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aus RVGreport 2018, 442

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs – einige Hinweise zu § 43 RVG

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Augsburg/Münster

Die für das Straf- und Bußgeldverfahren geltende Vorschrift des § 43 RVG regelt die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs. Ich habe zu den damit zusammenhängenden Fragen, die im Strafverfahren nach einem Freispruch des Mandanten eine große Rolle spielen können, bereits in RVGreport 2015, 450 eingehend berichtet. Inzwischen liegt zu § 43 RVG neuere Rechtsprechung vor, und zwar zur Frage, ob und ggf. wie der Kostenerstattungsanspruch des (frei gesprochenen) Mandanten abgetreten werden kann. Hierüber soll in dem nachfolgenden Beitrag mit einigen Hinweisen für die Praxis berichtet werden).[1]

I. Die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs

1. Gesetzliche Grundlagen

§ 43 Satz 1 RVG bestimmt: Ist der Anspruch des Beschuldigten gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den RA abgetreten, ist eine von der Staatskasse gegenüber dem Beschuldigten/dem Betroffenen erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des RA vereiteln oder beeinträchtigen würde.

2. Der typische Sachverhalt

§ 43 RVG ist insbesondere in folgender Fallkonstellation von Bedeutung: Der Mandant ist freigesprochen worden. bzw. sein Rechtsmittel hat einen (Teil-)Erfolg erzielt: Folge davon ist, dass nach § 467 StPO bzw. § 473 Abs. 3 u. 4 StPO der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten ganz oder teilweise auferlegt werden. Der Verteidiger lässt sich den insoweit gegebenen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten abtreten und macht ihn gegenüber der Staatskasse geltend. Und er ist dann erstaunt, wenn diese mit einem ihr ggf. zustehenden Anspruch auf Zahlung einer Geldstrafe und/oder von Gerichtskosten, auch aus früheren Verfahren, aufrechnet. Damit ist der Verteidiger dann nämlich um die Chance gebracht, sich wegen seiner Vergütung gegenüber dem Mandanten aus dessen Anspruch gegenüber der Staatskasse ganz oder wenigstens teilweise zu befriedigen. Er fragt sich: Kann das sein, es war doch abgetreten, bzw., wie hätte ich gegensteuern können? Die Antwort lautet, Ja, das Vorgehen der Staatskasse kann richtig sein, aber der RA hätte gegensteuern können, und zwar, wenn er rechtzeitig (§ 43 Satz 2 RVG) eine Abtretungsurkunde zur Akte gereicht oder die Abtretung angezeigt hätte (vgl. dazu unter III.2.). Daran knüpft sich dann die Frage an, ob die Abtretung ggf. bereits in der Strafprozessvollmacht erfolgen kann (vgl. II.). Zu allem gilt:

3. Die Abtretung

Für die Abtretung des Erstattungsanspruchs des Beschuldigten/Betroffenen auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen aus der Staatskasse an seinen Verteidiger gelten die allgemeinen Regeln. Der Anspruch muss gem. § 398 BGB formwirksam an den RA abgetreten worden sein.[2] Erforderlich ist eine ausdrückliche Abtretung des Erstattungsanspruchs.[3] Eine dem RA erteilte Geldempfangs- bzw. Inkassovollmacht reicht nicht aus. Kommt es im Verlauf eines Verfahrens zum Anwaltswechsel, so verliert eine Abtretung an den ersten Bevollmächtigten ihre Wirksamkeit auch dann nicht, wenn der Beschuldigte/Betroffene seine Ansprüche erneut an den neuen RA abtritt.[4] Abtretungsverbote, wie z.B. nach § 13 Abs. 2 StrEG für die Haftentschädigungsforderung, sind zu beachten.[5]

II. Zulässigkeit der Abtretung in der Strafprozessvollmacht?

1. Der Streitstand

Ob die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs bereits in der Strafprozessvollmacht zulässig ist, ist in der Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt.

Zum Teil wird davon ausgegangen, dass die Aufnahme der Abtretung von Kostenerstattungsansprüchen in die Prozessvollmacht unzulässig ist und zur Unwirksamkeit der Abtretung führt.[6] Das wird u.a. damit begründet, dass der Abtretung in der Strafprozessvollmacht überraschend sei.[7]

Zum Teil wird aber von der Wirksamkeit einer entsprechenden Abtretung ausgegangen.[8]

Letzteres ist zutreffend. Die Möglichkeit der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs ist in § 43 RVG gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. In § 43 RVG wird die Aufnahme der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs in einer Strafprozessvollmacht nicht verboten. Die Abtretung in der Strafprozessvollmacht ist auch nicht per se überraschend.

2. Hinweise für die Praxis

Allerdings sollte die Abtretung angesichts des Streits in der Rechtsprechung vorsichtshalber doch in einer besonderen Urkunde erfolgen. Bei einer Abtretung in der Vollmacht sind außerdem die allgemeinen Regeln des AGBG zu beachten. Danach liegt eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c BGB insbesondere aber dann nicht vor, wenn die Vollmacht übersichtlich und auch nicht so gestaltet ist, dass der Unterschreibende nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages nicht mit der Abtretung rechnen konnte.[9] Sofern die Abtretung in die Strafprozessvollmacht aufgenommen wird, sollte in der Überschrift der Vollmacht oder sonst in hervorgehobener Weise (z.B. durch Fettdruck) darauf hingewiesen werden, dass neben der Vollmacht auch noch eine Regelung über die Abtretung vorhanden ist.[10] Die Abtretung in der Strafprozessvollmacht sollte sich schließlich auch nicht auf von § 43 RVG nicht erfasste Erstattungsansprüche (z.B. Parteiauslagen[11]) erstrecken. Denn dann besteht die Gefahr, dass dies als überraschend i.S.v. § 305c BGB angesehen wird.[12]

III. Nachweis der Abtretung durch Abtretungsurkunde/-anzeige

Nach § 43 Satz 2 RVG ist die Aufrechnung der Staatskasse nur dann unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung eine Abtretungsurkunde bzw. Abtretungsanzeige des Beschuldigten in den Akten vorhanden ist. Dies dient Beweiszwecken.

1. Abtretungsurkunde

Aus der Formulierung „in den Akten“ folgt, dass es sich nicht um die Akten des Verfahrens handeln muss, in dem die Aufrechnung erklärt wird. Anderenfalls müsste nämlich bei Verfahrenstrennung erneut eine Abtretungsurkunde eingereicht bzw. die Abtretung angezeigt werden.[13] Auch ist eine Kopie der Abtretungsurkunde ausreichend.[14]

2. Abtretungsanzeige

Für den Nachweis der Abtretung reicht statt der Vorlage einer Abtretungsurkunde auch eine schriftliche Abtretungsanzeige des Beschuldigten/Betroffenen. Eine mündliche Abtretungsanzeige oder ein über eine mündliche Abtretungsanzeige gefertigter Aktenvermerk reichen hingegen nicht aus.[15] Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 43 Satz 2 RVG genügt eine Abtretungsanzeige des Verteidigers nicht den Anforderungen.[16] Es ist aber ausreichend, wenn der RA eine von dem Beschuldigten/Betroffenen unterschriebene Erklärung zu den Akten gibt, dass die Erstattungsansprüche an den RA abgetreten sind. Der Beschuldigte muss diese Anzeige nicht selbst zur Akte geben.[17]

IV. Checkliste

Die o.a. Ausführungen lassen sich in folgender Checkliste zusammenfassen:

1. Die Abtretung erfolgt in einer von der Vollmacht getrennten Urkunde

  • Werden nur Ansprüche auf Erstattung von Gebühren und Auslagen des Verteidigers abgetreten?
  • Werden nicht auch die dem Angeklagten/Betroffenen entstandenen anderen notwendigen Auslagen, wie z.B. Reisekosten, Verdienstausfall usw., (mit)abgetreten?
  • Ist die abgetretene Forderung genau bezeichnet?
  • Habe ich als Verteidiger die Abtretung angenommen?
  • Hat sich der Mandant mit der Einreichung der Abtretung zu den Gerichtsakten einverstanden erklärt?

2. Die Abtretung erfolgt in der Vollmacht

  • Werden nur Ansprüche auf Erstattung von Gebühren und Auslagen des Verteidigers abgetreten?
  • Werden nicht auch die dem Angeklagten/Betroffenen entstandenen anderen notwendigen Auslagen, wie z.B. Reisekosten, Verdienstausfall usw., (mit)abgetreten?
  • Ist die abgetretene Forderung genau bezeichnet?
  • Ist die Abtretung deutlich von den übrigen Erklärungen in der Vollmacht getrennt?
  • Wird ggf. auf die Abtretung durch Fettdruck aufmerksam gemacht?
  • Habe ich als Verteidiger die Abtretung des Mandanten angenommen?

V. Muster einer Abtretung

Vereinbarung über Abtretung von Ansprüchen auf Erstattung notwendiger Auslagen aus der Staatskasse

zwischen

Herrn Mustermann (Name und Adresse)

und

Herrn Rechtsanwalt (Name und Adresse)

Herr Rechtsanwalt … ist Verteidiger von Herrn Mustermann in dem beim AG Musterstadt anhängigen Strafverfahren gegen Herrn Mustermann wegen des Verdachts des Diebstahls (Aktenzeichen: …). Herr Mustermann tritt seine ggf. aus diesem Verfahren entstehenden Ansprüche auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen (Gebühren und Auslagen von Rechtsanwalt …) an Herrn Rechtsanwalt … ab.

Rechtsanwalt … nimmt diese Abtretung an.

Herr Mustermann ist damit einverstanden, dass diese Vereinbarung über die Abtretung von Herr Rechtsanwalt … zur Verfahrensakte mit dem Aktenzeichen: … eingereicht wird.

Ort, Datum

Ort, Datum

(Rechtsanwalt)

(Mustermann)



[1] S. im Übrigen auch Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG in Straf-und Bußgeldsachen, 5. Aufl., 2017, § 43 Rn 1 ff.

[2] Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn 25 m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 23. Aufl., 2017, § 43 Rn 11; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 8. Aufl., 2017, § 43 Rn 25.

[3] KG Rpfleger 1980, 402 = JurBüro 1980, 1200; OLG Braunschweig Nds.Rpfl 1985, 147; AG Osnabrück JurBüro 2004, 535; Volpert, a.a.O.; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 43 Rn 17; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 43 Rn 25.

[4] OLG Rostock RVGreport 2018, 307 [Burhoff] = AGS 2018, 330 m. Anm. Volpert; LG Düsseldorf AGS 2007, 34.

[5] LG Saarbrücken RVGreport 2010, 381 = AGS 2010, 221 = StRR 2010, 240.

[6] Vgl. OLG Nürnberg RVGreport 2015, 256 = AGS 2015, 274 = StraFo 2015, 305; LG Düsseldorf AGS 2007, 34; LG Konstanz Rpfleger 2008, 596; OLG Koblenz VersR 2009, 1348 für das Zivilverfahren; OVG NRW NJW 1987, 3029 für das Verwaltungsverfahren; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., 2017, § 43 Rn 7; NK-GK/Stollenwerk, 2. Aufl., 2017, § 43 RVG Rn 110; a.A. LG Hamburg, AnwBl. 1977, 70.

[7] So OLG Nürnberg RVGreport 2015, 256 = AGS 2015, 274 = StraFo 2015, 305; LG Konstanz Rpfleger 2008, 596 = AGkompakt 2009, 9; vgl. auch OLG Koblenz, a.a.O., für Zivilsachen und OVG NRW für das Verwaltungsverfahren.

[8] OLG Rostock RVGreport 2018, 307 [Burhoff] = AGS 2018, 330 m. Anm. Volpert; LG Leipzig RVGreport 2010, 185 = AGS 2010, 129 = StRR 2010, 239; OLG Koblenz Rpfleger 1974, 403 = MDR 1974, 1038 zu § 98 BRAGO; so auch Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn 12; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 43 Rn 26; Mertens/Stuff/Mück, Verteidigervergütung, 2. Aufl., Rn 960; Hartung, a.a.O., § 43 Rn 18; Volpert, a.a.O, § 43 RVG Rn 28.

[9] OLG Rostock RVGreport 2018, 307 [Burhoff] = AGS 2018, 330 m. Anm. Volpert; LG Leipzig RVGreport 2010, 185 = AGS 2010, 129 = StRR 2010, 239; vgl. auch OLG Nürnberg RVGreport 2015, 256 = AGS 2015, 274 = StraFo 2015, 305.

[10] Vgl. OLG Rostock und OLG Nürnberg, jeweils a.a.O.

[11] Dazu Volpert, a.a.O., § 43 RVG Rn 11.

[12] Mertens/Stuff/Mück, a.a.O., Rn 960.

[13] Ebenfalls Volpert, a.a.O., § 43 RVG Rn 30; Mayer, a.a.O., § 43 RVG Rn 10; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 RVG Rn 12; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 43 Rn 35; vgl. auch BT-Drucks 15/1971, 199, wonach die Abtretungsurkunde bzw. Abtretungsanzeige bei dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde eingegangen sein muss.

[14] KG JurBüro 2006, 387; Hartung, a.a.O., § 43 RVG Rn 21; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 43 Rn 36; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 RVG Rn 13.

[15] Volpert, a.a.O., § 43 RVG Rn 31 f. m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 RVG Rn 14.

[16] Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.; a.A. AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 43 RVG Rn 37.

[17] LG Würzburg RVGreport 2013, 55 = VRR 2013, 199 = StraFo 2013, 40 = AGS 2013, 277; Volpert, a.a.O., § 43 RVG Rn 32 f.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 RVG Rn 14.


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