aus Praxis Steuerstrafrecht (PStR) 1998, 147
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PStR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg
Trotz der Bedeutung, die der Durchsuchungsbeschluss für das Verfahren hat, sind Durchsuchungsbeschlüsse, die von den bei den Amtsgerichten dafür zuständigen Ermittlungsrichtern erlassen werden, häufig mangelhaft, weil die für einen wirksamen Durchsuchungsbeschluss erforderlichen Voraussetzungen nicht beachtet werden. Deren Kenntnis ist für den Steuerberater, der im Zusammenhang mit einer im Steuerstrafverfahren durchgeführten Durchsuchung häufig noch vor einem Rechtsanwalt/Verteidiger um Rat gefragt wird, von erheblicher praktischer Bedeutung. Der nachfolgende Beitrag soll daher die damit zusammenhängenden Fragen darstellen (Zur weiteren Vertiefung vgl. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 1997, Rz 272 ff., sowie Wannemacher in Achenbach/Wannemacher, Beraterhandbuch zum Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht, Herne, 1997, § 12 Rz 219 ff.). Mit den nachfolgenden Checklisten sollte jeder Durchsuchungsbeschluss auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden, damit ggf. Rechtsmittel eingelegt werden können (vgl. dazu Burhoff in PStR 6/98, 114 ).
Entscheidend für die zu beachtenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen ist sowohl, wer die Durchsuchung anordnet, als auch, bei wem durchsucht werden soll. Die nichtrichterliche Durchsuchungsanordnung ist nämlich nur unter engen Voraussetzungen zulässig (s. dazu unten II.). Für die Frage, in welchem Umfang das Durchsuchungsziel konkretisiert werden muß, ist darüber hinaus entscheidend, ob gem. § 102 StPO beim Beschuldigten durchsucht wird oder nach § 103 StPO bei unbeteiligten Dritten (vgl. Krekeler in PStR 1/98, 4 ff. und PStR 2/98, 28 ff.). Bei der richterlichen Durchsuchungsanordnung sind folgende Punkte zu prüfen:
Fragestellung | Antwort |
| Ja. Nach h.M. in der strafprozessualen Literatur muß der richterliche Durchsuchungsbeschluss immer schriftlich abgefasst werden. |
| Als richterliche Entscheidung muß der Durchsuchungsbeschluss unterschrieben sein. |
| aa) Die Straftat, die Anlass zur Durchsuchung gibt, muß bezeichnet werden. Erforderlich ist insoweit, dass der Beschluss neben dem gesetzlichen Straftatbestand ausreichende tatsächliche Angaben über die aufzuklärenden Straftaten enthält, also konkrete Sachverhalte beschreibt. |
bb) Ebenso wie später in Anklage und Urteil muß ein Lebenssachverhalt dargestellt und unter eine Norm subsumiert werden. Ausreichend ist allerdings der sog. einfache Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO, jedoch reichen bloße Vermutungen nicht aus. Das bedeutet für ein Steuerstrafverfahren wegen Veranlagungssteuern, dass - soweit das nach dem Stand des Verfahrens möglich ist - Steuerpflichtiger, Steuerart und -jahr angegeben werden müssen (BVerfG, 2 BvR 910/88, Strafverteidiger 90, 483) | |
| Ziel und Zweck der Durchsuchung müssen beschrieben werden, also z.B. Auffinden von Beweismitteln und/oder Ergreifung des Beschuldigten. |
| Die zu durchsuchenden Räume müssen bestimmt bezeichnet werden. Das gilt besonders für die sogenannten "anderen Räume" im Sinne des § 102 StPO. Dabei kann es sich um Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, aber auch Nebenräume, wie z.B. Garagen, handeln. |
| Die bei der Durchsuchung gesuchten und ggf. zu beschlagnahmenden Gegenstände müssen nicht im einzelnen konkret beschrieben werden. Sie müssen jedoch zumindest annäherungsweise, ggf. in Form beispielhafter Angaben, nach Art und denkbarem Inhalt im Beschluss beschrieben werden. Nur allgemeine Angaben zu den Beweismitteln genügen nicht (vgl. dazu LG Wiesbaden, NJW 79, 175 unter Hinweis auf BVerfG NJW 76, 1735). So genügt folgende Angabe nicht: "Beweisstücke, die mit den Umsatzsteuervoranmeldungen der Fa. X und deren Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage in Zusammenhang stehen" (vgl. unten). |
| Nein. Eine Begründung im Durchsuchungsbeschluss wird als nicht erforderlich angesehen. Insoweit reicht die auf Erfahrung gestützte Vermutung. |
| Nein. Auch insoweit wird eine Begründung im Durchsuchungsbeschluss als nicht erforderlich angesehen. Es reicht ebenfalls die auf Erfahrung gestützte Vermutung. |
| Grds. müssen Anordnung (und Durchführung) der Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen und erforderlich sowie geeignet sein. Inwieweit die Frage der Verhältnismäßigkeit im Durchsuchungsbeschluss erörtert werden muß, ist umstritten; die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass das nicht erforderlich ist. Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit dürften m.E. aber jedenfalls dann erforderlich sein, wenn es sich um Bagatelldelikte handelt (so auch Krekeler in PStR 1/98, 5). Sie dürften im übrigen auch geboten sein, wenn die Umstände des Falles sie nahe legen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn sich die Frage stellt, ob nicht im Rahmen einer Betriebsprüfung zunächst die Mittel der AO auszuschöpfen sind (vgl. dazu Streck Strafverteidiger 84, 348, 350). |
| Wird der Durchsuchungsbeschluss, was in der Praxis häufig der Fall ist, zugleich mit einem Beschlagnahmebeschluss verbunden, müssen im Beschluss die ggf. zu beschlagnahmenden Gegenstände genau bezeichnet werden. Insoweit gelten die Ausführungen zu f) entsprechend. Allerdings ist bei umfangreichen Beschlagnahmen nicht die Erörterung der Beweiseignung jedes einzelnen Gegenstandes erforderlich (BVerfG wistra 95, 139). |
Für die Durchsuchung beim unbeteiligten Dritten gelten teilweise abweichende strengere Anforderungen an den Durchsuchungsbeschluss. Unbeteiligter Dritter im Sinne des § 103 StPO ist derjenige, der hinsichtlich der dem Verfahren zugrundeliegenden Tat nicht tat- oder teilnahmeverdächtig ist. Das kann zum Beispiel auch der Steuerberater selbst sein.
Fragestellung | Antwort |
| wie oben I, 1 unter a). |
| wie oben I, 1 unter b). |
| wie oben I, 1 unter c). Eine knappe Fassung der Angaben zum Schutz des Beschuldigten wird aber als zulässig angesehen. |
| wie oben I, 1 unter d). |
| wie oben I, 1 unter e). |
| Anders als beim Beschuldigten ist nur die Suche nach bestimmten Beweismitteln zulässig. Diese müssen im Durchsuchungsbeschluss konkret bezeichnet werden. |
| Anders als beim Beschuldigten muß die Beweismitteleignung feststehen, braucht aber i.d.R. nicht begründet zu werden. |
| Ja. Die sog. Auffindungsvermutung muß sich aus konkreten, bewiesenen Tatsachen ergeben und muß im Beschluss begründet werden. |
| Die Frage der Verhältnismäßigkeit muß im Beschluss zumindest angesprochen werden. |
| Die Durchsuchung darf sich nicht auf Gegenstände beziehen, die nach § 97 StPO nicht beschlagnahmt werden dürfen. |
Die Durchsuchung kann in dringenden Fällen, der sogenannten "Gefahr im Verzug", nach § 105 Abs. 1 StPO auch durch die Staatsanwaltschaft, die Steuerfahndung oder Bußgeld- und Strafsachenstelle angeordnet werden. Für eine von diesen erlassene nichtrichterliche Durchsuchungsanordnung gelten grundsätzlich die oben unter I, 1 und 2 gemachten Ausführungen entsprechend, allerdings mit folgenden Abweichungen.
Fragestellung | Antwort |
| Die Durchsuchung beim Beschuldigten selbst können die Staatsanwaltschaft und/oder die Steuerfahndung anordnen. |
| Nein. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Die Anordnung der Durchsuchung kann also auch mündlich erfolgen. |
| Die Anordnung der Durchsuchung durch Staatsanwaltschaft und/oder Steuerfahndung ist nur bei "Gefahr im Verzug" zulässig. Das ist dann der Fall, wenn die richterliche Anordnung der Maßnahme nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Durchsuchung dadurch gefährdet wird. "Gefahr im Verzug" liegt nicht vor, wenn ausreichend Zeit zur Erlangung eines Durchsuchungsbeschlusses vorhanden ist und war. |
Fragestellung | Antwort |
| wie oben II, 1 unter a. |
| wie oben II, 1 unter b. |
| wie oben II, 1 unter c. |
Ist nach den obigen Grundsätzen die erlassene Durchsuchungsanordnung fehlerhaft, stellt sich die Frage, ob dies ggf. zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Die damit zusammenhängenden Fragen sind heftig umstritten. Sie können hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Zusammenfassend ist nur darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung Beweisverwertungsverbote in der Regel ablehnt (a.A. z.B. Krekeler NStZ 93, 263, 265, wenn die Durchsuchungsanordnung zu unbestimmt ist). Etwas anderes gilt auch, wenn willkürlich "Gefahr im Verzug" angenommen worden ist (vgl. OLG Stuttgart NJW 77, 2276).
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