aus RVGreport 2012, 12
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Eine der Fragen, die bei der Abrechnung in Straf- und Bußgeldsachen offenbar die meisten Schwierigkeiten macht, ist die nach der Abrechnung von Beschwerden. Das zeigt sich immer wieder auf Seminaren und/oder durch entsprechende Fragestellungen im Forum auf meiner Homepage www.burhoff.de. Die nachfolgenden Ausführungen stellen die damit zusammenhängenden Problem vor (wegen weiterer Einzelh. Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 370 ff.).
Die nachstehenden Ausführungen gelten nicht nur für den Verteidiger Wahlanwalt oder Pflichtverteidiger -, sondern nach Vorbem. 4 Abs. 1 bzw. Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG auch für alle anderen in Teil 4 oder 5 VV RVG tätigen RAe. Sie gelten also insbesondere auch für den Nebenklägervertreter oder -beistand oder für den Zeugenbeistand.
Nach § 18 Nr. 5 RVG handelt es sich in den nach Teil 3 VV RVG abzurechnenden Angelegenheiten bei jedem Beschwerdeverfahren um eine besondere, nach Nr. 3500 ff. VV RVG abzurechnende Angelegenheit. Da § 18 Nr. 5 RVG in Straf- und Bußgeldsachen nicht gilt, bilden Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen grds. keine besondere Angelegenheit (so auch der Referentenentwurf zum 2. KostRMoG in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG-E). (Teilweise) Ausnahmen gelten u.a.
Der Umstand, dass es sich bei einem strafverfahrensrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht um eine besondere Angelegenheit i.S. des § 18 Nr. 5 RVG handelt und die Regelung in Vorbem. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV RVG, die den Pauschalcharakter der in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG enthaltenen Verteidigergebühren regelt (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn. 23 m.w.N.) führt dazu, dass für die Tätigkeit in einem strafverfahrensrechtlichen Beschwerdeverfahren keine gesonderte Gebühren entstehen, sondern die Tätigkeiten des RA grds. durch die jeweiligen Verfahrensgebühren (mit)abgegolten werden (vgl. aus der Rechtsprechung BGH NJW 2009, 2682 = MDR 2009, 1193 = StRR 2009, 385; KG, Beschl. v. 09.07.2010 1 Ws 171/09 und Beschl. v. 27. 10. 2011 1 Ws 80/11; OLG Düsseldorf RVGreport 2011, 22 = StRR 2010, 443 = StRR 2011, 38 = AGS 2011, 70; AG Hof RVGreport 2011, 262 = JurBüro 2011, 253 = AGS 2011, 68 = VRR 2011, 83; AG Sinzig JurBüro 2008, 249; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 19. Aufl., VV Vorbem. 4.1 Rn. 6; Burhoff/Volpert, RVG; Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 371 m.w.N.; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 15 Rn. 103; Volpert, VRR 2006, 453). Das gilt mit Ausnahme der unten III ff. - aufgeführten Fälle für alle strafverfahrensrechtlichen Beschwerdeverfahren, also z.B. für Haftbeschwerden, Beschwerden gegen andere Zwangsmaßnahmen, wie z.B. dingliche Arreste, Beschwerden gegen § 111a-StPO-Beschlüsse usw. Das gilt für alle Rechtszüge, so z.B. für eine im Berufungsrechtszug eingelegte Beschwerde gegen einen § 111a-StPO-Beschluss (zur Beschwerde nach Beendigung der Instanz, wie z.B. nach §§ 305a, 268a StPO, s. Burhoff/Volpert, RVG; Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 381 ff. m.w.N.). Etwas anderes folgt nicht aus Nr. 4302 Ziff. 1 bzw. Ziff. 3 VV Dort ist zwar eine Verfahrensgebühr für die Einlegung eines Rechtsmittels bzw. eine sonstige Beistandsleistung vorgesehen. Diese kann wegen Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV aber nur für den mit einer einzelnen Tätigkeit beauftragten RA, nicht aber für den Vollverteidiger oder Vollvertreter eines anderen Beteiligten i.S.v. Vorbem. 4 Abs. 1 VV anfallen (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn. 6 ff.; vgl. aber auch unten bei III).
Hat der RA durch seine Tätigkeiten im Hinblick auf eine Beschwerde Mehraufwand, wovon man i.d.R. ausgehen muss, muss dieser Mehraufwand beim Wahlanwalt bei der Gebührenbemessung gem. § 14 RVG berücksichtigt werden (vgl. LG Braunschweig, Nds.Rpfl. 2008, 195; LG Göttingen JurBüro 1990, 878; AG Sinzig JurBüro 2008, 249; AG Koblenz, Beschl. v. 26. 10. 2010 2060 Js 29642/09.25 Ls, JurionRS 2010, 30574; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorbem. Teil 4 Rn. 12; AnwKomm-RVG/N. Schneider, RVG, 5. Aufl., VV Vorbem. 4.1 Rn. . Da beim Pflichtverteidiger keine Rahmengebühren sondern Festgebühren anfallen, kann bei ihm die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren nur bei der Festsetzung einer Pauschgebühr gem. § 51 RVG Berücksichtigung finden (s. auch Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 377).
Fraglich ist, wie bei einer ggf. erfolgreichen Beschwerde im Strafverfahren und einer zugunsten des Beschuldigten/Angeklagte ergangenen Entscheidung über die notwendigen Auslagen zu verfahren, insbesondere wie ein sich evtl. zugunsten des Beschuldigten ergebender Erstattungsbetrag zu ermitteln ist. Da die Verteidigertätigkeit im Beschwerdeverfahren mit den Verteidigergebühren abgegolten ist, ergeben sich keine nur auf das Beschwerdeverfahren entfallenden gesonderten Verteidigergebühren, die bei der Kostenfestsetzung als notwendige Auslagen zu Gunsten des Beschuldigte/Angeklagten zu berücksichtigen wären. Das bedeutet aber nun nicht, dass die Auslagenentscheidung ins Leere ginge. Vielmehr sind die notwendigen Auslagen für das Beschwerdeverfahren durch die sog. Differenztheorie zu ermitteln. Zu vergleichen sind die tatsächlich im gesamten Verfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens dem Beschuldigten/Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen mit den ohne Beschwerdeverfahren hypothetisch erwachsenen notwenigen Auslagen. Besteht eine Differenz zu Gunsten des Beschuldigten/Angeklagten zwischen den beiden Beträgen, ist diese dem Beschuldigten zu erstatten (vgl. dazu auch Burhoff RVGreport 2010, 362; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 377).
Beispiel 1: Der im Ermittlungsverfahren tätige Verteidiger R legt auftragsgemäß für den B Beschwerde gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) ein. Diese hat Erfolg. Die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt. Nach rechtskräftiger Verurteilung des B. will der R die für das Beschwerdeverfahren angefallenen Gebühren gegenüber der Staatskasse abrechnen, Zunächst ist zu ermitteln, welche (fiktive) Vergütung entstanden wäre, wenn ein Beschwerdeverfahren nicht erforderlich bzw. nicht durchgeführt geworden wäre. Hierbei soll von den Mittelgebühren ausgegangen werden: Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG: 165,00 Verfahrensgebühr Nr. 4104 VVRVG: 140,00 Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 Anwaltsvergütung netto 325,00 Sodann ist die Vergütung zu ermitteln, welche mit dem durchgeführten Beschwerdeverfahren entstanden ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass es bei der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG bei der Mittelgebühr verbleibt und bei der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG, die das Beschwerdeverfahren mitabgilt, die Mittelgebühr um 25 % erhöht werden kann. Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG: 165,00 Verfahrensgebühr Nr. 4104 VVRVG: 175,00 Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 Anwaltsvergütung netto 360,00 Der fiktive Betrag in Höhe von 325 ist von den notwendigen Auslagen für das Ermittlungs- und Beschwerdeverfahren in Höhe von 360 in Abzug zu bringen. Der Differenzbetrag in Höhe von 35 ist dem Beschuldigten zu erstatten. |
Es ist im Übrigen nicht zwingend, dass sich ein Erstattungsbetrag zu Gunsten des Beschuldigten/Angeklagten ergibt. Das ist nur der Fall, wenn die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren so umfangreich war, dass sich dadurch die Gebühren erhöht haben (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 380). Auch stellt sich nicht selten die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, das Kostenfestsetzungsverfahren durchzuführen, da häufig nur sehr geringe Erstattungsbeträge anfallen (vgl. LG Detmold StRR 2008, 243 [Ls.] = VRR 2008, 243 [Ls.], wo nach einem erfolgreichen § 111a StPO-Verfahren das Überschreiten der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr Nr. 4104 Verteidiger um 10 % als angemessen angesehen worden, was zu einem Erstattungsbetrag von 14,00 . geführt hat.
Ist der RA nicht mit der Vollverteidigung, sondern als Einzeltätigkeit nur mit der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren, z. B. gegen den Beschluss über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a oder gegen eine Bewährungsauflage gem. §§ 305a, 268a StPO, beauftragt, gelten für seine Vergütung nach Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG die Nr. 4300 - 4304 VV RVG. Für diesen nur mit der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren und nicht mit der Verteidigung beauftragten RA bildet das Beschwerdeverfahren gem. Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 3 VV RVG eine besondere Angelegenheit. Das hat zur Folge, dass für die Beschwerdeeinlegung eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 Ziffer 1 VV RVG und für die Beschwerdebegründung eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 Ziff. 2 VV RVG entsteht (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4302 VV Rn. 12; AnwKomm-RVG N. Schneider, VV 4300 Rn. 12; Burhoff/Volpert, RVG; Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 386 m.w.N.; aus der Rechtsprechung OLG Düsseldorf RVGreport 2011, 22 = StRR 2011, 38 = AGS 2011, 70).
Daneben entsteht nicht etwa noch eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Diese entsteht nur für den Verteidiger (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn. 27; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4.2 Rn. 10; AnwKomm-RVG N. Schneider, a.a.O., VV 4100 Rn. 5; OLG Düsseldorf AGS 2009, 14 = MDR 2009, 654 = AnwBl. 2009, 312; OLG Köln RVGreport 2007 = AGS 2007, 452 OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = StV 2006, 206).
Wird der RA von vornherein gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung und -begründung beauftragt, entsteht von vornherein nur eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4302 VV RVG (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn. 36; AnwKomm-RVG N. Schneider, , VV Vorb. 4.3 Rn. 22). Denn bei gleichzeitiger Auftragserteilung gilt die Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 2 VV RVG, § 15 Abs. 1 RVG die Tätigkeit des RA vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit ab (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn. 36). Ein durch Einlegung und Begründung der Beschwerde entstandener erhöhter Aufwand muss bei der Bemessung der Verfahrensgebühr Nr. 4302 VV RVG innerhalb des vorgesehenen Rahmens nach § 14 RVG berücksichtigt werden (vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., AnwKomm-RVG N. Schneider, a.a.O.).
Ist auftragsgemäß vom RA zunächst Beschwerde eingelegt und diese dann später auftragsgemäß begründet worden, fallen gem. Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 1 VV RVG die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Ziff. 1 VV RVG für die Einlegung und nach Nr. 4302 Ziff. 2 VV RVG für die Begründung der Beschwerde gesondert an. Anders als in den Anm. zu Nr. 4300 und 4301 ist zu Nr. 4302 VV RVG insoweit nichts anderes bestimmt worden (wie hier Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 390; Gerold/Schmidt/Burhoff, VV Vorb. 4.3 Rn. 16; a.A. wohl LG Mühlhausen, Beschl. v. 26.05.2010 3 Qs 87/10; zur Abrechnung in diesen Fällen Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 391 ff.).
Nach Vorbem. 4.2 VV RVG erhält der Rat in Strafvollstreckungsverfahren im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache die Gebühren des Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG besonders. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten sind also nicht wie sonst das strafrechtliche Beschwerdeverfahren aufgrund des Pauschalcharakters der Gebühren durch die Gebühren im Ausgangsverfahren mitabgegolten. Für die Tätigkeit in der Beschwerdeinstanz gelten alle in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG aufgeführten Gebührentatbestände. Es können also Verfahrens- und Terminsgebühr entstehen.
Beispiel 2:
RA R erhält den Auftrag, den Verurteilten V im Verfahren über die Aussetzung des Restes einer verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe gem. § 57a StGB zu vertreten. Die Strafvollstreckungskammer bestimmt gem. § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO einen Termin zur mündlichen Anhörung des Verurteilten. R nimmt an der Anhörung teil. Nach der Anhörung weist die Strafvollstreckungskammer das Gesuch um Aussetzung des Strafrestes zurück. V beauftragt R mit der Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss, § 454 Abs. 3 StPO. R legt Beschwerde gegen die Entscheidung ein und begründet diese. Nach erneuter mündlicher Anhörung des Verurteilten unter Beteiligung des Verteidigers lehnt das Beschwerdegericht die Aussetzung ab. Die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG sind durchschnittlich.
Es sind folgende Gebühren abzurechnen:
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Die Gebühren entstehen besonders aber nur in einem Beschwerdeverfahren, das gegen die Entscheidung in der Hauptsache gerichtet ist. Wird nicht die Hauptsacheentscheidung des Gerichts, sondern eine Nebenentscheidung angefochten, ist die Tätigkeit des Anwalts mit der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr abgegolten (Burhoff/Volpert, Vorbem. 4.2 VV Rn. 34). Eine Hauptsacheentscheidung liegt beispielsweise vor, wenn die Strafvollstreckungskammer eine Strafaussetzung zur Bewährung widerruft (§ 453 Abs. 2 StPO) oder die Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe ablehnt (§ 454 Abs. 3 StPO). Keine Beschwerde gegen eine Hauptsacheentscheidung ist z.B. die gegen den im Strafvollstreckungsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Anwalt erhält hierfür nicht die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG besonders, sondern nach Teil 3 VV RVG (Vorbem. 4 Abs. 5 Ziff. 1 VV RVG) (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.).
Fraglich ist, ob für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren die Postentgeltpauschale doppelt entsteht. Denn nach Vorbem. 4.2 VV RVG entstehen im Beschwerdeverfahren lediglich die Gebühren besonders. Im Gegensatz dazu bestimmt Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 3 VV RVG für Einzeltätigkeiten ausdrücklich, dass das Beschwerdeverfahren als besondere Angelegenheit gilt. Hat der Gesetzgeber die unterschiedlichen Formulierungen bewusst gewählt, dürfte das Beschwerdeverfahren in der Strafvollstreckung nicht als besondere Angelegenheit angesehen werden und hierfür keine weitere Postentgeltpauschale entstehen können (vgl. hierzu eingehend Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.2 VV Rn. 35 ff.; Volpert VRR 2005, 179, 182; AnwKomm-RVG N. Schneider, VV 4200-4207 Rn. 30; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.; Vorbem. 4.2 VV Rn. 5; LG Düsseldorf StRR 2007, 83 = AGS 2007, 352; a.A. allerdings ohne nähere Begründung OLG Braunschweig RVGreport 2002009, 311 = AGS 2009, 327; OLG Schleswig RVGreport 2006, 153 = AGS 2005, 444; LG Magdeburg RVGreport 2002010, 183 = StRR 2010, 279 = AGS 2010, 429).
Wird der RA in der Strafvollstreckung nur mit einzelnen Tätigkeiten beauftragt, gilt Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG (vgl. wegen der Einzelh. die Kommentierung zu Teil 4 Abschnitt 3 VV bei Burhoff/Volpert, a.a.O.). Nach Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 2 VV RVG ist das Beschwerdeverfahren eine besondere Angelegenheit mit der Folge, dass für die Beschwerde eine besondere Verfahrensgebühr entsteht (vgl. oben II).
Im Wiederaufnahmeverfahren entsteht für Beschwerden (vgl. § 372 StPO) für den Verteidiger des Verurteilten oder den Vertreter eines sonstigen Beteiligten nach Nr. 4139 VV eine besondere Verfahrensgebühr i.H.d. Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug. Die Tätigkeit in diesen Beschwerdeverfahren wird also für den Verteidiger abweichend vom sonst geltenden Grundsatz (vgl. oben I) nicht gem. Vorbem. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV mit den Verteidigergebühren abgegolten (OLG Düsseldorf RVGreport 2011, 22 = AGS 2011, 70 = StRR 2010, 443 = StRR 2011, 38; zum Entstehen dieser Gebühr vgl. die Kommentierung zur Nr. 4139 VV RVG bei Burhoff/Burhoff, RVG).
In Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 VV RVG ist für Tätigkeiten im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 S. 2 StPO im Adhäsionsverfahren von einer Entscheidung abgesehen wird, in der Nr. 4145 VV RVG eine zusätzliche Verfahrensgebühr vorgesehen. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Ausnahme von Vorbem. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV, weil die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren nicht mit den Gebühren des Straf- bzw. Adhäsionsverfahrens abgegolten wird (s. hierzu ausführlich Nr. 4145 VV Rn. 1 ff.). Das Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss gem. § 406 Abs. 5 S. 2 StPO bildet aber keine besondere Angelegenheit, in dem die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV gesondert anfällt (LG Düsseldorf/AG Ratingen RVGreport 2011, 40 = StRR 2010, 440 = VRR 2010, 480 für das Straf- und Adhäsionsverfahren; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 406).
Für das Bußgeldverfahren gelten die Ausführungen zum Strafverfahren entsprechend (vgl. dazu oben I). Denn nach Vorbem. 5.1 Abs. 1 VV RVG werden durch die in Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG geregelten Verteidigergebühren die Tätigkeit des Verteidigers im bußgeldrechtlichen Beschwerdeverfahren mit abgegolten (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG Vorbem. 5.1 VV Rn. 7 u. Vorbem. 4.1 VV Rn. 25; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 399; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 5.1 Rn. 3).
Handelt es sich um eine Tätigkeit in der bußgeldrechtlichen Vollstreckung (vgl. §§ 89 ff. OWiG), wird diese auch für den Verteidiger nach Nr. 5200 VV RVG als Einzeltätigkeit vergütet (vgl. Nr. 5200 Abs. 4 VV RVG; Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 5200 VV Rn. 47). Für das Beschwerdeverfahren in der bußgeldrechtlichen Vollstreckung entsteht daher die Gebühr nach Nr. 5200 VV RVG. Eine besondere Angelegenheit bildet das Beschwerdeverfahren nicht (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 5200 VV Rn. 14). Daher ist die Tätigkeit des Verteidigers im bußgeldrechtlichen Beschwerdeverfahren mit der Gebühr nach Nr. 5200 VV RVG abgegolten.
Handelt es sich bei der Tätigkeit des RA im Beschwerdeverfahren um eine Einzeltätigkeit entsteht ebenfalls (nur) die Gebühr Nr. 5200 VV RVG. Eine Regelung wie für Strafsachen in Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 3 VV RVG, nach der das Beschwerdeverfahren bei Einzeltätigkeiten eine besondere Angelegenheit bildet, ist für das Beschwerdeverfahren bei Einzeltätigkeiten in Bußgeldsachen nicht getroffen worden. Daher ist die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren nach dem allgemeinen Grundsatz mit der Gebühr nach Nr. 5200 VV RVG abgegolten (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 5200 VV Rn. 14; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 391 ff.; AnwKomm- RVG N. Schneider, a.a.O., VV 5200 Rn. 9).
Nach Vorbem. 4 Abs. 5 bzw. Vorbem. 5 Abs. 4 VV RVG erhält der RA ggf. für Tätigkeiten in im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren in Kostenfestsetzungsverfahren Gebühren nach Teil 3 VV RVG. Die Nr. 1 Alt. 1 greift ein, wenn der RA gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 11 Abs. 2 RPflG Erinnerung oder nach § 304 Abs. 1 StPO Beschwerde einlegt. Dann erhält er eine 0,5-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3500 VV RVG, evtl. auch die 0,5-Terminsgebühr nach 3513 VV RVG (unzutreffend a.A. AG Dresden AGS 2010, 531 [1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für Teil 5 VV; zutreffend ablehnend N. Schneider AGS 2010, 532 in der Anm. zu AG Dresden a.a.O.; a.A. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 95). Der Gegenstandswert bemisst sich danach, in welchem Umfang eine Änderung des Festsetzungsbeschlusses beantragt wird (zu den Gegenstandswerten Burhoff RVGreport 2011, 281). Der Wert für die Beschwerde beträgt nach § 304 Abs. 3 StPO mehr als 200, . Nr. 1 Alt. 2 regelt die Fälle der Erinnerung und Beschwerde gegen den Kostenansatz. Nach § 66 Abs. 1 GKG kann Erinnerung und nach § 66 Abs. 2 GKG gegen die Entscheidung über die Erinnerung Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200, übersteigt. Der RA, der mit der Einlegung eines dieser Rechtsmittel beauftragt wird, erhält die Gebühren nach Nr. 3500 VV RVG und ggf. nach Nr. 3513 VV RVG (Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 99). Auch in einem Straf- bzw. Bußgeldverfahren können schließlich Entscheidungen ergehen, aus denen einer der Beteiligten die Zwangsvollstreckung betreiben kann (z. B. § 406 b StPO im Strafverfahren). Wenn der RA insoweit tätig ist, erhält er nach Vorbem. 4 Abs. 5 Nr. 2 bzw. Vorbem. 5 Abs. 4 Nr. 2 ebenfalls Gebühren nach Teil 3 VV RVG nämlich nach Nr. 3309 VV RVG und Nr. 3310 VV RVG 0,3-Gebühren. Wird der RA in der Zwangsvollstreckung in einem Beschwerdeverfahren tätig, erhält er zusätzlich Gebühren nach Nr. 3500 VV RVG und ggf. nach Nr. 3513 VV RVG. Denn nach § 18 Nr. 5 RVG sind Beschwerdeverfahren in der Zwangsvollstreckung eigene Angelegenheiten.
Der RA erhält die Gebühren auch dann gesondert, wenn er im vorangegangenen Strafverfahren als Verteidiger oder Vertreter eines anderen Beteiligten tätig war (OLG Düsseldorf RVGreport 2011, 22 = AGS 2011, 70 = StRR 2011, 38; vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 94). Die Einlegung der Erinnerung oder Beschwerde wird nicht von der Pflichtverteidigerbestellung oder gerichtlichen Beiordnung umfasst, sodass die Gebühren nach Nr. 3500 VV bzw. Nr. 3513 VV nicht von der Staatskasse zu erstatten sind. Die Einlegung der Erinnerung bzw. Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss oder den Kostenansatz ist nämlich nicht im allgemeinen Gebührenkatalog der Nr. 4100 ff. VV mit den für den beigeordneten oder gerichtlich bestellten RA vorgesehenen Festbetragsgebühren aufgeführt. Dieser RA muss die Beiordnung im Wege der PKH beantragen, um die Gebühren nach den Sätzen des § 49 zu erhalten (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 106).
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