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aus VRR 2013, 213

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VRR“ für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Abrechnung im Bußgeldverfahren: Verfahren wegen Akteneinsicht und einem damit verbundenen Rechtsmittels

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

Für gute Arbeit will man auch guten Lohn. Das werden sich viele Verteidiger sagen, die im Bußgeldverfahren für den Betroffenen um die Einsicht in die Bedienungsanleitung oder andere Unterlagen gekämpft und gegen die Verweigerung der Einsicht mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 62 OWiG) oder im gerichtlichen Verfahren mit der Beschwerde (§ 304 StPO) vorgegangen sind (vgl. wegen der Rechtsmittel und der übrigen Fragen Burhoff VRR 2011, 250; ders., VRR 2012, 130). Sie werden sich, insbesondere wenn sie Erfolg hatten die Rechtsmittelentscheidung ein Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Mandanten enthält, fragen: Wie werde ich für meine Mühen nun entlohnt? Darauf soll der nachfolgende Überblick Antwort geben (vgl. auch den Beitrag in RVGprofessionell 2013, 88; s. auch noch Burhoff StRR 2012, 172 und RVGreport 2013, 213).

I. Eigene Angelegenheit

Die erste Frage, die sich für den Verteidiger stellt, ist die, ob es sich bei dem Verfahren betreffend Akteneinsicht und einem damit zusammenhängenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG bzw. einer Beschwerde um eine besondere gebührenrechtliche/eigene Angelegenheit handelt. Das ist nicht der Fall. Ein Antrag nach § 62 OWiG führt nicht zu einer besonderen gebührenrechtlichen Angelegenheit, für die in Teil 5 VV RVG eine besondere Gebühr vorgesehen wäre. Entsprechendes gilt für ein Beschwerdeverfahren (anders im Zivilverfahren die Nr. 3500 VV RVG für die Beschwerde).

Hinweis:

Für das Beschwerdeverfahren wird das im Übrigen durch das 2. KostRMoG demnächst ausdrücklich in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG geregelt.

Auch sonst lässt sich eine eigene Angelegenheit i.S. des § 15 RVG mit der Folge, dass für diese Tätigkeiten eigene (Verfahrens)Gebühren abgerechnet werden könnten, nicht begründen (unzutreffend a.A. AG Senftenberg VRR 2013, 239 [in diesem Heft]). Es handelt sich aber bei diesem Verfahren nicht um eine gesonderte Angelegenheit i.S. des § 15 RVG, die getrennt vom Bußgeldverfahren zu behandeln ist, sondern eben um ein Zwischen-/Nebenverfahren innerhalb des Bußgeldverfahrens, das zu der dem Rechtsanwalt als Verteidiger übertragenen Angelegenheit „Verteidigung im Bußgeldverfahren“ gehört (vgl. VRR 2013, 239).

Da eine besondere Gebühr nicht vorgesehen ist bzw. nicht entsteht, müssen daher die erbrachten Tätigkeiten über die (allgemeine), jeweils anfallende Verfahrensgebühr abgerechnet werden (vgl. u.a. Burhoff RVGreport 12, 12; Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2012, Teil A: Beschwerde, Abrechnung, Rn. 371 ff.; Volpert RVGprofessionell 2007, 101, BGH NJW 2009, 2682 =  StRR 2009, 385; KG StRR 2012, 307; OLG Düsseldorf AGS 2011, 70 = RVGreport 2011, 22 = StRR 2011, 38; OLG Hamm RVGreport 2009, 149 = StRR 2009, 39, jeweils zur Beschwerde im Strafverfahren; AG Betzdorf AGS 2009, 390; AG Sinzig JurBüro 2008, 249 für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung).

Hinweis:

Für die „richtige“ Abrechnung dieser Tätigkeiten kommt es darauf an, ob der Rechtsanwalt den vollen Verteidigungs-/Vertretungsauftrag (vgl. dazu II) erhalten hat oder ob er im Rahmen einer Einzeltätigkeit damit befasst ist (vgl. dazu III.).

II. Voller Verteidigungsauftrag

Hat der Rechtsanwalt für das Bußgeldverfahren, in dem er den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt, den vollen Verteidigungs-/Vertretungsauftrag erhalten, rechnet er nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG ab. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird durch die Verfahrensgebühr für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, in dem der Antrag gestellt wird, anfällt, mitabgegolten (vgl. AG Betzdorf AGS 2009, 390; AG Sinzig JurBüro 2008, 249). Entsprechendes gilt für eine ggf. im gerichtlichen Verfahren nach § 304 StPO eingelegte Beschwerde für die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren (vgl. die o.a. Nachweise bei I und Burhoff RVGreport 2012, 12).

Konkret muss der Verteidiger die für den Mandanten in Zusammenhang mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung bzw. einer Beschwerde erbrachten Tätigkeiten im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG bei der Bemessung der jeweiligen Verfahrensgebühr gebührenerhöhend geltend machen. Gegenüber der Staatskasse können aufgrund einer ggf. vorliegenden Kostengrundenscheidung aber (nur) die für die Rechtsbehelfe erbrachten „Mehrtätigkeiten“ abgerechnet werden. Insoweit ist mit der sog Differenztheorie vorzugehen (vgl. u.a. LG Braunschweig Nds.Rpfl. 2008, 195; LG Hildesheim Nds.Rpfl. 2007, 190; AG Koblenz, Beschl. v. 26. 10. 2ß10 – 2060 Js 29642/09.25 Ls; dazu unten das Beispiel 1 bei IV). Dazu muss der Verteidiger folgende Schritte vollziehen (vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., Teil A: Beschwerdeverfahren, Rn. 378 m.w.N.; Burhoff RVGreport 2010, 362; 2012, 12):

  • Zunächst ist unter Anwendung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG die angemessene Verfahrensgebühr für die Tätigkeiten ohne den Antrag auf gerichtliche Entscheidung bzw. die Beschwerde ermitteln.
  • Dieser Gebühr ist dann die unter Anwendung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG ermittelte Verfahrensgebühr mit den Tätigkeiten für den Antrag oder die Beschwerde gegenüber zu stellen.

Der sich ggf. ergebende Unterschiedsbetrag ist der gegen die Staatskasse festsetzbare Betrag.

III. Einzeltätigkeit

Ist der Rechtsanwalt mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder einer Beschwerde nur als Einzeltätigkeit i.S. von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG bzw. von Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG befasst, entsteht nur eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5200 VV RVG. Eine Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG entsteht nicht zusätzlich (OLG Köln RVGreport 2007, 306 = NStZ-RR 2007, 287 = AGS 2007, 452 für das Strafverfahren.

Die Verfahrensgebühr deckt alle Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder der Beschwerde ab. Dies können sein die Entgegennahme der Information des Mandanten, die Fertigung und Einreichung des Antrags/der Beschwerde beim zuständigen Gericht, die Beratung des Mandanten, Stellungnahmen usw.

Hinweis:

Erhält der Rechtsanwalt nach einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder einer Beschwerde den vollen Verteidigungsauftrag, wird er also nun für den Mandanten im eigentlichen Bußgeldverfahren tätig, wird die für die Einzeltätigkeit entstandene Verfahrensgebühr auf die weiteren Gebühren angerechnet (vgl. Nr. 5200 Anm. 4 VV RVG).

IV. Beispiele

Die o.a. Ausführungen verdeutlichen folgende Beispiele:

Beispiel 1:

Gegen den Betroffenen B wird wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 250 € und der Festsetzung eines einmonatigen Fahrverbotes erlassen. B beauftragt Rechtsanwalt R mit seiner Verteidigung. Dieser legt Einspruch ein und beantragt bei der Verwaltungsbehörde Einsicht in die Bedienungsanleitung des bei der Geschwindigkeitsmessung verwendeten Messgerätes. Diese wird von der Verwaltungsbehörde abgelehnt. Der R stellt daraufhin Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG, der Erfolg hat. Die notwendigen Auslagen des B werden der Staatskasse auferlegt. Der B wird dann später nach einer eintägigen Hauptverhandlung verurteilt. R fragt sich, ob und wie er die für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erbrachten Tätigkeiten gegenüber der Staatskasse abrechnen kann.

Lösung:

R muss mit der sog. Differenztheorie vorgehen (vgl. dazu oben II). Das bedeutet:

1. Im ersten Schritt ist zu ermitteln, welche Verfahrensgebühr ohne die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angemessen i.S. des § 14 Abs. 1 RVG gewesen wäre. Insoweit soll davon ausgegangen werden, dass der R dann die Mittelgebühr hätte abrechnen können, also eine Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG in Höhe von                                 135,00 €.

2. Im zweiten Schritt ist dann zu ermitteln, welche Verfahrensgebühr mit den Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angemessen i.S. des § 14 Abs. 1 RVG ist. Insoweit soll davon ausgegangen werden, dass der R dann die Mittelgebühr um 20 % hätte überschreiten könne, also eine

Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG in Höhe von 135,00 € + 20 % =            162,00 €.

Der Unterschiedsbetrag von 27,00 € ist der Betrag, der von der Staatskasse zu erstatten ist.

Hinweis:

Von dem o.a. Beispiel ergeben sich keine grundsätzlichen Abweichungen, wenn es sich nicht um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gehandelt hat, sondern um eine Beschwerde im gerichtlichen Verfahren. Einschlägig wäre dann allerdings die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG.

Beispiel 2:

Gegen den Betroffenen B wird wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 250 € und der Festsetzung eines einmonatigen Fahrverbotes erlassen. B will sich selbst verteidigen. Er legt Einspruch ein und beantragt bei der Verwaltungsbehörde ihm (vgl. § 49 OWiG) Einsicht in die Bedienungsanleitung des bei der Geschwindigkeitsmessung verwendeten Messgerätes zu gewähren Das wird von der Verwaltungsbehörde abgelehnt. Der B beauftragt daraufhin den R dagegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zu stellen. Der hat Erfolg. Die insoweit notwendigen Auslagen des B werden der Staatskasse auferlegt. R fragt sich, ob und wie er die für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erbrachten Tätigkeiten gegenüber der Staatskasse abrechnen kann.

Lösung:

In diesem Fall war R nur mit einer Einzeltätigkeit i.S. von Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG beauftragt. D.h. für seine Tätigkeiten kann er nur die Gebühr Nr. 5200 VV RVG abrechnen. Geht man davon aus, dass die Mittelgebühr angemessen wäre, kann der R die Festsetzung einer Verfahrensgebühr Nr. 5200 VV RVG in Höhe von 55,00 € beantragen

Hinweis:

Hinzuweisen ist abschließend darauf, dass sich nicht immer für die erbrachten Tätigkeiten ein Erstattungsbetrag ergibt. Haben sich nämlich durch die vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten die Gebühren nicht erhöht, z.B. weil sie einfach und nicht umfangreich waren, ergibt sich kein Festsetzungsbetrag (vgl. Burhoff/Volpert, RVG; Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 380 a.E.). Häufig handelt es sich im Fall der Erstattung auch nur um geringe Beträge, bei denen sich die Frage stellt, ob es sich aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt lohnt, diese in einem aufwendigen Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen.

Und der Verteidiger/Rechtsanwalt muss darauf achten, dass bei späterer kostenpflichtiger Verurteilung die Staatskasse nicht die Aufrechnung mit Gegenansprüchen, wie z.B. Verfahrenskosten, erklären kann. Deshalb muss er sich den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten abtreten lassen und dies Abtretung der Staatskasse frühzeitig anzeigen (Vgl. dazu § 43 RVG).


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