aus RVGreport 2011, 407
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport " für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff Stand, RiOLG a.D. Münster /Augsburg
Ich habe in RVGreport 2011, 327 ff. über den Vorschussanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Auftraggeber (§ 9 RVG) und in RVGreport 2011, 365 ff. über den Anspruch auf Vorschuss aus der Staatskasse (§ 47 RVG) berichtet. In den Kontext gehört auch der dem Pflichtverteidiger in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG eingeräumte Anspruch auf einen Vorschuss auf eine demnächst zu gewährende Pauschgebühr. Die nachfolgenden Ausführungen stellen diesen vor.
Die BRAGO kannte einen gesetzlichen Anspruch des RA auf Zahlung eines Vorschusses auf eine Pauschvergütung nicht. Der RA war daher auf den guten Willen in der Rechtsprechung der OLG angewiesen. Diese hatten zwar in ihrer Rechtsprechung einen Anspruch des RA auf eine demnächst zu gewährende Pauschgebühr entwickelt, bewilligten den aber nur, wenn die beantragte Zahlung der Billigkeit entsprach (Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 99 Rn. 12; Burhoff StraFo 1999, 261, 267, jeweils m.w.N.; aus der Rspr. vgl. z.B. OLG Bamberg JurBüro 1982, 94; OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 392; OLG Hamburg NJW 1967, 2220; OLG Hamm AGS 1996, 125 m. Anm. Madert, AnwBl. 1998, 219). Der Vorschuss war damit i.d.R. auf sog. Umfangsverfahren beschränkt. Demgegenüber sieht das RVG nun in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG ausdrücklich einen gesetzlichen Anspruch des Pflichtverteidigers auf angemessenen Vorschuss auf eine Pauschgebühr vor.
Der Vorschuss folgt aus § 51 RVG. Das bedeutet, dass nur dem gerichtlich bestellten RA, also i.d.R. dem Pflichtverteidiger, oder dem gerichtlichen beigeordneten RA, also z.B. einem Nebenklagebeistand, zusteht. Der Wahlanwalt hat naturgemäß keinen Vorschussanspruch, und zwar auch nicht, wenn eine Pauschgebühr nach § 42 RVG in Betracht kommt. In § 42 RVG ist ein Vorschuss nicht vorgesehen (vgl. Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2011, § 42 Rn. 29.). Die Bewilligung eines Vorschusses für den Wahlanwalt wäre i.Ü. auch nicht möglich, da vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens und Rechtskraft der Kostenentscheidung nicht feststeht, wer nach § 42 Abs. 2 Satz 3 RVG am Verfahren zu beteiligen. Der Wahlanwalt hat also keine andere Möglichkeit, als nach der allgemeinen Vorschrift des § 9 RVG einen Vorschuss zu verlangen (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2011, ).
Der Vorschussanspruch nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG richtet sich gegen die Staatskasse. Diese ist auch Verpflichtete hinsichtlich der dem RA später ggf. zu gewährenden Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG.
§ 51 Abs. 1 Satz 5 RVG gewährt dem RA dann einen Anspruch auf einen Vorschuss, wenn ihm, insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr, nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind damit verhältnismäßig vage, ihre Ausfüllung obliegt den OLG. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Neuregelung auf der Rechtsprechung des OLG zu § 99 BRAGO basiert. Das bedeutet, dass die frühere Rechtsprechung zur Vorschussgewährung zur Auslegung der Vorschrift herangezogen werden kann (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 202; so KG RVGreport 2007, 455 = AGS 2006, 26). Ziel der gesetzlichen Neuregelung war es zudem, dem RA einen gesetzlichen Anspruch auf einen Vorschuss einzuräumen, seine Rechtsposition sollte also gestärkt werden. Das bedeutet, dass in all den Fällen, in denen unter Geltung der BRAGO von der Rechtsprechung schon ein Vorschuss gewährt worden ist, dies auf jeden Fall auch unter Geltung des RVG der Fall sein muss.
Voraussetzung für einen Vorschuss auf eine Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG ist zunächst, dass eine Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 mit Sicherheit zu erwarten sein und darf durch den weiteren Verfahrensverlauf nicht mehr nach unten beeinflusst werden darf (vgl. KG RVGreport 2007, 455 = AGS 2006, 26; OLG Frankfurt am Main AGS 2009, 537 = NStZ-RR 2009, 296; zur BRAGO OLG Hamm StV 1998, 616; StV 1997, 427 = StraFo 1997, 254 = NStZ-RR 1997, 223; OLG Nürnberg AnwBl. 1972, 194). Das bedeutet, dass im Zeitpunkt der Antragstellung schon erkennbar sein muss, dass das Verfahren auf jeden Fall besonders umfangreich und/oder besonders schwierig i.S. des § 51 RVG sein wird und die dem RA zustehenden gesetzlichen Gebühren unzumutbar i.S. des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG sind (vgl. die Fallgestaltung bei BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011 1 BvR 3171/10; zu den Kriterien für die Gewährung einer Pauschgebühr Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn. 13 ff.; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 51 Rn. 15 ff, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Entscheidend für einen Vorschuss auf eine Pauschgebühr ist damit sicherlich auch eine bereits längere Dauer des Verfahrens (OLG Frankfurt am Main AGS 2009, 537 = NStZ-RR 2009, 296). Ein Vorschuss wird i.d.R. nicht bereits nach nur drei Monaten Verfahrensdauer beantragt werden können (OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; ähnlich . OLG Jena StraFo 2002, 305 für (nur) 39 Tage Hauptverhandlung). Die Gesetzesbegründung zum RVG geht davon aus, dass die Pauschgebühr (bereits) deutlich über den gesetzlichen Gebühren liegen muss (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 202). Insoweit wird man im Hinblick auf die Rechtsprechung zur BRAGO von einer Verfahrensdauer von etwa einem Jahr und/oder etwa 50 Verhandlungstagen ausgehen müssen (vgl. aus der Rechtsprechung zum alten Recht OLG Hamm StV 1998, 616; s. auch OLG Hamm AGS 1996, 125 [9.000 Seiten Ermittlungsakten, Anklage 860 Seiten, Pflichtverteidiger bereits seit elf Monaten tätig; nicht absehbare Dauer der Hauptverhandlung]; StraFo 1996, 126; AnwBl. 1998, 219; OLG Düsseldorf, JurBüro 1980, 392; OLG Karlsruhe, StraFo 2001, 339; OLG Köln StraFo 1995, 91; s. auch OLG Jena, a.a.O. für nur 39 Tage Hauptverhandlungsdauer).
Schließlich muss es für den RA unzumutbar sein, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abwarten zu müssen. In dem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass dem RA nach § 47 Abs. 1 RVG ein Anspruch auf angemessenen Vorschuss auf seine gesetzlichen Gebühren zusteht (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2011, ). Dieser kann die Unzumutbarkeit entfallen lassen (BVerfG NJW 2005, 3699 = RVGreport 2005, 467; OLG Frankfurt am Main AGS 2009, 537 = NStZ-RR 2009, 296). Das BVerfG geht davon aus, dass der RA (zunächst) auch auf diesen Anspruch verwiesen werden kann. Das sei verfassungsrechtliche nicht zu beanstanden (BVerfG, a.a.O.). Mit der Zahlung eines Vorschusses darf allerdings nicht so lange gewartet bzw. diese abgelehnt werden, bis es zu einer Existenzgefährdung des RA gekommen ist (so wohl BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011 1 BvR 3171/11).
I.d.R. wird der RA seinen Vorschussanspruch während des laufenden Verfahrens geltend machen. Da der Vorschuss nur gezahlt wird, wenn dem RA längeres Zuwarten unzumutbar ist, gehen die Obergerichte davon aus, dass der Vorschuss nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG erst nach Vorschussgewährung gem. § 47 RVG gezahlt wird (vgl. BVerfG NJW 2005, 3699 = RVGreport 2005, 467; OLG Frankfurt am Main AGS 2009, 537 = NStZ-RR 2009, 296).
Die Gewährung eines Vorschusses kann jedoch auch dann noch in Betracht kommen, wenn das Verfahren zwar abgeschlossen ist, aufgrund des vorliegenden Aktenmaterials der Umfang der Tätigkeit des RA, insbesondere in der Revisionsinstanz, noch nicht vollständig abschließend beurteilt werden kann. Steht zu diesem Zeitpunkt die grds. Bewilligung einer Pauschgebühr aber außer Frage, muss sich der Verteidiger nicht bis zur Vorlage aller Akten beim eine die endgültige Pauschgebühr bewilligenden OLG vertrösten lassen (OLG Hamm JurBüro 1999, 639 = AGS 2000, 9; ähnlich auch OLG Hamm StV 1998, 616). Einen Vorschuss wird jedoch teilweise dann abgelehnt, wenn die angefallenen gesetzlichen Gebühren bereits überwiesen sind und mit einem baldigen Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist (so OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282). Das dürfte im Hinblick auf die häufig (zu) langwierigen Bewilligungsverfahren allerdings zweifelhaft sein (s. auch OLG Hamm, a.a.O.; Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn. 67).
Fraglich ist, wie vorzugehen ist, wenn das Verfahren in absehbarer Zeit z.B. deshalb nicht beendet werden kann, weil es (zunächst nur) vorläufig nach § 205 StPO eingestellt werden musste. In diesen Fällen haben die Obergerichte unter Geltung der BRAGO eine Abschlagszahlung dann gewährt, wenn absehbar war, dass das Verfahren auch nach längerem Zeitablauf nicht fortgesetzt werden kann (vgl. u.a. OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 94 = Rpfleger 1995, 39 = StV 1995, 307 (LS) für einen Zeitraum für zwei Jahre; OLG Koblenz, StV 1994, 501 [LS]). Unter Geltung des RVG und den in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG dort ausdrücklich vorgesehenen Vorschussanspruch wird nun in diesen Fällen ein Vorschuss zu bewilligen sein. Allerdings kommt seine Bewilligung nur dann in Betracht, wenn das Verfahren zu dem Zeitpunkt schon als besonders schwierig und/oder als besonders umfangreich anzusehen ist (KG RVGreport 2007, 455 = AGS 2006, 26; OLG Hamm AGS 2000, 178).
Unter Geltung der BRAGO gewährte die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung einen Vorschuss nicht nur einmal, sondern ggf. mehrfach (vgl. dazu zum alten Recht OLG Hamm AnwBl. 1998, 616), wenn nach Gewährung des ersten Vorschusses die Voraussetzungen für einen weiteren Vorschuss vorlagen (vgl. u.a. OLG Hamm. a.a.O.; s. auch noch OLG Hamm = JurBüro 2000, 586 = AGS 2001, 65 = AnwBl. 2001, 244). Diese Rechtsprechung ist auf § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG anwendbar (allgemein dazu KG RVGreport 2077, 455 = AGS 2006, 26). Die Neuregelung in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG hat die Position des RA in diesem Bereich stärken wollen. Zudem lautet die Formulierung in § 51 Abs. 1 S 5 RVG insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann. Die erwähnten Vorschussfälle sind also nur beispielhaft Voraussetzung für die Gewährung eines weiteren Vorschusses ist, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG erneut erfüllt sind (vgl. zum alten Recht OLG Hamm AnwBl. 1998, 616 für die Bewilligung eines weiteren Vorschusse nach einem ersten Vorschuss nach Teilnahme des RA an weiteren 49 Hauptverhandlungsterminen; s. auch OLG Hamm, AGS 1998, 141). Ein weiterer Zuschuss ist in der Vergangenheit zudem auch dann gewährt worden, wenn der RA nach einem ersten Vorschuss an weiteren 52 Hauptverhandlungstagen teilgenommen hat, das Verfahren zwar zwischenzeitlich erstinstanzlich beendet, der Abschluss des Revisionsverfahrens beim BGH aber nicht absehbar ist (OLG Hamm JurBüro 2000, 586 = AGS 2001, 65 = AnwBl. 2001, 244).
Der Vorschuss wird ebenso wie die Pauschgebühr selbst nur auf Antrag gewährt. Diesen muss der RA auf jeden Fall begründen. In der Begründung muss er nicht nur darlegen, warum (schon zum Zeitpunkt der Antragstellung) erkennbar ist, dass nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschgebühr zu gewähren sein wird (OLG Hamm AGS 2000, 202). Er muss darüber hinaus zu den o.a. Kriterien für die Gewährung eines Vorschusses Stellung nehmen. In seinem Vorschussantrag muss der RA daher zumindest besonders eingehend darlegen, welche konkrete zeitliche Beanspruchung das Verfahren bis dahin für ihn erfordert hat. Anderenfalls kann das OLG nicht beurteilen, ob die Gewährung eines Vorschusses der Billigkeit entspricht bzw. die Verweigerung eine unzumutbare Härte darstellt (ähnlich zum alten Recht OLG Hamm StV 1997, 427; Marberth StraFo 1997, 225, 229, vgl. auch). Das BVerfG (vgl. NJW 2007, 1445 f.) geht darüber noch hinaus: Es verlangt die Vorlage einer detaillierten Einnahmen-Ausgaben-Aufstellung des Kanzleibetriebs des RA, da anderenfalls nicht abschließend beurteilt werden könne, ob und welcher Vorschuss dem RA zuzubilligen sei (ähnlich BVerfG AGS 2009, 66 = RVGreport 2009, 59 = StRR 2009, 77 für die Begründung der Verfassungsbeschwerde gegen einen Pauschgebührenbeschluss; vgl. auch den ausreichenden Vortrag des RA im BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011 1 BvR 3171/10). M.E. geht dies zu weit. Die Rechtsprechung des BVerfG sollte allerdings den Verteidiger veranlassen, einen Vorschussantrag eingehend zu begründen. Dazu gehören sicherlich auch Ausführungen dazu, dass der Vorschuss nach § 47 RVG gewährt worden ist und warum dieser Vorschuss auf die gesetzlichen (Pflichtverteidiger)Gebühren keinen ausreichenden Ausgleich für die bislang erbrachten Tätigkeiten darstellt (OLG Hamm StV 1997, 427).
Zuständig für die Entscheidung über den Vorschussantrag ist nach § 51 Abs. 2 RVG das Gericht, das später auch über die Gewährung der endgültigen Pauschgebühr zu befinden hat, i.d.R. also das OLG. Es entscheidet auch hier i.d.R. der Einzelrichter (vgl. wegen der Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn. 50 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 71, 61).
Allgemein gültige Regeln und Berechnungsmodelle für einen Vorschuss nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG gibt es nicht. Letztlich hängt seine Höhe von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Bemessung des Vorschuss sind Sinn und Zweck der Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG zu berücksichtigen. Diese liegen nach der Rechtsprechung des BVerfG darin, dass auch bei der Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben muss (vgl. BVerfGE 47, 285, 321 f.; 68, 237, 255; NJW 2005, 3699; zuletzt Beschl. v. 1. 6. 2011 1 BvR 3171/11). Die Regelung in § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG ist Ausfluss von Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfG, a.a.O.). Das bedeutet, dass der Vorschuss angemessen sein muss, d.h. er muss in seiner Höhe so bemessen sein, dass er dem Verteidiger das Zuwarten auf die endgültige Festsetzung der Pauschgebühr wirtschaftlich ermöglicht (BVerfG NJW 2007, 1445). Dabei ist m.E. nicht ganz klar, wo das BVerfG die Grenze zieht. Aus der Entscheidung vom 1. 6. 2011 (1 BvR 3171/11) könnte man den Schluss ziehen, dass dies eine Existenzgefährdung des RA ist. Das würde m.E. aber zu weit gehen und wäre wohl kaum mit Art. 12 GG und der Sonderopfer-Rechtsprechung des BVerfG zu vereinbaren.
Maßstab für die Höhe des Vorschusses ist auf jeden Fall die bis dahin vom Pflichtverteidiger erbrachte Leistung. Auf erst noch zu erbringende Leistungen wird anders als nach § 9 RVG - kein Vorschuss gezahlt (OLG Hamm StV 1997, 427; StV 1998, 616; ähnlich OLG Düsseldorf JurBüro 1980, 392). Bei der Gewährung des Vorschusses ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zu berücksichtigen, dass die finanziellen Einbußen des RA unter Berücksichtigung der von ihm erbrachten Tätigkeiten nicht unverhältnismäßig werden dürfen (OLG Hamm StV 1998, 616, das eine Tageseinnahme von nur rund (damals) 115,00 120,00 DM in einem Verfahren, in dem die Hauptverhandlung bereits mehr als ein Jahr gedauert hat und der Pflichtverteidiger i.d.R. an drei Tagen/Woche zur Verfügung stehen musste, als unzumutbar angesehen hat). Zumindest die durch die Übernahme des Pflichtverteidigermandats ggf. verursachte Existenzgefährdung muss abgewendet werden (zuletzt BVerfG, Beschl. v. 1. 6. 2011 1 BvR 3171/11). Es ist auch nicht zulässig, den RA auf eigene Anstrengungen, z.B. die ggf. mögliche Übernahme von Wahlmandaten, zu verweisen, wenn seine ggf. vorliegende Existenzgefährdung allein durch seine hohe Arbeitsbelastung als Pflichtverteidiger verursacht worden ist (BVerfG, a.a.O.).
Ist dem RA ein Vorschuss gewährt worden, kann sich ggf. später die Frage der (teilweisen) Rückzahlung stellen. Das ist immer dann der Fall, wenn eine Pauschgebühr nicht oder nicht in der Höhe bewilligt wird, wie dem RA ein Vorschuss gezahlt worden ist. Deshalb darf der RA auf keinen Fall übersehen, nach Abschluss des Verfahrens den Antrag auf Bewilligung der (endgültigen) Pauschgebühr zu stellen. Die Rückforderung des Vorschusses auf eine Pauschgebühr wird in der Rechtsprechung auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs als zulässig angesehen (vgl. z.B. KG StraFo 2008, 529 = JurBüro 2009, 31 = AGS 2009, 178 [allerdings für unberechtigt festgesetzte Pauschgebühr]; KG RVGreport 2011, 109 = JurBüro 2011, 255 = StRR 2011, 118 [für Pauschgebühr nach § 99 BRAGO]; s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn. 73). Gegenüber diesem Rückzahlungsanspruch kann sich der RA nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, weil nach allgemeiner Meinung § 818 Abs. 3 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht entsprechend anwendbar ist (KG StraFo 2008, 529 = JurBüro 2009, 31 = AGS 2009, 178 m.w.N.). Der Rückzahlungsanspruch verjährt gem. §§ 197, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in drei Jahren; die Verjährungsfrist beginnt mit Eintritt der Verjährung eines dem RA ggf. zustehenden Pauschgebührenanspruchs (s. KG RVGreport 2011, 109 = JurBüro 2011, 255 = StRR 2011, 118; zur Verjährung Burhoff/Burhoff, RVG, Rn. 58 ff.).
Verfahrensmäßig wird der Beschluss, durch den festgestellt wird, dass der Vorschuss zurückzuzahlen ist, und die Verfügung, mit der der RA dann von der Staatskasse zur Rückzahlung aufgefordert wird, rechtlich als Aufhebung der Verfügung, durch die die Vergütung des RA entsprechend der Vorschussbewilligung festgesetzt worden ist, angesehen (vgl. KG RVGreport 2010, 339 = AGS 2010, 295 = JurBüro 2010, 364; RVGreport 2011, 109 = JurBüro 2011, 255 = StRR 2011, 118). Der statthafte Rechtsbehelf dagegen ist die Erinnerung gem. § 56 (vgl. KG RVGreport 2010, 339 = AGS 2010, 295 = JurBüro 2010, 364; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Rechtsmittel gegen die Vergütungsfestsetzung [§§ 56, 33], Rn. 1115).
An das
Oberlandesgericht
über das Land-/Amtsgericht (Gericht einsetzen, bei dem die Pflichtverteidigung durchgeführt wird).
Betr.: Bewilligung eines Vorschusses
nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG auf eine demnächst zu gewährende Pauschgebühr in dem Strafverfahren gegen.........
Aktenzeichen:
In o.a. Strafsache bin ich am ...... als Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt worden. Seitdem habe ich folgende Tätigkeiten für den Angeklagten erbracht (hier die Umstände angeben, die das Strafverfahren zu einem besonders umfangreichen oder/und besonders schwierigen machen). Ich gehe davon aus, dass wegen dieses besonderen Umfangs und auch der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens mir nach Abschluss des Verfahrens nach § 51 RVG eine Pauschgebühr von .. zu gewähren ist.
Die mir zustehenden gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren betragen derzeit ....... . Auf diese habe ich gem. § 47 RVG einen Vorschuss aus der Staatskasse erhalten. Trotz dieses Vorschusses kann es mir m.E. wegen der noch zu erwartenden Dauer des Verfahren mit dem Abschluss des Verfahrens ist nicht vor zu rechnen nicht zugemutet werden, den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abzuwarten, um dann die mir zustehende Pauschgebühr zu beantragen. Es ist nämlich bereits jetzt wegen der Verteidigung in dieser Sache eine erhebliche Verschlechterung meiner wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten /(im Einzelnen darlegen). Auf die Entscheidung des BVerfG v. 01.06.2011 - 1 BvR 3171/10, AnwBl. 2011, 701 = RVGreport 2011, 378, weise ich hin.
Ich beantrage deshalb, mir gem. § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG einen Vorschuss auf die Pauschgebühr von mindestens .... zu bewilligen.
Ich bitte, mir die Stellungnahme des Bezirksrevisors zuzusenden, damit ich dazu ggf. meinerseits Stellung nehmen kann.
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".