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aus VRR 2010, 293

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

 VRR-Arbeitshilfe: Rechtsprechung zum Fahrverbot

3. Teil: Berufliche Folgen

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

Die Verhängung eines Fahrverbotes muss immer angemessen sein. Bei den Umständen, die im Bereich der Angemessenheit des Fahrverbotes eine Rolle spielen, sind in der Praxis die beruflichen Folgen für den Betroffenen von erheblicher Bedeutung. Grundsätzlich sind allerdings auch diese, was häufig übersehen wird, ohne Bedeutung, da auch sie alle Fahrzeugführer in gleicher Weise vorhersehbar treffen. Erst wenn die Folgen sich zur unzumutbare Härte auswachsen, führt das zur  Unangemessenheit des Fahrverbote führt. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich beim Betroffenen um einen abhängig Beschäftigten oder um einen Freiberufler handelt (vgl. dazu Deutscher VRR 2005, 370). Insoweit gilt:

  • Bei abhängig Beschäftigten ist eine Existenzgefährdung anzunehmen, wenn als Folge des Fahrverbots der Verlust des Arbeitsplatzes droht. In solchen Fällen kann, insbesondere bei Berufskraftfahrern oder solchen Beschäftigten, die zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen sind, wie z.B. bei einem Busfahrer (AG Gelnhausen NZV 2006, 327.), grundsätzlich vom Fahrverbot unter angemessener Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden.
  • Bei Selbständigen und Freiberuflern ist von einem Fahrverbot abzusehen, wenn hierdurch eine ernsthafte Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens bzw. Betriebes begründet würde. Das gilt aber nur, wenn diese Gefahr nicht mit zumutbaren Maßnahmen anderweitig abgewendet werden kann (         OLG Hamm VA 2006, 138 für Gastwirt, zu den Anforderungen an das Urteil bei einem selbständigen Fahrzeuglackierer OLG Hamm VRR 2008, 115).

Praxishinweis:

Im Verfahren muss zu den beruflichen Gründen, die das Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen sollen, umfassend vorgetragen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass eine Existenzgefährdung durch ein dem Betroffenen drohendes Fahrverbot bei Arbeitnehmern nur dann vorliegt, wenn infolge des Fahrverbots konkret die Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht. Ein bloßer Vorbehalt des Arbeitgebers, für diesen Fall über eine Kündigung „nachzudenken“, reicht nicht. Der Verteidiger muss also Sorge tragen, dass der Betroffene von seinem Arbeitgeber zur Vorlage beim Gericht ein Schreiben erhält, aus dem sich ergibt, dass das Fahrverbot sicher zu einer Kündigung führen wird (vgl. Deutscher VRR 2005, 371).

Die nachfolgende „Arbeitshilfe“ stellt die wesentliche Rechtsprechung zu dem Absehen vom Fahrverbot wegen beruflichen Folgen vor (eingehend dazu auch Deutscher in. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., 2009, Rn. 864 ff.).

Abhängig Beschäftigte

Umstände des Einzelfalls

Absehen: ja oder nein?

Fundstelle

Busfahrer mit mehreren Voreintragungen

ja, allerdings beschränkt auf Klasse D

OLG Bamberg VA 2006, 102

Busfahrer, bei dem die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ansteht

ja

AG Gelnhausen NZV 2006, 327

der Arbeitgeber behält sich die Kündigung des Arbeitsplatzes vor

nein

OLG Hamm VA 2007, 33 = VRR 2007, 31

es wird lediglich vorgetragen, dass der Betroffene mit einer Kündigung zu rechnen habe.

nein

OLG Frankfurt NZV 2010, 311 (Ls.)

Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers, in der für den Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt wird

nein, da sich die Auswir­kungen eines Fahrerlaubnisentzuges, der viele Monate oder noch länger dauern kann, bis dass eine Fahrerlaubnis wieder erteilt wird, drastisch von den Auswirkungen des zeitlich überschaubaren Fahrverbotes von einem Monat unterscheiden

OLG Hamm, Beschl. v. 18. 3. 2008, 5 Ss OWi 112/08

Betroffene wohnt 13 km von seinem Arbeitsplatz entfernt

nein, Benutzung eines Fahrrades zumutbar

OLG Hamm, Beschl. v. 8. 11. 2007, 4 Ss OWi 105/08

Betroffene ist beruflich im Außendienst tätig und betreut überwiegend Kunden im nord­deutschen Raum, die jährliche Fahrleistung liegt bei ca. 35.000 km.

nein

OLG Hamm, Beschl. v. 19. 11. 2007, 3 Ss OWi 429/07

Betroffene benötigt Pkw zum Transport von Musikinstrumenten

nein, nähere Feststellungen erforderlich, ob die nicht auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln transportiert werden können

OLG Beschl. v. 22. 11. 2007, 3 Ss OWi 641/07

Berufsfeuerwehrmann

nein

AG Lüdinghausen VA 2008, 34 = VRR 2008, 77 = NZV 2008, 109 =DAR 2008, 160

auswärts eingesetzter Kfz-Monteur

nein, wenn geklärt ist, dass er das Fahrverbot im Urlaub vollstrecken lassen kann

OLG Hamm NZV 2008, 306

Pizzalieferant

ja

AG Frankfurt NZV 2008, 371

Betroffene ist auf Pkw zur Erreichung des Arbeitsplatzes angewiesen

die Urteilsgründe müssen sich auch dazu verhalten, warum der Betroffene nicht darauf ver­wiesen werden kann, vorübergehend ein Zimmer in Ar­beitsplatznähe anzumieten. Die hierfür anfallenden Aufwendungen sind unter dem Gesichtspunkt des Über­maßverbotes schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die ersparten Aufwendungen für die private Fahrzeugnutzung ge­genüber zu stellen sind.

OLG Bamberg VA 2009, 135 = DAR 2009, 401 = VRR 2009, 309

Betroffene ist auf Fahrerlaubnis angewiesen, um zur Arbeit zu kommen; Ehefrau kann ihn nur unter besonderen Erschwernissen bringen

Nein, ggf. muss die Familie Erschwernisse in Kauf nehmen

AG Lüdinghausen VRR 2009, 311

Gynäkologin, Notfalldienste

nein, Einstellung eines Fahrers zumutbar

OLG Hamm, Beschl. 04.03.2009, 4 Ss OWi 123/09

Selbständige

Umstände des Einzelfalls

Absehen: ja oder nein?

Fundstelle

bei einem Präsidenten eines tariffähigen Arbeitgeberverbandes und Geschäftsführer einer expandierenden Gesellschaft

nein, das Gericht kann dann auch ohne weitere Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen - namentlich: zum Einkommen - des Betroffenen auf die Möglichkeit der Anstellung eines Fahrers für die Dauer des Fahrverbots zur Abmilderung der Folgen des Fahrverbotes verweisen

AG Lüdinghausen VRR 2009, 199 = VA 2009, 102 = NZV 2009, 251 = VA 2009, 102

Gastwirt

ja, wenn genügend Umstände für eine Existenzvernichtung dargetan sind.

OLG Hamm VA 2004, 138

Friseur, der Hausbesuche macht und einen Behinderten betreut

nein, es können öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch genommen werden

OLG Hamm VRR 2009, 431

Selbständiger, der Fettabscheider reinigt, nur einen Angestellten hat, der keine Fahrerlaubnis besitzt, keine Familienangehörigen hat und sich einen Fahrer bei einem Monatseinkommen von 500 € netto nicht leisten kann

ggf., ja, jedenfalls reicht der Hinweis auf § 25 Abs. 2a StVG und die Möglichkeit der Einstellung einer Teilzeitkraft oder die Aufnahme eines Kredits nicht aus

KG VA 2010, 88

Inhaber eines Autohauses, der die Fahrerlaubnis für das An- und Abmelden von Kfz benötigt

nein

OLG Hamm, Beschl. v. 8. 11. 2007, 4 Ss OWi 105/2008

selbständiger Fahrzeuglackierer, der regelmäßig Fahrzeuge zu den Kunden bringt

nein

OLG Hamm VRR 2008, 115

alleinerziehende Apothekerin

nein

OLG Hamm NZV 2008, 308

bei einem Präsidenten eines tariffähigen Arbeitgeberverbandes und Geschäftsführer einer expandierenden Gesellschaft

nein, das Gericht kann dann auch ohne weitere Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen - namentlich: zum Einkommen - des Betroffenen auf die Möglichkeit der Anstellung eines Fahrers für die Dauer des Fahrverbots zur Abmilderung der Folgen des Fahrverbotes verweisen

AG Lüdinghausen VRR 2009, 199 = VA 2009, 102 = NZV 2009, 251

Rentner, der auch Taxi fährt

nein

OLG Hamm VRR 2009, 313 = VA 2009, 121

Praxishinweis:

Der Tatrichter muss sich im Urteil mit den Umständen, die es möglich erscheinen lassen, dass das Fahrverbot insbesondere aus beruflichen Gründen eine unangemessene Härte darstellt, auseinandersetzen (vgl. u.a. OLG Hamm VA 2007, 129 = VRR 2007, 236; Beschl. v. 19. 1. 2010, 2 (6) Ss OWi 987/09). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf der positiven Feststellung und Darle­gung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen, die für das Rechtsbe­schwerdegericht im Einzelnen nachprüfbar sein müssen (OLG Hamm, Beschl. v. 18. 3. 2008, 5 Ss OWi 112/08). Aber selbst das Vorliegen einer besonderen Härte durch drohenden Verlust des Arbeitsplatzes führt  nicht zwingend dazu, in jedem Fall von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen. Denn auch in einem solchen Fall muss – so die Rechtsprechung - zu berücksichtigender Maßstab bleiben, ob bei Verzicht auf eine solche Sanktion noch wirksam auf den Betroffenen eingewirkt werden kann. Ist dieses nicht der Fall, weil sich der Betroffene gegenüber verkehrsrechtlichen Ge- und Verboten vollkommen uneinsichtig zeigt, so muss ein Fahrverbot auch bei erheblichen Härten seine Berechtigung finden (OLG Hamm, Beschl. v. 14. 8. 2007, 1 Ss OWi 549/07).


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