFo 2001, 397 = StV 2001, 688), so dass Sie als Verteidiger eine solche auf jeden Fall beim OLG anbieten sollten. In dem Zusammenhang empfehlen sich m.E. dann natürlich auch Ausführungen dazu, welche Auflagen dem Beschuldigten ggf. zusätzlich gemacht werden können, um z.B. zu Mitbeschuldigten und Zeugen keinen Kontakt aufzunehmen und dass somit die Kaution auch der Sicherung dieses "Kontaktverbotes" dient (vgl. dazu OLG Hamm, a.a.O.).
Zuwenden möchte ich mich nun den besonderen Voraussetzungen des § 121 StPO. Dazu zunächst einige allgemeine Vorbemerkungen.
Die StPO kennt für die Dauer der U-Haft keine festen zeitlichen Obergrenzen (Schlothauer/Weider, Rn. 824). Das hat die Folge, dass U-Haft grundsätzlich bis zum Abschluss des Strafverfahrens andauern darf, und zwar unabhängig von dessen Dauer (vgl. dazu z.B. aus neuerer Zeit OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 250). Das bedeutet aber nun nicht, dass das Verfahren auch beliebig langsam geführt werden darf. Dem stehen einmal die für jeden Beschuldigten bis zum Abschluss des Verfahrens geltende Unschuldsvermutung und der sich aus Art. 2 Abs. 2, 104 GG ergebende Freiheitsanspruch des Beschuldigten entgegen. Auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 MRK räumt ausdrücklich einen Anspruch auf "Aburteilung innerhalb einer angemessen Frist oder auf Haftentlassung" ein.
Insbesondere auf diese Vorschriften geht der gerade für Strafverfahren mit U-Haft besonders geltende Beschleunigungsgrundsatz zurück (zu allem a. Schlothauer/Weider, Rn. 826 ff. m.w.N.). Er führt zu der allgemeinen Forderung, dass U-Haft-Verfahren mit der größtmöglichen Beschleunigung zu führen sind. Sie haben grundsätzlich Vorrang vor der Erledigung anderer Strafverfahren (OLG Hamm NStZ-RR 2001, 61 = wistra 2001, 77 = StV 2001, 303; Schlothauer/Weider, Rn. 839, 872 ff. m.w.N.). Die zulässige Dauer von U-Haft bestimmt sich allein nach der Schwierigkeit des Verfahrens und nicht vermeidbaren Verzögerungen, keine Rolle spielt die Schwere des Tatvorwurfs und/oder die Höhe einer ggf. zu erwartenden Strafe (Schlothauer/Weider, Rn. 828 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR).
In diesem Zusammenhang haben Sie als Verteidiger eine besondere Aufgabe. Sie sollten nämlich, was Schlothauer/Wieder (Schlothauer/Weider, Rn. 838) ebenfalls empfehlen, ggf. auch schon vor Erreichen der Sechsmonatsgrenze die Beachtung des Beschleunigungsgebots anmahnen, wozu z.B. im Rahmen einer Haftbeschwerde oder der Begründung eines Haftprüfungsantrags die Möglichkeit besteht. Zwar wird das häufig in diesem Verfahrensstadium noch nicht zur Aufhebung des Haftbefehls führen, aber diese "Mahnung" kann einmal zur Folge haben, dass der Beschleunigungsgrundsatz nun im weiteren Verfahrensablauf ausreichend beachtet wird, was zu kürzerer U-Haft für den Mandanten führt. Zum anderen kann man mit einer solchen Stellungnahme im Rahmen einer Haftbeschwerde die Sechsmonatsprüfung vorbereiten und schon an dieser Stelle den Blick des später mit der Haftprüfung befassten OLG-Senats im Hinblick darauf schärfen, ob denn wenigstens nach diesem Hinweis des Verteidigers das Verfahren mit größt möglicher Beschleunigung gefördert worden ist.
Über diese mehr allgemeinen Anforderungen hinaus stellt sich im Rahmen der besonderen Haftprüfung nach § 121 StPO für den Verteidiger zunächst immer auch die Frage nach dem Zeitpunkt der Haftprüfung oder, wie die 6-Monats-Frist zu berechnen ist. Dies ist deshalb bedeutsam, weil ggf. durch Berücksichtigung von anderen Haftzeiten und/oder anderer Art der Freiheitsentziehung die Haftprüfung eher durchzuführen ist bzw. eher durchzuführen gewesen wäre, als von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht zunächst angenommen. Auf diese Weise kann dann schnell aus einer 6-Monats-Prüfung eine 9-Monats-Prüfung werden und sich wegen der Länge der bereits vollzogenen U-Haft der Prüfungsmaßstab des Oberlandesgerichts verschärfen.
Nach h.M. beginnt die 6-Monats-Frist des § 121 Abs. 1 StPO in dem Zeitpunkt, in dem der Beschuldigte aufgrund eines bestehenden Haftbefehls ergriffen oder nach vorläufiger Festnahme gegen ihn bei der Vorführung Haftbefehl erlassen wurde (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 4 m.w.N.; a.A. Schlothauer/Weider, Rn. 855 [für den Fall der vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO). Bei der Berechnung der sich anschließenden 6-Monats-Frist ist unbeachtlich, ob sich der Beschuldigte aufgrund des Haftbefehls ständig in U-Haft befunden hat oder zwischenzeitlich auf freiem Fuß war, vollzogene U-Haft-Zeiten werden auf jeden Fall zusammengerechnet.
Berücksichtigt wird aber nur deutsche U-Haft. Unberücksichtigt bleibt im Ausland vollzogene U-Haft und auch Auslieferungshaft (wegen der Einzelh. siehe Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 5 ff. m.w.N.; siehe zu den Problemen der Fristberechnung des § 121 Abs. 1 StPO eingehend auch Starke, Probleme der Fristberechnung nach § 121 Abs. 1 StPO, StV 1988, 223 ff.). Das kann für den Mandanten, der sich zunächst im Ausland in Auslieferungshaft befunden hat, misslich sein. M.E. wird man darauf zurückzuführende lange U-Haftzeiten mit besonderer Beschleunigung und der besonderen Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begegnen müssen. Unberücksichtigt bleibt bei der Berechnung der 6-Monats-Frist ebenfalls der Zeitraum, in dem der Haftbefehl deshalb nicht vollzogen wurde, weil der Beschuldigte in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht war (OLG Düsseldorf NStZ 1996, 553 [für § 10 Abs. 1 PsychKG NW]; OLG Koblenz NStZ-RR 1998, 21). Bei der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO geht die h.M. davon aus, dass die Zeit der Unterbringung mitgerechnet wird, wenn die U-Haft die Unterbringung ersetzt und wenn sich die U-Haft unmittelbar an die Unterbringung anschließt (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 121 Rn. 6; zuletzt OLG Nürnberg StV 1997, 537 [Ls.] und OLG Dresden NStZ-RR 2002, 60; zum Stand der Rechtsprechung siehe auch Schlothauer/Weider, Rn. 859). Etwas anderes soll gelten, wenn der Beschuldigte zwischenzeitlich auf freien Fuß gesetzt worden ist (OLG Koblenz MDR 1975, 422; a.M. OLG Celle NJW 1991, 248).
Die 6-Monats-Frist endet nach § 121 Abs. 2 StPO mit der Vorlage der Akten beim OLG. Was ist aber, wenn die Akten dort zu spät, also nach Ablauf der Frist vorgelegt werden? Nach heute wohl h.M. ist allein die verspätete Vorlage kein Grund, den Haftbefehl aufzuheben (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 28 m.w.N.; zuletzt OLG Karlsruhe StV 2000, 513; a.A. u. a. Schlothauer/Weider, Rn. 853). Ob das angesichts des Umstandes, dass der Beschuldigte die verspätete Vorlage der Akten nicht zu vertreten hat, zutreffend ist, ist zweifelhaft (so auch Schlothauer/Weider, a.a.O.). Ich habe auch meine Zweifel, ob die Oberlandesgerichte im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an ihrer - restriktiven - Rechtsprechung festhalten können. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in einer Haftsache erst vor kurzem ausdrücklich auf die Fassung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG hingewiesen. Danach darf die Freiheit der Person aber nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und - was häufig übersehen wird - "nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden" (BVerfG StV 2001, 691). In eine ähnliche Richtung geht im Übrigen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage von "Gefahr im Verzug" bei Durchsuchungen (BVerfG StV 2001, 207). Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich ausgeführt, dass auch Verstöße gegen die "Formen freiheitsbeschränkender Gesetze" stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person" darstellen. Macht man damit ernst und soll also die Fristenregelung in § 121 Abs. 2 StPO nicht zur bloßen Formalie mutieren, dann müsste eigentlich die Rechtsprechung - zumindest in Zukunft - anders entscheiden und allein die verspätete Vorlage der Akten beim OLG zur Aufhebung des Haftbefehls führen.
Ich weiß, dass das Wunschdenken ist. Aber es liegt an Ihnen als Verteidiger, die Einhaltung der Fristen immer wieder anzumahnen und so - vielleicht - irgendwann eine Änderung der h.M. zu erreichen.
Bei der Prüfung der 6-Monats-Frist des § 121 StPO müssen sie im Übrigen vor allem darauf achten, dass sich diese Frist auf "dieselbe Tat" beziehen muss. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist dabei die Frage, ob ggf. in einem anderen Verfahren erlittene U-Haft in dem Verfahren, in dem Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO ansteht, hinzuzurechnen ist. Dazu kann ich heute hier nur Faustregeln darstellen, die sie bei der erforderlichen Prüfung beachten müssen; im Übrigen muss ich auf die Kommentarliteratur verweisen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 11. m.w.N.; siehe auch Summa NStZ 2002, 69 m.w.N.). Dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist, beweist die Kontroverse zwischen den beiden Strafsenaten des OLG Koblenz, die zum Tatbegriff im Sinn des § 121 StPO unterschiedliche Auffassungen vertreten (siehe einerseits 1. Strafsenat des OLG Koblenz StV 2000, 629; 2001, 298 und andererseits 2. Strafsenat des OLG Koblenz StV 2001, 297). Dazu nur: Es beruhigt mich, wenn auch an anderen Oberlandesgerichten nicht immer eine einheitliche Linie vertreten wird.
Als Faustregel ist für die Berechnung bzw. Zusammenrechnung von U-Haft aus unterschiedlichen Verfahren nach inzwischen h.M. folgendes festhalten: Grundsätzlich sind bei der Berechnung der Dauer der U-Haft alle Haftzeiten zusammenzurechnen, die der Beschuldigte wegen aller strafbaren Handlungen verbüßt hat, die zur Gesamtheit des geschichtlichen, sozialen Vorgangs gehören, der ihm vorgeworfen wird (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 11; Schlothauer/Weider, Rn. 863 jeweils m.w.N. sowie aus neuerer Zeit OLG Karlsruhe StraFo 2000, 276 und OLG Koblenz NStZ-RR 2000, 156). Entscheidend ist nach der inzwischen wohl herrschenden Meinung, ob die gegen einen Beschuldigten erhobenen Vorwürfe in einen Haftbefehl hätten aufgenommen werden können und zwar unabhängig davon, ob es sich um dieselben oder verschiedene Verfahren handelt (vgl. u.a. OLG Brandenburg StV 1997, 536; OLG Bremen StV 1998, 140; OLG Hamburg StraFo 1998, 390; OLG Hamm StV 1998, 555; Beschl. v. 29. 6. 2000 - 4 BL 94/2000; OLG Stuttgart NStZ-RR 1999, 318; OLG Zweibrücken StV 1998, 556; zum Zeitpunkt der OLG-Haftprüfung bei Verfahrensverbindung siehe auch OLG Stuttgart StV 1999, 101).
Ich denke, es bleibt Ihnen in diesen Fällen keine andere Möglichkeit, als sich - eben so wie ich das tue - mit einem Zeitstrahl und einer eigenen Fristenkontrolle zu helfen. Wichtig ist vor allem: Bei mehreren Taten im prozessualen Sinn, die Gegenstand desselben Ermittlungsverfahrens sind, darf der Haftbefehl nicht nur deshalb auf eine von ihnen beschränkt werden, um sich mit Hilfe eines späteren Haftbefehls für die anderen Taten eine neue 6-Monats-Frist zu eröffnen, sofern diese Vorwürfe bei Erlass des ersten Haftbefehls bekannt waren; Stichwort: Vorratshaltung ist unzulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 121 Rn. 13; Schlothauer/Weider, Rn. 865, jeweils m.w.N. aus der Rspr.; siehe auch OLG Düsseldorf StV 1996, 553).
Die die Praxis bei der Haftprüfung durch das OLG in der Regel am meisten beschäftigende Frage ist sicherlich die, ob überhaupt ein wichtiger Grund i.S. des § 121 Abs. 1 StPO vorliegt, der die Fortdauer der U-Haft über sechs Monate hinaus rechtfertigt. Das kann nach der gesetzlichen Regelung sein die "besondere Schwierigkeit" oder der "besondere Umfang der Ermittlungen" oder eben ein "anderer wichtiger Grund", der in seinem Gewicht den im Gesetz genannten Gründen gleichkommen muss (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 19), wobei die Grenzen zwischen diesen Gründen fließend sind.
Die Rechtsprechung zu diesem Themenkreis ist unüberschaubar und weitgehend auch einzelfallbezogen. Deshalb kann ich hier nicht eine ins Einzelne gehende Darstellung geben, sondern will und muss mich auf einige mehr allgemeinere Ausführungen beschränken.
Bei der Prüfung des Merkmals "wichtiger Grund" i.S. des § 121 Abs. 1 StPO müssen Sie zunächst darauf achten, dass es sich bei der Vorschrift um eine Ausnahmevorschrift handelt, die demgemäss eng auszulegen ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., m.w.N.; vgl. zum Auslegungsmaßstab u.a. auch BVerfG NStZ 1995, 295 = StV 1995, 199). Deshalb ist es m.E. grundsätzlich auch unerheblich, ob es sich um leichte oder grobe Fehler bzw. Versäumnisse handelt, die zur Verzögerung des Abschlusses des Verfahrens führen (a.A. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 26 m.w.N.), obwohl das zum Teil in Rechtsprechung, auch in der des OLG Hamm, und in der Literatur anders gesehen wird. Auch findet nach zutreffender h.M. eine Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit an einer Verfahrenssicherung durch weiteren Vollzug der U-Haft und dem Interesse des inhaftierten Beschuldigten an möglichst beschleunigtem Abschluss seines Verfahrens nicht statt (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 121 Rn. 20 m.w.N. auch zur a.A.). Nach inzwischen wohl h.M. ist darum auch die Schwere der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat ohne Bedeutung (OLG Düsseldorf MDR 1992, 796; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., m.w.N.). Es gelten also für Verfahren aus dem Bereich der Wirtschaftkriminalität mit einem hohen Schaden und/oder Verfahren aus dem Bereich der organisierten Kriminalität ebenso keine Besonderheiten wie für Kapitalverbrechen.
Vorab werden Sie sich natürlich fragen, was Sie als Verteidiger in diesem Stadium des Verfahrens überhaupt noch zur Verkürzung von U-Haft Ihres Mandanten tun können. Ich gebe Ihnen Recht, dass die Möglichkeiten seht gering sind. Aber: Sie müssen zumindest immer prüfen, ob und was im Verlauf des Verfahrens geschehen ist. Besteht für einen, ggf. auch noch mehrmonatigen, Ermittlungsstillstand kein nachvollziehbarer Grund, dann liegt im Zweifel kein "wichtiger Grund" (mehr) vor (OLG Hamm StraFo 2001, 32; ähnlich OLG Koblenz StraFo 2001, 398). Dann legen Sie aber auch bitte in einer Stellungnahme den "Finger in die Wunde", um so das OLG seinerseits zu einer Beschäftigung mit dieser Frage und einer Stellungnahme zu zwingen. Zum Ganzen gibt es übrigens eine Art "Checkliste", die Sie auf meiner Homepage www.burhoff.de unter der Rubrik "Veröffentlichungen" bei dem dort im Volltext eingestellten Beitrag zur Haftprüfung aus dem StraFo abrufen können.
Worauf müssen Sie nun bei den "wichtigen Gründe" besonders achten (vgl. im Übrigen Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 112 Rn. 22 ff.; Schlothauer/Weider, Rn. 879 ff.; Burhoff, EV, Rn. 451 ff., jeweils m.w.N.)?
Besondere Schwierigkeit der Ermittlungen: Sie kann sich ergeben bei rechtlichen oder tatsächlichen Besonderheiten der Tat (KK-Boujong, § 121 Rn. 14), bei einer schwierigen Beweisführung, weil z.B. wesentliche Zeugen nur schwer erreichbar sind (Schlothauer/Weider, a.a.O.). Sie lässt sich aber nicht damit begründen, was aber in der Praxis häufig getan wird, dass andere Straftaten (mit)aufgeklärt werden sollten/mussten, die nicht Gegenstand des dem Verfahren zugrundeliegenden Haftbefehls sind oder waren, so jetzt ausdrücklich auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 2002, 100; früher schon OLG Brandenburg StV 2000, 37; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 268; OLG Nürnberg StraFo 2000, 138; ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 13. 2. 2002, 2 BL 7/02). Auch darf es nicht nur um Ermittlungen gehen, deren Ergebnisse nur noch am Rande mit dem eigentlichen Verfahrensgegenstand zu tun haben (OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Celle Nds.Rpfl. 2001, 413).
Besonderer Umfang der Ermittlungen: Er wird häufig zu bejahen sein bei einer großen Zahl von Taten, Beschuldigten und/oder Zeugen (Schlothauer/Weider, Rn. 882), wobei aber z.B. die Vernehmung von nur 21 Zeugen in einem Zeitraum von sechs Monaten und dann noch mit längeren Vernehmungspausen - nicht ausreicht (OLG Hamm StV 2000, 90 = StraFo 2000, 68), um einen besonderen Umfang der Ermittlungen zu bejahen. Dem besonderen Umfang der Ermittlungen müssen die Ermittlungsbehörden auch durch geeignete Maßnahmen begegnen, wie z.B. durch vermehrten Personaleinsatz, und zwar auch bei Polizei und Staatsanwaltschaft (OLG Düsseldorf StV 1990, 503). In diesem Zusammenhang wird häufig übersehen, das Verfahrensbeschränkung und/oder -trennung (OLG Köln StV 1993, 33) auch der Beschleunigung dienen können, wobei dann vielfach noch die weitere Frage vernachlässigt wird, ob nicht ggf. Teilanklage hätte erhoben werden können, wenn nicht sogar müssen (OLG Frankfurt StV 1995, 423; OLG Hamm, a.a.O.; vgl. dazu auch BVerfG NStZ 1994, 553 = StV 1994, 589). Darauf legen wir z.B. großen Wert.
Bislang noch nicht entschieden ist in der Rechtsprechung die Frage, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen Ermittlungen zu Einkünften und zur Vermögenslage des Beschuldigten zu Verfahrensverzögerungen geführt haben und ob diese den "besonderen Umfang" oder auch die "besondere Schwierigkeit" der Ermittlungen begründen können. Auf diese Fragen werden Sie sich aber m.E. vorbereiten müssen. Denn die Tendenz zur Abschöpfung von Straftatgewinnen ist nicht zu übersehen, die Zahl der veröffentlichten Entscheidungen zu Verfall und/oder Rückgewinnungshilfe nimmt zu. Demgemäss werden auch die Verfahren, in denen im Hinblick darauf Ermittlungen durchgeführt werden, zunehmen.
Unterscheiden muss man m.E. danach, ob die Vermögensermittlungen nur eine Ermessensentscheidung vorbereiten, wie z.B. bei der Durchführung der Rückgewinnungshilfe (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 111 b Rn. 6) oder bei Entscheidungen über Vermögensstrafe (§ 43 a Abs. 1 Satz 1 StGB) oder den Entscheidungen zu den Surrogaten (§ 73 Abs. 2 Satz 2 StGB). In diesen Fällen wird man m.E. einen wichtigen Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft verneinen müssen.
Etwas anderes kann dann gelten, wenn es um zwingende Verfallsentscheidungen geht (siehe § 73 Abs. 1 StGB). Dann kann die Bejahung eines wichtigen Grundes in Betracht kommen. Allerdings wird man sehr sorgfältig prüfen müssen, ob die Vermögensermittlungen tatbezogen geführt worden sind und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist.
Über diese Gründe hinaus kommt die Fortdauer in Betracht, wenn ein "anderer wichtiger Grund" vorliegt, der den Abschluss des Verfahrens innerhalb der 6-Monats-Frist unmöglich gemacht hat und deshalb die Fortdauer der U-Haft rechtfertigt.
Dazu gehören einmal
Der Sachverständige muss auch unverzüglich beauftragt werden, also in der Regel schon im Ermittlungsverfahren (vgl. u.a. OLG Hamm StV 1993, 205), und nicht erst z.B. erst mehrere Monate nach Kenntniserlangung von den maßgeblichen Umständen, die das Gutachten nach §§ 20, 21 StGB erforderlich machen (OLG Jena StV 1998, 560; siehe auch AG Essen StV 1997, 142 zur nicht rechtzeitige Bestimmung des Alters des - jugendlichen Angeklagten). Das bedeutet, dass ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz vorliegt, wenn auf den frühzeitigen, bereits im Ermittlungsverfahren gestellten Antrag des Verteidigers erst das Gericht nach Anklageerhebung ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt.
Mit dem Sachverständigen müssen auch Absprachen darüber getroffen werden, innerhalb welcher Frist ein Gutachten erstattet werden kann (OLG Bremen StV 1997, 143; OLG Hamm, Beschl. in 2 BL 254/98; StV 2000, 629) . Die Staatsanwaltschaft und/oder das Gericht müssen auch dafür sorgen, dass das Gutachten zügig erstattet wird, den Sachverständigen also ggf. an die Erstattung innerhalb der vereinbarten Frist erinnern. Eine bloß telefonische Mahnung kann da häufig nicht ausreichend sein (OLG Düsseldorf NJW 1996, 2588 [nicht bloß telefonische Mahnung]; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Jena StraFo 1997, 318; OLG Zweibrücken NStZ 1994, 202).
Ich möchte bzw. muss es hiermit bewenden lassen. Wie gesagt: In diesem Bereich ist die Rechtsprechung unüberschaubar und lässt sich nicht im Einzelnen darstellen, zumal die veröffentlichten Entscheidungen immer auch daraufhin zu prüfen sind, ob sie nicht gerade einen besonderen Einzelfall betreffen.
Auf einen Punkt im Rahmen der besonderen Haftprüfung möchte ich, bevor ich abschließend einige aus meiner Sicht zu beachtende Verfahrenshinweise gebe, noch eingehen. Das ist die Frage der "Kompensation", also die Frage, ob zögerliche Behandlung des Verfahrens in einem Teil, z.B. durch die Staatsanwaltschaft, durch besonders bevorzugte = schnelle Behandlung des Verfahrens in einem anderen Teil, z.B. durch schnelle Terminierung beim Gericht, wieder wett gemacht bzw. ausgeglichen werden kann, so dass es auf die Verzögerung dann nicht mehr ankommt (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Hamm StV 2000, 90).
M.E. ist eine Kompensation bzw. Ausgleich der verzögerten Behandlung durch die bevorzugte schnelle Behandlung in einem anderen Verfahrensabschnitt nicht zulässig. Die Frage ist allerdings in Literatur und Rechtsprechung streitig (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner § 121 Rn. 26; siehe auch KK-Boujong, § 121 Rn. 22, wie z.B. OLG Jena NStZ 1997, 452; ähnlich KG StV 1993, 203, 204; OLG Frankfurt StV 1988, 439; OLG Düsseldorf StraFo 1996, 185). Die wohl h.M. sieht eine Kompensation als gerechtfertigt an, wobei diese Auffassung teilweise ohne bzw. ohne nähere Begründung (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, a.a.O.) vertreten wird. Das wird in Literatur (Seebode, Die Bedeutung der Gesetzgebung für die Haftpraxis, StV 1989, 118, 121; Paeffgen, Apokryphe Haftverlängerungsgründe in der Rechtsprechung zu § 12 StPO, NJW 1990, 537 ff.; derselbe im Systematischen Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, § 121 Rn. 18; Burhoff, EV, Rn. 450) und Rechtsprechung inzwischen teilweise aber auch schon anders gesehen, und zwar m.E. vom BVerfG (BVerfG NStZ 1995, 459) sowie vom OLG Frankfurt in einer neuerer Entscheidung und auch vom OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 1. 7. 1994 2 BL 240/94; vgl. insbesondere auch die Fallgestaltung bei OLG Hamm StV 2000, 90 ; siehe aber auch Beschl. v. 25. 4. 1994 4 BL 23/94; vom 28. 9. 1998 - 3 BL 239/98 OLG Hamm), wobei allerdings in der bislang veröffentlichten Rechtsprechung des OLG Hamm die Frage nur inzidenter entschieden worden ist (siehe OLG Hamm StV 2000, 90 ).
Ich meine, man muss sich der letzteren Auffassung anschließen: Die Gegenmeinung ist nämlich weder mit dem sich aus dem Grundgesetz und der MRK ergebenden Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten sowie dem darauf beruhenden Beschleunigungsgrundsatz noch mit Wortlaut und Sinn und Zweck des § 121 Abs. 1 StPO zu vereinbaren. Wegen der Einzelheiten der Begründung muss ich hier aus Zeitgründen auf meinen Beitrag im StraFo 2000 verweisen (Burhoff, StraFo 2000, 119; vgl. auch BVerfG, a.a.O.). Hier nur so viel: Ich habe vorhin bereits dargelegt, dass der in Untersuchungshaft einsitzende Beschuldigte einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf beschleunigte Aburteilung hat. Der Beschleunigungsgrundsatz und der Freiheitsanspruch des inhaftierten Beschuldigten werden gerade dadurch verletzt, dass ein Verfahren nicht innerhalb der Frist des § 121 Abs. 1 StPO abgeschlossen worden ist, obwohl das ohne weiteres möglich gewesen wäre. Daraus folgt dann m.E. aber, dass innerhalb der Sechs-Monats-Frist aufgetretene vermeidbare Verzögerungen nicht durch eine anschließende zügige Behandlung wieder wett gemacht werden können. Denn ist nach der gesetzlichen Regelung über sechs Monate hinausgehende Untersuchungshaft die Ausnahme, die nur bei Vorliegen besonderer Gründe gerechtfertigt ist, dann kann eine einmal eingetretene Verzögerung, die zudem überhaupt nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig wäre, ihre Bedeutung für den insgesamt zeitlich zulässigen Vollzug der Untersuchungshaft nicht durch spätere Ereignisse verlieren. Auch durch den Eintritt des späteren Ereignisses: (Besonders) zügige weitere Behandlung, bleibt es nämlich dabei, dass die Untersuchungshaft schon zu lange dauert bzw. gedauert hat.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen dann nun noch einige Hinweise zum Verfahren geben.
Im Haftprüfungsverfahren werden die Akten gem. § 122 Abs. 1 StPO vom zuständigen Gericht durch Vermittlung der StA/GStA dem OLG vorgelegt. Dieses muss nach § 122 Abs. 2 StPO vor seiner Entscheidung den Beschuldigten und seinen Verteidiger hören. In der Regel wird diesen daher die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und die der Generalstaatsanwaltschaft, die diese gegenüber dem OLG abgegeben haben, zugeleitet und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt.
Für diese Stellungnahme gegenüber dem OLG sollten sie m.E. auf folgendes achten:
Sie sollten diese Stellungnahme nach Möglichkeit überhaupt nicht abgeben, ohne vorher nochmals Akteneinsicht genommen zu haben. Insbesondere die mit den besonderen Gründen für eine etwaige Haftfortdauer zusammenhängenden Fragen lassen sich abschließend nämlich nur beurteilen, wenn sie aufgrund der Akteneinsicht haben feststellen können, ob das Verfahren mit der erforderlichen Beschleunigung geführt worden ist. Nur den Akten lässt sich nämlich z.B. entnehmen, ob Doppelakten angelegt worden sind, ein Sachverständiger rechtzeitig gemahnt wurde und ob und warum ggf. aus welchen Gründen auch immer die Übersendung der Akten von einer Behörde zur anderen zu lange gedauert hat. Sie können auch nur den Akten entnehmen, ob z.B. sog. Schiebeverfügungen gemacht wurden. Bei dem m.E. daher erforderlichen Akteneinsichtsgesuch sollten sie im Übrigen vorsorglich - auch beantragen, Ihnen weiter eingehende Unterlagen und/oder Stellungnahmen zuzuleiten. Dann wird nicht vergessen, Ihnen auch in diese Akteneinsicht zu gewähren, worauf sie als Verteidiger und auch der Beschuldigte einen Anspruch haben. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn es um Entlastungsmaßnahmen der Gerichte geht.
In der Stellungnahme werden sie sich als Verteidiger zu allen Fragen der U-Haft äußern, also insbesondere zu den im Haftbefehl angenommenen Haftgründen und zum "wichtigen Grund" (siehe das Muster einer Stellungnahme bei Schlothauer/Weider, Rn. 1174). Ob auch zum dringenden Tatverdacht ist wegen der ggf. präjudizierenden Wirkung einer Entscheidung des OLG eine Frage des Einzelfalls.
Nach § 122 Abs. 2 StPO können Sie im Übrigen auch beantragen, über die Haftfortdauer nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden. In der Regel wird in der Praxis ein entsprechender Antrag jedoch keinen Erfolg haben, da ein Anspruch nicht besteht und das OLG die Frage einer mündlichen Erörterung nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilt (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 122 Rn. 10 m.w.N.). In meiner Praxis habe ich bislang im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO an einer mündlichen Haftprüfung noch nicht teilgenommen.
Für die Abgabe der Stellungnahme wird dem Beschuldigten und seinem Verteidiger in der Regel eine Frist gesetzt. Diese sollten sie unbedingt einhalten, da die Oberlandesgerichte in der Regel unmittelbar nach Fristablauf entscheiden. Ggf. ist Fristverlängerung beim OLG zu beantragen. Bei Fristversäumung besteht auch nicht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ggf. kann aber, wenn die Voraussetzungen vorliegen, Nachholung rechtlichen Gehörs in Betracht kommen (Schlothauer/Weider, Rn. 890).
Die Entscheidung des OLG ergeht schließlich durch Beschluss, gegen den ein Rechtsmittel gem. § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO ausgeschlossen ist. Das OLG muss seinen Beschluss begründen. Es muss die Voraussetzungen des § 121 StPO im Einzelnen darlegen, eine bloße Bezugnahme auf frühere Entscheidungen genügt nicht; dazu das BVerfG mit klaren Worten zu einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (BVerfG StV 1998, 557; 1999, 40) bzw. vor kurzem zu einer Entscheidung des BGH (BVerfG NJW 2000, 1401).
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin damit dann am Ende meine Ausführungen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich Ihnen nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus der vielfältigen Problematik der besonderen Haftprüfung durch das Oberlandesgericht habe vortragen können. Ich habe mich aber bemüht, die m.E. wichtigsten Probleme wenigstens anzureißen. Wenn ich damit bei dem ein oder anderen vielleicht an der ein oder anderen Stelle für seine zukünftige Tätigkeit Problembewusstsein geweckt haben sollte, würde es mich freuen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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