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aus AGS 2024, 5

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "AGS" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "AGS" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Rechtsprechungsübersicht zu den Teilen 4–7 VV aus dem Jahr 2023 – Teil 1: §§-Teil

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Über die Entwicklung der Rspr. zu den Teilen 4–7 VV aus den Jahren 2022/2023 wurde in AGS 2023, 49 ff. berichtet. Die nachfolgende Übersicht enthält eine Zusammenstellung der im Anschluss daran ergangenen bzw. bekannt gewordenen Rspr. zum §§-Teil. Es sind auch die mit § 14 RVG zusammenhängenden Entscheidungen enthalten. Die Rspr. zu den Teilen 4–7 VV wird im Februar vorgestellt. Der Stand des Beitrags ist Mitte Januar 2024.

Norm

Gericht/Fundstelle

Inhalt

I. Paragrafenteil

§ 3a RVG

§ 4 RVG a.F.

EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C-395/21, AGS 2023, 69 = NJW 2023, 903

Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, genügt ohne weitere Angaben nicht dem Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit.

 

OLG Bamberg, Urt. v. 15.6.2023 – 12 U 89/22, NJW 2023, 3516

1. Das Textformerfordernis des § 3a Abs. 1 RVG i.V.m. § 126b BGB ist gewahrt, wenn die schriftliche Honorarvereinbarung ausreichend bestimmt ist, sich daraus ergibt, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll und dies Niederschlag in der schriftlichen Vergütungsvereinbarung gefunden hat.

2. Nach der Rspr. des EuGH (NJW 2023, 903) ist die Prüfung, ob eine Klausel klar und verständlich ist, vom nationalen Gericht unter Berücksichtigung aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände vorzunehmen und danach zu bewerten, ob dem Verbraucher sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken können und ihm erlauben, die finanziellen Folgen seiner Verpflichtung einzuschätzen.

 

OLG München, Urt. v. 2.2.2022 – 15 U 2738/21 Rae, AGS 2022, 203 = JurBüro 2022, 301

1. Der Rechtsanwalt schuldet seinem Mandanten/ Auftraggeber grds. keinen Hinweis auf die Höhe der bisher entstandenen oder noch entstehenden Gebühren. Er muss nur auf Verlangen des Auftraggebers die voraussichtliche Höhe seines Entgelts mitteilen.

2. Aus besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich aber nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, den Mandanten auch ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren. Maßgeblich dafür ist, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste.

3. Nach st. Rspr. sind für die Frage, ob bei einer vereinbarten Vergütung ein für Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, auch der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand und ein besonderer Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Gerade bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein.

§ 10 RVG

BGH, Beschl. v. 16.2.2023 – IX ZR 189/21, AGS 2023, 255 = JurBüro 2023, 249 = NJW-RR 2023, 759

Ein Rechtsanwalt ist auch nach seinem Ausscheiden aus der Anwaltschaft berechtigt und verpflichtet, zur Einforderung seiner Vergütung außerhalb eines Kostenfestsetzungsverfahrens entsprechende Berechnungen zu unterzeichnen und den Auftraggebern mitzuteilen, wenn ein Abwickler nicht bestellt oder der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden ist.

§ 11 RVG

OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2023 – 2 W 107/23

Materiellrechtliche Einwendungen (im Kostenfestsetzungsverfahren) sind – auch bei der Frage der Nichtigkeit eines Anwaltsvertrages – nur berücksichtigungsfähig, wenn sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können.

§ 14 RVG

OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.6.2023 – 1 Ws 12/23 (S), JurBüro 2023, 579

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 14 Abs. 3 S. 1 RVG und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zur Einführung des RVG – BT-Drucks 15/1971, 234) beschränkt sich die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift auf die Fälle der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer durch das Gericht in einem Rechtsstreit über die Höhe der Rahmengebühr zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Damit sind die Anwendungsfälle auf Zivilstreitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandanten beschränkt. Fälle der Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Strafgerichte sind unabhängig von § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO davon nicht erfasst.

 

LG Koblenz, Beschl. v. 22.8.2023 – 6 Qs 38/23, AGS 2024, ###;

LG Leipzig, Beschl. v. 6.1.2023 – 5 Qs 66/22, AGS 2023, 220

Unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist eine Gebührenbestimmung, wenn sie um 20 % oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt.

 

LG Dresden, Beschl. v. 14.9.2023 – 5 Qs 56/23, AGS 2023, 496

Eine vom Gericht zu tolerierende Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts liegt nur vor, wenn sie aufgrund der Umstände des Einzelfalls i.V.m. den Bemessungskriterien getroffen worden ist.

 

OLG Schleswig, Beschl. v. 26.7.2023 – 7 U 42/23

Eine einmal getroffene Gebührenbestimmung ist bindend; es sei denn der Rechtsanwalt hat einen Gebührentatbestand versehentlich übersehen oder wenn sich nachträglich wesentliche Änderungen hinsichtlich der für die Bestimmung des Gebührensatzes maßgeblichen Umstände ergeben haben, die bei Rechnungsstellung noch nicht bekannt gewesen sind.

 

LG Magdeburg, Beschl. v. 24.8.2023 – 25 Qs 273 Js 5753/22 (49/23), AGS 2023, 498

Das Vorliegen der Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung und der Beiordnung als Pflichtverteidiger begründen im Erstattungsfall nicht die Festsetzung der Gebühren mindestens in Höhe der Mittelgebühr.

 

LG Karlsruhe, Beschl. v. 6.12.2023 – 16 Qs 57/23

Die Rahmengebühr eines Strafverteidigers i.S.d. § 14 Abs. 1 RVG ist nicht zu mindern, wenn die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert. Die Staatsanwaltschaft stellt ihren Antrag erst am Ende der Hauptverhandlung und dieser bindet das erkennende Gericht nicht. Deswegen hat ein gewissenhafter Strafverteidiger die Hauptverhandlung einschließlich seines eigenen Schlussvortrags mit demselben Aufwand vorzubereiten und zu halten wie bei jedem anderen Antrag der Staatsanwaltschaft auch.

 

AG Leipzig, Beschl. v. 7.8.2023 – 227 OWi 953/23, AGS 2023, 497

In straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ist grds. die Mittelgebühr anzusetzen. Abweichungen davon sind im Einzelfall denkbar.

 

AG Linz, Beschl. v. 22.3.2023 – 3 Cs 2080 Js 32837/22, AGS 2023, 204

Zur Bemessung der amtsgerichtlichen Verfahrensgebühr in einem straßenverkehrsrechtlichen Verfahren, in dem der Verteidiger im § 111a-Verfahren tätig geworden ist.

 

LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 23.2.2023 – 6 Qs 193 Js 15836/19 (29/23), AGS 2023, 450, AGS 2023, 499

Erscheint ein in einem Strafverfahren geladener Angeklagter nicht und beschränkt sich deshalb die Hauptverhandlungsdauer auf 15 Minuten, so ist der Aufwand für die Bemessung der Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG als unterdurchschnittlich zu qualifizieren.

 

LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 4.5.2023 – 6 Qs 56/23, AGS 2023, 398 = DAR 2023, 656

1. In Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist der Ansatz der sog. Mittelgebühr als Ausgangspunkt grds. gerechtfertigt; hiervon ausgehend sind in jedem Einzelfall die besonderen Umstände zu würdigen.

2. Den gesetzlichen Regelungen des RVG ist nicht zu entnehmen, dass in den Fällen straßenverkehrsrechtlicher Bußgeldverfahren grds. von einer unterdurchschnittlichen Bedeutung der Sache i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG auszugehen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Rahmen des Zwischenverfahrens die technischen Voraussetzungen der Messung, die der in einem Bußgeldbescheid vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde liegt, durch ein privates Sachverständigengutachten überprüft werden sollen.

 

LG Dresden, Beschl. v. 14.9.2023 – 5 Qs 56/23, AGS 2023, 496

In Verkehrsordnungswidrigkeitensachen sind i.d.R. nur Gebühren unterhalb der Mittelgebühr angemessen.

 

AG Kaufbeuren, Urt. v. 3.3.2023 – 4 C 1117/22, AGS 2023, 111

Unabhängig von der Frage, ob Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten generell oder in bestimmten Fällen zu einer geringeren Gebühr führen müssen, weil es sich um unterdurchschnittliche Angelegenheiten handelt, ist das jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister droht.

§ 15 RVG

LG Kiel, Beschl. v. 21.6.2023 – 2 Qs 41/23, StraFo 2023, 334 = AGS 2023, 451 = JurBüro 2023, 580

Voraussetzung für die sich durch eine Verbindung ergebenden Folgen, nämlich ein einheitliches Verfahren, ist, dass der Verbindungsbeschluss nicht nur „aktenmäßig“ erlassen ist. Er muss auch schon „ergangen“ sein. Das ist aber erst der Fall, wenn er für das Gericht unabänderlich ist. Das ist ggf. erst mit der Verkündung in der Hauptverhandlung der Fall, sodass bis dahin selbstständige Verfahren vorliegen, in denen ggf. Gebühren entstehen können, wie z.B. die Terminsgebühr.

 

LG Frankenthal, Beschl. v. 5.7.2023 – 2 Qs 144/23, AGS 2023, 349 = JurBüro 2023, 470;

AG Speyer, Beschl. v. 23.3.2023 und v. 5.4.2023 – 1 Ls 5121 Js 25842/19, AGS 2023, 258,

aufgehoben durch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.10.2023 – 1 Ws 200/23, AGS 2024, ###Heft 1###

Wird ein Rechtsanwalt zunächst einem Mandanten als Pflichtverteidiger „für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen“ beigeordnet und dann später als Pflichtverteidiger für das Verfahren, handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit, sodass eine Anrechnung von Gebühren nicht in Betracht kommt.

 

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.10.2023 – 1 Ws 200/23, AGS 2024, ###Heft 1###

Wird ein Rechtsanwalt zunächst einem Mandanten als Pflichtverteidiger „für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen“ beigeordnet und dann später als Pflichtverteidiger für das Verfahren, handelt es sich um dieselbe Angelegenheit, sodass eine Anrechnung von Gebühren in Betracht kommt.

§ 17 RVG

AG Korbach, Beschl. v. 9.1.2023 –41 Ls-4750 Js 20444/19, AGS 2023, 162

Beim Berufungs- und Revisionsverfahren handelt es sich gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 17 Nr. 1 RVG. Gem. § 60 Abs. 1 S. 3 RVG ist daher bei einer Rechtsänderung im laufenden Verfahren ggf. für die Abrechnung des erstinstanzlichen Verfahrens für die Vergütung altes Recht anzuwenden, gem. § 60 Abs. 1 S. 4 RVG für das Berufungs- und Revisionsverfahren hingegen neues Recht.

§ 19 RVG

LG Heidelberg, Beschl. v. 9.5.2023 – 12 Qs 16/23, AGS 2023, 270

1. Die Rechtsmitteleinlegung selbst sowie beratende Tätigkeit vor der Einlegung werden mit der Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren abgegolten; Tätigkeiten des Verteidigers nach Einlegung des Rechtsmittels aber über die Verfahrensgebühr für die Rechtsmittelinstanz.

2. Ggf. kann die Notwendigkeit des Verteidigerhandelns dann zu verneinen sein, wenn die Rechtsmitteleinlegung allein vorsorglich für den Fall einer Rechtsmitteleinlegung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgt wäre. Dann muss aber die Einlegung ausschließlich für den Fall einer Rechtsmitteleinlegung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgen und das der Rechtsmittelschrift zu entnehmen sein. Es reicht nicht aus, wenn nur die Möglichkeit in Aussicht gestellt wird, dass das eigene Rechtsmittel im Falle einer Nichteinlegung der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen wird, dies aber keineswegs verbindlich angekündigt wird.

§ 33 RVG

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.7.2023 – 1 Ws 22/23, AGS 2023, 401 = JurBüro 2023, 470

Für das objektive, wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehungsanordnung kommt der Anklageschrift, wenn diese sich zur Vermögensabschöpfung äußert, grds. erhebliche Bedeutung zu; der Inhalt der Anklageschrift verliert allerdings seine Bedeutung für die Bestimmung des Gegenstandwertes für das Einziehungsverfahren, wenn die Vermögensabschöpfung in der genannten Höhe ernstlich nicht im Raum steht und die Berechnung deshalb nur fiktiven Charakter hat.

 

BVerfG, Beschl. v. 14.1.2019 – 1 BvR 3165/15

Bei Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Gegenstandswertfestsetzung.

 

BFH, Beschl. v. 30.10.2023 – IV S 26/23, AGS 2023, 568

Der Antrag auf (vorläufige) Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 33 Abs. 1 RVG kann nicht auf das Recht auf Vorschuss gemäß § 9 RVG gestützt werden.

§ 37 RVG

BVerfG, Beschl. v. 3.3.2023 – 2 BvR 1810/22, AGS 2023, 278

1. Die Anordnung der Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG steht im Ermessen des Gerichts und setzt voraus, dass besondere Billigkeitsgründe vorgetragen oder ersichtlich sind.

2. Ein höherer Gegenstandswert als der Mindestgegenstandswert kommt in Fällen, in denen eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen oder zurückgenommen worden ist, regelmäßig nicht in Betracht.

 

BVerfG, Beschl. v. 28.9.2023 – 2 BvR 739/17, AGS 2023, 503

1. Im verfassungsgerichtlichen Verfahren eingereichte Mehrfertigungen sind nicht stets erstattungsfähig, sondern nur in den in der Nr. 7000 VV geregelten Fällen.

2. Vor dem Hintergrund, dass nach der Praxis des BVerfG Akteneinsicht im verfassungsgerichtlichen Verfahren in der Weise gewährt wird, dass entweder die Möglichkeit eingeräumt wird, die Verfahrensakte am Gerichtssitz einzusehen, oder indem das Gericht Kopien aus der Verfahrensakte fertigt und dem Beteiligten übersendet, ist es, zumal, wenn die Akten einen erheblichen Umfang haben, nicht zu beanstanden, wenn der Akteneinsichtsberechtigte die Entscheidung trifft, die Akten vor Ort einzusehen und so von seinem Akteneinsichtsrecht Gebrauch zu machen.

§ 43 RVG

AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 24.4.2023 – 664 Ds 4/22 jug.

Macht aufgrund einer Abtretung der Verteidiger die beim frei gesprochenen Mandanten entstandenen Gebühren und Auslagen im eigenen Namen geltend, bedarf es einer gesonderten zusätzlichen Vollmacht des Mandanten zur Stellung des Kostenfestsetzungsantrages nicht.

§ 45 RVG

OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.7.2023 – Ws 133/23, NJW 2023, 2737 = JurBüro 2023, 415 = AGS 2023, 553

(Aufhebung von LG Amberg, Beschl. v. 5.12.2022 – 11 Qs 79/22, AGS 2023, 116; AG Amberg, Beschl. v. 12.10.2022 – 6 Gs 398/21, AGS 2022, 506)

1. Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung führt nicht dazu, dass die Bestellung von Anfang an entfällt. Vielmehr tritt diese Wirkung erst zu dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ein.

2. Damit hat der Rechtsanwalt gem. § 45 Abs. 3 S. 1 RVG Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit aus der Landeskasse mit der Konsequenz, dass gem. § 48 Abs. 6 S. 1 RVG auch die Tätigkeiten vor seiner Bestellung zu vergüten sind.

§ 46 RVG

LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.2.2023 – 20 KLs 358 Js 11338/21, AGS 2023, 190

1. Wird ein Dolmetscher vom Verteidiger beauftragt, hat der Dolmetscher keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Staatskasse, sondern allein gegen seinen Auftraggeber. Dieses kann sich dann im Rahmen des Erforderlichen gegenüber der Staatskasse schadlos halten.

2. Es handelt sich um einen Auslagenerstattungsanspruch sui generis unabhängig von der Art der Verteidigung und der Frage einer Verurteilung.

3. Die wörtliche Übersetzung der gesamten Akte oder einzelner Aktenbestandteile gehört in der Regel gerade nicht zu den insoweit erforderlichen Translationsleistungen.

 

OLG München, Beschl. v. 7.12.2022 – 4 Ws 23/22, AGS 2023, 118

Die Feststellung der Erforderlichkeit von Aufwendungen des Pflichtverteidigers durch das Gericht ist nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG für das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend. der Kostenbeamte hat die Entscheidung grds. hinzunehmen.

 

LG Augsburg, Beschl. v. 28.9.2022 – 3 Qs 285/22, AGS 2023, 118

1. Die Feststellung der Erforderlichkeit durch das Gericht ist nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG für das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend.

2. Bei Übersetzerkosten handelt es sich um grds. erstattungsfähige Aufwendungen i.S.d. § 46 Abs. 2 S. 3 RVG. Grds. erscheint es auch vertretbar, im Rahmen des Auslieferungsverfahrens Übersetzungen von solchen Dokumenten anfertigen zu lassen, welche geeignet sind, Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Ausgangsverfahrens zu wecken. Dies entspricht jedenfalls nicht einem willkürlichen Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Erforderlichkeit“. Etwas anderes kann gelten, wenn der Verteidiger mithilfe seines Mandanten durchaus zugemutet hätte werden können, einzelne Schriftstücke zumindest grob vorzusichten bzw. sich schrittweise vorzuarbeiten, um dann zu entscheiden, was übersetzt werden muss.

§ 47 RVG

OVG Münster, Beschl. v. 12.7.2023 – 4 E 110/23

Ein Vorschuss auf voraussichtlich entstehende Gebühren (hier: der geltend gemachte Vorschuss auf die Terminsgebühr) ist von dem Vorschussanspruch nach § 47 Abs. 1 S. 1 RVG nicht umfasst, da die Terminsgebühr keine bereits entstandene Gebühr und keine bereits entstandene oder entstehende Auslage ist.

§ 48 RVG

OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.7.2023 – Ws 133/23, NJW 2023, 2737 = JurBüro 2023, 415 = AGS 2023, 553

1. Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung führt nicht dazu, dass die Bestellung von Anfang an entfällt. Vielmehr tritt diese Wirkung erst zu dem Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ein.

2. Damit hat der Rechtsanwalt gem. § 45 Abs. 3 S. 1 RVG Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit aus der Landeskasse mit der Konsequenz, dass gem. § 48 Abs. 6 S. 1 RVG auch die Tätigkeiten vor seiner Bestellung zu vergüten sind.

 

LG Detmold, Beschl. v. 21.2.2023 – 23 Qs 121/22 = AGS 2023, 210

Zum alten Recht:

1. Der Vergütungsanspruch des zum notwendigen Verteidiger bestellten Rechtsanwalts bestimmt sich auch in Strafsachen nach den Maßgaben der §§ 45, 48 RVG.

2. Die Rückwirkungsfiktion des § 48 Abs. 6 (früher § 48 Abs. 5 RVG a.F.) stellt eine gesetzliche Ausnahmeregelung zum Grundsatz der strukturellen Korrespondenz von Inhalt und Zeitpunkt des Bestellungsakts nach § 48 Abs. 1 RVG und dem durch ihn verkörperten vergütungsrechtlichen Anspruch dar.

3. Vom Regelungsbereich des § 48 Abs. 6 (früher § 48 Abs. 5 RVG a.F.) nicht erfasst wird der Vergütungsanspruch eines während laufender Hauptverhandlung zum zweiten Pflichtverteidiger bestellten früheren Wahlverteidigers, sofern damit allein in der Person eines bereits bestellten, in der Hauptverhandlung ebenfalls durchgehend anwesenden Pflichtverteidigers liegende vorübergehende körperliche Einschränkungen, namentlich mangelnde Schreib- und Nachschlagefähigkeiten, kompensiert werden sollen

 

AG Rheine, Beschl. v. 26.10.2023 – 11 Ls 73 Js 603/23 (47/23)

Die in der Ausnahmevorschrift des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG fingierte vergütungsrechtliche Rückwirkung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Strafverfahren greift dann nicht, wenn in dem gerichtlichen Beiordnungsbeschluss ausdrücklich eine abweichende Bestimmung der zeitlichen Geltung der Beiordnung getroffen worden ist.

§ 51 RVG

OLG Dresden, Beschl. v. 15.12.2023 - 1 (S) AR 53/22;

OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2023 – 2 ARs 41/22, AGS 2023, 213

Für die Anwendung des § 51 RVG ist entscheidend, dass das Verfahren bei dem Pflichtverteidiger wegen des „Umfangs und/oder der Schwierigkeit“ des Verfahrens zu einer zeitlichen Beanspruchung führen muss, die nicht mehr durch die gesetzlichen Gebühren gedeckt ist und die bei dem Pflichtverteidiger deswegen zu einem unzumutbaren Sonderopfer führt, das von existenzieller Bedeutung ist.

 

OLG Dresden, Beschl. v. 15.12.2023 - 1 (S) AR 53/22

Zur Bewilligung einer Pauschgebühr in einem Wirtschaftsstrafverfahren, mit mehr als 50.000 Blatt Akten und erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten

 

OLG München, Beschl. v. 2.1.2023 – 1 AR 280/22, AGS 2023, 73

Zur „besonderen Schwierigkeit“ i.S.v. § 51 Abs. 1 RVG bei einem Staatsschutzdelikt eines Jugendlichen.

 

OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.2.2023 – 1 ARs (KostR) 8/22, AGS 2023, 215 = JurBüro 2023, 356

Zur Gewährung einer Pauschgebühr, wenn sich der Pflichtverteidiger in eine umfangreiche Ermittlungsakte einarbeiten musste.

 

OLG München, Beschl. v. 27.9.2023 – 1 AR 263/23, AGS 2023, 500

Es entspricht dem gesetzlichen Gebührenkonzept, dass der Verteidiger regelmäßig seine im Vorverfahren, für das relativ geringe Gebühren anfallen, gewonnenen Kenntnisse im Hauptverfahren nutzt. Ist das nicht möglich, weil der erforderlichen Einarbeitung in den Sachstand nur ein Hauptverhandlungstag folgt, mithin nur eine Terminsgebühr anfällt und somit der „Synergieeffekt“ nicht eintritt, ist das beim Pflichtverteidiger durch die Gewährung einer Pauschgebühr auszugleichen.

 

KG, Beschl. v. 28.11.2023 – 1 ARs 17/22

Für die Gewährung einer Pauschgebühr ist auch bei einem auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkten Antrag stets erforderlich, ob die dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im gesamten Verfahren gewährte Regelvergütung insgesamt noch zumutbar ist oder ob ihm wegen besonderer Schwierigkeiten in einem Verfahrensabschnitt mit der dafür vorgesehenen Gebühr ein ungerechtfertigtes Sonderopfer abverlangt wird. Dabei kann der erhöhte Arbeits- und Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt grds. durch eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme in anderen Teilen mit der Folge kompensiert werden, dass mit den im Vergütungsverzeichnis des RVG bestimmten Gebühren in der Summe die erbrachte Tätigkeit des Rechtsanwalts noch ausreichend bezahlt wird.

§ 55 RVG

BGH, Beschl. v. 8.2.2023 – 2 ARs 302/22 u. 2 AR 169/22, AGS 2023, 350 = NStZ-RR 2023, 232 (Ls.)

Eine Entscheidung durch das gemeinschaftliche obere Gericht nach § 14 StPO setzt voraus, dass zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit besteht. Die Vorschrift findet nur dann Anwendung, wenn die Zuständigkeit für eine richterliche Tätigkeit in Streit steht. Dies ist bei der Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung nach § 55 Abs. 1 S. 2 RVG nicht der Fall, denn dabei handelt es sich nicht um eine richterliche Tätigkeit, sondern um eine Aufgabe der Justizverwaltung.

§ 60 RVG

AG Korbach, Beschl. v. 9.1.2023 –41 Ls-4750 Js 20444/19, AGS 2023, 162

Beim Berufungs- und Revisionsverfahren handelt es sich gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten i.S.d.§ 17 Nr. 1 RVG. Gem. § 60 Abs. 1 S. 3 RVG ist daher bei einer Rechtsänderung im laufenden Verfahren ggf. für die Abrechnung des erstinstanzlichen Verfahrens für die Vergütung altes Recht anzuwenden, gem. § 60 Abs. 1 S. 4 RVG für das Berufungs- und Revisionsverfahren hingegen neues Recht.


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