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aus RVGreport 2014, 290

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen).

Angelegenheiten in Straf- und Bußgeldsachen – Teil 2: Verschiedene und besondere Angelegenheiten (§§ 17, 18 RVG)

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster /Augsburg

Wir haben in RVGreport 2014, 210 über die Bedeutung des Begriff der Angelegenheit und den Begriff „derselben Angelegenheit“ i.S. des § 16 RVG berichtet. Die Reihe wird hier mit den Fragen zu §§ 17, 18 RVG, die die „verschiedenen Angelegenheiten“ bzw. die „besondere Angelegenheit“ behandeln, fortgesetzt.

I. Verschiedene Angelegenheiten (§ 17 RVG)

Die Frage wann „verschiedene Angelegenheiten“ vorliegen mit der Folge, dass dann in gem. § 15 RVG in jeder dieser Angelegenheiten eigenständige Gebühren geltend gemacht werden können, ist in § 17 RVG grds. abschließend geregelt (zur Frage, ob Einholung der Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind, s. unten II, 4).

1. Ausdrückliche Regelungen in § 17 RVG

In § 17 RVG sind einige für das Strafverfahren bedeutsame Regelungen zu „verschiedenen Angelegenheiten“ enthalten.

a) Rechtsmittel (§ 17 Nr. 1 RVG)

Verschiedene Angelegenheiten sind nach §§ 15 Abs. 2, 17 Nr. 1 RVG im Straf-/Bußgeldverfahren das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug. In den Rechtzügen Berufung/Revision fallen die Gebühren für den RA also gesondert an.

b) Vorbereitendes Verfahren bzw. Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und gerichtliches Verfahren (§ 17 Nr. 10a, 11 RVG)

Die §§ 1718 RVG enthielten bis zum 2. KostRMoG v keine ausdrückliche Regelung darüber, ob das vorbereitende Verfahren im Strafverfahren bzw. das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren und dies jeweiligen gerichtlichen Verfahren dieselbe oder unterschiedliche Angelegenheiten sind. Diese Frage war schon im Rahmen der BRAGO umstritten. Das RVG hatte hier 2004 keine Klärung gebracht, sodass sich der Streit nach Inkrafttreten des RVG fortgesetzt hat (vgl. die Nachweise bei Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn. 129 ff.). Es handelte sich um eine der am heftigsten umstrittenen Fragen der Abrechnung nach den Teilen 4 bzw. 5 VV RVG. Dieser Streit ist durch das 2. KostRMoG v. 23.07.2013. (vgl. auch Burhoff RVGreport 2014, 330 ff.; ders., VRR 2013, 287; ders., StRR 2013, 284). In § 17 Nr. 10a RVG ist jetzt ausdrücklich bestimmt, dass im Strafverfahren das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliche Verfahren unterschiedliche Angelegenheiten sind. § 17 Nr. 11 RVG bestimmt für das Bußgeldverfahren, dass das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren unterschiedliche Angelegenheiten sind.

Das bedeutet: Der RA/Verteidiger kann in jeder dieser Angelegenheiten nach der Anm. 1 zur Nr. 7002 VV RVG eine Postentgeltpauschale geltend machen. Jede dieser Angelegenheiten hat einen eigenen Fälligkeitszeitpunkt für die anwaltliche Vergütung und damit ggf. unterschiedliche Verjährungszeitpunkte (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Fälligkeit der Vergütung [§ 8], Rn. 769). Beim Pflichtverteidiger hat die Änderung in § 17 Nr. 10a RVG i.V.m. der Änderung in § 58 Abs. 3 Satz 1 RVG Auswirkungen auf die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen (vgl. wegen der Einzelheiten Burhoff/Volpert, RVG, § 58 Abs. 3 Rn. 18 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 58 Rn. 54 ff.; zur Anwendbarkeit der Neuregelung in Übergangsfällen s. Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Übergangsregelungen [§ 60 f.], Rn. 1933 ff. mit Beispielen; zu Altfällen Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Fälligkeit der Vergütung [§ 8], Rn. 129 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung).

c) Strafverfahren/Bußgeldverfahren (§ 17 Nr. 10b RVG)

Für die Praxis von besonderer Bedeutung ist außerdem die Regelung in § 17 Nr. 10b RVG. Dort ist für das Verhältnis von Straf- und Bußgeldsachen ausdrücklich geregelt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten sind (wegen der Einzelh. s. Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5 VV Rn. 37 ff. m.w.N. und Burhoff RVGreport 2007, 161). Der umgekehrte Fall ist nicht geregelt (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 5 VV Rn. 41 m.w.N. und N. Schneider AGS 2011, 469). Er wird aber schon wegen der völlig eigenständigen Gebührenregelung für die Bußgeldsachen und die Strafsachen ebenso zu lösen sein.

Diese Regelung hat zur Folge, dass der RA, der den Beschuldigten/Betroffenen sowohl im Strafverfahren als auch in einem sich anschließenden Bußgeldverfahren verteidigt, neben den im Strafverfahren verdienten Gebühren zusätzlich auch noch die entsprechenden Gebühren des Bußgeldverfahrens erhält. Eine Anrechnung findet nicht statt (zu allem auch N. Schneider DAR 2008, 756), mit Ausnahme der Grundgebühr (vgl. dazu die Anm. 2 zu Nr. 5100 VV RVG). Auch die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG entsteht nach der Anm. 1 zu dieser Vorschrift sowohl für das Strafverfahren als auch für das Bußgeldverfahren.

Umstritten war für die Zeit vor dem 2. KostRMoG die Frage, ob der Verteidiger in diesen Fällen für seine Mitwirkung bei Einstellung des Strafverfahrens auch die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG verlangen kann. Das ist in der Vergangenheit (zutreffend) von der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung bejaht worden (vgl. dazu die Nachw. bei Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§3 15 ff.], Rn. 123). Diese Frage hat sich durch das 2. KostRMoG v. 23.07.2013 (BGBl 2013, S. 2586) erledigt, nachdem in Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 VV RVG das Wort „Verfahren“ durch „Strafverfahren“ ersetzt worden ist (vgl. dazu auch Burhoff RVGreport 2013, 330 ff.). Für „Altfälle“ gilt: Das 2. KostRMoG ist am 1. 8. 2013 in Kraft getreten. Die Neuregelung gilt daher wegen der Übergangsregelung in § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG erst in den Verfahren, in denen ab diesem Tag der Auftrag unbedingt erteilt worden ist (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Übergangsregelungen [§ 61 f.], Rn. 1956 ff.). In „Altverfahren“ muss sich der Verteidiger/RA noch auf die alte Rechtsprechung und ggf. einen Streit mit der Staatskasse und/oder den Rechtsschutzversicherungen, die die vom Gesetzgeber nun korrigierte Entscheidung des BGH erstritten hatten, vorbereiten. Der Verteidiger sollte aber auf die Rechtsänderung und die damit einhergehende Unhaltbarkeit der abweichenden Auffassung des BGH (BGH RVGreport 2010, 70 m. abl. Anm. Burhoff = StRR 2010, 109 = VRR 2010, 38 = AGS 2010, 1 m. abl. Anm. N. Schneider = JurBüro 2010, 228 m. abl. Anm. Kotz) hinweisen. M.E. kann man nach der Rechtsänderung die Nr. 4141 VV RVG in diesen Fällen nicht mehr mit gutem Gewissen verweigern (s. aber AG Wiesbaden AGS 2014, 64 = VRR 2014, 159).

d) Strafverfahren/vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 17 Nr. 12 RVG)

Nach § 17 Nr. 12 RVG sind das Strafverfahren und das (spätere) Verfahren über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung (§ 275a StPO) verschiedene Angelegenheiten. Das bedeutet (vgl. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn. 28 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, VV Vorb. 4.1 Rn. 2 f.): Der RA, der den Verurteilten im Verfahren nach § 275a StPO vertritt, erhält für seine Tätigkeiten gesonderte Gebühren, und zwar sowohl der Wahlanwalt als auch der Pflichtverteidiger. Im Einzelnen:

In dem Verfahren nach § 275a StPO fallen aber Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 (Vorbereitendes Verfahren) VV RVG nicht (mehr) an, da es sich um ein reines gerichtliches Erkenntnisverfahren handelt. Ein vorbereitendes Verfahren gibt es nicht. Der RA verdient aber auf jeden Fall die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, ggf. mit Zuschlag. Ob der RA den Verurteilten auch bereits im Strafverfahren verteidigt hat, ist unerheblich. Es handelt sich um ein von diesem unterschiedliches Verfahren, in das sich im Zweifel auch der ehemalige Verteidiger wieder einarbeiten muss, sodass die Grundgebühr der Nr. 4100 VV RVG anfällt (zur Grundgebühr Burhoff RVGreport 2014, 42 ff. m.w.N.). Ggf. erhält der RA auch noch eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV, wenn einer der dort erwähnten Gebührentatbestände erfüllt ist (vgl. die Komm. zu Nr. 4102 VV).

Der RA erhält für seine Tätigkeiten außerdem die gerichtliche Verfahrensgebühr und Terminsgebühr nach Nrn. 4112 ff. VV RVG oder die des Schwurgerichts bzw. der Wirtschaftsstrafkammer Nrn. 4118 ff. VV RVG. Nur diese Gerichte können als Gericht des ersten Rechtszugs über eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung entscheiden. Die Gebühren erhält der RA ggf. mit Zuschlag. Die Entscheidung im Verfahren nach § 275a StPO ergeht durch Urteil. Wird dagegen Revision eingelegt, können Gebühren nach den allgemeinen Regeln für das Revisionsverfahren nach den Nrn. 4130 ff. VV RVG entstehen.

(s. auch Vorbem. 4.1 VV Rn. 15 ff.).

e) Wiederaufnahmeverfahren (§ 17 Nr. 13 RVG)

Nach § 17 Nr. 13 RVG sind das Wiederaufnahmeverfahren und das wiederaufgenommene Verfahren in Straf- oder Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten (zu den Gebühren des Verteidigers im Wiederaufnahmeverfahren s. Burhoff/Burhoff, RVG, Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV mit den Nrn. 4136 VV ff. VV). Entsprechendes gilt für das Wiederaufnahmeverfahren und das vorausgegangene Straf- und Bußgeldverfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 17 Rn. 134; Mayer/Kroiß-Rohn, § 17 Rn. 56) sowie für das wiederaufgenommene und das frühere Straf- und Bußgeldverfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 17 Rn. 135; Mayer/Kroiß/Rohn, a.a.O.). D.h.: Es entstehen im früheren Straf-/Bußgeldverfahren, im Wiederaufnahmeverfahren und im wiederaufgenommenen Verfahren jeweils eigenständige Gebühren (zum Entstehen der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG s. Burhoff RVGreport 2014, 42, 43).

Mit dem Begriffwiederaufgenommenes Verfahren“ meint § 17 Nr. 13 RVG das Verfahren nach einer Wiederaufnahme i.S.d. §§ 359 ff. StPO bzw. § 85 OWiG. Darunter fällt nicht, die „Wiederaufnahme“ eines nach § 154 Abs. 2 StPO (zunächst) eingestellten Verfahren, das dann „wieder aufgenommen“ und dann fortgesetzt wird. In dem Fall handelt es sich nicht um „verschiedene Angelegenheiten“ mit der Folge, dass nach „Wiederaufnahme“ noch einmal eine Verfahrensgebühr entstehen würde (AG Osnabrück JurBüro 2008, 588 = AGS 2009, 113). Entsprechendes gilt für die „Wiederaufnahme“ eines nach § 153a StPO vorläufig eingestellten Verfahrens (vgl. auch Burhoff RVGreport 2014, ¢¢¢).

f) Verfahren in der Hauptsache/Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 17 Nr. 4b RVG)

Wird in Strafvollzugssachen zunächst nach § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG eine einstweilige Anordnung beantragt und schließt sich dann das Verfahren in der Hauptsache nach § 109 StVollzG an, erlangt der (neue) § 17 Nr. 4b RVG Bedeutung. Bis zum 2. KostRMoG war in diesen Fällen umstritten, ob es sich dabei um unterschiedliche/besondere Angelegenheiten handelt (vgl. bejahend KG RVGreport 2008, 100 = StraFo 2008, 132 = AGS 2008, 227 = StV 2008, 374; LG Marburg StraFo 2006, 216; verneinend OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 31. 8. 2006 – 2 Ws 44/06). Die Frage hat sich durch das 2. KostRMoG erledigt, nachdem § 17 Nr. 4b RVG geändert worden ist. In der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 17 Nr. 4b RVG wird ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Regelung sämtliche Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz betrifft (BT-Drucks. 17/11471, S. 267). Das bedeutet, auch dass die Tätigkeit im Rahmen der einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nun auf jeden Fall als besondere Angelegenheit angesehen werden muss. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil im Wortlaut von § 17 Nr. 4b RVG die Wörter „einen Antrag auf“ gestrichen worden sind und der Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebracht hat, dass auch Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von Amts wegen einen besondere Angelegenheit bilden (s. auch Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz und ähnliche Verfahren, Rn. 2099).

 

2. Fragestellungen außerhalb von § 17 RVG

a) Mehrere (Ermittlungs)Verfahren/Verbindung

Für die Praxis von erheblicher Bedeutung ist die Frage, wie mit mehreren gegen den Beschuldigten anhängigen Ermittlungsverfahren oder gerichtlichen Verfahren umzugehen ist. Die Problematik lösen Rechtsprechung und Literatur dahin, dass, wenn von den Strafverfolgungsbehörden gegen einen Beschuldigten mehrere Ermittlungsverfahren geführt werden, jedes eine eigene Angelegenheit ist, solange die Verfahren nicht miteinander verbunden worden sind, was für das gerichtliche Verfahren entsprechend gilt (wegen der Einzelh. s. Burhoff RVGreport 2014, ¢¢¢).

b) Tätigkeit als Zeugenbeistand nach vorausgegangener Verteidigertätigkeit

Die Tätigkeit des RA als Zeugenbeistand ist nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG wie eine vorausgegangene oder auch zeitlich parallel laufende Verteidigertätigkeit (OLG Düsseldorf RVGreport 2008, 182 = StRR 2008, 78; OLG Hamm StraFo 2008, 45 = RVGreport 2008, 108 = JurBüro 2008, 83 = StRR 2008, 79; OLG Koblenz RVGreport 2006, 232 = AGS 2006, 598 = NStZ-RR 2006, 254; OLG Köln AGS 2008, 126; OLG München, Beschl. v. 29. 3. 2007 – 1 Ws 354/07, www.burhoff.de; LG Dresden, Beschl. v. 7. 9. 2007 – 5 KLs 109 Js 27593/05, www.burhoff.de; LG München I, Beschl. v. 19. 2. 2007 – 12 KLs 247 Js 228 539/05, www.burhoff.de; Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§ 15 ff.], Rn. 141 ff.).

Der RA ist vielmehr in der AngelegenheitZeugenbeistand“ so zu honorieren, als wäre er für den Mandanten erstmals tätig geworden (zur str. Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistands nach Teil 4 Abschnitt 1 VV oder Teil 4 Abschnitt 3 VV s. Burhoff/Burhoff, RVG Vorbem. 4.1 VV Rn. 5 ff.). Es entstehen, wenn der RA an einem Vernehmungstermin teilnimmt, Verfahrensgebühr und Grundgebühr sowie die Postentgeltpauschale Nr. 7022 VV RVG. Der RA erhält zudem auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Da es sich bei der Tätigkeit als Zeugenbeistand nicht um dieselbe Angelegenheit handelt wie bei der Verteidigertätigkeit, tritt keine Gebührenbegrenzung nach § 15 Abs. 2, 5 RVG ein (vgl. u.a. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Koblenz, a.a.O.; LG München I, a.a.O.). Beim Wahlanwalt ist aber zu berücksichtigen, dass die Einarbeitung weniger aufwendig sein wird als im Strafverfahren, da der „Rechtsfall“ dem RA zumindest teilweise bekannt ist. Völlig entfallen wird die Einarbeitung schon wegen der neuen Verfahrenssituation aber nicht (OLG Koblenz, a.a.O.; LG München I, a.a.O.).

c) Nachtragsanklage

§ 266 StPO sieht die Erhebung einer Nachtragsanklage vor. Diese wird in der Hauptverhandlung erhoben. Das Gericht kann die weiteren Straftaten, auf die sich die Nachtragsanklage bezieht, durch Beschluss in das Verfahren einbeziehen (vgl. zur Nachtragsanklage Burhoff, HV, Rn. 1849 ff.). Gebührenrechtlich handelt es sich bei dem „Nachtragsanklageverfahren“ und bei dem Ursprungsverfahren, in dem die Nachtragsanklage erhoben wird, um verschiedene Angelegenheiten. Das hat zur Folge, dass der RA nach den Grundsätzen des § 15 in beiden Verfahren Gebühren verdienen kann.

Beispiel 1:

A ist wegen einer am 25. 1. 2013 begangenen Trunkenheitsfahrt nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB beim AG angeklagt worden. Er wird von Anfang an von RA R verteidigt. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass A den Pkw, mit dem er betrunken gefahren ist, am 23. 1. 2013 gestohlen hatte. Der Staatsanwalt erhebt Nachtragsanklage. Diese wird vom Gericht zugelassen und in der Hauptverhandlung mitverhandelt.

Lösung:

Es ist wie folgt abzurechnen:

  • Abrechnen kann R zunächst im Ursprungsverfahren betreffend (nur) die Trunkenheitsfahrt die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG, die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG.
  • Im „Nachtragsanklageverfahren“ kann er, da es sich um eine eigene Angelegenheit handelt, dann noch folgende Gebühren geltend machen: Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, da das Verfahren einen anderen Rechtsfall betrifft (vgl. zum Begriff Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 36; Burhoff RVGreport 2014, 42, 48), die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und m.E. auch die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG, da auch in diesem Verfahren (zunächst) ein eigenständiger Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat. Zudem ist m.E. auch noch die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG entstanden. Die Konstellation ist vergleichbar mit der im beschleunigten Verfahren (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4104 VV Rn. 8).
d) Jugendgerichtsverfahren (§§ 27, 30 JGG)

Im JGG ist in § 27 die Möglichkeit vorgesehen, die Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung auszusetzen. Stellt sich dann vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit heraus, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, erkennt der Jugendrichter nach § 30 Abs. 1 JGG auf die Strafe, die er im Zeitpunkt des Schuldspruchs ausgesprochen hätte (wegen der Einzelh. Schimmel in: Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2013, Teil D Rn. 762 ff.). Diese Entscheidung ergeht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 JGG aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil.

Fraglich ist, ob diese Regelung dazu führt, eine vom ursprünglichen Erkenntnisverfahren verschiedene Angelegenheit annehmen zu können, in der die Gebühren des Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG sämtlich noch einmal entstehen. Das ist nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich bei der nach § 30 JGG zu treffenden Entscheidung um die das (ursprüngliche) Erkenntnisverfahren abschließende (gerichtliche) Entscheidung: Bewährt sich der Jugendliche, greift § 30 Abs. 2 JGG ein und der Schuldspruch wird ohne Weiteres getilgt. Bewährt er sich hingegen nicht, muss neu verhandelt werden, und die bedingte Verurteilung nach § 27 JGG wird nun in einer weiteren Hauptverhandlung (§ 62 JGG) in eine ggf. unbedingte umgewandelt (BayObLG GA 1971, 181). Für die Teilnahme an dieser Hauptverhandlung entsteht dann die jeweilige Hauptverhandlungsterminsgebühr.

Beispiel 2:

RA R vertritt den Jugendlichen J als Verteidiger von Anfang an. Gegen den J wird im Jugendgerichtsverfahren beim Jugendrichter Anklage erhoben. Es findet eine Hauptverhandlung statt. Der Jugendrichter macht von § 27 JGG Gebrauch und setzt eine Bewährungszeit von zwei Jahren fest. Vor deren Ablauf wird der J erneut straffällig. Nunmehr wird nach § 30 Abs. 1 JGG i.V.m. § 62 JGG eine erneute Hauptverhandlung anberaumt und der J zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt.

Lösung:

Entstanden sind folgende Gebühren:

  • Im vorbereitenden Verfahren die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG sowie eine Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG.
  • Im gerichtlichen Verfahren die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG, die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG (1. Hauptverhandlung), die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG (2. Hauptverhandlung im Verfahren nach § 30 JGG) und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG für den Wahlanwalt ist über § 14 Abs. 1 RVG das „Nachverfahren“ zu berücksichtigen. Der Pflichtverteidiger muss ggf. einen Pauschgebührenantrag nach § 51 Abs. 1 RVG stellen.

e) Strafvollstreckung (Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG)

Jedes einzelne Vollstreckungsverfahren stellt eine gesonderte Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG dar. In mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Widerrufsverfahren entstehen die Gebühren daher immer wieder neu (LG Magdeburg StraFo 2010, 172 = RVGreport 2010, 183 = StRR 2010, 279 = AGS 2010, 429; Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 15, Rn. 740; vgl. aber LG Neubrandenburg, Beschl. v. 6. 3. 2012 – 527 Js 14594/09). Entsprechendes gilt für die Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB (so zutreffend KG RVGreport 2005, 102 = NStZ-RR 2005, 127 = JurBüro 2005, 251 = AGS 2005, 393; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2005, 253 = AGS 2006, 76; OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = AGS 2005, 120 = JurBüro 2005, 25 = StV 2006, 206; dazu auch Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 VV Rn. 34 m.w. Beispielen und Nr. 4200 VV Rn. 13 f.).

Beispiel 3:

A ist zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Als er eine neue Straftat begeht, beantragt die Staatsanwaltschaft den Widerruf der Strafaussetzung. Es wird jedoch nicht widerrufen, sondern die Bewährungszeit wird verlängert. A begeht eine weitere Straftat. Es wird erneut der Widerruf beantragt.

Lösung:

Der RA, der den A verteidigt, kann die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG zweimal geltend machen. Es handelt sich bei den beiden Widerrufsverfahren um zwei Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG.

Unzutreffend ist in dem Zusammenhang die Auffassung des OLG Köln, das in seinem Beschl. v. 30. 11. 2010 (RVGreport 2011, 103 = StRR 2011, 241 m. abl. Anm. Burhoff = AGS 2011, 174 m. abl. Anm. Volpert) davon ausgeht, dass das Verfahren über die Aussetzung mehrerer Reststrafen zur Bewährung gem. § 57 StGB nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG a.F. darstellt. Ähnlich hat das LG Aachen entschieden (vgl. RVGreport 2010, 379 m. abl. Anm. Burhoff = StRR 2011, 39 = AGS 2010, 428 m. abl. Anm. N. Schneider). Nach seiner Ansicht soll dann, wenn gegen den Verurteilten in zwei Verfahren die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und vollstreckt wird, der in beiden Verfahren bestellte Pflichtverteidiger die Vergütung insgesamt nur einmal erhalten. Beide Gerichte übersehen, dass es sich um zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten handelt, in denen die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG jeweils gesondert entstehen. Gerichtliche Verfahren, die nebeneinander geführt werden, sind stets verschiedene Angelegenheiten, auch wenn ihnen ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt (AnwKomm-RVG/N. Schneider, RVG, 7. Aufl., § 15 Rn. 80).

Beispiel 4 (nach LG Neubrandenburg, Beschl. v. 6. 3. 2012 – 527 Js 14594/09):

R ist für den V im Strafvollstreckungsverfahren tätig. Er hat am 14. 1. 2010 einen Antrag gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestellt. Im Anhörungstermin am 22. 2. 2010 wird vereinbart, dass ein Führungsbericht bzw. Alternativsachstandsbericht bis Ende Juni 2010 gefertigt werden sollte und über eine vorzeitige Entlassung im August 2010 wieder verhandelt werden soll. Der Verteidiger stellt am 4. 6. 2010 erneut einen Antrag nach § 57 Abs. 1 StGB. In einem weiteren Anhörungstermin am 6. 9. 2010 wird die Entscheidung über diesen Antrag ausgesetzt und eine erneute Anhörung für das Frühjahr 2011 vorgesehen. Am 17. 1. 2011 findet eine weitere Anhörung statt. Als deren Folge wird am 31. 1. 2011 die vorzeitige Entlassung des V beschlossen. R stellt sich für die Abrechnung die Frage, wie viele Angelegenheiten vorliegen.

Lösung:

Das LG Neubrandenburg (a.a.O.) geht davon aus, dass es sich nur um eine Angelegenheit handelt, weil über die Anträge von der Strafvollstreckungskammer nicht abschließend entschieden worden sei. Zudem verweist das LG darauf, dass der R nur eine Vollmacht „Strafvollstreckungsverfahren“ erteilt worden sei. Die Vollmacht sei auch nicht beschränkt gewesen.

M.E. kann man nicht darauf abstellen, dass nur eine Vollmacht erteilt worden ist. Das schließt nicht aus, dass der RA in mehreren gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig werden kann/wird. Vielmehr wird man darauf abstellen müssen, dass die Zustimmungen des Verteidigers zu den in den Anhörungsterminen gefundenen Ergebnissen jeweils als konkludente Rücknahmeerklärungen zu werten sind, die die durch die jeweiligen Anträge eingeleiteten Verfahren beendet haben. Geht man aber davon aus, dann handelt es sich um mehrere Angelegenheiten. Der Verteidiger muss also in vergleichbaren Fällen ausdrücklich die Rücknahme seiner Anträge erklären.

f) Strafverfahren und sich anschließendes Privatklageverfahren

Die Frage, ob ein Strafverfahren und ein sich daran nach Einstellung betriebenes Privatklageverfahren unterschiedliche Angelegenheiten sind, regelt das RVG nicht. Sie kann aber Bedeutung erlangen, wenn nach Einstellung eines Strafverfahrens und/oder Verweisung des Anzeigeerstatters auf den Privatklageweg dieser das Privatklageverfahren betreibt (vgl. dazu Burhoff, RVGreport 2014, 2, 3 f.).

Beispiel 5 (nach Burhoff/Burhoff, Teil A: Angelegenheiten [§ 15 ff.], Rn. 135):

A erstattet Strafanzeige gegen den B wegen Hausfriedensbruch (§ 123 StGB). Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein und verweist den A auf den Privatklageweg (Nr. 87 RiStBV). A reicht über seinen RA nun eine Privatklage ein (§§ 374 ff. StPO). Zu dieser nimmt RA R, der den Beschuldigten B auch im Privatklageverfahren vertreten hat, Stellung. Das AG weist den Antrag auf Privatklage zurück und legt dem Privatkläger A die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des B auf (§ 471 Abs. 3 StPO). R macht für das Privatklageverfahren Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG geltend. Der Vertreter des A wendet ein, die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG habe der R bereits im Strafverfahren verdient. Sie seien im Privatklageverfahren nicht noch einmal entstanden, da es sich um dieselbe Angelegenheit handle.

Lösung:

Der Hinweis des Vertreters des A zielt auf § 15 Abs. 2 RVG. Danach kann der RA die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2014, ¢¢¢). Strafverfahren und ein sich ggf. nach dessen Einstellung anschließendes Privatklageverfahren sind jedoch nicht dieselbe, sondern sind verschiedene Angelegenheiten. Dafür spricht schon, dass das Privatklageverfahren nicht eine Fortführung des (staatlichen) Strafverfahrens als Offizialverfahren ist, sondern eine besondere Verfahrensart, für die eigene Regeln gelten (zum Privatklageverfahren Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 2436; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., 2013, Rn.  2026). Das Strafverfahren kann auch nicht etwa als „Vorverfahren“ eines sich ggf. anschließenden Privatklageverfahrens angesehen werden. Beide Verfahren sind eigenständige Verfahren. Das Privatklageverfahren setzt nicht voraus, dass zuvor ein (erfolgloses) Strafverfahren durchgeführt worden ist (§ 374 Abs. 1 StPO). Geht man i. Üb. davon aus, dass auch der Sühneversuch nach § 380 StPO und das Privatklageverfahren verschiedene Angelegenheiten sind (vgl. vorstehend II, 1) muss das erst recht für die Konstellation Strafverfahren/Privatklageverfahren gelten. Schließlich spricht auch die Regelung in § 16 Nr. 12 RVG für diese Annahme, da dort nur für Verhältnis von Privatklage und Widerklage in demselben Privatklageverfahren geregelt wird, dass es sich um dieselbe Angelegenheit handelt (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2014, ¢¢¢). Aus der Einbeziehung der Fälle des § 388 StPO folgt nichts anderes. Auch insoweit handelt es sich immer noch um dasselbe Privatklageverfahren, in dem von dem Dritten Widerklage erhoben worden ist.

Geht man von verschiedenen Angelegenheiten aus, kann der RA auch für das Privatklageverfahren die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG abrechnen. Dem Anfall der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG steht nicht entgegen, dass diese auch bereits im Strafverfahren entstanden ist. Insoweit gelten dieselben Überlegungen wie beim RA in der Funktion des Zeugenbeistands, auch wenn er zuvor bereits als Verteidiger für den Zeugen tätig gewesen ist (vgl. dazu oben die Rechtsprechungs-Nachweise bei II, 2). Ohne besondere Anrechnungsregelung findet eine Anrechnung nicht statt. Der RA hat sich auch in das Privatklagverfahren „einarbeiten“ müssen, da dieses einen anderen Verfahrensgegenstand hat und anderen verfahrensrechtlichen Regelungen folgt als das vorangegangene Strafverfahren (vgl. für den Zeugenbeistand OLG Koblenz, a.a.O.).

g) Sühneversuch und Privatklage

Fraglich ist, ob der Sühneversuch nach § 380 StPO und das Privatklageverfahren nach §§ 375 ff. StPO verschiedene Angelegenheiten sind. Das wird von Gerold/Schmidt/Müller-Rabe (a.a.O., VV 7001, 7002 Rn. 26) mit einem Hinweis auf Madert, Anwaltsgebühren in Straf- und Bußgeldsachen, Rn. 104, bejaht (s. auch Gebauer/N./Schneider, BRAGO, § 94 Rn. 29), vom AG Mainz (Rpfleger 1972, 234; AnwBl. 1981, 512) hingegen verneint. Geht man davon aus, dass die Sühnestelle und das AG unterschiedliche Behörden sind, sodass quasi verschiedene Instanzen angegangen werden (s. Madert, Rechtsanwaltsvergütung in Straf- und Bußgeldsachen, Rn. 239), ist die die Annahme von verschiedenen Angelegenheiten zutreffend. Das Sühneverfahren ist zwar in den Fällen des § 380 Abs. 1 StPO Klagevoraussetzung, es ist aber noch kein Strafverfahren. Das spricht dafür, im Sühneverfahren eine eigene, vom Privatklageverfahren unterschiedliche Angelegenheit zu sehen. Folge ist, dass im Sühneverfahren dann eine selbstständige Auslagenpauschale Nr. 7002 VV entsteht (s. auch Gebauer/N./Schneider, a.a.O.).

h) Einzeltätigkeiten (Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG)

Für Einzeltätigkeiten ist auf Vorbem. 4.3 Abs. 3 VV RVG zu verweisen. Danach entsteht die Gebühr für jede der genannten Tätigkeiten gesondert, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. wegen der Einzelh. Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV RVG Rn. 8 ff.). Zu beachten ist aber § 15 Abs. 6 RVG. Danach darf der mit Einzeltätigkeiten beauftragte RA, insgesamt nicht mehr Gebühren erhalten, als wenn er von vornherein einen Gesamtauftrag erhalten hätte. Das ergibt sich aus der Verweisung in Vorbem. 4.3 Abs. 3 Satz 2 VV RVG auf § 15 RVG und damit auch auf dessen Abs. 6 (s. dazu das Beispiel bei Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn. 50 f.).

II. Besondere Angelegenheiten (§ 18 RVG )

 

1. Allgemeines

In § 18 RVG sind die besonderen Angelegenheiten geregelt. Besondere strafrechtliche Regelungen sind nicht enthalten. Die Vorschrift fasst vielmehr im Wesentlichen Regelungen zur Zwangsvollstreckung und zu Familiensachen zusammen, die früher über die BRAGO verstreut waren (zur Frage, ob das Verfahren einer einstweiligen Anordnung nach § 114 StVollzG eine unterschiedliche/besondere Angelegenheit ist, vgl. oben Rn. I, 4). Auf folgende Fälle ist aber dennoch hinzuweisen:

2. Beschwerden

Für Angelegenheiten, die in Teil 3 VV Revisionsgericht geregelt sind, stellt die Beschwerde eine neue Angelegenheit dar. Das ergibt sich aus § 15 Abs. 2 und aus § 18 Abs.1 Nr. 3 RVG. Demgemäß sehen die Nrn. 3500 ff. VV RVG für die Beschwerdeverfahren auch gesonderte Vergütungsregelungen vor. Für Beschwerden im Straf-/Bußgeldverfahren und in sonstigen Verfahren nach Teil 6 VV gilt das grds. nicht. In diesen Verfahren löst die Beschwerde vielmehr grds. keine neue besondere Angelegenheit aus. Das Beschwerdeverfahren gehört aufgrund des Pauschgebührencharakters der Vorschriften (s. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn. 27 ff.) noch zum Rechtszug (AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 15 Rn. 109; § 18 Rn. 40; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn. 14; Volpert VRR 2006, 453; Burhoff RVGreport 2012, 12; s. auch Burhoff/Volpert, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rdn. 570 ff. m.w.N.). Das ist durch das 2. KostRMoG jetzt in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG ausdrücklich geregelt. Die ausdrückliche Regelung war wegen des Wegfalls von § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG a.F. und der Neuregelung in § 17 Nr. 1 RVG erforderlich (Burhoff RVGreport 2014, 330; ders., VRR 2013, 287 = StRR 2013, 284; s. schon für das alte Recht (BGH NJW 2009, 2682 = MDR 2009, 1193 = StRR 2009, 385; OLG Düsseldorf AGS 2011, 70 = RVGreport 2011, 22 = StRR 2011, 38; AG Hof AGS 2011, 68 = JurBüro 2011, 253 = VRR 2011, 83; AG Sinzig JurBüro 2008, 249). Der Umstand, dass der RA auch im Beschwerdeverfahren für seinen Mandanten tätig gewesen ist, muss allerdings bei der Bemessung der konkreten Gebühr im Rahmen des § 14 RVG berücksichtigt werden.

Von diesem Grundsatz macht das RVG jedoch folgende Ausnahmen:

  • Nach Vorbem. 4 Abs. 5 VV RVG lösen in Strafsachen die Erinnerungen und Beschwerden gegen den Kostenansatz, gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss sowie Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen eine Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 ff. VV RVG aus (wegen der Einzelh. s. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 115 ff.).
  • Im Wiederaufnahmeverfahren ist nach Nr. 4139 VV RVG eine (besondere) Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren vorgesehen (vgl. wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4139 VV Rn. 1 ff.).
  • Nach Vorbem. 4.2 VV RVG erhält der RA bei den Gebühren in der Strafvollstreckung nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache eine besondere „Verfahrensbeschwerdegebühr“ (vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 VV Rn. 16 ff.; zur Frage, ob auch die Auslagenpauschale gesondert entsteht, s. Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn. 155).
  • Nach Nr. 4145 VV RVG erhält der RA für die sofortige Beschwerde nach § 406a StPO, mit der er sich im Adhäsionsverfahren gegen die sog. Absehensentscheidung wendet, eine eigenständige Gebühr.
  • Eine besondere Gebühr erhält der RA nach Nr. 4146 VV RVG auch, wenn er für den Mandanten gegen eine das Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beendende Entscheidung gem. § 25 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 13 StrRehaG Beschwerde einlegt.
  • Auch bei den Einzeltätigkeiten in Strafsachen entsteht nach Vorbem. 4.3 Abs. 3 Satz 2 VV RVG die Beschwerdegebühr gesondert. Bei den Einzeltätigkeiten nach Teil 5 VV (s. Nr. 5200 VV RVG) ist das jedoch nicht der Fall.
  • Nach Vorbem. 5 Abs. 4 VV RVG lösen in Bußgeldsachen u.a. die Erinnerungen und Beschwerden gegen den Kostenansatz, gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss sowie Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen eine Beschwerdegebühr nach Nrn. 3500 ff. VV RVG aus.

 

3. Therapieunterbringungsgesetz

§ 20 Abs. 3 Satz 2 ThUG bestimmt, dass die Tätigkeit, die der nach § 7 Abs. 1 ThUG beigeordnete RA im Verfahren zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter zwischen dem Anordnungs- bzw. Verlängerungsverfahren und einem weiteren Verfahren über die Therapieunterbringung erbringt, eine besondere Angelegenheit darstellt, für die die Verfahrensgebühr Nr. 6302 VV anfällt (vgl. dazu BT-Drucks. 17/3403, S. 59; s. auch Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Allgemeine Vergütungsfragen, Rn. 32 und zu Einzelh. Teil A: Sicherungsverwahrung/Therapieunterbringung, Rn. 1780 ff.).

4. Einholung der Deckungszusage

Der in Straf- und Bußgeldsachen vertretene Mandant ist häufig rechtsschutzversichert. Hat der RA das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung bei der Übernahme des Mandats festgestellt, wird er Anwalt häufig die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung für das anstehende Verfahren einholen. Jedenfalls dann, wenn es sich nicht um einen unproblematischen Standardfall handelt, ist die Einholung keine von den später in der Straf- oder Bußgeldsache anfallenden Gebühren abgegoltene Serviceleistung des Anwalts (s. dazu auch AG Schwäbisch-Hall VersR 2010, 1332; Lensing AnwBl. 2010, 688). Nach h.M. handelt es sich vielmehr um eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG (vgl. u.a. KG AnwBl. 2010, 445 = MDR 2010, 840; OLG Düsseldorf AGS 2011, 366 = MDR 2011, 760 = AnwBl. 2011, 964; LG Ulm zfs 2010, 521; LG Duisburg zfs 2010, 520; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Deckungszusage, Einholung bei der Rechtsschutzversicherung, Rn. 617 ff. vgl. auch noch die Rechtsprechungsübersicht von Nugel, VRR 2011, 133 und OLG Celle AGS 2011, 152 = RVGreport 2011, 149 = VRR 2011 198; OLG Düsseldorf AGS 2011, 366 = MDR 2011, 760 = AnwBl. 2011, 964). Nach Auffassung des BGH (NJW 2012, 6 = AGS 2012, 152 = RVGreport 2012, 154) spricht viel dafür, die Einholung der Deckungszusage jedenfalls dann nicht als besondere gebührenrechtliche Angelegenheit anzusehen, wenn sich die Tätigkeit des RA in der Anforderung der Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift erschöpft und die Zusage anschließend umstandslos erteilt wird (wegen der Einzelh. zu allem Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Deckungszusage, Einholung bei der Rechtsschutzversicherung, Rn. 613 ff.).


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