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Basiswissen 1: Was der anwaltliche Berufsanfänger vom Strafrecht
wissen muss Übernahme des Mandats
Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
Gerade ein strafrechtliches Mandat erfordert von beiden Seiten
besonderes Vertrauen. Daher ist vor Übernahme des Mandats durch Abschluss
des Mandatsvertrags ein erstes vertrauensbildendes
Gespräch zwischen den zukünftigen Vertragsparteien, Mandant und
Verteidiger, hilfreich und erforderlich. In diesem Gespräch sollte der
Rechtsanwalt sich noch einmal über die rechtlichen Grundlagen des ihm
angetragenen Mandats klar werden. Zudem sollte er das Für und Wider gerade
dieses Mandats erwägen und vor allem mit dem potenziellen Mandanten auch
die Honorarfrage erörtern. Das dient letztlich alles dazu, manchmal
übertriebene Erwartungen des Mandanten von vornherein
auszuschließen. Der Mandant kann zudem in diesem ersten Gespräch
seinen zukünftigen Verteidiger kennenlernen und sich einen ersten
Überblick über dessen Sachkompetenz verschaffen. Der Rechtsanwalt
erfährt genauer, was der Mandant eigentlich von ihm erwartet.
1. Wahlverteidiger
Die Tätigkeit des (Wahl-)Verteidigers beginnt mit der Beauftragung
durch den Mandanten und der Annahme des Mandats durch den Rechtsanwalt.
Zivilrechtlich kommt dadurch zwischen dem Rechtsanwalt als
Wahlverteidiger und dem Mandanten ein Dienstvertrag gem. § 611
BGB, dessen Gegenstand eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB
ist, zustande (BGH NJW 1964, 2402; s.a. Pauka StraFo 2019, 360, 361). Die
Rechte und Pflichten des Verteidigers bestimmen sich damit nach
bürgerlichem Recht, soweit sich nicht aus dem Wesen der Verteidigung
Besonderheiten ergeben (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche
Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 4611 ff. [im Folgenden kurz:
Burhoff, EV]). Dem Rechtsanwalt steht es grds. frei, ein im angetragenes
(Wahl-)Mandat anzunehmen oder abzulehnen (zur Frage des Kontrahierungszwangs
nach dem AGG Armbrüster NJW 2007, 1494; Thüsing/von Hoff NJW 2007,
21; zu allem Amelung, Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, 2020,
S. 23 ff.).
Für das Zustandekommen des Mandatsverhältnisses sind das
Angebot zum Vertragsabschluss und dessen Annahme (§ 151
BGB) erforderlich (BGH StraFo 2010, 339). In der Regel erfolgt der
Vertragsschluss durch die Unterzeichnung der Vollmacht, obwohl das Vorliegen
einer Vollmachtsurkunde nicht Voraussetzung für ein Tätigwerden des
Verteidigers ist (Burhoff, EV, Rn 4677; zur [bejahten] Frage, ob bei
Übernahme des Mandats in der JVA das Fernabsatzrecht gilt BGH NJW 2018,
690, wegen weiterer Einzelh. Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf-
Bußgeldsachen, 5. Aufl., Teil A Rn 2325 m.w.N.).
Hinweis:
Häufig wird der Verteidiger auch dadurch
bevollmächtigt, dass der Beschuldigte gegenüber
Polizei und/oder Staatsanwaltschaft ihn als Verteidiger angibt. Wird der
Verteidiger daraufhin von den Ermittlungsbehörden angeschrieben und (unter
Fristsetzung) um eine Äußerung des Beschuldigten gebeten, muss er
sich umgehend mit dem Beschuldigten in Verbindung setzen. Das gilt besonders
dann, wenn er den Auftrag nicht annehmen will. Denn nach
§ 44 BRAO muss der Rechtsanwalt die Ablehnung eines ihm
angetragenen Mandats unverzüglichanzeigen (zur
Unverzüglichkeit s. Kilian in
Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 44 BRAO
Rn 10 ff.).
2. Pflichtverteidiger
Der Pflichtverteidigung liegt kein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem
Verteidiger und dem Mandanten zugrunde. Vielmehr wird das zwischen ihnen
bestehende Rechtsverhältnis nach h.M. durch den
öffentlich-rechtlichenAkt der
Beiordnung/Bestellung durch den Vorsitzenden des Gerichts
begründet.
Der (Pflicht-)Verteidiger kann die Übernahme der
Pflichtverteidigung grds. nicht ablehnen, sondern ist gem. § 49
Abs. 1 BRAO zur Übernahmeverpflichtet. In der
Praxis wird der Rechtsanwalt allerdings i.d.R. nicht gegen seinen
erklärten Willen bestellt werden. Liegen wichtige Gründe vor, kann
der Rechtsanwalt gem. § 48 Abs. 2 BRAO beantragen, von der
beabsichtigten Beiordnung abzusehen oder eine Bestellung aufzuheben. Wichtige
Gründe i.S.v. §§ 49 Abs. 2, 48 Abs. 2 BRAO werden
i.d.R. die sein, die auch zur Entpflichtung des Verteidigers nach
§ 143 führen können (Burhoff, EV, Rn 3325).
Bei seiner Entscheidung, ob er das (angetragene) Mandat annimmt, muss
der Rechtsanwalt sich überlegen, welche Gründe für oder gegen
die Annahme des Mandats sprechen. Dazu empfiehlt es sich, anhand von
Checklistenvorzugehen. Dadurch wird vermieden, dass Punkte, die
für oder gegen das Mandat sprechen, übersehen werden (vgl. zu allem
auch Burhoff, EV, Rn 4632 ff.).
1. Checkliste: Allgemeines
Mandat
Bin ich grds. bereit und in der Lage, mit diesem Mandanten
zusammenzuarbeiten oder habe ich Bedenken (insoweit Ackermann NJW 1954,
1385 ff.; zu den Problemen bei der sog. Verteidigung wider besseres
Wissen: Hammerstein NStZ 1997, 12; s. auch Burhoff, EV, Rn 4702)?
Habe ich eine (unüberwindbare) Abneigunggegen
den Mandanten, weil er einer von mir abgelehnten Personengruppe (z.B.
Zuhälter, Prostituierte, Alkoholiker, BtM-Abhängige, Anhänger
einer von mir abgelehnten politischen Gruppe, Terrorist) angehört?
Kann ich mit dem Mandanten unter Berücksichtigung des
ihm vorgeworfenen Delikts (z.B. Internetpornografie) zusammenarbeiten oder kann
ich die Verteidigung wegen des Delikts überhaupt (sexueller Missbrauch von
Minderjährigen) oder ggf. wegen der konkreten Tatmodalitäten
(besonders brutaler Mord oder besonders brutale Vergewaltigung) nicht
ordnungsgemäßführen (eingehend zur Verteidigung
bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Geipel StV 2008, 271)?
Bin ich in der Lage, die Verteidigung sachgerecht zu
führen, oder ist mir das z.B. wegen der zu erwartenden
Verfahrensdauer (Umfangsverfahren, das voraussichtlich über mehrere
Monate/Jahre laufen wird) oder des sonstigen Umfangs des Verfahrens oder weil
Spezialkenntnisse erforderlich sind (z.B. in Wirtschaftsstrafsachen,
Steuerstrafverfahren u.a.) nicht möglich (zur Strafverteidigung in
Umfangsverfahren Fromm NJW 2013, 982; zur guten Verteidigung
aus Sicht eines Tatrichters Drees StraFo 2013, 316 und zum nicht
könnenden Verteidiger Stehr, Festschrift zum 70. Geburtstag von
Detlef Burhoff, S. 183, 186 ff.)?
Bietet sich ggf. eine Teamverteidigung an (vgl. dazu Sommer
StraFo 2013, 6)?
Bestehen Interessenkollisionen? Dem Rechtsanwalt steht zur
Erfüllung seiner berufsrechtlichen Pflicht, die Aktenlage zur Vermeidung
von Interessenkollisionen zu überprüfen, ein Akteneinsichtsrecht nach
§ 475 StPO zu (OLG Hamburg StV 2017, 184 zugleich auch zum
Parteiverrat eines Rechtsanwalts durch ein Akteneinsichtsgesuch; s.a.
Schott/Krug PStR 2019, 33).
Bestehen ggf., wenn schon HV anberaumt ist,
Terminskollisionen mit in anderen Verfahren bereits anberaumten HV
(allgemein zum auswärtigen Mandat Fromm NJOZ 2014,
1761)?
Kann mein Büro das zu erwartende Verfahrenabwickeln oder ist es dazu zu klein?
Befindet sich der Mandant in U-Haft, muss der Verteidiger/Rechtsanwalt
sich darüber klar sein, dass dieses Mandat besondere Anforderungen an ihn
stellen und zu einer besonderen Arbeitsbelastung führen kann (vgl. Schmitz
NJW 2009, 40; dies. NJW 2010, 1728):
Diesen Mandaten liegen i.d.R. schwerwiegende Tatvorwürfe
zugrunde, die ggf. eigeneErmittlungen des Verteidigers
erfordern.
Der Verteidiger hat hier i.d.R. auch zusätzlich nicht
unmittelbar mit dem Tatvorwurf zusammenhängende Anträge, die
ihren Ursprung in der Haftsituation haben, zu bearbeiten (z.B. Haftbeschwerden,
Haftprüfungen durch das OLG gem. §§ 121, 122 StPO).
Der Rechtsanwalt muss gerade bei diesen Mandaten damit rechnen, dass
der Mandant einen/mehrere andereVerteidigerbeauftragt
(hat), weil ihm dies in der Haftanstalt von Mitinsassen so geraten worden ist.
Zudem sind die Fälle des Mandantenklaus
häufig.
Die Verteidigung ist zudem auch oftmals dadurch erschwert, dass der
Verteidiger seinen Mandanten i.d.R. mehr als einmal in der
Haftanstalt besuchen muss, wenn er das für die Verteidigung
notwendige Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen will. Zu den
Mindeststandards der Verteidigertätigkeit gehört ein Mindestmaß
an Bemühungen um Kontaktaufnahme zum (inhaftierten) Mandanten (vgl. BGH
NStZ 2009, 465).
Handelt es sich bei dem potenziellen Mandanten um einen Ausländer,
muss der Verteidiger berücksichtigen, dass diese Mandate besonders
arbeitsintensiv werden können (vgl. Schlothauer/Weider/Nobis,
Untersuchungshaft, 5. Aufl., Rn 24; eingehend dazu Jung StV 2007, 663).
Man sollte sich folgende Fragen stellen:
Häufig ist die Verständigung mit dem Mandanten nur
über einen Dolmetscher möglich, sodass der Verteidiger sich
mit den Fragen der Zuziehung eines Dolmetschers im Ermittlungsverfahren
beschäftigen muss (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 5115 ff.
m.w.N.).
Das eine ausländische Mandat zieht
häufig eine ausländerrechtlicheFolgesache nach
sich.
Bei ausländischen Mandanten wird sich auch besonders
häufig die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers
stellen (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 3028).
Bei der Mandatsführung können der besondere
kulturelleHintergrund und evtl. ein anderes
Rechtsverständnis für die Verteidigung von Bedeutung sein. Mit diesen
Fragen muss er sich dann ggf. zusätzlich beschäftigen
(Schlothauer/Weider/Nobis, a.a.O., Rn 29).
Schließlich darf der Verteidiger hier die besondere
Einstellungsmöglichkeit des § 154b StPO nicht
übersehen (eingehend Burhoff, EV, Rn 1836).
Von erheblicher Bedeutung können in der Praxis gesetzliche
Vorschriften sein, die der Übernahme des Mandats entgegenstehen, und
zwar:
Die Mandatsübernahme darf nicht gegen § 257
StGB (Begünstigung), § 258 StGB (Strafvereitelung)
oder gegen § 356 StGB (Parteiverrat) verstoßen (vgl.
dazu Burhoff, EV, Rn 4662; zum Begriff derselben
Rechtssache i.S.d. § 356 StGB u.a. BGH NJW 2008, 2723
[mehrere Tatbeteiligte derselben Straftat können Parteien i.S.d.
§ 356 StGB sein]; BGH, Beschl. v. 21.11.2018 4 StR 15/18, NJW
2019, 316 [Verwaltungsstreitverfahren]; OLG Düsseldorf wistra 1996,
277).
Die Übernahme des Mandats darf nach § 43a Abs. 4
BRAO nicht zu widerstreitendenInteressen führen (s.a.
§ 3 BORA und dazu Hartung NJW 2020, 1762;
Henssler/Prütting/Henssler, Komm. zu § 3 BORA). Entscheidend
ist, dass widerstreitende Interessen bestehen, nicht, dass sie nur möglich
sind (StrafPrax-Johnigk, § 1 Rn 203 m.w.N.; a.A. OLG Karlsruhe
NStZ 1999, 212). Der Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt
gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten,
ist nichtig (BGH NJW 2016, 2561 m. Anm. Deckenbrock AnwBl 2016, 595) und
führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs (OLG Celle NJW 2017,
1557).
Hinweis:
Dies kann insb. bei der VerteidigungmehrererBeschuldigter durch MitgliedereinerSozietät
von Bedeutung sein. Nach der Neufassung des § 3 Abs. 2 S. 2
BORA ist die Vertretung widerstreitender Interessen durch Sozien unter
bestimmten Bedingungen, wie z.B. Einverständnis des Mandanten nach
umfassender Information, zulässig (vgl. dazu Kleine-Cosack AnwBl 2006, 13;
Hartung NJW 2006, 2671; Scharmer BRAK-Mitt 2006, 150;
Henssler/Prütting/Henssler, a.a.O., § 3 BORA Rn 42 f.). Der
BGH bestimmt die Interessen des Mandanten objektiv (vgl. NJW
2012, 3039). Dem widersprechen Henssler/Deckenbrock (NJW 2012, 3265) u.a. unter
Hinweis auf das Weisungsrecht des Mandanten.
Der Verteidiger muss das Verbot der sog. Mehrfach- oder
Doppelverteidigung des § 146 StPO beachten (zur Geltung des
§ 3 BORA s. die o.a. Hinweise und die Ausführungen bei
Burhoff, EV, Rn 4580).
Der Rechtsanwalt muss auch darauf achten, dass die Zahl der
Verteidiger gem. § 137 Abs. 1 S. 2 StPO auf drei
(Wahl-)Verteidiger beschränkt ist (Burhoff, EV, Rn 4712).
Der Rechtsanwalt sollte sich vor der Übernahme des Mandats
immer auch fragen, ob und welche berufsrechtlichenVorschriften
zu beachten sind. Dabei ist in diesem Verfahrensstadium insb. § 15
BORA von Bedeutung.
Hat der Verteidiger die o.a. Fragen sorgfältig geprüft und
sich grds. zur Übernahme des Mandats entschlossen, muss er mit dem
potenziellen Mandanten zumindest folgende (weitere) Fragen erörtern:
1. Mandat unter
Vorbehalt
Da der Rechtsanwalt in diesem i.d.R. frühen Verfahrensstadium
wenn überhaupt vom gegen den Mandanten erhobenen Vorwurf nur
das kennt, was der Mandant ihm darüber mitgeteilt hat oder was sich ggf.
aus ihm vom Mandanten überlassenen Unterlagen ergibt, wird er, zumindest
wenn er Zweifel an dieser Darstellung hat, das Mandat nur unter
Vorbehalt annehmen, was zulässig sein dürfte.
Die endgültige Mandatsübernahme wird der Verteidiger dann von den aus
einer Akteneinsicht, die er nur als Verteidiger erhält, gewonnenen
Erkenntnissen abhängig machen.
Hinweis:
Der Verteidiger muss den Mandanten darüber belehren, dass
er sich, um AE zu erhalten, als Verteidiger bestellen muss und daher ggf.
später das Mandat niederlegen wird, was für den Mandanten eine
psychologisch schlechte Wirkung haben kann.
Spätestens jetzt wird der Verteidiger mit dem Mandanten die Frage
erörtern, ob dieser ggf. bereits einen anderen Verteidiger beauftragt hat.
Ist das der Fall, muss er mit dem Mandantenklären, ob
dieser ihn als zweiten oder dritten Verteidiger beauftragen will oder er ihn in
Zukunft alleinverteidigen soll. Zu beachten sind § 15
Abs. 1 und 2 BORA, die allerdings nach Abs. 3 der Vorschrift nicht im
Fall eines bloßen Beratungsmandats gelten. Nach § 15 BORA ist
auf Folgendes zu achten:
Will der Rechtsanwalt neben dem bisherigen Verteidiger tätig
werden, muss er gem. § 15 Abs. 2 BORA diesen vor der
Übernahme des Mandatsverständigen.
Will/Soll er anstelle des bisherigen Verteidigers tätig werden,
wird er das Mandat nur übernehmen, wenn er sich überzeugt hat, dass
das frühereAuftragsverhältnisbeendet ist. Die
Benachrichtigung des alten Verteidigers sollte der neue
Verteidiger selbst übernehmen (Henssler/Prütting/Prütting,
a.a.O., § 15 BORA Rn 5 ff.). Zusammen mit der
Benachrichtigung des alten Verteidigers darf der
neue Verteidiger das bislang erteilte Mandat auch selbst
durch Kündigung beenden, wenn der Mandant ihn dazu bevollmächtigt
hat.
Nach § 15 Abs. 1 BORA hat der neue
Verteidiger sicherzustellen, dass der bisherige Verteidiger von der
Mandatsübernahme unverzüglichverständigt wird. Es
ist nicht ausreichend, wenn er das dem Mandanten überlässt
(Henssler/Prütting/Prütting, § 15 BORA Rn 8).
Hinweis:
Erklärt der alte Verteidiger, dass er mit der
Übernahme des Mandats durch den Kollegen nur einverstanden sei, wenn der
Mandant die bisher entstanden Kosten zahle, braucht sich der
neue Verteidiger darauf nicht einzulassen. Denn
§ 15 BORA verlangt das Einverständnis des
bisherigenVerteidigers oder die Bezahlung seiner
Gebührennicht. Selbstverständlich wird der Verteidiger
den Mandanten zur umgehenden Zahlung des Honorars an den bisherigen Verteidiger
anhalten.
Der Rechtsanwalt muss vor der Übernahme des Mandats auch die
Honorarfrage ansprechen. Es empfiehlt sich dringend, dem Mandanten
mitzuteilen, welche Kosten durch die Vertretung im Ermittlungsverfahren
und ggf. später in der Hauptverhandlung auf ihn zukommen (BGH AGS
2010, 216; OLG München AGS 2016, 558; LG Stuttgart RVGreport 2016, 479).
Sind dem Verteidiger die Höchstgebühren nicht ausreichend,
sollte/muss er jetzt mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung
treffen.
In diesem Zusammenhang wird der Verteidiger den potenziellen Mandanten
auch danach fragen, ob möglicherweise eine Rechtsschutzversicherung
besteht, die ggf. die entstehenden Gebühren und Auslagen übernimmt.
Er muss ihn darüber belehren, dass, wenn dem Mandanten eine Vorsatztat
vorgeworfen wird, ggf. der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 2
ARB 75 ausgeschlossen ist und der Mandant Leistungen, die er vorab von der
Versicherung erhalten hat, zurückzahlen muss.
Schließlich muss der Verteidiger auch entscheiden, ob er von dem
ihm in § 9 RVG eingeräumten Recht Gebrauch machen will, auf die
entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss zu
fordern (vgl. zum Vorschuss Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A: Vorschuss
vom Auftraggeber [§ 9], Rn 2483 ff.; Burhoff RVGreport
2011, 365; ders., RVGreport 2014, 138).
In dem mit dem Mandanten bei der Übernahme des Mandats
geführten (ersten) Gespräch muss der Verteidiger folgende allgemeine
Fragen klären:
Allgemeine Fragen
Kennt sich der Mandant bereits mit Strafverfahren aus oder muss
er über den Verlauf/Ablauf eines Strafverfahrens unterrichtet werden?
Kennt der Mandant die berufs- und verfahrensrechtlichen Grenzen
der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger oder müssen sie ihm
erläutert werden?
Muss der Mandant über die Verschwiegenheitspflicht des
Verteidigers (dazu Burhoff, EV, Rn 4651ff.) und die ihm gegenüber
bestehende Treuepflicht aufgeklärt werden?
Hat der Verteidiger seine Informationspflichten, die sich bei
Mandatsbeginn aus Art. 13 und 14 DSGVO ergeben, erfüllt?
Gegebenenfalls können Verpflichtungen zu weiteren Informationen bestehen,
z.B. wenn sensible Daten verarbeitet werden (Art. 9 DSGVO) oder wenn ein
Datentransfer in Nicht-EU-Staaten beabsichtigt ist (Art. 44 ff.
DSGVO). Entsprechende Muster und Datenschutzerklärungen findet man auf
https://anwaltverein.de/de/praxis/datenschutz (zu allem Basar, StraFo
2019, 222).
Verfahrensfragen
Welche verfahrensrechtliche Stellung hat der Mandant? Ist er
noch Zeuge oder schon Beschuldigter (zum Begriff des Beschuldigten Burhoff, EV,
Rn 1041 ff.)?
Wie hat der Verteidiger als nächstes für den Mandanten
tätig zu werden? Im Zweifel wird der Rechtsanwalt zunächst
Akteneinsicht beantragen.
Ist der Mandant zu einer Vernehmung geladen, muss der
Verteidiger klären, ob der Mandant sich vernehmen lassen soll. Dazu muss
er ihn über das sich aus § 136 Abs. 1 S. 2 StPO
ergebende Aussageverweigerungsrecht belehren. Er muss dem Mandanten raten,
davon zumindest so lange Gebrauch zu machen, bis der Verteidiger die Akten
eingesehen hat.
Der Verteidiger muss dann versuchen, den bereits anberaumten
Vernehmungstermin aufheben zu lassen. Kommen Staatsanwaltschaft und/oder
Gericht einem entsprechenden Antrag nicht nach, muss der Mandant den Termin
wahrnehmen. Tut er das nicht, kann er ggf. vorgeführt werden (Burhoff, EV,
Rn 3689 und Rn 3808). Eine Vorführung für die polizeiliche Vernehmung
des Beschuldigten ist nicht zulässig (Burhoff, EV, Rn 3384).
Bei Vernehmungen/Ladungen muss der Verteidiger den Mandanten
unbedingt darauf hinweisen, dass er ihn auf jeden Fall von einer Ladung zu
einer Vernehmung unterrichtet. Anderenfalls kann der Verteidiger ggf. von einem
Anwesenheitsrecht nicht Gebrauch machen bzw. nicht rechtzeitig vor einem
Vernehmungstermin beantragen, an der Vernehmung teilnehmen zu dürfen.
Spätere Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung
Für den Verteidiger stellt sich immer auch die Frage, ob er den
Mandanten nicht schon frühzeitig über ggf. im Fall einer Verurteilung
entstehende außerstrafrechtliche Konsequenzen belehren soll/muss,
damit dieser sich darauf rechtzeitig einstellen kann (vgl. dazu eingehend
Röth in: Burhoff/Kotz [Hrsg.], Handbuch für die strafrechtliche
Nachsorge, 2016, Teil H Rn 1 ff.; Stephan StRR 2008, 174;
Leuze/Ullrich DÖD 2009, 209; Röth StraFo 2012, 354; Peglau wistra
2016, 289; zur Bindungswirkung strafrechtlicher Verurteilungen Lemke-Küch
StRR 2015, 48). Dazu können gehören:
Auswirkungen der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen
Alkohol/Drogen (zu den Auswirkungen auf andere Berechtigungen Scheidler DAR
2016, 417; zur Entziehung der FE nach dem StVG Burhoff/Kotz/Kalus, Nachsorge,
Teil H, Rn 498 ff.; Borgmann DAR 2018, 190; Fromm DAR 2018,
233),
die Eintragung einer Geldstrafe auch von unter 90
Tagessätzen aus einer Verurteilung nach den §§ 174180
StGB oder § 182 StGB,
der Verlust der Fähigkeit,
Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG sein
zu können nach §§ 6 Abs. 2 S. 24 GmbHG, 76
Abs. 3 AktG (s. zu dem Ausschlusstatbestand des § 6
Abs. 2 S. 2 Nr. 3e GmbHG BGH, Beschl. v. 3.12.2019 II ZB
18/19, NZG 2020, 145 [Folge greift auch bei einer Verurteilung als Teilnehmer];
OLG Hamm NJW-RR 2011, 772; zum Ausschluss bei Teilnehmern an der Tat Ahlbrecht
wistra 2018, 241 [Ausschluss verneint]),
bei Beamten, Soldaten, Richtern oder
Rechtsanwälten disziplinar-berufsrechtliche Folgen (G. Herrmann
StRR 2015, 4 ff.; Gehm PStR 2020, 91; VG Magdeburg, Urt. v. 1.10.2019
15 A 26/18 [u.a. Steuerhinterziehung]; VG München ZInsO 2015, 355
[vorsätzlicher Bankrott nach § 283 StGB führt bei einem
Beamten zu einer Disziplinarmaßnahme]; dazu Gehm wistra 2019, 48; zu den
disziplinarrechtlichen Folgen für Finanzbeamte im Rahmen von
Selbstanzeigen BVerwG, Beschl. v. 27.12.2017 2 B 18.17, wistra 2019,
356; VGH Bayern, Urt. v. 9.5.2018 16a D 16.1597, wistra 2019, 35; Gehm
wistra 2019, 48),
der Verlust der Zuverlässigkeit zum Führen von
Waffen nach Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60
Tagessätzen (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG),
bei Ausländern die sich aus § 10
Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG infolge einer Verurteilung ggf.
ergebenden nachteiligen Folgen hinsichtlich eines Einbürgerungsanspruchs,
der ausgeschlossen ist, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen Tat
zu einer Strafe verurteilt wurde.
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