aus RVGreport 2014, 140
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Ich habe in RVGreport 2013, 172 über die in den Jahren 2012 und (teilweise) 2013 ergangene Rechtsprechung zu § 14 RVG in Straf- und Bußgeldsachen berichtet. Die nachfolgende Übersicht, die den Stand von März 2014 hat, knüpft daran an- Eine Übersicht zu der Rechtsprechung zu den Teilen 4 - 7 VV RVG aus dem Jahr 2013 ist in RVGreport 2014, 90 ff. abgedruckt.
I. Strafverfahren (Teil 4 VV RVG) |
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Gebühr |
Gericht/Fundstelle |
Inhalt |
Begriff der Unbilligkeit |
BGH NJW 2011, 1603 = LG Potsdam RVGreport 2013, 275 = JurBüro 2013, 189 = VRR 2013, 317; OLG Saarbrücken, RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist Gebührenbestimmung, wenn sie um 20% oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt |
Bedeutung der Angelegenheit |
OLG RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Die Bedeutung der Angelegenheit ist im Vergleich zu sonstigen Wirtschaftsstrafsachen nicht überdurchschnittlich, wenn sich in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten keine Besonderheiten finden und der nicht vorbestrafte Angeklagte lediglich mit einer Verurteilung zur Geldstrafe zu rechnen hatte. Die besondere Bedeutung der Angelegenheit wird auch nicht durch eine drohende Anordnung des Verfalls des Wertersatzes begründet, da diese in Wirtschaftsstrafsachen nicht unüblich ist. |
Schwierigkeit der Angelegenheit |
OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Im Gebührenrahmen ist eine erforderliche Berücksichtigung von EU-Recht, insbesondere in erstinstanzlich vor der Wirtschaftsstrafkammer verhandelten Verfahren, hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit lediglich durchschnittlich schwierig. Auch die Art der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftat (unerlaubter Insiderhandel) weist gegenüber sonstigen Wirtschaftsstrafsachen keine besonderen Schwierigkeiten auf. Da Vergleichsmaßstab lediglich die vor einer Wirtschaftsstrafkammer verhandelten Verfahren sind, kann aus der Anklageerhebung zur Wirtschaftsstrafkammer und Eröffnung des Hauptverfahrens vor derselben für die Beurteilung der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Gebührenrahmen der gerichtlichen Verfahrensgebühr nichts hergeleitet werden. |
Einkommensverhält- |
OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Bei der Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bzw. der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs abzustellen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse von in Wirtschaftsstrafsachen Angeklagten übersteigen zwar in aller Regel die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bevölkerungsdurchschnitts, jedoch ist Vergleichsmaßstab die durchschnittlichen Verhältnisse anderer in Wirtschaftsstrafsachen Angeklagter. |
Grundgebühr |
OLG Stuttgart RVGprofessionell RVGreport 2014, 66 = 2014, 24 |
Erhöhung der Grundgebühr um die Hälfte der Differenz zwischen Mittelgebühr und Höchstgebühr in einem Schwurgerichtsverfahren mit rund 600 Blatt Akten und schwieriger Sachlage (Aussage-gegen-Aussage-Konstellation). |
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OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Der Vergleichsmaßstab bei den Beurteilungskriterien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber für die Beurteilung der Frage, ob eine unterdurchschnittliche, durchschnittliche (Mittelgebühr) oder überdurchschnittliche Gebühr als Grundgebühr angemessen ist, sind sämtliche Strafverfahren, da der Gebührenrahmen der Grundgebühr anders als derjenige der gerichtlichen Verfahrens- und Terminsgebühr nicht nach der Ordnung des Gerichts differenziert |
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OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Es handelt sich bei der erstmaligen Einarbeitung in ein Wirtschaftsstrafverfahren um eine schwierige Angelegenheit, wenn Gegenstand des Verfahrens die auch für einen Strafverteidiger nicht alltägliche Spezialmaterie des Insiderhandels war. Ein Erstgespräch mit dem Mandanten zur Einarbeitung mit 5 Stunden Dauer liegt erheblich über dem Durchschnitt aller Strafverfahren liegenden Aufwand. |
Verfahrensgebühr |
OLG Stuttgart RVGprofessionell RVGreport 2014, 66 = 2014, 24 |
Erhöhung der Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren um die Hälfte der Differenz zwischen Mittelgebühr und Höchstgebühr in einem Schwurgerichtsverfahren mit rund 600 Blatt Akten und schwieriger Sachlage (Aussage-gegen-Aussage-Konstellation). |
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OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Im Gebührenrahmen der gerichtlichen Verfahrensgebühr ist bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit anhand eines Aktenumfanges von 382 Seiten nebst 2 Beweismittelordnern bei Übernahme des Mandats und 603 Seiten bei Abschluss der ersten Instanz von einem für eine Wirtschaftsstrafsache geringen Umfang auszugehen. |
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OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
Ein besonderer Arbeitsumfang der anwaltlichen Tätigkeit besteht in der Entwicklung einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie in Zusammenarbeit mit dem Verteidiger des weiteren Angeklagten im Rahmen der allgemeinen Vorbereitung zur Hauptverhandlung, was eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr von 450,- rechtfertigt. |
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KG JurBüro 2013, 361 |
Die Anordnung der Selbstlesung von Schriftstücken ist bei der Terminsgebühr nicht gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Das Studium von Urkunden, die nach § 249 Abs. 2 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden, steht in keinem direkten Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit für einen bestimmten Verhandlungstermin. Der dafür erforderliche Zeitaufwand wird mit der gerichtlichen Verfahrensgebühr bezahlt. |
Terminsgebühr |
OLG Stuttgart RVGreport 2014, 66 = RVGprofessionell 2014, 24 |
Für die Bemessung der Terminsgebühren gemäß § 14 Abs. 1 RVG ist die überdurchschnittliche Dauer einer Hauptverhandlung auch beim Wahlverteidiger ein maßgebliches Kriterium. Eine Hauptverhandlungsdauer von über 5 Stunden rechtfertigt bei einem ansonsten durchschnittlichen Fall auch in Verfahren vor dem Schwurgericht eine Erhöhung der Mittelgebühr. |
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OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103 = RVGprofessionell 2014, 43 |
1. Im Gebührenrahmen der gerichtlichen Terminsgebühr ist die Dauer der Hauptverhandlung zwar wesentliches Kriterium, aber nicht alleiniges Kriterium für die Bemessung der Terminsgebühr, denn auch die mit der Terminsgebühr mitabgegoltene Vor- und Nachbereitung des konkreten Hauptverhandlungstermins ist mit zu berücksichtigen. 2. Die Dauer des Hauptverhandlungstermins bestimmt sich dabei nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach dessen tatsächlichem Beginn und 30 Minuten übersteigende Pausen sind in Abzug zu bringen. 3. Hauptverhandlungstermine mit einer Dauer von 6 bis 8 Stunden liegen im Durchschnitt der üblichen Dauer für Verfahren vor dem Schwurgericht oder der Wirtschaftsstrafkammer. Der durch die Terminsgebühren abgedeckte zeitliche Aufwand des Verteidigers unter Berücksichtigung der konkret darzulegenden Vor- und Nachbereitungszeiten können den durchschnittlichen Zeitaufwand eines Verteidigers in einer Wirtschaftsstrafsache erreichen. |
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LG Essen StRR 2013, 309 = RVGprofessionell 2013, 138 |
Zur Bemessung der Terminsgebühr |
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KG JurBüro 2013, 361 |
Die Anordnung der Selbstlesung von Schriftstücken ist bei der Terminsgebühr nicht gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Das Studium von Urkunden, die nach § 249 Abs. 2 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden, steht in keinem direkten Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit für einen bestimmten Verhandlungstermin. Der dafür erforderliche Zeitaufwand wird mit der gerichtlichen Verfahrensgebühr bezahlt. |
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LG Essen StRR 2013, 309 = RVGprofessionell 2013, 138 |
Die Dauer eines Hauptverhandlungstermins ist nicht das alleinige Kriterium für die Bemessung der Terminsgebühr, namentlich dann, wenn die weiteren Bemessungskriterien nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG überdurchschnittlich sind und der Rechtsanwalt auch bei Fortsetzungsterminen einen überdurchschnittlichen Vorbereitungsaufwand auf die Hauptverhandlung hatte, welcher durch die Verfahrensgebühr für das Hauptverfahren nicht allein abgegolten werden kann, fällt die Kürze der Hauptverhandlung weniger schwerwiegend ins Gewicht. |
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AG Lüdenscheid RVGreport 2013, 318 = VRR 2013, 319 = StRR 2013, 318 |
Eine Hauptverhandlung von 70 Minuten Dauer rechtfertigt unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zur Vorbereitung der Hauptverhandlung im Berufungsverfahren vier Telefonate zwischen Verteidiger und Vorsitzendem geführt worden sind, die Mittelgebühr. |
II. Bußgeldverfahren (Teil 5 VV RVG) |
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Gebühr |
Gericht/Fundstelle |
Inhalt |
Allgemeines |
AG Saarlouis VRR 2013, 440 = RVGreport 2013, 464 = zfs 2013, 710 mit zust. Anm. Hansens |
In Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist der Ansatz der sog. Mittelgebühr als Ausgangspunkt grds. gerechtfertigt; hiervon ausgehend sind in jedem Einzelfall die besonderen Umstände zu würdigen. |
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AG München, DAR 2013, 733 |
1. In alltäglichen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist nicht etwa pauschal nur eine im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühr angemessen, vielmehr ist eine Gesamtwürdigung durchzuführen und nicht allein auf das Kriterium der Bedeutung der Angelegenheit" im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG abzustellen. 2. Grundsätzlich soll in normalen Fällen die Mittelgebühr gelten, ein solcher Normalfall wird regelmäßig dann vorliegen, wenn die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind; eine Mittelgebühr kann aber auch dann angemessen sein, wenn manche Umstände unterdurchschnittlicher, andere Umstände dagegen überdurchschnittlicher Natur sind. 3. Es verbietet sich, allein darauf abzustellen, dass es wirtschaftlich unter Umständen wesentlich günstiger wäre, das Bußgeld stillschweigend zu akzeptieren und keinen Anwalt zu beauftragen, da das Gesetz gerade vorsieht, dass Rechtsmittel auch gegen geringe Geldbußen eingelegt werden können und hierfür ein Anwalt eingesetzt werden kann. Soweit der Rechtsschutzversicherer keinen vertraglichen Ausschluss für derartige Bagatellfälle vereinbart hat, ist er gehalten, seinem Vertragspartner nach den Kriterien des 14 RVG angemessene Honorare zu ersetzen. 4. Auch der Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit kann ein zulässiges Bemessungskriterium im Sinne des § 14 RVG sein. |
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AG Saarlouis VRR 2013, 440 = RVGreport 2013, 465 = zfs 2013, 710 mit zust. Anm. Hansens |
Die Auffassung, Verkehrsordnungswidrigkeiten seien wegen der regelmäßig relativ geringen Geldbußen, der mäßigen Bedeutung für den Betroffenen, dem allgemein geringen Umfang und ihrer Schwierigkeit generell in der unteren Skala aller Bußgeldverfahren einzustufen und daher sei eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr als angemessen festzusetzen, ist seit Einführung des RVG überholt. |
Höchstgebühr |
LG München I JurBüro 2013, 86 |
Die erhebliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wegen unzulässiger Handwerksausübung kann Höchstgebühren beim Verteidiger rechtfertigen. |
Termins- |
LG Potsdam, RVGreport 2014, 18 = JurBüro 2013, 641 |
Unterdurchschnittliche Bewertung eines ohne Zeugenvernehmung bereits nach weniger als 15 Minuten beendeten Hauptverhandlungstermins hinsichtlich der Berechnung der Terminsgebühr |
III. Sonstige Verfahren (Teil 6 VV RVG) |
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Nr. 6300 VV RVG |
LG Saarbrücken RVGreport 2013, 198 |
Im Abschiebungshaftverfahren ist die Festsetzung der Mittelgebühr (Nr. 6300 VV RVG) für den im Beschwerdeverfahren als Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen tätigen Rechtsanwalts nicht unbillig. |
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