aus RVGreport 2011, 365
Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D. Münster/Augsburg
Wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer klüger, so lautet ein altes Sprichwort. Gebührenrechtlich kann man es dahin abwandeln: Wenn das Verfahren beendet ist, hat der Mandant meist kein großes Interesse mehr, die anwaltliche Vergütung zu zahlen. Das gilt zumindest dann, wenn der (zivilrechtliche) Rechtsstreit verloren ist oder der Mandant im Strafverfahren verurteilt wurde. Warum dann noch für die Schlechtleistung des Rechtsanwalts Geld ausgeben, fragt sich mancher Mandant? Deshalb muss es das Ziel des Rechtsanwalts sein, seine Gebühren gegenüber dem Auftraggeber rechtzeitig zu sichern. Dazu stellt ihm das RVG in § 9 RVG das Recht auf Vorschuss zur Verfügung. Dieses soll in den nachfolgenden Ausführungen dargestellt werden. Das Recht auf Vorschuss aus der Staatskasse (§ 47 RVG) wird in einem gesonderten Beitrag behandelt werden.
Nach § 9 RVG kann der Rechtsanwalt von seinem Mandanten für die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessen Vorschuss fordern. Von diesem Recht wird in der Praxis aus welchen Gründen auch immer immer noch zu wenig Gebraucht gemacht (N. Schneider ZAP F. 22, S. 1119; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., § 9 Rn. 1), was zu Einnahmeausfällen beim Rechtsanwalt führt. Dem will die Regelung in § 9 RVG begegnen, die abweichend von der sonst beim Dienstvertrag (§§ 675, 611 BGB) bestehenden Vorleistungspflicht des auftragnehmenden Rechtsanwalts - zu einer Vorleistungspflicht des Mandanten führt (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O.). Der Rechtsanwalt ist allerdings nicht verpflichtet, einen Vorschuss zu verlangen. Ob und in welcher Höhe er einen Vorschuss verlangt, liegt in seinem (billigen) Ermessen (BGH NJW 2004, 1047 = AGS 2004, 145; OLG Bamberg, Rechtspfleger 2011, 361 = VRR 2011, 123 LS). Die Regelung in § 9 RVG entspricht im Übrigen wortgleich dem früheren § 17 BRAGO, so dass die aus der Vergangenheit zu § 17 BRAGO vorliegende Rechtsprechung und Literatur anwendbar ist.
Das Recht auf Vorschuss hat jeder Rechtsanwalt. Zu den Vorschussberechtigten zählen also nicht nur der Prozessbevollmächtigte, sondern auch der Verkehrsanwalt, der Strafverteidiger, der Gutachter und der mit der Erledigung außergerichtlicher Angelegenheiten beauftragte Rechtsanwalt (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 3; zum Strafverteidiger Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2011, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber (§ 9), Rn. 1659 ff.). Einen Anspruch auf Vorschuss haben auch der Notanwalt des § 78 b ZPO, der in Scheidungs- und Lebenspartnerschaftssachen beigeordnete Rechtsanwalt (§ 39 RVG), der als gemeinsamer Vertreter nach § 67 a Abs. 1 S. 2 VwGO bestellte Rechtsanwalt (§ 40 RVG).
Ausnahmen bestehen hingegen nach § 52 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RVG für den gerichtlich bestellten Verteidiger (Pflichtverteidiger) bzw. für den in Strafsachen beigeordneten Rechtsanwalt (vgl. §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RVG, Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG. Sie haben aber gem. § 47 RVG einen Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses wegen der bereits entstandenen Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse. Bei Beratungshilfe kann der Rechtsanwalt allerdings gem. § 47 Abs. 2 RVG keinen Vorschuss fordern (vgl. zu allem Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 3 f. Auch der im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder nach § 11 a ArbGG beigeordnete Rechtsanwalt kann nur nach § 47 RVG für die entstandenen Gebühren (§ 49 RVG) und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse angemessen Vorschuss fordern, da nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dazu führt, dass der beigeordnete Rechtsanwalt einen Anspruch auf die Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen kann. Das schließt auch das Recht auf einen Vorschuss nach § 9 RVG aus (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 5). Vor der Beiordnung erhaltene Vorschüsse muss der Rechtsanwalt allerdings nicht zurückzahlen (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O.; zugleich auch zum Antragsverfahren und zur Anrechnung von erhaltenen Vorschüssen [§ 58]).
Zur Zahlung des Vorschusses verpflichtet ist zunächst der auftraggebende Mandant oder ggf. die Staatskasse, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss fordern kann (vgl. dazu II.).§ 9 RVG gilt im Verhältnis des Rechtsanwalts gegenüber der Rechtsschutzversicherung des Mandanten nicht unmittelbar. Diese ist nicht Auftraggeber des Rechtsanwalts. Das sich aus § 9 RVG ergebende Vorschussrecht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten wirkt sich mittelbar aber auch auf das Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung aus. Denn wenn der Rechtsanwalt von seinem Mandanten einen Vorschuss fordert/fordern kann, ist die Rechtsschutzversicherung verpflichtet, den Mandanten, ihren Versicherungsnehmer, insoweit freizustellen. Die Rechtsschutzversicherung ist aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages nämlich immer dann zahlungspflichtig, sobald der Versicherungsnehmer berechtigterweise in Anspruch genommen wird. Zu einer berechtigten Inanspruchnahme zählt dabei auch die auf § 9 RVG gestützte Vorschussforderung (AG München AGS 2007, 234 m. Anm. N.Schneider; Gerold/Schmidt/Mayer, § 9 Rn. 28; Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 1659). Verlangt der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt einen Vorschuss i.S. von § 9 RVG wird der Kostenbefreiungsanspruch gegenüber dem Rechtsschutzversicherer insoweit fällig (BGH NJW 2006, 1281 = AGS 2006, 571 = MDR 2006, 87).
Zutreffend weist Mayer (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 16) darauf hin, dass bei der Übernahme der Vertretung Minderjähriger im Strafverfahren besondere Vorsicht geboten ist. Diese können zwar selbst einen Verteidiger wählen, für den Mandatsvertrag gelten aber die §3 107, 108, 114 BGB (s. auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 997). Das bedeutet, dass zu dessen Wirksamkeit die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen vorliegen muss. Allerdings ist darauf zu achten, dass keine Haftung des Inhabers der elterlichen Sorge für die Anwaltskosten besteht. Deshalb rät Mayer (a.a.O.) dem Rechtsanwalt/Verteidiger darauf zu achten, dass er von den Eltern des Minderjährigen auf Grund deren Unterhaltspflicht (§§ 1602, 1610 Abs. 2 BGB) einen angemessenen Vorschuss erhält. Besser sei es, er mache die Mandatsübernahme davon abhängig, dass die Eltern die persönliche Haftung für seine Gebühren übernehmen.
Das Recht auf Vorschuss nach § 9 RVG gilt für alle Tätigkeiten des Rechtsanwalt, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind. Die Vorschrift gilt auch dann, wenn das RVG keine Gebühren vorsieht, wie in den Fällen des § 34 Abs. 1 RVG (AnwK-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 10). Ob § 9 RVG unmittelbar auch auf vereinbarte Vergütungen anzuwenden ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet (zweifelnd N. Schneider ZAP F. 24, S. 1119; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 9 Rn. 92 ff.; s. dazu ausführlich auch N. Schneider, Vergütungsvereinbarung, Rn. 1769 ff.; ohne Einschränkungen bejahend Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 7 und 11; Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 16612). Es dürfte sich daher empfehlen, die Frage des Vorschusse in einer Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) zu regeln. § 42 RVG sieht ggf. auch für den Wahlanwalt/-verteidiger eine Pauschgebühr vor. Für diese ist in § 42 RVG anders als bei der Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger nach § 51 (vgl. dazu § 51 Abs. 1 S. 5 RVG und Burhoff, a.a.O., RVG, § 51 Rn. 68 ff.) im Gesetz ein Vorschuss nicht vorgesehen. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Rechtsanwalt nicht auch in diesen Fällen einen Vorschuss verlangen kann, da § 9 RVG keine Einschränkung enthält und auch die Pauschgebühr eine Gebühr i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 RVG ist (so auch AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 54; Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber (§ 9), Rn. 1663). Wird die Pauschgebühr später nicht oder geringer festgesetzt, muss der Rechtsanwalt den Unterschiedsbetrag ggf. zurückzahlen (AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 55).
Der Rechtsanwalt kann den Zeitpunkt bestimmen, zu dem er einen Vorschuss fordert. Er kann ihn zu Beginn, aber auch erst im Laufe des Mandats beanspruchen. Hat der Rechtsanwalt zu Beginn des Mandats noch von der Erhebung des Vorschusses abgesehen, können veränderte Umstände dazu führen, dass er später dann doch einen Vorschuss fordert. Das ist allerdings nicht mehr möglich, wenn der Rechtsanwalt (ausdrücklich oder konkludent) auf die Zahlung eines Vorschusses verzichtet hat (AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 28 ff.; Burhoff, a.a.O., Teil A. Vorschuss vom Auftraggeber, Rn. 1661). Allein in der Übernahme des Mandats, ohne dass die Zahlung eines Vorschusses verlangt wird, liegt aber noch nicht der (konkludente) Verzicht auf einen Vorschuss (AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 29). Der Rechtsanwalt darf den Vorschuss allerdings nicht zur Unzeit verlangen und bei Nichtzahlung das Mandat dann ggf. kündigen (vgl. auch unten IX). Das wäre z.B. der Fall, wenn der Rechtsanwalt das Mandat im Strafverfahren so kurzfristig vor der Hauptverhandlung niederlegt, dass der Angeklagte keinen anderen Verteidiger mehr beauftragen kann und damit eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht mehr gewährleistet ist.
Um die Höhe des vom Rechtsanwalt geforderten Vorschusses gibt es in der Praxis häufig Streit. Nach § 9 RVG ist der Rechtsanwalt berechtigt, einen angemessenen Vorschuss zu fordern. Daraus lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er nur berechtigt ist, nur einen Teil der voraussichtlich entstehenden Vergütung zu verlangen. Er ist vielmehr berechtigt, seinen Vorschuss in Höhe der gesamten voraussichtlich anfallenden Gebühren zu berechnen (BGH NJW 2004, 1047 = AGS 2004, 145; OLG Bamberg Rechtspfleger 2011, 361 = VRR 2011, 123 [Ls.]; AG Dieburg AGS 2004, 282 = NJW-RR 2004, 932; AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 42; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 7; Burhoff, a.a.O., RVG, § 9 Rn. 166). Es gibt nämlich keinen Grundsatz dahin gehend, dass die Vorschussforderung hinter der voraussichtlich endgültig entstehenden Gesamtvergütung zurückbleiben muss (OLG Bamberg, a.a.O.; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., 2011, § 9 RVG Rn. 13). Grundlage und Grenze der Vorschussforderung sind aber die voraussichtlich anfallenden Gebühren.
Das Recht, einen Vorschuss zu fordern, umfasst nicht nur die Gebühren, sondern aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 9 RVG voraussichtlich entstehende Gebühren und Auslagen -uch die Auslagen nach den Nrn. 7000 ff. VV. Der Rechtsanwalt kann daher einen Vorschuss auf sämtliche ggf. anfallenden Auslagentatbestände verlangen. Das sind i.d.R. die Post- und Telekommunikationsentgelte sowie die Kopierkosten. Bei Reisekosten wird die Anforderung eines Vorschusses davon abhängen, ob eine Reise des Rechtsanwalts konkret zu erwarten ist.
Der Rechtsanwalt kann nur insoweit Vorschuss verlangen, wie er bereits beauftragt ist. Hat er im Strafverfahren z.B. zunächst nur den Auftrag, den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu vertreten, kann er auch nur für die hier anfallenden Gebühren einen Vorschuss geltend machen. Ist der Rechtsanwalt jedoch bereits (bedingt) auch mit der weiteren Vertretung beauftragt, kann er auch für die folgenden Verfahrensabschnitte einen Vorschuss anfordern (vgl. AG Chemnitz AGS 2005, 431 m. Anm. N. Schneider AGS 2006, 213; AG Stuttgart RVGreport 2008, 21 = VRR 2008, 80 = AGS 2008, 79 = zfs 2008, 106). Entsprechendes gilt für das Zivilverfahren. Den angemessen Vorschuss kann der Verteidiger aber im Ganzen anfordern (AG Dieburg AGS 2004, 282 = NJW-RR 2004, 932). Er muss sich nicht mit Ratenzahlungen zufriedengeben. Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass die Vergütung höher werden wird, als der Rechtsanwalt zunächst angenommen hat, z.B. weil im Strafverfahren weitere Hauptverhandlungstermine anberaumt worden sind, wodurch zusätzliche Terminsgebühren entstehen, oder weil sich im Zivilverfahren der Gegenstandswert erhöht hat, kann er einen weiteren Vorschuss verlangen (AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 48).
Im Einzelnen gilt:
Bei der Vorschussanforderung muss der Rechtsanwalt sich auch hinsichtlich der Höhe an den voraussichtlich anfallenden Gebühren orientieren und bei der Gebührenberechnung alle (ihm bereits bekannten) maßgeblichen Umstände. Bei Rahmengebühren wird er i.d.R. in einer durchschnittlichen Sache die Mittelgebühr zugrunde legen können/dürfen (BGH NJW 2004, 1043 = AGS 2004, 145; s. wohl auch OLG Bamberg Rechtspfleger 2011, 361 = VRR 2011, 123 [Ls.]; AG Darmstadt AGS 2006, 212 = RVGreport 2007, 60; RVGReport 2007, 220 = zfs 2006, 169; AG Dieburg AGS 2004, 282 = NJW-RR 2004, 932; AG München RVGreport 2005, 381 = AGS 2006, 213; AG Stuttgart AGS 2008, 78 = RVGreport 2008, 21 = VRR 2008, 80). Das ist auch in einer straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldsache nicht ermessensfehlerhaft (AG Chemnitz AGS 2005, 431; AG München RVGreport 2005, 381 = AGS 2006, 213; AG Stuttgart, a.a.O.; Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 1670). Soweit die Gebühren nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden, ist der voraussichtliche, vom Rechtsanwalt selbst zu schätzende Gegenstandswert zugrunde zu legen (N.Schneider ZAP F. 24, S. 119).
Eine (vorläufige) Wertfestsetzung zur Berechnung seines Vorschusses kommt nicht in Betracht (LAG Schleswig Holstein NZA-RR 2006, 320 = NZA 2006, 1007). Insoweit darf aber nicht übersehen werden, dass die für die Gebührenbemessung maßgeblichen Umstände dem Rechtsanwalt erst mit der Beendigung der Angelegenheit bekannt sind. Erst dann stehen ggf. die Kriterien des § 14 fest. Das bedeutet, dass er sich bei der Anforderung eines Vorschusses an diesen allenfalls orientieren kann (unzutreffend daher AG München, AGS 2006, 588 m. krit. Anm. N. Schneider). Im Einzelnen darlegen kann er sie noch nicht.
Vorsicht ist auch hinsichtlich der bei Rahmengebühren ggf. eintretenden Bindungswirkung, die grds. eintritt, wenn der Rechtsanwalt die angemessene Gebühr bestimmt (hat), geboten (vgl. dazu OLG Köln AGS 2009, 525 = RVGreport 2010, 138 = VRR 2010, 43 [Ls.]; zur Bindungswirkung eingehend AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 14 Rn. 77 m.w.N.; für das Straf-/Bußgeldverfahren Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 1094 ff.). Deshalb ist es zutreffend, wenn Hansens (vgl. RENOpraxis 2010, 269) empfiehlt, sich im Hinblick auf eine sonst ggf. eintretende Bindungswirkung hinsichtlich der Bestimmung der Gebühren auch im Rahmen einer Vorschussrechnung eine spätere Gebührenerhöhung ausdrücklich vorzubehalten.
Für die Berechnung des Vorschusses gilt nicht § 10 RVG (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 24; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 9 Rn. 71 f.; Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 1673; zur Berechnung nach § 10 RVG Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Berechnung der Vergütung [§ 10], Rn. 359 ff.; unzutreffend a.A. AG München AGS 2006, 588 m. abl. Anm. N. Schneider). Der Verteidiger kann den Vorschuss von seinem Mandanten also formlos anfordern. Allerdings wird er seine Forderung zumindest kurz erläutern müssen, damit der Mandant überprüfen kann, ob die Forderung angemessen ist (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O.; AnwKomm-RVG/N.Schneider, a.a.O.).
Wird der Vorschuss nicht gezahlt, kann er nicht nach § 11 RVG festgesetzt werden (AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 9 Rn. 73). Der Rechtsanwalt muss also klagen, was allerdings von der wohl h.M. als standeswidrig angesehen wird (vgl. AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 74; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 9 Rn. 24 m.w.N. auch zur a.A.; Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn. 1673). Eine Freistellungsklage gegen den Rechtsschutzversicherer ist allerdings nicht standeswidrig (Burhoff, a.a.O., RVG, a.a.O.). Ggf. muss der Rechtsanwalt das Mandat niederlegen, um die Fälligkeit herbeizuführen und dann die Vergütung festsetzen zu lassen (AnwKomm-RVG/N.Schneider, a.a.O.).
Ist die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts später nach § 8 RVG fällig geworden, muss er den Vorschuss abrechnen (§ 10 Abs. 2 RVG; vgl. dazu auch Meyer JurBüro 2009, 633; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 9 Rn. 81 ff.). Sinnvoll ist die Verrechnung auf Nettobasis (vgl. unten X, 3). Bei der Abrechnung ist der Rechtsanwalt - ebenso wie im Rückforderungsprozess das Zivilgericht in Verfahren nach Teil 4 und 5 VV RVG nicht an eine Kostenfestsetzung durch das für das Straf- oder Bußgeldverfahren zuständige Gericht gebunden. Maßgeblich ist insoweit allein das vertragliche Verhältnis zwischen ihm und dem Mandanten, nicht jedoch die Beurteilung der Kostenhöhe durch das für das Straf- oder Bußgeldverfahren zuständige Gericht. Etwas anderes gilt, wenn die Parteien eine Vereinbarung dahin gehend getroffen haben, dass die gerichtliche Kostenfestsetzung die Höhe des Honoraranspruchs begrenzen soll (zuletzt AG Charlottenburg AGS 2010, 466 m. zust. Anm. N. Schneider für Rückforderung der Rechtsschutzversicherung = VRR 2010, 163 [Ls.]; s. auch BGH NJW 2004, 1043 = AGS 2004, 145; OLG Koblenz AGS 2004, 38 = MDR 2004, 55; AG Wiesbaden RVGreport 2008, 239 = VRR 2009, 160 = AG 2008, 626; a.A. nur AG Aachen MDR 1973, 308). Zuviel gezahlte Vorschüsse muss der Rechtsanwalt dem Mandanten erstatten. Ggf. kann er mit anderen Vergütungsforderungen aufrechnen, soweit nicht Aufrechnungsverbote bestehen (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1998, 435 m.w.N.).
Zahlt der Auftraggeber/Mandant den Vorschuss nicht pünktlich und vollständig, kann der Rechtsanwalt weitere Tätigkeiten ablehnen, bis der Vorschuss eingegangen ist, d.h. also die weitere Vertretung/Verteidigung grds. einstellen (OLG Hamm RVGreport 2011, 238; OLG Karlsruhe BRAK.Mitt. 1989, 115). Bei der Ausübung dieses Zurückbehaltungsrechtes (§ 320 BGB) muss er allerdings Folgendes beachten (s. im Übrigen Burhoff, EV, Rn. 1167 f. und Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber (§ 9), Rn. 1675):
Die nachfolgenden Arbeitshilfen sind entnommen Burhoff, a.a.O., RVG, Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber (§ 9), Rn. 1676 ff.
Herrn Fritz Klau Schützenstraße 14 15 48143 Münster Sehr geehrter Herr Klau, für die Übertragung der Vertretung in dem gegen Sie bei der Staatsanwaltschaft Münster anhängigen Verfahren 24 Js 675/10 danke ich. Wie bei der Übernahme des Mandats besprochen, bitte ich, mir für die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen gemäß § 9 RVG
auf mein unten angegebenes Konto zu überweisen. Ich gehe dabei derzeit vom Anfall der Grundgebühr, der Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren und einer Terminsgebühr aus. Ggf. werde ich einen weiteren Vorschuss nachfordern müssen. Mit freundlichen Grüßen ..... Rechtsanwalt |
Herrn Fritz Klau Schützenstraße 14 15 Sehr geehrter Herr Klau, nachdem das Verfahren 24 Ds 24 Js 675/10 (44/11) AG Münster rechtskräftig abgeschlossen ist, rechne ich meine Tätigkeiten wie folgt ab, wobei jeweils von der Mittelgebühr ausgegangen wird, da keines der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien u.a. Bedeutung des Verfahrens für Sie, Schwierigkeit des Verfahrens und Ihre Vermögensverhältnisse über- oder unterdurchschnittlich gewesen sind:
Ich bitte um Überweisung auf das u.a. Konto. Mit freundlichen Grüßen ..... Rechtsanwalt |
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