aus ZAP Heft 15/2022, F. 22 S. 1089
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
Ein Richter kann nach § 24 Abs. 1 StPO sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist Ausfluss des sich aus Art. 102 Abs. 1 S. 2 GG ergebenden Rechts auf den gesetzlichen Richter. Das ist nicht gewahrt, wenn am Verfahren ein Richter teilnimmt, der z.B. wegen naher Verwandtschaft, Freundschaft oder Verfeindung die gebotene Unvoreingenommenheit vermissen lässt (BVerfG NJW 1971, 1029). Der Gesetzgeber hat daher dafür Sorge getragen, dass die Richterbank von Richtern freigehalten wird, die einem Beschuldigten nicht mit der erforderlichen Distanz gegenüberstehen. Diesem Zweck dienen die Vorschriften der §§ 22 ff. StPO über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen (BVerfG MDR 1978, 201).
Hinweis:
Die §§ 22 ff. StPO sind über §§ 46, 71 OWiG auch im Bußgeldverfahren anwendbar (zur Ablehnung im OWi-Verfahren Niehaus in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 1 ff.).
Nach den §§ 22 ff. StPO kann der Richter abgelehnt werden wegen Besorgnis der Befangenheit und in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Der Unterschied von Ausschluss und Ablehnung wegen Befangenheit liegt darin, dass der Ausschluss eines Richters von der Mitwirkung bei einer Entscheidung kraft Gesetzes eintritt. Eine entsprechende Feststellung des Gerichts hat nur deklaratorischen Charakter, während im Fall der Befangenheit die Entscheidung konstitutiv wirkt und erst die Entscheidung selbst zum Ausschluss des Richters von der Mitwirkung bei der Entscheidung führt.
Die verfahrensrechtlichen Regelungen in den §§ 24 ff. StPO sind durch die letzten strafverfahrensrechtlichen Reformen, nämlich das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.8.2017 (BGBl I, S. 3202), das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2121) und das Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a. v. 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) mehrfach geändert worden. Ziel dieser Änderungen war letztlich jeweils immer eine Verschärfung/Erschwerung des Ablehnungsrechts zur Beschleunigung des Verfahrens, auch wenn die Namen der Änderungsgesetze anderes anzeigen wollen. Wegen der Einzelheiten der Änderungen wird verwiesen auf VI. und VII.
Stellt sich im Verfahren die Frage, ob ein Ablehnungsantrag gestellt werden soll, muss sich der Verteidiger/Rechtsanwalt mit seinem Mandanten auf jeden Fall beraten. Denn das Ablehnungsrecht ist ein Recht des Angeklagten, nicht des Verteidigers (§ 24 Abs. 2 StPO; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 16 ff. m.w.N. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 81 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]). Der Verteidiger muss den Mandanten einerseits auf das Kostenrisiko eines erfolgreichen Antrags hinweisen, wenn die Hauptverhandlung ggf. ausgesetzt und neu begonnen werden muss. Andererseits muss er ihn belehren, dass der Ablehnungsantrag darüber hinaus sowohl von Vorteil als auch von Nachteil sein kann. Denn der Mandant muss bei seiner Entscheidung berücksichtigen, dass der Erfolg eines Ablehnungsgesuchs einerseits zwar häufig den Ausgang des Verfahrens entscheidend beeinflussen kann, andererseits aber der (erfolglose) Ablehnungsantrag ebenso häufig die Stimmung in der Hauptverhandlung nachteilig verändert. Richter, insb. ehrenamtliche Richter, empfinden den Antrag nämlich meist (immer noch) als persönlichen Angriff auf ihre Integrität. Auch ist der erfolglos abgelehnte Richter nach einem solchen Antrag vermittelnden Gesprächen durchweg nicht mehr zugänglich. Diesen Gefahren muss der Verteidiger u.a. dadurch begegnen, dass er das Mittel der Ablehnung nicht über Gebühr strapaziert, sondern grds. nur in den Fällen einen Ablehnungsantrag stellt bzw. seinem Mandanten rät, einen zu stellen, in denen er keine andere Wahl mehr hat, als so zum Ausdruck zu bringen, dass eine vorurteilsfreie Überzeugungsbildung in dem laufenden Verfahren offensichtlich nicht mehr möglich ist.
Hinweis:
Zudem muss der Verteidiger den Antrag selbst maßvoll, sachlich und ohne persönliche Angriffe gegen den abgelehnten Richter formulieren (Burhoff, HV, Rn 67).
Nach § 24 Abs. 1 StPO können Richter abgelehnt werden. Gemeint sind damit die Berufsrichter. Nach § 31 StPO gelten die Vorschriften des 3. Abschnitts der StPO aber nicht nur für Berufsrichter, sondern auch für Schöffen sowie für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Protokollführer zugezogene Personen. Die Ablehnung eines Sachverständigen ist in § 74 StPO geregelt, die eines Dolmetschers in § 191 GVG. Da die Ablehnung von Urkundsbeamten der Geschäftsstelle von geringer praktischer Bedeutung ist, soll auf sie im Nachfolgenden nicht näher eingegangen werden (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 190 ff.). Für Staatsanwälte gelten die §§ 22 ff. nach h.M. nicht, und zwar auch nicht entsprechend (vgl. u.a. BGH NStZ 1984, 419; 1991, 505; wegen der Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, vor § 22 Rn 3 m.w.N. [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner/Schmitt); Burhoff, EV, Rn 111 ff.; Burhoff, HV, Rn 42 ff.).
Das Ablehnungsrecht steht nach § 24 Abs. 3 S. 1 StPO dem Beschuldigten, der Staatsanwaltschaft und dem Privatkläger zu. Ablehnungsberechtigt sind außerdem im Rahmen ihrer Beteiligung: der Nebenkläger, der Beschuldigte im Sicherungsverfahren, der Verfall- und Einziehungsbeteiligte, der Beteiligte im Verfahren bei Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen, der Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren bis zum Erlass der Entscheidung (zu allem Burhoff, HV, Rn 70 ff.).
Kein Ablehnungsrecht steht Zeugen, Sachverständigen und bei der Verhandlung nicht beteiligten Personen im Ordnungsmittelverfahren zu. Auch der Verteidiger des Beschuldigten (§ 138 StPO) und der Rechtsanwalt als Beistand eines Privatklägers hat kein eigenes Ablehnungsrecht.
Hinweis:
Wenn der Verteidiger einen Richter ablehnt, ist im Zweifel aber anzunehmen, dass er dies für den Angeklagten tut, auch wenn er sich ausschließlich auf Vorgänge beruft, die das Verhältnis Verteidiger/Richter betreffen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 20 m.w.N.).
Die Ausschließung von Richtern ist in den §§ 22, 23 StPO geregelt. Ein (möglicher) Ausschluss ist von Amts wegen zu beachten, eine Entscheidung des Gerichts bedarf es nur in Zweifelsfällen. Jeder Prozessbeteiligte kann die Ausschließung aber ohne zeitliche Beschränkung anregen oder den Ausschlussgrund mit einem Ablehnungsgesuch gem. § 24 StPO geltend machen. Die Ausschließung gilt für alle richterlichen Handlungen und nicht nur für das Hauptverfahren, sondern auch für Nachtragsentscheidungen, z.B. nach § 453 StPO (eingehend zur Ausschließung Burhoff, EV, Rn 811 ff.; Burhoff, HV, Rn 543 ff.).
Die Ausschließungsgründe sind im Gesetz in den §§ 22, 23 StPO enumerativ aufgezählt. Von besonderer praktischer Bedeutung sind: § 22 Nr. 5 StPO (dazu IV. 2) und § 23 StPO (dazu IV. 3; wegen der übrigen Gründe Burhoff, EV, Rn 816 ff.; Burhoff, HV, Rn 550 ff., jeweils m.w.N.).
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist. Der Begriff Sache ist weit auszulegen (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 22 Rn 17.). Verfahrensidentität wird nicht vorausgesetzt. Daher reicht es auch, wenn der Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte (BGH NJW 1983, 2711; NStZ 2007, 711). Als Vernehmung ist jede Anhörung durch ein Strafverfolgungsorgan in irgendeinem Verfahrensabschnitt anzusehen, wozu die schriftliche Äußerung über sachlich erhebliche Umstände sowie auch eine dienstliche Äußerung genügt (BGH NJW 2009, 1287; wegen der Einzelh. s.u.a. die tabellarische Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff, HV, Rn 560).
Die Vernehmung muss aber bereits stattgefunden haben. Die bloße Möglichkeit, dass es zur Vernehmung kommt, genügt nicht (BGH MDR 1977, 107). So ist der Richter allein durch die Benennung als Zeuge in einem Beweisantrag nicht ohne Weiteres ausgeschlossen, auch nicht durch die Ladung als Zeuge (BGHSt 14, 219, 220). Ausgeschlossen ist er grds. erst, wenn er in der Hauptverhandlung als Zeuge erscheint (BGHSt 7, 44, 46; Meyer-Goßner/Schmitt, § 22 Rn 19 f.). Ist allerdings nach der eigenen Einschätzung des Richters zu erwarten, dass er in einer Hauptverhandlung als Zeuge vernommen werden muss, ist er aber wohl schon eher ausgeschlossen (LG Bremen StraFo 2021, 197; LG Lüneburg StV 2005, 77). Wenn der Richter sein Nichtwissen dienstlich versichert, kann er an der Ablehnung eines Beweisantrags, mit dem seine Vernehmung beantragt wird, sogar selbst mitwirken (zur Ablehnung eines entsprechenden Beweisantrags wegen Prozessverschleppung BGHSt 44, 4; BGH StV 1991, 99 f.).
Die Frage des Ausschlusses wegen vorangegangener Mitwirkung stellt insb. vor allem immer wieder dann auf, wenn eine Entscheidung durch das Revisionsgericht aufgehoben und nach § 354 Abs. 2 StPO zurückverwiesen worden ist. Da § 354 Abs. 2 StPO nur die Entscheidung eines anderen, nicht aber eines anders besetzten Spruchkörpers des Gerichts verlangt, ist die Mitwirkung eines Richters, der an der aufgehobenen Entscheidung beteiligt war, an der neuen Entscheidung nicht ausgeschlossen (vgl. BGH NStZ 1981, 298 m.w.N.; StV 2016, 663; s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 354 Rn 39 m.w.N. zur kritischen/ablehnenden Literaturansicht). In diesen Fällen bleibt nur, unter den Voraussetzungen des § 24 StPO ein Ablehnungsgesuch anzubringen, z.B. wegen des Urteilsinhalts (BGH NStZ 1987, 19; OLG Stuttgart StV 1985, 492; LG Bremen StV 1986, 470; wegen der Ablehnungsgründe in diesen Fällen Stichwort: Vorbefassung Burhoff, EV, Rn 48 ff.; Burhoff, HV, Rn 115 ff. s.a. unten III 3).
Ein Ausschließungsgrund ist es auch nicht, wenn der erkennende Richter in derselben Sache als Ermittlungsrichter nach den §§ 162, 169 StPO tätig war (BGH MDR 1972, 387), dass er eine kommissarische Vernehmung oder einzelne Beweiserhebungen nach § 202 StPO angeordnet und auch durchgeführt oder dass er an Haftentscheidungen und am Eröffnungsbeschluss mitgewirkt hat (BVerfG NJW 1971, 1027; BGH NStZ 2016, 367; s. auch noch Burhoff, HV, Rn 121). Auch der in die Tatsacheninstanz zurückgekehrte Rechtsmittelrichter ist von der Mitwirkung in derselben Sache nicht ausgeschlossen. An Rechtsmittelentscheidungen darf nach § 23 Abs. 1 StPO allerdings nicht mitwirken, wer bei der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Im Wiederaufnahmeverfahren ist gem. § 23 Abs. 2 S. 1 StPO der Richter, der an der angefochtenen Entscheidung oder, bei Anfechtung eines im Rechtsmittelzug ergangenen Urteils an der ihr zugrunde liegenden Entscheidung in einem unteren Rechtszug mitgewirkt hat, ausgeschlossen.
Befangenheit ist die innere Haltung eines Richters, die seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten störend beeinflussen kann (u.a. BGH NStZ 2016, 218; StV 2013, 372; NStZ-RR 2013, 168; Beschl. v. 6.3.2018 3 StR 559/17; Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 8 m.w.N.). Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes ist grds. vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich befangen ist, spielt keine Rolle (u.a. BVerfG NJW 2003, 2404; 2012, 3228; StV 1988, 417; BGH NStZ 2008, 117; Krekeler NJW 1981, 1634). Unerheblich ist auch, ob der Richter sich selbst für befangen hält (BVerfG DÖV 1972, 312; BGH NStZ 2017, 720); die Unparteilichkeit wird grds. vermutet (EGMR NJW 2011, 3633).
Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist nach § 24 Abs. 2 StPO nur gerechtfertigt, wenn der Beschuldigte aufgrund des ihm bekannten Sachverhalts auch bei verständiger Würdigung der Sache Grund zu der Annahme hat, der abgelehnte Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Für das Ablehnungsbegehren müssen vernünftige Gründe vorgebracht werden, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten. Es kommt also auf einen vernünftigen Ablehnungsberechtigten an (BVerfG NJW 2010, 669; u.a. BGH NJW 1968, 710; 2006, 708, 2014, 2372; StV 2019, 49 [Ls.]; StraFo 2018, 428). Maßgeblich ist eine objektive Betrachtung der Sachlage (BGH NStZ 2020, 495).
Die eigentlichen Ablehnungsgründe sind in der Generalklausel wegen Besorgnis der Befangenheit zusammengefasst und nicht wie bei den Ausschließungsgründen (vgl. § 22 StPO) enumerativ aufgezählt. Daher hat sich zur Frage der Befangenheit eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, die in vier große Gruppen, nämlich die persönlichen Verhältnisse, das eigene Verhalten des Ablehnenden, die Vortätigkeit des Richters und das Verhalten oder Äußerungen des Richters eingeteilt werden kann (wegen der Einzelh. und umfangreicher Rechtsprechungsnachweise Burhoff, EV, Rn 23 ff.; Burhoff, HV, Rn 86 ff.).
Die persönliche Verhältnisse des Richters bzw. zwischen ihm und dem Angeklagten, dem Verletzten (zum Begriff § 373b StPO und dazu Burhoff, EV, Rn 4701; Burhoff, HV, Rn 3631) oder auch einem Zeugen können die Ablehnung begründen, wenn deshalb die Besorgnis begründet ist, dass er nicht unvoreingenommen an die Sache herangehen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 15 m.w.N.). Das kann z.B. bei einer Ehe (für das Zivilverfahren BGH NJW-RR 2020, 633), Verlobung oder enger Freundschaft oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (Burhoff StRR 2008, 287, 290; OVG Bremen NJW 2015, 2828) in Betracht kommen. Insbesondere in diesen Fällen ist aber ggf. eine Gesamtschau vorzunehmen (BGH StV 2013, 372; KG NJW 2009, 96; OLG Düsseldorf NJW 2010, 1158 [Ls.]). Das gilt insb. auch für die Ehe zwischen Richter und sachbearbeitendem Staatsanwalt (Ellbogen/Schneider JR 2012, 188; AG Kehl NStZ-RR 2014, 224 [Ls.; Befangenheit im Bußgeldverfahren, wenn StA und Richterin verheiratet sind]; s. aber AG Kehl, Beschl. v. 16.12.2020 5 OWi 505 Js 15819/20 [nicht, wenn der StA nur das dem Bußgeldverfahren vorhergehende Strafverfahren geführt hat]).
Fraglich ist, inwieweit das persönliche Verhältnis zwischen Verteidiger und Gericht den Angeklagten ggf. zur Ablehnung berechtigt. Die h.M. geht davon aus, dass das nur dann der Fall ist, wenn der Beschuldigte/Angeklagte davon ausgehen muss, dass das Gericht seine ggf. gegenüber dem Verteidiger bestehende Animosität auch auf den Beschuldigten/Angeklagten überträgt (vgl. z.B. BGH StV 1993, 339; NStZ 2020, 495 für Schöffin, deren Ehemann im Scheidungsverfahren von der Kanzlei der Verteidigerin vertreten worden ist; die weit. Nachw. bei Burhoff, EV, Rn 28; Burhoff, HV, Rn 91; zur Richterablehnung wegen Spannungen zwischen Verteidiger und Richter insb. Rabe AnwBl 1981, 333; Müller NStZ 1995, 380 [Rspr.-Übersicht] und aus neuer Zeit Latz, Festschrift für Christian Richter II, 2006, S. 357 ff.).
Aus seinem eigenen Verhalten kann der Ablehnende grds. keinen Ablehnungsgrund herleiten. Er hätte es sonst in der Hand, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen und die Besetzung der Richterbank zu manipulieren (Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 7 m.w.N.). Es rechtfertigt daher die Ablehnung nicht, dass gegen den Richter eine Strafanzeige wegen angeblicher Rechtsbeugung erstattet ist (BGH NJW 1962, 748 f.), gegen ihn Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben oder ein Disziplinarverfahren beantragt ist. Zur Ablehnung berechtigt es auch nicht, wenn der Richter wegen eines beleidigenden oder provozierenden Verhaltens eines Angeklagten oder seines Verteidigers Strafanzeige erstattet (OLG München NJW 1971, 384; differenzierend BGH NStZ 1992, 290; wegen weiterer Einzelh. Burhoff, EV, Rn 30 ff.; Burhoff, HV, Rn 93 ff.).
Die Vortätigkeit des Richters ist, wenn sie das Gesetz nicht ausdrücklich zu einem Ausschließungsgrund nach den §§ 22, 23 StPO erhoben hat (vgl. IV, 3), grds. ebenfalls kein Ablehnungsgrund, sofern zu ihr nicht besondere Umstände hinzukommen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. u.a. BGHSt 24, 336; BGH NJW 2009, 1287 [Ls.]; NStZ 2012, 519; 2014, 660; StraFo 2018, 429; OLG Oldenburg StraFo 2021, 21; s. auch noch EGMR StV-S 2021, 41; zur Vortätigkeit Burhoff, EV Rn 48 ff.; Burhoff, HV, Rn 115 ff.). Ein Richter ist daher nicht schon allein deshalb befangen, weil er mit dem Sachverhalt bereits befasst war. Denn ein verständiger Angeklagter kann und muss davon ausgehen, dass der Richter sich dadurch nicht für künftige Entscheidungen festgelegt hat (BGH NStZ 2012, 519; 2018, 483; auch noch OLG Oldenburg StraFo 2021, 332). Seine Beteiligung an der Eröffnung des Hauptverfahrens begründet daher grds. nicht die Ablehnung (BVerfG NJW 1971, 1029; BGH NStZ 2016, 357; zur Ablehnung wegen Eröffnung des Hauptverfahren vor Ablauf der Erklärungsfrist aber OLG Hamm NStZ-RR 1997, 78 f.; LG Berlin StV 1993, 8). Er ist auch regelmäßig nicht deshalb befangen, weil er bereits in einem anderen (Zivil- oder Straf-)Verfahren mit demselben Sachverhalt dienstlich befasst war und z.B. einen früheren Mitangeklagten wegen der Tat(-beteiligung) verurteilt hat, die nunmehr auch Gegenstand des Verfahrens gegen den Angeklagten ist (BGHSt 43, 96; BGH NStZ 2016, 357 m.w.N.; StV 1987, 1; StraFo 2016, 289). Etwas anderes kann gelten, wenn z.B. die Gründe des früheren Urteils die Besorgnis der Befangenheit begründen (BGH NStZ 2018, 483; LG Heilbronn StV 1987, 333; weit. Nachw. bei Burhoff, EV, Rn 120), z.B. wenn der jetzige Angeklagte in ihnen als Zeuge für unglaubwürdig angesehen worden ist (OLG Celle NJW 1990, 1308; AG Bochum StRR 2009, 345; s. dazu auch OLG Bremen StV 1991, 57; LG Bremen StV 1990, 203).
Auch die Mitwirkung an Zwischenentscheidungen im anhängigen Verfahren und die in diesen Entscheidungen geäußerten Rechtsmeinungen rechtfertigt i.d.R. nicht die Ablehnung (BGH NStZ 1985, 492), selbst wenn in ihnen die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zum Ausdruck gekommen sein sollte (BGH NStZ 2012, 519). Das gilt auch, wenn die Zwischenentscheidung auf einem Verfahrensfehler, auf einem tatsächlichen Irrtum oder auf einer unrichtigen oder unhaltbaren Rechtsansicht beruht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 14 m.w.N.), sofern sie nicht völlig abwegig ist oder sogar den Anschein der Willkür erweckt (vgl. BGH NJW 1990, 1373 für den Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung ohne wichtigen Grund; LG Hildesheim StV 1987, 12 für die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs und LG Köln StV 1987, 382 für unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbare Versagung der Akteneinsicht; Burhoff, HV, Rn 123 m.w.N.).
Das Verhalten des Richters vor oder während der Hauptverhandlung ist in der Praxis der häufigste Ablehnungsgrund (eingehend Burhoff, EV, Rn 34 ff.; Burhoff, HV, Rn 97 ff.). Es kann die Ablehnung insb. begründen, wenn es besorgen lässt, dass der Richter nicht unvoreingenommen an die Sache herangeht.
Das ist insb. dann der Fall, wenn der Richter bereits von der Schuld des Angeklagten endgültig überzeugt zu sein scheint. Das ist in folgenden Fällen bejaht worden: Er teilt die dem Angeklagten zur Last gelegten Vorgänge der Presse als schon feststehend mit (BGH NJW 1953, 1358) oder gibt entsprechende Äußerungen gegenüber dem Verteidiger ab (BGH NJW 1976, 1462) oder er gibt schon in einer Zwischenentscheidung trotz unsicherer Beweislage in sicherer Form seiner Überzeugung von der Schuld des Angeklagten Ausdruck (BGH GA 1962, 282). Das Äußern einer Rechtsansicht vor der Hauptverhandlung ist hingegen kein Ablehnungsgrund (BVerfGE 4, 143).
Bei der Verhandlungsführung ist Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des Richters gerechtfertigt, wenn sie rechtsfehlerhaft, unangemessen oder sonst unsachlich ist (Burhoff, EV, Rn 43 ff.; Burhoff, HV, Rn 104 ff.). Das ist z.B. bejaht worden, wenn der Richter dem Angeklagten bewusst das rechtliche Gehör versagt (OLG Schleswig SchlHA 1976, 44; BayObLG StV 1988, 97) oder das Fragerecht unberechtigt beschränkt (BGH StV 1985, 2), wenn er grob unsachlich seinen Unmut über Beweisanträge des Verteidigers äußert (BGH NStZ 1988, 327), wenn er den Angeklagten bedrängt, ein Geständnis abzulegen (BGH NJW 1982, 1712) oder sich zur Sache einzulassen (BGH NJW 1959, 55), wenn er ihn sonst unangemessen oder ehrverletzend behandelt (vgl. BGH StV 1991, 49 [Hinweis auf Todesstrafe in anderen Ländern]), wenn er bei der Vernehmung eines Zeugen erkennen lässt, dass er sich in der Beurteilung der Aussage als unwahr schon endgültig festgelegt hat (BGH NJW 1984, 1907 f.) oder wenn er dem Verteidiger erklärt, er werde die Hauptverhandlung nicht platzen lassen, auch auf die Gefahr hin, dass das Urteil aufgehoben werde (BGH MDR 1972, 571) oder, wenn er seine Befriedigung darüber zum Ausdruck bringt, dass der Angeklagte keinen Kontakt mehr zu einem Mitangeklagten hat (BGH StV 1991, 450; wegen weiterer Rechtsprechung Burhoff, HV, Rn 112). Zur Ablehnung berechtigen kann es, wenn der Pflichtverteidiger von seinem Mandat unberechtigt entbunden wird (u.a. BGH NJW 1990, 1373; NStZ 1988, 510; s.a. Burhoff, HV, Rn 107). Ein Ablehnungsgrund kann auch darin liegen, dass der Staatsanwaltschaft Zusagen hinsichtlich des Strafmaßes gemacht werden, nur um sie zur Zurücknahme eines Antrags zu bewegen (BGH NStZ 1985, 36) oder wenn bei der Staatsanwaltschaft die Erhebung einer Nachtragsanklage angeregt wird (BGH MDR 1957, 653). Vergleichsgespräche können dann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der Angeklagte aufgrund des Verlaufs der Gespräche befürchten muss, er habe unabhängig vom weiteren Verlauf der Verhandlung Nachteile zu erwarten (zu Ablehnungsgründen in Zusammenhang mit Verständigungsfragen Burhoff, HV, Rn 109 f. m.w.N., vor allem wegen Drohen mit der sog. Sanktionsschere BGH NStZ 2005, 526; 2008, 170).
Ein aus dem Verhalten oder Äußerungen des Richters abgeleiteter Ablehnungsgrund ist in folgenden Fällen hingegen grds. verneint worden: Wegen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, einer Religion, Weltanschauung, Rasse, einem anderen Geschlecht oder einem bestimmten Familienstand (BVerfG NJW 1953, 1097; zur Ablehnung eines Fraktionsvorsitzenden der DVU, der sich öffentlich deutlich ausländerfeindlich geäußert hat, s. LG Bremen StV 1993, 69), wegen des Rates, ein Rechtsmittel wegen geringer Erfolgsaussichten zurückzunehmen (OLG Hamm GA 58, 58; vgl. aber auch KG StV 1988, 98), wenn der Vorsitzende dem Angeklagten in nachdrücklicher Weise Vorhalte gemacht hat (BGH MDR 1957, 16), wegen nach der Sachlage verständlicher Unmutsäußerungen (BGH NJW 1977, 1829: Theater) sowie wegen sachlich gerechtfertigter sitzungspolizeilicher Maßnahmen (a.A. LG Hamburg StV 1981, 617). Auch dass der Richter außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt zu einem Mitangeklagten aufnimmt, ist nicht ohne Weiteres ein Ablehnungsgrund (BGH NStZ 2009, 701; 2019, 223; StV 1988, 417; vgl. aber a.A. BGH NStZ 1983, 359 für den Fall, dass er den in Haft befindlichen Mitangeklagten in der Zelle aufsucht, ihm einen Beschluss übergibt und sich mit ihm über das Verfahren und über Privates unterhält). Zur Ablehnung berechtigen auch nicht Fehler bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung (Burhoff, HV, Rn 106 m.w.N.) sowie ebenfalls nicht Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, wie sie jedem Richter unterlaufen können, es sei denn sein prozessuales Vorgehen entbehrt einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und er-scheint willkürlich (BayObLG DRiZ 1977, 244). Der Richter darf nicht massiv gegen das Strafverfahrensrecht verstoßen, denn das kann bei verständiger Würdigung der Sache beim Angeklagten den Eindruck erwecken, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflusst (Burhoff, HV Rn 105, BGH StV 1985, 2). Schließlich ist es im Allgemeinen auch nicht als Ablehnungsgrund anzusehen, wenn es zwischen dem Richter und dem Verteidiger zu Spannungen kommt, auch nicht bei einem sehr gespannten Verhältnis (BGH NStZ 1987, 19; NStZ-RR 2020, 162; Burhoff, HV Rn 106).
Ohne Bedeutung ist es schließlich auch, wenn der Vorsitzende zu der bereits geplanten Urteilsverkündung einen schon schriftlich abgefasten Urteilsentwurf benützen wollte (BGH wistra 2005, 110). Es soll auch nicht zur Ablehnung berechtigen, wenn der Richter die Urteilsabsetzung bereits während des Plädoyers des Verteidigers beginnt (u.a. BayObLG VRS 44, 206; weit. Nachw. aus der amtsgerichtlichen Rechtsprechung bei Burhoff, HV, Rn 106 a.E.); was m.E. zweifelhaft ist.
Das Ablehnungsverfahren wird grds. nur auf Antrag eines Ablehnungsberechtigten (dazu III. 2) eingeleitet (zur Selbstablehnung nach § 30 StPO Burhoff, HV, Rn 75 ff.). Nach § 26 Abs. 1 S. 1 StPO ist das Ablehnungsgesuch bei dem Gericht anzubringen, dem der abzulehnende Richter angehört. Die Ablehnung eines ersuchten Richters ist bei diesem anzubringen, der Richter einer auswärtigen Strafkammer ist bei dieser abzulehnen.
Für das Ablehnungsgesuch ist eine bestimmte Form grds. nicht vorgeschrieben. Es kann außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, in der Hauptverhandlung schriftlich oder mündlich angebracht werden. Das Ablehnungsverfahren ist nicht Teil der Hauptverhandlung, sodass der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht gilt (BGH NStZ 1982, 188). Nach dem durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.8.2017 (BGBl I, S. 3202) eingefügten § 26 Abs. 1 S. 2 StPO kann das Gericht dem Antragsteller aufgeben, das Ablehnungsgesuch schriftlich zu begründen. Für die schriftliche Begründung kann das Gericht eine angemessene Frist setzen (wegen der Einzelh. Burhoff, HV Rn 59 ff.).
Im Ablehnungsantrag muss der abgelehnte Richter eindeutig unter Angabe der Ablehnungsründe bezeichnet werden. Eine Bezugnahme auf die Akten ist nicht zulässig (BayObLG JZ 1952, 753). Es sind auch die Tatsachen darzulegen, aus denen sich im Fall des § 25 Abs. 2 StPO die Rechtzeitigkeit des Antrags ergeben soll (Burhoff, HV Rn 64).
Im Ablehnungsantrag müssen die Ablehnungsgründe im Einzelnen dargelegt werden. Zu beachten ist, dass für die Ablehnung ein Konzentrationsgebot besteht d. h., dass alle zur Zeit der Ablehnung bekannten Gründe gleichzeitig vorgebracht werden müssen. Damit soll dem Missbrauch des Ablehnungsverfahrens zur Prozessverschleppung vorgebeugt werden. Bei einem Verstoß gegen diese Konzentrationsmaxime wird das Ablehnungsgesuch gem. § 26a StPO als unzulässig verworfen. Verwirkte Ablehnungsgründe können auch später in der Revision nicht nachgeschoben werden, sie können aber noch zur Unterstützung einer auf einen nicht verwirkten Grund gestützten Ablehnung herangezogen werden (BGH StV 2004, 356; Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 5 m.w.N.). Eine Wiederholung des auf denselben Ablehnungsgrund gestützten Ablehnungsgesuchs ist unzulässig.
Eine Ablehnung des Kollegialgerichts als Ganzes ist unzulässig, da § 24 StPO nur die Ablehnung einzelner Richter zulässt. Es ist aber statthaft in einem oder mehreren Gesuchen für die Person jedes einzelnen Mitglieds des Gerichts einen Ablehnungsgrund darzutun (BGH MDR 1955, 271). Auch kann sich ggf. aus der gewählten Formulierung die Ablehnung eines jeden einzelnen Richters des Kollegialgerichts ergeben (BGH NJW 1970, 478; NStZ 2014, 725).
Der Ablehnungszeitpunkt ist in § 25 StPO geregelt. Bei einem evtl. vorliegenden Ausschluss eines Richters (vgl. IV) nach den §§ 22, 23 StPO ist seine Ablehnung ohne zeitliche Beschränkung zulässig, solange er mit der Sache befasst ist. Im Ermittlungsverfahren ist eine Ablehnung grds. zeitlich unbeschränkt möglich (Burhoff, EV, Rn 100 f.). § 25 bestimmt die zeitliche Grenze der Ablehnung wegen Befangenheit in der Hauptverhandlung. Hinsichtlich der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit teilt § 25 StPO für den in der Praxis wichtigsten Fall der Ablehnung des Richters in der Hauptverhandlung die Hauptverhandlung, in zwei Abschnitte ein.
Hinzuweisen ist vorab allerdings darauf, dass nach dem durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2121) eingefügten § 25 Abs. 1 S. 2 StPO inzwischen bestimmt ist, dass dann, wenn die Besetzung des Gerichts nach § 222a Abs. 1 S. 2 StPO schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist (Burhoff, HV, Rn 956), nun das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden muss (dazu Burhoff, HV, Rn 179; zu allem a. Burhoff StRR 6/2020, 6 = VRR 2/2020, 4). Die sog. Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO ist aber nur in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und dem OLG erforderlich. Der frühzeitige Ablehnungszeitpunkt gilt also nur für diese Verfahren. In allen anderen Verfahren, also z.B. beim AG und im Berufungsverfahren, ist es bei der Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 StPO geblieben.
Hinweis:
Das bedeutet (vgl. a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 4a): In erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG/OLG, in denen die Besetzung mitgeteilt worden ist, was in der Praxis die Regel sein dürfte, sind Befangenheitsgründe, die dem Ablehnungsberechtigten vor Beginn der Hauptverhandlung bekannt geworden sind, unverzüglich anzubringen. Dem Ablehnungsberechtigten steht aber eine Überlegungsfrist zu (Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 4c; a.A. wohl BT-Drucks 19/14747, S. 21).
In allen anderen Verfahren, oder wenn (ausnahmsweise) die Besetzung nicht mitgeteilt worden ist, gilt grds. die Frist des § 25 Abs. 1 S. 1 StPO, d.h. die Ablehnung ist bis zum Beginn der Vernehmung des (ersten) Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gem. § 243 Abs. 2 S. 2 unbeschränkt zulässig.
Im Übrigen gilt § 25 Abs. 2 StPO. Danach kann nach dem in § 25 Abs. 1 S. 1 StPO bestimmten Zeitpunkt ein Richter nur abgelehnt werden, wenn der Ablehnungsgrund erst später eingetreten ist (Nr. 1) und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird (Nr. 2). Die Ablehnungsgründe müssen also unverzüglich i.S.d. § 121 BGB geltend gemacht werden, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, also sobald als möglich, ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung (BVerfG NStZ-RR 2006, 379; st. Rspr. seit u.a. BGHSt 21, 334, 339; zuletzt u.a. BGH NJW 2018, 2578; NStZ 2018, 732; NStZ 2021, 56 m. Anm. H. Schneider NStZ 2021, 224). Insoweit wird grds. ein strenger Maßstab angelegt (st. Rspr.; zuletzt BGH NJW 2018, 2578; auch noch BGH NStZ 2006, 644; 2008, 578; StraFo 2008, 502). Der Angeklagte muss aber immer eine Überlegungsfrist und die Möglichkeit haben, sich mit seinem Verteidiger zu beraten (BGH NStZ 2008, 578; 2021, 56; StV 2016, 271).
Hinweis:
Die Überlegungsfrist ist dem Angeklagten von Gesetzes wegen eingeräumt, es muss insoweit kein Antrag gestellt werden (BGH, a.a.O.).
Wie viel Zeit zur Überlegung erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGHSt 45, 312, 315; BGH StV 2016, 271; wegen der Einzelh. Burhoff, HV, Rn 180 ff.).
Nach dem dem Angeklagten gem. § 258 Abs. 2 StPO, nicht nach § 258 Abs. 3 StPO, gewährten letzten Wort ist gem. § 25 Abs. 2 S. 2 StPO eine Ablehnung nicht mehr zulässig, was verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
Die Entscheidung, ob ein Ablehnungsgesuch gestellt werden soll oder nicht (vgl. II.), setzt voraus, dass die an der Entscheidung beteiligten Richter bekannt sind. Deshalb sieht die StPO in § 24 Abs. 3 S. 2 StPO vor, dass ein Ablehnungsberechtigter die Namhaftmachung der zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Personen verlangen kann und diese namhaft zu machen sind. Das kann zur Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör für jede richterliche Maßnahme verlangt werden (BayObLG NStZ 1990, 200, 201; OLG Koblenz NStZ 1983, 470; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2012, 146), also z.B. auch für ein bereits gestelltes Ablehnungsgesuch, um entscheiden zu können, ob die darüber zur Entscheidung berufenen Richter ggf. selbst abgelehnt werden müssen (sog. Ringablehnung BGH NStZ 1994, 447). § 24 Abs. 3 S. 2 StPO gilt allerdings dann nicht, wenn das Ablehnungsgesuch ohne Ausscheiden der abgelehnten Richter nach § 26a Abs. 2 S. 1 StPO als unzulässig verworfen wird (BGH NStZ 2007, 416; NStZ-RR 2006, 85; 2012, 314; 2013, 289). Die Mitteilung obliegt dem Vorsitzenden, sie erstreckt sich nicht auf Auskünfte über die Person des Richters, seine Ausbildung, Auffassungen und ähnliche Daten und auch nicht auf den Protokollführer (BayObLG [Rüth] DAR 1989, 368; OLG Koblenz NStZ 1983, 470).
Nach § 26 Abs. 2 StPO sind der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Abs. 2 StPO die Voraussetzungen der Rechtzeitigkeit des Ablehnungsantrags glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die behaupteten Tatsachen so weit bewiesen werden müssen, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält; die volle Überzeugung von der Richtigkeit der behaupteten Tatsache muss dem Gericht also nicht verschafft werden (vgl. u.a. zuletzt BGH NStZ-RR 2001, 258 [Be] m.w.N.). Von der Glaubhaftmachung kann abgesehen werden, wenn sich der Ablehnungsgrund aus den Akten ergibt (BGH NStZ 2001, 161; 2015, 175; OLG Düsseldorf NJW 2006, 3798; KK-Scheuten, § 26 Rn 4) oder wenn er sonst gerichtsbekannt ist (BGH NStZ 2007, 161; OLG Düsseldorf NJW 2006, 3798; Meyer-Goßner/Schmitt, § 26 Rn 6 m.w.N.) oder der Antrag Wahrnehmungen des Verteidigers enthält, wobei das Fehlen einer anwaltlichen Versicherung grds. unschädlich ist (BGH, a.a.O.).
Mittel der Glaubhaftmachung sind nach § 26 Abs. 2 und 3 StPO grds. nur schriftliche Erklärungen, insb. eidesstattliche Versicherungen von Zeugen oder des Verteidigers. Der Ablehnende selbst kann die Richtigkeit seiner Angaben nicht beschwören und auch nicht an Eides statt versichern. Eine gleichwohl abgegebene Erklärung wird als einfache Erklärung des Antragstellers gewertet (Meyer-Goßner/Schmitt, § 26 Rn 9). Unbeschränkt zulässig sind schriftliche, u.U. auch fremdsprachige (vgl. OLG Bamberg NStZ 1989, 335), Erklärungen von Zeugen, die die Richtigkeit ihrer Erklärungen eidesstattlich versichern können. Die bloße Benennung von Zeugen reicht i.d.R. zur Glaubhaftmachung nicht aus.
Nach § 26 Abs. 3 StPO muss sich der abgelehnte Richter, wenn das Ablehnungsgesuch nicht offensichtlich unbegründet ist, dienstlich äußern (OLG Hamburg StV 2015, 15 [zwingende Voraussetzung]). Die dienstliche Äußerung muss sich inhaltlich sich auf die im Ablehnungsgesuch vorgetragenen Tatsachen beziehen, kann aber ggf. auch darüber hinausgehen. Die Weigerung des Richters, sich dienstlich zu äußern, kann die Besorgnis der Befangenheit begründen (AG Dresden, Beschl. v. 26.9.2016 231 Ls 422 Js 17360/15). Das rechtliche Gehör des Ablehnungsberechtigten wird schon dadurch gewahrt, dass der Verteidiger Gelegenheit bekommt, sich zu äußern. Auf die Kenntnis des Ablehnungsberechtigten kommt es insoweit nicht an. Dem Verteidiger/Rechtsanwalt muss aber ausreichend Zeit gewährt werden, zu der dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahmefrist von (nur) 15 Minuten ist nicht ausreichend und verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör (OLG Naumburg zfs 2015, 293 für das Bußgeldverfahren). Eine zu kurze Erklärungsfrist kann ggf. die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. aber OLG Zweibrücken NStZ 2019, 486).
Zu den möglichen Entscheidungen über das Ablehnungsgesuch ist hier nur auf Folgendes hinzuweisen:
Soll das Gesuch als unzulässig verworfen werden, wird darüber gem. § 26a Abs. 2 StPO entschieden, ohne dass der abgelehnte Richter ausscheidet (BGH NStZ 1994, 447); die Entscheidung hat durch die in der Hauptverhandlung tätigen Berufsrichter und Schöffen zu erfolgen (BGH NStZ 2015, 175 m.w.N.). Nach § 26a Abs. 1 S. 2 StPO kann der Antrag auch dann als unzulässig zurückgewiesen werden, wenn er nicht fristgemäß innerhalb der nach § 26 Abs. 1 S. 2 StPO bestimmten Frist begründet worden ist (zu weiteren Beispielen zur Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuch Burhoff, HV, Rn 139).
Wird das Gesuch nicht als unzulässig verworfen, entscheidet nach § 27 Abs. 1 StPO über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, ohne dessen Mitwirkung und die Strafkammer ohne Schöffen (vgl. § 27 Abs. 2 StPO), durch Beschluss, der verkündet oder zugestellt wird (st. Rspr, zuletzt BGH NStZ 2020, 620 m.w.N.), wobei es nicht darauf ankommt, ob ggf. die Anwendung von § 26a StPO unzulässig war oder übersehen wurde.
In Lit. und Rspr. ist umstritten, in welcher Reihenfolge über Ablehnungsgesuche gegen mehrere erkennende Richter zu entscheiden ist (vgl. die Nachw. bei Meyer-Goßner/Schmitt, § 27 Rn 4). Insoweit gilt: Für Fälle, in denen die Ablehnungsgesuche gleichzeitig eingereicht und auf den gleichen Grund gestützt werden, hält die überwiegende Meinung eine einheitliche Entscheidung für geboten (s. u.a. OLG Frankfurt am Main StV 1984, 499; OLG Hamburg MDR 1984, 512). Nach der Rspr. des BGH (NJW 1996, 1159) ist aber (jedenfalls) in Fällen nacheinander eingehender und unterschiedlich begründeter Ablehnungsgesuche eine sukzessive Entscheidung in der Reihenfolge des Eingangs zu treffen. Wird aber ein Ablehnungsgesuch zugleich gegen mehrere erkennende Richter eingereicht ist ein einheitlicher Beschluss jedoch dann möglich, wenn die Ablehnungsgesuche in Verbindung miteinander stehen (BGH NJW 1998, 2458; s.a. BayObLG NStZ-RR 2001, 49).
Den weiteren Ablauf der Hauptverhandlung, wenn ein Ablehnungsantrag gestellt worden ist, regelt § 29 StPO. Bis zum Inkrafttreten des Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2121) durfte ein Richter, der wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war, gem. § 29 Abs. 1 S. 1 StPO a.F. grds. nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatteten. Ausnahmen waren vorgesehen, wobei die StPO zwischen Befangenheitsanträgen vor Beginn der Hauptverhandlung (§ 29 Abs. 1 S. 2 StPO) und solchen während der Hauptverhandlung (§ 29 Abs. 2 StPO a.F.) unterschieden hat. Dieses Regelungsgefüge ist durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2121) grundlegend geändert worden. § 29 StPO enthält jetzt folgende Regelungen (dazu a. Burhoff StRR 6/2020, 6 und VRR 2/2020, 4; Kampmann HRRS 4/2020, 182; Schork NJW 2020, 1, 2; Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 1 ff.; zum Sinn und Zweck der Neuregelung BT-Drucks 19/14747, S. 23; zur Kritik Kampmann, a.a.O.):
§ 29 Abs. 1 StPO verbietet die Vornahme aufschiebbarer Handlungen in Übereinstimmung mit dem früheren Recht auch weiterhin. Unaufschiebbar sind solche Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht warten können, bis ein Ersatzrichter eintritt (BGHSt 48, 264; BGH NStZ 2002, 429). Aufschiebbare, aber dennoch ausgeführte Prozesshandlungen eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richters sind nicht unwirksam (BGHSt 48, 264; OLG Hamm NStZ 1999, 530 [Ls.]; dazu [für den EÖB] OLG Frankfurt a.M. StV 2001, 496; LG Ingolstadt, Beschl. v. 19.3.2010 2 Qs 24/20, StV 2020, 460 [Ls.]), müssen also ggf. angefochten werden.
§ 29 Abs. 2 S. 1 StPO bestimmt, dass die Teilnahme des Richters an der Hauptverhandlung als unaufschiebbar gilt. Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen weiterhin nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten (§ 29 Abs. 2 S. 2 StPO). Die Geltung dieser (Neu-)Regelung ist unbeschränkt. Sie gilt also für die Mitwirkung des abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung unabhängig davon, ob diese im Zeitpunkt der Anbringung des Ablehnungsgesuchs bereits begonnen hatte (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 23; Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 9). Damit erfasst sie insb. auch den im früheren Recht in § 29 Abs. 1 S. 2 StPO a.F. geregelten Fall, dass der Vorsitzende oder das Gericht bereits vor Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 11; wegen der Einzelh. Burhoff, HV, Rn 147 ff.). Auch in dem Fall sind Beginn und Durchführung der Hauptverhandlung unter Beteiligung der abgelehnten Richter bis zu dem in § 29 Abs. 3 StPO geregelten Zeitpunkt ohne die Beschränkung aus § 29 Abs. 1 StPO möglich (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; Burhoff, EV, Rn 59 ff.).
Hinweis:
Aus § 29 Abs. 2 S. 1 StPO folgt aber nicht, dass eine bereits anberaumte, aber noch nicht begonnene Hauptverhandlung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters tatsächlich durchgeführt werden muss (s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 11 f.).
Auch eine Verlegung des Beginns der Hauptverhandlung auf einen Zeitpunkt nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bleibt möglich, sofern nicht andere Gründe etwa der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen die Durchführung der Hauptverhandlung gebieten (BT-Drucks 19/14474, S. 23).
Die Entscheidung, auch in diesen Fällen eine/die Hauptverhandlung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters durchzuführen, ist eine Maßnahme der Verhandlungsleitung des Vorsitzenden. Im Hinblick auf § 338 Abs. 8 StPO muss der Verteidiger nach § 238 Abs. 2 beanstanden (BGH NStZ 2002, 429).
§ 29 Abs. 3 StPO regelt den spätesten Zeitpunkt der Entscheidung über den Ablehnungsantrag. Danach muss die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch spätestens vor Ablauf von zwei Wochen erfolgen. Diese Frist ist unabhängig davon, ob innerhalb dieser zwei Wochen mehrere weitere Verhandlungstage stattfinden oder nicht. Die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch muss aber so schnell wie möglich ergehen; die Frist von zwei Wochen darf daher, wie sich aus dem Begriff spätestens ergibt, nur ausgeschöpft werden, wenn dies aufgrund des Verfahrensablaufs nicht anders möglich ist (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 24; Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 19 Maximalfrist; Burhoff StRR 6/2020, 6 = VRR 2/2020, 4). Das wird nur in Ausnahmefällen der Fall sein.
Eine Ausnahme (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 24 f.) von der Zweiwochenfrist ist in § 29 Abs. 3 S. 3 StPO enthalten. Danach kann über das Ablehnungsgesuchs auch noch am übernächsten Hauptverhandlungstag nach Fristbeginn entschieden werden (s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 25).
Den spätesten Zeitpunkt der Entscheidung regelt § 29 Abs. 3 S. 1 StPO. Danach muss spätestens vor Urteilsverkündung entschieden werden. Über das Ablehnungsgesuch kann also noch unmittelbar vor Urteilsverkündung entschieden werden (s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 20). Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei den Fristen des § 29 Abs. 1 StPO um Maximalfristen handelt. War eine frühere Entscheidung möglich, ist sie zu treffen. Es darf also auch nicht mit der Entscheidung bewusst gewartet, um dem Beschuldigten/Angeklagten im Hinblick auf § 25 Abs. 2 S. 2 StPO eine Reaktion auf die Entscheidung abzuschneiden.
Den Fristbeginn regelt § 29 Abs. 3 S. 2 StPO. Danach gilt (Meyer-Goßner/Schmitt, § 29 Rn 21 ff.): Wird das Ablehnungsgesuch vor oder während laufender Hauptverhandlung gestellt, beginnt die Frist nach § 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO grds. mit dem Tag, an dem das Gesuch gestellt wird. Das heißt: Wird also der Antrag in der Hauptverhandlung mündlich gestellt, beginnt die Frist am Hauptverhandlungstag. Ansonsten gilt der Tag, an dem der Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wurde oder er bei Gericht eingegangen ist. Hat das Gericht von der Möglichkeit des § 26 Abs. 1 S. 2 StPO Gebrauch gemacht und dem Angeklagten aufgegeben, ein nur mündlich gestelltes Ablehnungsgesuch innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich zu begründen, beginnt die Frist dann gem. § 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO erst mit Eingang der schriftlichen Begründung.
Die Folgen eines erfolgreichen Ablehnungsgesuches für die Hauptverhandlung sind in § 29 Abs. 4 StPO geregelt. Insoweit gilt:
Wird die Ablehnung für begründet erklärt und hatte an ihr kein Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) teilgenommen, muss die Hauptverhandlung ausgesetzt und neu begonnen werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt und hatte an ihr ein Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) teilgenommen, muss die Hauptverhandlung zwar nicht ausgesetzt werden. Es ist jedoch der nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Hauptverhandlung zu wiederholen. Ausgenommen von der Wiederholungsverpflichtung sind nach § 29 Abs. 4 S. 2 StPO solche Teile der Hauptverhandlung, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist. Die Gesetzesbegründung (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 25) nennt als Beispiel die Vernehmung eines todkranken oder i.S.d. § 251 Abs. 2 Nr. 2 StPO weit entfernt wohnenden Zeugen. Letztlich wird man m.E. diese Frage an der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) messen müssen (wegen der Verlesung von Protokollen und Urkunden aller Art nach §§ 251 ff. StPO Burhoff, HV, Rn 3527 ff. m.w.N.).
Im Ablehnungsverfahren steht dem Ablehnungsberechtigten ein Rechtsmittel gegen die auf sein Ablehnungsgesuch hin ergangene Entscheidung nur beschränkt zu. Im Einzelnen gilt:
Nicht anfechtbar ist nach § 28 Abs. 1 StPO der Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird. Im Übrigen ist zu unterscheiden, ob die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft oder nicht.
Handelt es sich nicht um einen erkennenden Richter, ist nach § 28 Abs. 2 S. 1 StPO die sofortige Beschwerde zulässig, wenn die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Es können bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde weitere Ablehnungsgründe und die Glaubhaftmachung nachgeschoben werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 28 Rn 3 m.w.N.). Allerdings erledigt sich eine Beschwerdeentscheidung durch prozessuale Überholung, wenn mittlerweile ein Instanzenwechsel eingetreten und ausgeschlossen ist, dass der abgelehnte Richter noch an einer Sachentscheidung beteiligt sein kann (OLG Stuttgart Justiz 2012, 301). Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist nicht gegeben (OLG Stuttgart, a.a.O.; Burhoff, EV, Rn 3950 ff.).
Betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter (dazu Burhoff, HV, Rn 167), kann sie gem. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO nur mit dem Urteil, also im Zweifel der Revision, angefochten werden (dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 28 Rn 7 ff. m.w.N.; BGHSt 50, 216 m.w.N.; OLG Hamm StraFo 2002, 291). Das gilt auch dann, wenn der abgelehnte Richter erst nach Erlass des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses zum erkennenden Richter geworden ist (OLG Düsseldorf StraFo 2003, 9).
Erhoben werden muss die Verfahrensrüge, zu deren Zulässigkeit alles vorgetragen werden muss, was mit dem Ablehnungsverfahren in Zusammenhang steht (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO; s. dazu u.a. BGH NStZ 2000, 325; 2011, 294; StraFo 2011, 312; Beschl. v. 22.3.2021 1 StR 120/20; Burhoff, HV, Rn 2753). Dazu gehört z.B., dass die vom Richter abgegebene dienstliche Äußerung geschlossen und im Wortlaut mitgeteilt wird (BGH StV 1996, 2). Es müssen zudem die Umstände mitgeteilt werden, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des Gesuchs ergibt (BGH NStZ 2016, 627; zum Prüfungsumfang des Revisionsgerichts in den Fällen des § 26a StPO OLG Koblenz StV 2019, 172).
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