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aus StRR 8/2023. 13

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "StRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "StRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Änderung im RVG in der 20. Legislaturperiode, oder: Eckpunktepapier von DAV/BRAK aus Mai 2023

Die letzten linearen und/oder strukturellen Änderungen im RVG datieren aus der 19. Legislaturperiode. Diese Änderungen durch das 2. KostRÄG 2021 sind am 1.1.2021 in Kraft getreten. Um weitere/neue Änderungen „anzustoßen“, haben DAV und BRAK nun im Mai 2023 gemeinsam ein sog. Eckpunktepapier vorgelegt, in dem sie ihre Änderungswünsche/ - vorschläge formuliert haben. Wir stellen Ihnen diese, soweit sie für straf-/bußgeldrechtliche Verfahren von Bedeutung sein können, in einem Überblick vor.

I. Lineare Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung

zeitnahe lineare Erhöhung

Gefordert wird zunächst eine weitere „zeitnahe lineare Erhöhung“ der anwaltlichen Vergütung, um diese an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Die Erhöhung im Rahmen des KostRÄG 2021 habe keine vollständige Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung seit dem 2. KostRMoG 2013 gebracht. U.a. diese Differenz müsse aufgeholt werden.

kein konkreter Erhöhungssatz

Einen konkreten „Erhöhungssatz“ nennt das Eckpunktepapier nicht. Zur Erinnerung: Das KostRÄG 2021 hatte die anwaltlichen Gebühren pauschal um 10 % angehoben.

II. Strukturelle Änderungen und Klarstellungen

1. Änderungen bei der Berechnung der Vergütung (§ 10 RVG)

Änderung der Schriftform in Textform

§ 10 RVG sieht für Rechtsanwaltsrechnungen bisher die Schriftform vor (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Teil A Rn 534 ff.). Erforderlich ist auch die eigenhändige Unterschrift.

Diese Vorgaben werden in einer digitalen Welt als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Man schlägt daher vorher die Schriftform durch die Textform zu ersetzen. Dies entspreche sehr viel stärker den Bedürfnissen der Praxis nach einer einfachen Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung.

Gegen diesen Vorschlag ist letztlich nichts einzuwenden. Dies schon deshalb, weil § 3a RVG bereits für Vergütungsvereinbarungen nur die Textform vorsieht (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 2447 ff.).

2. Angelegenheit (§ 17 RVG)

Klarstellung bei den Angelegenheiten

Das 2. KostRMoG hat 2013 § 15 Abs. 2 RVG a. F. geändert und den Satz 2 entfallen lassen. Dieser enthielt die Regelung, dass der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann. Das hat dazu geführt, dass teilweise verschiedene Verfahren als nur eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit annimmt. Eine Änderung der vorher geltenden Rechtslage war durch den Wegfall jedoch nicht beabsichtigt (dazu auch BT-Drucks 17/11471, S. 267; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, § 17 Rn 3).

Es wird nun vorgeschlagen, durch eine entsprechende Ergänzung des § 17 Abs. 1 Nr. 1 RVG klar zu stellen, dass jedes einzelne behördliche, verwaltungsrechtliche und gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind.

3. Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands (§ 48 RVG)

Zeugenbeistand endlich nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG honorieren ….

Bisher ist im RVG die Honorierung der Tätigkeit eines Zeugenbeistands nicht geregelt. Das hat von Inkrafttreten des RVG an zu einem heftigen Streit in Rechtsprechung und Literatur geführt, wie die Tätigkeit des Zeugenbeistands zu vergüten ist (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 2673 und Vorbem. 4.1 VV Rn 5 ff.). In der Vergangenheit hat es dann bereits mehrfach Anregungen aus der Anwaltschaft gegeben, die Frage zu regeln (vgl. dazu zuletzt das Eckpunktepapier 2018 und dazu Hansens, RVGreport 2018, 202).

Das Eckpunktepapier enthält dazu erneut einen Vorschlag. Danach soll in § 48 RVG eine Vergütungsregelung für die Zeugenbeistandsleistung von Rechtsanwälten, die nach § 68b StPO beigeordnet sind, dahingehend normiert werden, dass sich die Beiordnung auf alle vorbereitenden und nachsorgenden Tätigkeiten erstreckt und damit die Tätigkeit nicht (mehr) nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, sondern nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG honoriert werden so.

... wäre zu begrüßen

Der Vorschlag ist sicherlich zu begrüßen, da damit endlich eine Problematik gelöst würden, die Rechtsprechung und Literatur seit 2004 beschäftigt. Allein mir fehlt der Glaube, dass es zu dieser Änderung kommen wird. Denn bisher haben die Bundesländer bei allen vom Bund für die Frage vorgeschlagenen Lösungen erbitterten Widerstand geleistet. Man befürchtet im Zweifel, da es um den nach § 68b StPO bestellten Zeugenbeistand geht, offenbar eine zu starke Belastung der (klammen) Landeskassen mit den insoweit dann entstehenden gesetzlichen Gebühren. Zudem wird m.E. der Vorschlag auch beim Bund nicht auf offene Ohren stoßen, denn man hat ja gerade erst durch das KostRÄG 2021 nicht nur den Vorschlag des Eckpunktepapier 2018  nicht aufgenommen, sondern auch noch die Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG an die andere Formulierung der Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG angepasst. Damit ist aber ein Argument für diejenigen, die den Zeugenbeistand wie den Verteidiger honorieren wollen, entfallen.      

4. Wertgebühren aus der Staatskasse (§ 49 RVG)

Anpassung der (Kappungs)Grenzen

Nach der derzeitigen Regelung in § 49 RVG erhält der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt, also der PKH-Anwalt und/oder der Pflichtverteidiger, die in § 13 RVG vorgesehenen Wertgebühren nur bis zu einem Gegenstandswert von 4.000,00 EUR. Beträgt der Gegenstandswert mehr als 4.000,00 EUR, gilt die Tabelle des § 49 mit den dort vorgesehenen geringeren Beträgen. Zudem besteht für den Gegenstandswert eine Kappungsgrenze bei 50.000,00 EUR.

Zwei Änderungen vorgeschlagen

Vorgeschlagen werden insoweit zwei Änderungen, und zwar:

  • Die Grenze reduzierter PKH-Gebühren soll auf 5.000 EUR Gegenstandswert angehoben und damit an die übrigen Kostengesetzen angepasst werden.
  • Zudem soll die Kappungsgrenze RVG zur Anpassung an die Inflationsentwicklung auf 100.000 EUR angehoben werden.

Die Änderungen hätten im Strafverfahren Auswirkungen bei den Nrn. 4142 VV RVG und bei Nrn. 4143, 4144 VV RVG. Sie wären zu begrüßen. Denn zum einen besteht eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Bewertung bei den PKH-Gebühren nicht. Zum anderen würde die Anhebung der Kappungsgrenze gerade bei den Pflichtverteidigern im Hinblick auf die Nr. 4142 VV RVG zu erhöhten gesetzlichen Gebühren führen.

5. Neues strafrechtliches Zwischenverfahren (Teil 4 VV RVG)

Anpassung des Vergütungsrechts an die prozessrechtliche Struktur des Strafverfahrens

Die StPO teilt das Strafverfahren ist in die drei Abschnitte Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren. Eine anwaltliche Vergütung ist mit der Nr. 4104 VV RVG jedoch nur für das Ermittlungsverfahren und mit den Nrn. 4106 ff. VV RVG für das Hauptverfahren und sich ggf. anschließende Beschwerdeverfahren vorgesehen.

Das Eckpunktepapier schlägt vor, die vergütungsrechtliche Regelung an die prozessrechtliche Struktur des Strafverfahrens anzupassen. Das wird einmal mit dem ggf. nicht unerheblichen Arbeitsaufwand für Verteidiger, die erst im Zwischenverfahren mit Zustellung der Anklage erstmalig Gelegenheit erhalten, festzustellen und zu prüfen, welche konkreten Vorwürfe erhoben werden und welche Beweismittel zur Verfügung stehen. Erst in diesem Stadium besteht dann vielfach auch die (sinnvolle) Möglichkeit, zur Sach- und Rechtslage umfassend Stellung zu nehmen.

Auch diese Ergänzung des RVG durch einen neuen Unterabschnitt 3 „Zwischenverfahren“ in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG wäre zu begrüßen. Man würde damit auf jeden das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des RVG, die anwaltlichen Gebühren an die Strukturen des Strafverfahrens anzupassen (BT-Drucks 15/1971, S. ¢¢¢ ff.), fortführen. Zudem ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum die ggf. umfangreichen Tätigkeiten, die der Verteidiger nach Anklageerhebung erbringt, dann nur noch mit der gerichtlichen Verfahrensgebühr (vgl. Anm. zu Nr. 4104 VV RVG) ,it honoriert werden. Das höhlt letztlich den Abgeltungsbereich der gerichtlichen Verfahrensgebühr aus und verhindert eine leistungsgerechte Honorierung der Tätigkeiten des Verteidigers.

Es dürfte sich im Übrigen empfehlen, die Höhe einer neuen Verfahrensgebühr für das Zwischenverfahren wie die gerichtlichen Verfahrensgebühren von der Ordnung des Gerichts abhängig zu machen, also AG, LG und OLG.

6. Auslagentatbestände (Nr. 7000 ff. VV RVG)

Im Bereich der Auslagen schlägt das Eckpunktepapier zwei Änderungen vor.

a) Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG

Honorierung von Scans

Nach Inkrafttreten des RVG im Jahr 2004 ist der in Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG damals enthaltene Begriff „Ablichtungen“ in der Rechtsprechung zum Teil dahin verstanden worden, dass damit auch Scans gemeint sind/sein können und damit auch das Einscannen von Akten zur sog. Dokumentenpauschale führt (vgl. u.a. OLG Bamberg StraFo 2006, 389 = AGS 2006, 432; BayLSG AGS 2013, 121; LG Dortmund AGS 2010, 125; LG Kleve AGS 2012, 64; LG Kleve AGS 2015, 598). Durch das 2. KostRMoG ist dann der Begriff „Ablichtungen“ durch den Begriff „Kopien“ ersetzt worden. Danach ist die Rechtsprechung (KG AGS 2015, 569 = JurBüro 2016, 18 = NStZ-RR 2016, 63; RVGreport 2016, 224; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 2.9.2020 – 2 Ws 77/20; AG Hannover AGS 2014, 273; LSG Niedersachsen-Bremen AGS 2017, 329; LSG Bayern AGS 2019, 64) dann davon ausgegangen, dass davon Scans nicht (mehr) erfasst werden. Folge ist, dass nach dieser Regelung jetzt nur Kopien aber keine Scans vergütet werde. Das Eckpunktepapier schlägt vor, dass nun Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG klarstellend dahingehend ergänzt werden soll, dass auch das Einscannen von in Papierform vorliegenden Akten zur weiteren Bearbeitung als elektronische Akte von der Pauschale erfasst wird.

Ungleichbehandlung nicht nachvollziehbar

Diese Änderung wäre sehr erfreulich. Denn die Ungleichbehandlung von Kopien und Scans ist nicht nachvollziehbar und wird der Praxis nicht mehr gerecht, da im Hinblick auf die elektronische Akte, Rechtsanwälte, insbesondere Verteidiger, heute Akten nicht mehr kopieren, sondern einscannen. Der dafür entstehende Personalaufwand ist aber mit dem Kopieren identisch. Zudem entstehen auch höhere Kosten für leistungsfähige Geräte zur Erstellung von Scans.

b) Fahrtkostenpauschale Nr. 7003 VV RVG

Erhöhung

Derzeit beträgt nach den Änderungen durch das KostRÄG 2021 die Kilometerpauschale 0,42 EUR. Diese ist angesichts der seitdem erheblich gestiegenen Kraftstoffpreise nicht mehr kostendeckend. Vorgeschlagen wird eine Anhebung der Kilometerpauschale auf mindestens 0,50 EUR.

III. Fazit:

Insgesamt kann man die Vorschläge nur unterstützen. Dahin stehen soll an dieser Stelle allerdings, ob sich nicht weitere Änderungen/Ergänzungen empfehlen würden. Die würden aber sicherlich den Rahmen eines KostRÄG sprengen und eher für ein 3. KostRMoG sprechen. Aber auch die Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen würde dem anwaltlichen Gebührenrecht gut tun. Man kann nur hoffen, dass sie kommen Und man kann nur hoffen, dass sie bald in Angriff genommen werden. Denn die laufende 20. Legislaturperiode endet im Herbst 2025. Viel Zeit für Änderungen im RVG ist also nicht mehr.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg


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