(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Wir haben in VRR 2013, 246 und in VRR 2014, 48 über die Rechtsprechung im Verkehrsstrafrecht in den Jahren 2010 2012 berichtet. Die nachfolgenden Ausführungen schließen die Serie mit Übersichten zur Entziehung der Fahrerlaubnis ab. Sie haben den Stand von Mai 2014.
Die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis nach einem Delikt der allgemeinen Kriminalität zusammen hängenden Fragen haben die Rechtsprechung bis zur Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des BGH im Jahr 2005 (BGHSt 50, 93, 102 f.) intensiv beschäftigt, seitdem ist die Flut von Entscheidungen zurückgegangen. Zu berichten ist allerdings nun über den BGH, Beschl. v. 23.05.2012 (5 StR 185/12, VRR 2012, 306 = NZV 2012, 495 [s.]), der sich seit längerem mal wieder mit der Problematik befasst. Nach dem Sachverhalt hatte das LG die Angeklagten u.a. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie ihnen die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB hat das LG festgestellt, dass die Angeklagten langjährige Betäubungsmittelkonsumenten seien, ein Angeklagter sogar betäubungsmittelabhängig sei, und die Vielzahl der (festgestellten) Beschaffungsfahrten es nahe lege, dass auch die Beschaffungsfahrten unter Betäubungsmitteleinfluss stattgefunden haben, bei denen mit einer Situation gerechnet werden musste, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte. Zudem sei einer der Angeklagten bereits wegen Verkehrsstraftaten verurteilt und ein weiterer Angeklagte am 6. 10. 2011 als Fahrer eines Kraftfahrzeugs mit Amphetaminen und Metamphetamin im Urin festgestellt worden. Die Strafkammer zweifele daher nicht daran, dass die Angeklagten bei den jeweiligen Taten bereit waren, die Sicherheit des Straßenverkehrs den jeweiligen kriminellen Interessen unterzuordnen. Die Revisionen der Angeklagten hatten (auch) insoweit Erfolg.
Nach Auffassung des BGH (a.a.O.) tragen die landgerichtlichen Feststellungen die Maßregelanordnungen nicht. Aus der Tat könne sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann ergeben, wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulasse, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen. (vgl. BGHSt 50, 93, 102 f.; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2014, § 69 StGB Rn. 13 m.w.N.) Derartiges sei dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Namentlich fehlten Feststellungen zu einem etwaigen den Fahrten vorausgegangenen Drogenkonsum, zum täglichen Konsumverhalten der Angeklagten, die zumindest einen Schluss hierauf zulassen, oder zur Fahrweise der unter Observation stehenden Angeklagten. Vielmehr stelle das LG insoweit nur Vermutungen an. Ferner seien die Belange der Verkehrssicherheit in Kurierfällen, in denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiere, auch nicht ohne Weiteres beeinträchtigt; es bestehe kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Rauschgifttransporteure bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen seien (BGHSt 50, 93, 104; Hentschel/König/Dauer/König, a.a.O. § 69 StGB Rn. 14b)
Hinweis
Die Entscheidung des 5. Strafsenats liegt auf der Linie der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen den BGH aus 2005 (vgl. dazu auch Burhoff VRR 2005, 15, 18 f.; s. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. Rn. 3197 f.). Die spielt gerade in den sog. Kurier-/Transportfällen, in denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert eine Rolle. Denn ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Transporteure von Rauschgift im Fall von Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind, besteht nach Auffassung des BGH nicht. Das gilt vor allem dann, wenn besondere Vorkehrungen gegen eine Entdeckung des Rauschgifts, etwa durch Benutzung besonders präparierter Verstecke, getroffen worden sind (vgl. BGH StV 2006, 186). Denn warum soll der Kurier dann bei einer Kontrolle fliehen und erst so auf sich aufmerksam machen. Damit blieb in dem vom BGH jetzt entschiedenen Fall nur langjähriger Betäubungsmittelkonsum. Und der allein lässt eben nicht auf eine drohende Gefahr für die Verkehrssicherheit schließen.
Hinzuweisen ist auf folgende Beispiele (s. i.Ü. auch Burhoff VRR 2005, 15, 18 f.)
für Entziehung der Fahrerlaubnis:
gegen Entziehung der Fahrerlaubnis:
Bei Verkehrsdelikten ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 StGB grds. die Regel. Diese Maßregel der Sicherung und Besserung trifft den Mandanten aber meist mehr als die eigentliche Strafe. Deshalb sollte in der Verteidigung gerade auf diese Tatfolge besonderes Augenmerk gerichtet werden. Der Verteidiger muss versuchen, den Ausnahmefall darzulegen, um so die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verhängung einer Sperrfrist nach den §§ 69, 69a StGB zu vermeiden. In den nachfolgenden Tabellen ist die Rechtsprechung der letzten Jahre als Argumentationshilfe zusammengestellt (Grundlage sind meine Beiträge in VA 2012, 123 und 142; s. auch noch Burhoff/Möller VA 2001, 136).
Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Die sind daher vom Verteidiger herauszuarbeiten und vorzutragen. So kann es z.B. von Bedeutung sein, dass die HV unmittelbar bevorsteht (vgl. z.B. LG Kiel StRR 2008, 203 [Ls.]) und der Verteidiger damit argumentieren kann, dass dort dann zeitnah eine endgültige Lösung der Frage: Entziehung ja oder nein?, erfolgt. Auch spielt das dem Mandanten zur Last gelegte Delikt eine Rolle und sicherlich die Frage, ob er verkehrsrechtlich bereits in Erscheinung getreten ist .
VRR-Arbeitshilfe: Rechtsprechungs-Übersicht: Regelfall
Sachverhalt |
Entscheidung |
Gericht/Fundstelle |
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) |
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Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB bei 1.500 |
LG Hamburg DAR 2008, 219 = VRR 2007, 403 (Ls.) AG Saalfeld DAR 2005, 52 |
|
Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB bei 1.400 |
Berücksichtigung der Entwicklung der Reparaturkosten und des Einkommens auf 1.400 zu bemessen. |
LG Frankfurt VRR 2008, 430 = StRR 2008, 473 = StV 2009, 649 |
Wertgrenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB bei 1.300 |
OLG Dresden NJW 2005, 2633 = DAR 2005, 459; OLG Hamburg zfs 2007, 409 OLG Hamm VA 2011, 159 = VRR 2011, 309 = NZV 2011, 356 OLG Jena DAR 2005, 289 LG Berlin DAR 2005, 467; Celle 2007, 281 = NZV 2007, 537 LG Heidelberg, Beschl. v. 13. 2. 2006 2 Qs 9/06 LG Paderborn DAR 2006, 290 = zfs 2006, 112 LG Wuppertal DAR 2007, 660 |
|
Ermittlung des bedeutenden Schadens i.S. des 69 Abs. 2 Nr. StGB |
Anwendung der zivilrechtlichen 130-Prozent-Rechtsprechung des BGH |
OLG Hamm VA 2011, 159 = VRR 2011, 309 = NZV 2011, 356 LG Gera NZV 2006, 105 = DAR 2006, 107 |
Die 13 und 16 Jahre alten, bei dem Angeklagten wohnhaften Kinder müssen zur Schule und zu Freizeitaktivitäten befördert werden. |
führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung |
OLG Hamburg zfs 2007, 409 |
Fremdschaden von nur 1.220 |
obwohl Fremdschaden unterhalb des Grenzwertes Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit (hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen und Rechtsgütern anderer) |
LG Berlin NZV 2010, 476 = DAR 2010, 533 = VRS 119, 224 |
Fremdschaden rund 2.600 , zeitnahe Ermöglichung der erforderlichen Feststellungen; keine Voreintragungen; keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, seit Unfallereignis beanstandungsfrei gefahren |
kein Regelfall, aber 2 Monate Fahrverbot nach § 44 StGB |
LG Dortmund VRR 2013, 34 = VA 2013, 29 = StRR 2013, 75 |
Verkehrsunfall im fließenden Verkehr; innerhalb von 24 Stunden werden die Feststellungen nachträglich freiwillig ermöglicht |
Kein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3. StGB |
LG Gera NZV 2006, 105 = DAR 2006, 107 |
Nächtlicher Unfall, Angeklagter kommt nach 20 Minuten freiwillig an die Unfallstelle zurück; keine Voreintragungen |
Keine Entziehung der Fahrerlaubnis |
LG Köln VA 2010, 65 = VRR 2010, 110 |
Sachschaden an einem Bahnübergang in Höhe von 5.636,01 ; ca. 40 Minuten nach Anzeige des Unfalls durch eine Zeugin, meldete sich der Beschuldigte persönlich au f der örtlichen Polizeidienststelle und gab an, dass er einen Unfall mit seinem Pkw gehabt habe |
Keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis |
LG Aurich VRR 2012, 347 = StRR 2012, 354 = NStZ-RR 2012, 349 = NZV 2013, 53 (Ls.) = zfs 2013, 112 |
Sachschaden rund 1.500 , ca. 1 ½ Stunden nach dem Unfall bei der Polizei gemeldet |
Keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis |
AG Bielefeld VRR 2013, 468 |
Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) |
||
§ 316 StGB; Fahrt mit einem Leichtmofa; kurze Fahrtstrecke; altruistische Motivation |
Frage der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten im Einzelnen zu prüfen. |
OLG Nürnberg StraFo 2007, 339 = NZV 2007, 642 |
§ 316 StGB; BAK 1, 44 Promille, neun monatige Teilnahme an einer Verkehrstherapie bei der Therapieeinrichtung IVT-Hö |
kein Fahrerlaubnisentziehung; Fahrverbot nach § 44 StGB |
LG Aachen, Urt. v. 24. 2. 2011 71 Ns-601 Js 638/10-226/10, m. zahlreichen w.N. |
§ 316 StGB; BAK von 2,12 Promille; Angeklagter bereits während des Strafverfahrens direkt nach der Tat eine Verkehrstherapie IVT-HÖ begonnen und an dieser Maßnahme auch nachweisbar ernsthaft teilgenommen. |
kein Fahrerlaubnisentziehung |
|
§ 316 StGB; BAK von 0,84 Promille; nicht vorbelasteter Angeklagter; Tat liegt 15 Monate zurück, in denen der Angeklagte ohne weitere Beanstandungen am Straßenverkehr teil genommen hat |
Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr erforderlich |
AG Bensheim NZV 2006, 442 = zfs 2006, 527 |
§ 316 StGB; BAK 0,59 Promille, Teilnahme an einem Seminar für im Verkehr durch Alkohol aufgefallene Verkehrsteilnehmer, Fahrerlaubnis bereits 6 ½ Monate entzogen |
Keine Fahrerlaubnisentziehung; nur Fahrverbot von drei Monaten nach § 44 StGB |
AG Düsseldorf DAR 2012, 40 |
§ 316 StGB, BAK von 1,57 Promille; Fahrt an einem Sonntagmorgen in einer Sackgasse; Fahrtstrecke 100 m; 2 Monate vorläufige Entziehung |
Kein Regelfall |
AG Essen, Urt. v. 13. 5. 2011 - 49 Cs-49 Js 501/11-185/11 |
§ 316 StGB, Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme |
Keine Ungeeignetheit, aber Fahrverbot |
AG Görlitz VA 2005, 106 AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 13.09.2012 - 2.2 Ds 458 Js 33194/12 (231/12) |
§ 316 StGB; BAK v. 1,12 Promille; Taxiunternehmer; sechs Monate vorläufige Entziehung mit erheblichem Einbruch im Taxigewerbe; nicht vorbelastet; seit nahezu 20 Jahren im Besitz einer Personenbeförderungsberechtigung |
Nicht mehr ungeeignet |
AG Halle-Saalkreis, Urt. v. 6. 7. 2005 320 Cs 816 Js 2076/05 |
§ 316 StGB; Anlasstat als Augenblicksversagen des erst seit kurzem als technischer Leiter der Feuerwehr tätigen Angeklagten; freiwillige Meldung bei der Polizei |
Kein Regelfall |
AG Hameln zfs 2008, 353 = DAR 2008, 655 |
§ 316 StGB, BAK 1,96 Promille; Angeklagter lebt seit der Tat alkoholabstinent; seit der Tat in psychosozialer Betreuung und Suchtberatung; Tat liegt sechs Monate zurück |
Keine Fahrerlaubnisentziehung, da keine Ungeeignetheit mehr |
AG Iserlohn zfs 2010, 48 |
§ 316 StGB; BAK von 2, 57 Promille; intensive Teilnahme an einer verkehrspsychologische Maßnahmen (hier: IVT-Hö), 10 Monate seit der Tat verstrichen |
Keine Entziehung der Fahrerlaubnis, aber Fahrverbot |
AG Lüdinghausen VA 2010, 118 = VRR 2010, 311 =) DAR 2010, 280 = NZV 2010, 272 |
§ 316 StGB; BAK 1,32 Promille; nach der Tat bis zu HV Beginn einer Verkehrstherapie (IVT-Hö) Absolvierung von 10 Therapiestunden bis zu Hauptverhandlung; einschlägig vorbelasteter Angeklagter |
Entziehung der Fahrerlaubnis, aber Verkürzung der Sperrfrist von 12 Monate auf achte Monate |
AG Lüdinghausen, VA 2008, 178 = VRR 2008, 323 = NZV 2008, 530 = NJW 2008, 3080 |
(Vorsätzlicher) § 316 StGB; BAK von 1,48 Promille; freiwillige MPU, Teilnahme an weiteren Maßnahmen |
Keine Fahrerlaubnisentziehung |
AG Pinneberg SVR 2008, 471 |
§ 316 StGB; Urinkontrollen und Teilnahme an einen Kurs zur Besserung und Sicherung vor der Gerichtsentscheidung und an einem sog. KBS-Langzeitrehabilitations-Kurs |
Regelwirkung des § 69 Abs. 2 StGB entfallen, keine Entziehung der Fahrerlaubnis |
AG München DAR 2012, 98 = StraFo 2012, 24 |
§ 316 StGB; BAK von 1,29 Promille; Vorlage eines positiven MPU-Gutachtens und erfolgreiche Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme. |
Nicht mehr ungeeignet |
AG Reinbek SVR 2008, 471 |
§ 316 StGB; BAK von 1,5 Promille; Fahrt eines Jugendlichen mit einem Pkw ohne Fahrerlaubnis zu nachtschlafender Zeit auf einem öffentlichen Parkplatz. |
Kein Regelfall, da Bagatelltat |
AG Saalfeld, Urt. v. 15. 2. 2005 - 635 Js 31395/04 - 2 Ds jug |
§ 316 StGB; Drogenfahrt in persönlicher Ausnahmesituation; geständiger Ersttäter handelt; Tat liegt 15 Monate zurück, liegen, wobei die Fahrerlaubnis schon seit 9 Monaten vorläufig entzogen ist, Angeklagte hat sein Drogenproblem zwischenzeitlich überwunden. |
Nicht mehr ungeeignet |
AG Waldbröl, Urt. v. 7. 5. 2005 - 4 Ds 864/04 - 666 Js 321/04 |
§ 316 StGB; BAK nicht bekannt; nur kurze Fahrt auf dem Parkplatz einer Disko; Beschuldigte wollte im Pkw übernachten; Decken im Auto |
keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, da ggf. kein Regelfall |
AG Verden (Aller) VRR 2014, 109 = VA 2014, 46 |
Vorsätzliche Fahrt; Fahrstrecke nur 25 m auf einem öffentlichen Parkplatz; 2,46 Promille |
nur Fahrverbot |
AG Westerstede NZV 2012, 304 |
Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) |
||
§ 315c StGB, BAK von 0,63 Promille; Wirkung des Alkohols durch ärztlich verordnete Medikamente verstärkt; 4 Monate seit der Tat vergangen, in denen der Angeklagte ohne Beanstandung am Straßenverkehr teilgenommen hat. |
Ausnahme von der Regelvermutung |
AG Bernkastel-Kues, Beschl. v. 29. 11. 2005 8 Gs 241/05 |
§ 315c Abs. 1 Nr. 1 a StGB, BAK von 2,21 Promille; Aufarbeitung des Fehlverhaltens durch fachpsychologisches Gutachten nachgewiesen; kein Voreintragungen, Außendienstmitarbeiter |
nicht (mehr) ungeeignet, kein Fahrerlaubnisentziehung |
AG Leer VRR 2012, 33 = VA 2012 = BA 2012, 51 |
§ 315c Abs. 1 Nr. b StGB; Übermüdung des Angeklagten |
Nicht jeder Übermüdungszustand reicht für die Annahme der Ungeeignetheit; auch die Tatsache, dass der Fahrzeugführer Schlafapnoiker ist, begründet für sich allein noch nicht den dringenden Verdacht der Ungeeignetheit |
LG Traunstein BA 2011, 191 = VRR 2011, 283 (Ls.] = NZV 2011, 514 AG Aachen, Beschl. v. 23. 2. 2007 41 Gs 421/07 |
§ 315c Abs. 1 Nr. 2 d StGB; Angeklagter arbeitet als Monteur im Außendienst; beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist; Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht |
keine Fahrerlaubnisentziehung; nur Fahrverbot von drei Monaten nach § 44 StGB |
AG Gmünden VA 2012, 29 = StRR 2012, 34 = VRR 2012, 32 = BA 2012, 50 |
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, 1,67 ; erheblicher Fremdsachschaden, arbeitsloser Klempnergeselle, der auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist; bereits sieben Monate vorläufig entzogen |
keine Fahrerlaubnisentziehung; nur Fahrverbot von drei Monaten nach § 44 StGB |
LG Essen VA 2013, 172 = VRR 2013, 430 = StRR 2013, 438 |
Sonstiges |
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Fahren ohne Fahrerlaubnis; 20 Monate seit der Tat vergangen |
Ungeeignetheit sorgfältig zu prüfen |
OLG Oldenburg zfs 2005, 260 |
Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG); Erwerb einer neuen Fahrerlaubnis nach der Tat, 3 ½ Monate beanstandungsfreies Fahren, 6 Monate zurückliegende Tat |
keine Fahrerlaubnisentziehung, nur Fahrverbot nach § 44 StGB |
AG Lüdinghausen NZV 2012, 102 = VRR 2011, 383 (Ls.) |
Begehung eines Diebstahls mit einem Fahrzeug als Tatwerkzeug bei einem Promillegehalt von 0,97 o/oo |
Reicht nicht aus, einen Eignungsmangel i.S.d. § 69 StGB zu begründen, aber ggf. charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen |
AG Lüdinghausen VRR 2008, 34 = NZV 2007, 636 = DAR 2008, 102 |
Von Bedeutung für die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis kann vor allem auch eine möglicherweise lange Zeit zwischen Tat und Urteil sein. Das gilt insbesondere im Berufungsverfahren, aber auch dann, wenn die Fahrerlaubnis noch in der ersten Instanz erst längere Zeit nach der Tatbegehung noch nach § 111a StPO vorläufig entzogen werden soll. Dazu gelten folgende Grundsätze:
Hinweis
Für das Berufungsverfahren ist zu beachten: Hat das AG im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzogen, so ist eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend aufzuheben. Ein Beschluss nach § 111a StPO durch das Berufung darf dann grds. erst mit Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Anordnung einer Maßregel nach § 69 StGB im Berufungsurteil ergehen, vorher jedoch nicht (OLG Nürnberg StraFo 2011, 91 unter Hinw. BVerfG NJW 1994, 124).
VRR-Arbeitshilfe: Rechtsprechungsübersicht: Verfahrensdauer
Zeitablauf |
Absehen/nicht Absehen |
Gericht/Fundstelle |
4 Monate |
in Zusammenhang mit anderen Umständen keine vorläufige Entziehung mehr |
LG Kiel NStZ 2004, 321; StRR 2008, 203 (Ls.) AG Bernkastel-Kues, Beschl. v. 29. 11. 2005 8 Gs 241/05 |
6 Monate |
in Zusammenhang mit anderen Umständen Absehen |
LG Frankfurt DAR 2012, 275; AG Halle-Saalkreis, Urt. v. 6. 7. 2005 - AG Iserlohn zfs 2010, 48; AG Lüdinghausen NZV 2001, 102 = VRR 2011, 363 (Ls.) |
7 Monate |
Absehen |
LG Cottbus StraFo 2004, 353 |
7 Monate |
Kein Absehen |
LG Kleve VA 2011, 158 = VRR 2011, 270 |
8 Monate |
Absehen |
LG Saarbrücken zfs 2007, 470 |
9 Monate |
Absehen |
AG Cottbus StV 2006, 521 |
10 Monate |
In Zusammenhang mit anderen Umständen Absehen |
AG Lüdinghausen VA 2010, 118 = VRR 2010, 311 =) DAR 2010, 280 = NZV 2010, 272 |
12 Monate |
Nicht, wenn der Beschuldigte zwischenzeitlich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Erscheinung getreten ist. |
OLG Hamm NStZ-RR 2012, 376 |
12 Monate |
Absehen |
LG Bonn NZV 2010, 214 (s. aber auch OLG Koblenz NZV 2008, 47). |
14 Monate |
Kein Absehen, da ein Gutachten erst spät vorgelegt worden ist und auch Vertrauensschutz durch die späte Antragstellung nicht verletzt wurde |
OLG Zweibrücken BA 2009, 284 |
14 Monate |
Absehen |
AG Montabaur StraFo 2012, 185 |
15 Monate, wobei die Fahrerlaubnis schon seit 9 Monaten vorläufig entzogen ist |
Absehen |
AG Waldbröl, Urt. v. 7. 5. 2005 - 4 Ds 864/04 - 666 Js 321/04 |
18 Monate; während dieser Zeit nahezu 14 Monate, und damit weit über die verhängte Sperrfrist von 8 Monaten hinaus, vorläufige Entziehung die Fahrerlaubnis |
Keine fortbestehende Ungeeignetheit |
LG Münster DAR 2005, 702 = NZV 2005, 656 |
20 Monate |
Ungeeignetheit sorgfältig zu prüfen |
OLG Oldenburg zfs 2005, 260 |
24 Monate |
Nicht mehr ungeeignet |
Hinweis:
Selbst dann, wenn nicht nur der dringende Tatverdacht fortbesteht, sondern auch trotz der seit der angeklagten Tat verstrichenen Zeit noch ein Eignungsmangel nach § 69 StGB und damit ein dringender Grund für eine Maßnahme nach § 111a StPO besteht, ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben, wenn durch schwerwiegende Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens eintritt (OLG Nürnberg StV 2006, 685; ähnlich LG Stuttgart VA 2013, 83).
3. Exkurs: Abkürzung der Sperrfrist
Schließlich kann sich sowohl während als auch nach Beendigung des Verfahrens die Frage stellen, ob ggf. eine (verhängte) Sperrfrist abgekürzt werden kann. In dem Zusammenhang spielen die Fragen der Teilnahme des Mandanten an Nachschulungs- und Therapiemaßnahmen eine erhebliche Rolle.
VRR-Arbeitshilfe: Rechtsprechungsübersicht Abkürzung Sperrfrist
Umstände |
Ausnahme/Abkürzung |
Gericht/Fundstelle |
lebenslange Sperrfrist |
Nein, Aufhebung einer lebenslangen Führerscheinsperre kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn aufgrund neuer Tatsachen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Verurteilte sich im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweisen wird; Allein eine günstige Sozialprognose, die die Aussetzung von Straf- und Unterbringungsvollstreckung rechtfertigt, reicht grds. noch nicht, um eine Aufhebung zu begründen |
OLG Celle VRS 115, 410 = VRR 2009, 189 |
§ 315c StGB;, BAK von 0,7 Promille |
Ausnahme für das Führen von Fahrzeugen der Fahrerlaubnisklasse T, das sich der Beschuldigte im letzten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Landwirt befand und in Kürze seine Prüfung ablegte, bei der er unter anderem Demonstrationsfahrten mit dem Traktor durchführen musste |
LG Berlin, Beschl. v. 3. 8. 2005 509 Qs 34/05 |
§ 316 StGB mit einem Krad; BAK 0,55 Promille; Angeklagter ist beruflich aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit als PC-Servicetechniker bzw. IT-Systemelektroniker in Ich-AG auf Fahrerlaubnis angewiesen ist |
Fahrverbot mit Ausnahme Fahrzeuge der Klasse C1 ausgenommen werden, |
LG Cottbus DAR 2007, 716 |
Auszubildender Landwirt, Trunkenheitsfahrt,; BAK 1,35 Promille; im Rahmen der Ausbildung weit auseinander liegende Gemarkungen zu bewirtschaften |
Ausnahme für die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen L und T (landwirtschaftliche Fahrzeuge). |
AG Alsfeld zfs 2010, 168 |
fahrlässiger § 315c StGB, 1,12 Promille, Fahrerlaubnis entbehrt seit gut 14 Monaten, erfolgreiche Teilnahme an Kurs Dekra Mobil |
Aufhebung der Sperre |
AG Kehl, Beschl. v. 21.03.2014 - 2 Cs 206 Js 15342/13 |
Fahrt eines Lkw-Fahrers mit seinem Privat-Pkw |
Nein, denn ausschlaggebend für das Ausnehmen einer Fahrzeugart von der Sperre ist das Vorliegen einer Gefahrenabschirmung; An einer Gefahrenabschirmung fehlt es, wenn bei einer hypothetischen BAK-Berechnung auf den Zeitpunkt des üblichen Fahrtantritts mit den auszunehmenden Fahrzeugarten sich noch ein BAK-Wert von 0,7 Promille ergibt allenfalls geringste Restalkoholmengen von weniger als 0,3 o/oo sind hier zur Zeit des üblichen Fahrtantritts tolerierbar |
AG Lüdinghausen VRR 2010, 37 = NJW 2010, 310 = NZV 2010, 164 |
§ 316 StGB; BAK 1,32 Promille; nach der Tat bis zu HV Beginn einer Verkehrstherapie (IVT-Hö) Absolvierung von 10 Therapiestunden bis zu Ha ; einschlägig vorbelasteter Angeklagter |
Verkürzung der Sperrfrist von 12 Monate auf acht Monate |
AG Lüdinghausen, VA 2008, 178 = VRR 2008, 323 = NZV 2008, 530 = NJW 2008, 3080 |
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