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aus ZAP Heft 19/2020, F. 22 S. 1041

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Basiswissen 1: Was der anwaltliche Berufsanfänger vom Strafrecht wissen muss – Übernahme des Mandats

Von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Inhaltsverzeichnis

I. Grundlage des Mandats
   1. Wahlverteidiger
2. Pflichtverteidiger
II. Zu bedenkende Gründe „für/wider“ das Mandat
  1. Checkliste: Allgemeines Mandat
  2. Checkliste: U-Haft-Mandat
  3. Checkliste: Ausländischer Mandant
  4. Checkliste: Entgegenstehende gesetzliche Vorschriften?
III. Welche weiteren Fragen muss man erörtern?
  1. Mandat unter Vorbehalt
  2. Beauftragung eines anderen Verteidigers?
  3. Honorarfrage/Rechtsschutzversicherung/Vorschuss
IV. Checkliste: Erstes Gespräch mit dem Mandanten

Inhaltsverzeichnis

I. Grundlage des Mandats

Gerade ein strafrechtliches Mandat erfordert von beiden Seiten besonderes Vertrauen. Daher ist vor Übernahme des Mandats durch Abschluss des Mandatsvertrags ein erstes „vertrauensbildendes“ Gespräch zwischen den zukünftigen Vertragsparteien, Mandant und Verteidiger, hilfreich und erforderlich. In diesem Gespräch sollte der Rechtsanwalt sich noch einmal über die rechtlichen Grundlagen des ihm angetragenen Mandats klar werden. Zudem sollte er das Für und Wider gerade dieses Mandats erwägen und vor allem mit dem potenziellen Mandanten auch die Honorarfrage erörtern. Das dient letztlich alles dazu, manchmal übertriebene Erwartungen des Mandanten von vornherein auszuschließen. Der Mandant kann zudem in diesem ersten Gespräch seinen zukünftigen Verteidiger kennenlernen und sich einen ersten Überblick über dessen Sachkompetenz verschaffen. Der Rechtsanwalt erfährt genauer, was der Mandant eigentlich von ihm erwartet.

1. Wahlverteidiger

Die Tätigkeit des (Wahl-)Verteidigers beginnt mit der Beauftragung durch den Mandanten und der Annahme des Mandats durch den Rechtsanwalt. Zivilrechtlich kommt dadurch zwischen dem Rechtsanwalt als Wahlverteidiger und dem Mandanten ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB, dessen Gegenstand eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB ist, zustande (BGH NJW 1964, 2402; s.a. Pauka StraFo 2019, 360, 361). Die Rechte und Pflichten des Verteidigers bestimmen sich damit nach bürgerlichem Recht, soweit sich nicht aus dem Wesen der Verteidigung Besonderheiten ergeben (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 4611 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]). Dem Rechtsanwalt steht es grds. frei, ein im angetragenes (Wahl-)Mandat anzunehmen oder abzulehnen (zur Frage des Kontrahierungszwangs nach dem AGG Armbrüster NJW 2007, 1494; Thüsing/von Hoff NJW 2007, 21; zu allem Amelung, Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, 2020, S. 23 ff.).

Für das Zustandekommen des Mandatsverhältnisses sind das Angebot zum Vertragsabschluss und dessen Annahme (§ 151 BGB) erforderlich (BGH StraFo 2010, 339). In der Regel erfolgt der Vertragsschluss durch die Unterzeichnung der Vollmacht, obwohl das Vorliegen einer Vollmachtsurkunde nicht Voraussetzung für ein Tätigwerden des Verteidigers ist (Burhoff, EV, Rn 4677; zur [bejahten] Frage, ob bei Übernahme des Mandats in der JVA das Fernabsatzrecht gilt BGH NJW 2018, 690, wegen weiterer Einzelh. Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- Bußgeldsachen, 5. Aufl., Teil A Rn 2325 m.w.N.).

Hinweis:

Häufig wird der Verteidiger auch dadurch „bevollmächtigt“, dass der Beschuldigte gegenüber Polizei und/oder Staatsanwaltschaft ihn als Verteidiger angibt. Wird der Verteidiger daraufhin von den Ermittlungsbehörden angeschrieben und (unter Fristsetzung) um eine Äußerung des Beschuldigten gebeten, muss er sich umgehend mit dem Beschuldigten in Verbindung setzen. Das gilt besonders dann, wenn er den „Auftrag“ nicht annehmen will. Denn nach § 44 BRAO muss der Rechtsanwalt die Ablehnung eines ihm angetragenen Mandats unverzüglich anzeigen (zur „Unverzüglichkeit“ s. Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 44 BRAO Rn 10 ff.).

2. Pflichtverteidiger

Der Pflichtverteidigung liegt kein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Verteidiger und dem Mandanten zugrunde. Vielmehr wird das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis nach h.M. durch den öffentlich-rechtlichen Akt der Beiordnung/Bestellung durch den Vorsitzenden des Gerichts begründet.

Der (Pflicht-)Verteidiger kann die „Übernahme“ der Pflichtverteidigung grds. nicht ablehnen, sondern ist gem. § 49 Abs. 1 BRAO zur Übernahme verpflichtet. In der Praxis wird der Rechtsanwalt allerdings i.d.R. nicht gegen seinen erklärten Willen bestellt werden. Liegen wichtige Gründe vor, kann der Rechtsanwalt gem. § 48 Abs. 2 BRAO beantragen, von der beabsichtigten Beiordnung abzusehen oder eine Bestellung aufzuheben. Wichtige Gründe i.S.v. §§ 49 Abs. 2, 48 Abs. 2 BRAO werden i.d.R. die sein, die auch zur Entpflichtung des Verteidigers nach § 143 führen können (Burhoff, EV, Rn 3325).

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II. Zu bedenkende Gründe „für/wider“ das Mandat

Bei seiner Entscheidung, ob er das (angetragene) Mandat annimmt, muss der Rechtsanwalt sich überlegen, welche Gründe für oder gegen die Annahme des Mandats sprechen. Dazu empfiehlt es sich, anhand von Checklisten vorzugehen. Dadurch wird vermieden, dass Punkte, die für oder gegen das Mandat sprechen, übersehen werden (vgl. zu allem auch Burhoff, EV, Rn 4632 ff.).

1. Checkliste: Allgemeines Mandat

  • Bin ich grds. bereit und in der Lage, mit diesem Mandanten zusammenzuarbeiten oder habe ich Bedenken (insoweit Ackermann NJW 1954, 1385 ff.; zu den Problemen bei der sog. Verteidigung wider besseres Wissen: Hammerstein NStZ 1997, 12; s. auch Burhoff, EV, Rn 4702)?
  • Habe ich eine (unüberwindbare) Abneigung gegen den Mandanten, weil er einer von mir abgelehnten Personengruppe (z.B. Zuhälter, Prostituierte, Alkoholiker, BtM-Abhängige, Anhänger einer von mir abgelehnten politischen Gruppe, Terrorist) angehört?
  • Kann ich mit dem Mandanten unter Berücksichtigung des ihm vorgeworfenen Delikts (z.B. Internetpornografie) zusammenarbeiten oder kann ich die Verteidigung wegen des Delikts überhaupt (sexueller Missbrauch von Minderjährigen) oder ggf. wegen der konkreten Tatmodalitäten (besonders brutaler Mord oder besonders brutale Vergewaltigung) nicht ordnungsgemäß führen (eingehend zur Verteidigung bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Geipel StV 2008, 271)?
  • Bin ich in der Lage, die Verteidigung sachgerecht zu führen, oder ist mir das z.B. wegen der zu erwartenden Verfahrensdauer (Umfangsverfahren, das voraussichtlich über mehrere Monate/Jahre laufen wird) oder des sonstigen Umfangs des Verfahrens oder weil Spezialkenntnisse erforderlich sind (z.B. in Wirtschaftsstrafsachen, Steuerstrafverfahren u.a.) nicht möglich (zur Strafverteidigung in Umfangsverfahren Fromm NJW 2013, 982; zur „guten Verteidigung“ aus Sicht eines Tatrichters Drees StraFo 2013, 316 und zum „nicht könnenden Verteidiger“ Stehr, Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, S. 183, 186 ff.)?
  • Bietet sich ggf. eine Teamverteidigung an (vgl. dazu Sommer StraFo 2013, 6)?
  • Bestehen Interessenkollisionen? Dem Rechtsanwalt steht zur Erfüllung seiner berufsrechtlichen Pflicht, die Aktenlage zur Vermeidung von Interessenkollisionen zu überprüfen, ein Akteneinsichtsrecht nach § 475 StPO zu (OLG Hamburg StV 2017, 184 zugleich auch zum Parteiverrat eines Rechtsanwalts durch ein Akteneinsichtsgesuch; s.a. Schott/Krug PStR 2019, 33).
  • Bestehen ggf., wenn schon HV anberaumt ist, Terminskollisionen mit in anderen Verfahren bereits anberaumten HV (allgemein zum „auswärtigen“ Mandat Fromm NJOZ 2014, 1761)?
  • Kann mein Büro das zu erwartende Verfahren abwickeln oder ist es dazu zu klein?

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2. Checkliste: U-Haft-Mandat

Befindet sich der Mandant in U-Haft, muss der Verteidiger/Rechtsanwalt sich darüber klar sein, dass dieses Mandat besondere Anforderungen an ihn stellen und zu einer besonderen Arbeitsbelastung führen kann (vgl. Schmitz NJW 2009, 40; dies. NJW 2010, 1728):

  • Diesen Mandaten liegen i.d.R. schwerwiegende Tatvorwürfe zugrunde, die ggf. eigene Ermittlungen des Verteidigers erfordern.
  • Der Verteidiger hat hier i.d.R. auch zusätzlich nicht unmittelbar mit dem Tatvorwurf zusammenhängende Anträge, die ihren Ursprung in der Haftsituation haben, zu bearbeiten (z.B. Haftbeschwerden, Haftprüfungen durch das OLG gem. §§ 121, 122 StPO).
  • Der Rechtsanwalt muss gerade bei diesen Mandaten damit rechnen, dass der Mandant einen/mehrere andere Verteidiger beauftragt (hat), weil ihm dies in der Haftanstalt von Mitinsassen so geraten worden ist. Zudem sind die Fälle des „Mandantenklaus“ häufig.
  • Die Verteidigung ist zudem auch oftmals dadurch erschwert, dass der Verteidiger seinen Mandanten – i.d.R. mehr als einmal – in der Haftanstalt besuchen muss, wenn er das für die Verteidigung notwendige Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen will. Zu den Mindeststandards der Verteidigertätigkeit gehört ein Mindestmaß an Bemühungen um Kontaktaufnahme zum (inhaftierten) Mandanten (vgl. BGH NStZ 2009, 465).

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3. Checkliste: Ausländischer Mandant

Handelt es sich bei dem potenziellen Mandanten um einen Ausländer, muss der Verteidiger berücksichtigen, dass diese Mandate besonders arbeitsintensiv werden können (vgl. Schlothauer/Weider/Nobis, Untersuchungshaft, 5. Aufl., Rn 24; eingehend dazu Jung StV 2007, 663). Man sollte sich folgende Fragen stellen:

  • Häufig ist die Verständigung mit dem Mandanten nur über einen Dolmetscher möglich, sodass der Verteidiger sich mit den Fragen der Zuziehung eines Dolmetschers im Ermittlungsverfahren beschäftigen muss (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 5115 ff. m.w.N.).
  • Das eine „ausländische“ Mandat zieht häufig eine ausländerrechtliche Folgesache nach sich.
  • Bei ausländischen Mandanten wird sich auch besonders häufig die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers stellen (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 3028).
  • Bei der Mandatsführung können der besondere kulturelle Hintergrund und evtl. ein anderes Rechtsverständnis für die Verteidigung von Bedeutung sein. Mit diesen Fragen muss er sich dann ggf. zusätzlich beschäftigen (Schlothauer/Weider/Nobis, a.a.O., Rn 29).
  • Schließlich darf der Verteidiger hier die besondere Einstellungsmöglichkeit des § 154b StPO nicht übersehen (eingehend Burhoff, EV, Rn 1836).

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4. Checkliste: Entgegenstehende gesetzliche Vorschriften?

Von erheblicher Bedeutung können in der Praxis gesetzliche Vorschriften sein, die der Übernahme des Mandats entgegenstehen, und zwar:

  • Die Mandatsübernahme darf nicht gegen § 257 StGB (Begünstigung), § 258 StGB (Strafvereitelung) oder gegen § 356 StGB (Parteiverrat) verstoßen (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 4662; zum Begriff „derselben Rechtssache“ i.S.d. § 356 StGB u.a. BGH NJW 2008, 2723 [mehrere Tatbeteiligte derselben Straftat können Parteien i.S.d. § 356 StGB sein]; BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18, NJW 2019, 316 [Verwaltungsstreitverfahren]; OLG Düsseldorf wistra 1996, 277).
  • Die Übernahme des Mandats darf nach § 43a Abs. 4 BRAO nicht zu widerstreitenden Interessen führen (s.a. § 3 BORA und dazu Hartung NJW 2020, 1762; Henssler/Prütting/Henssler, Komm. zu § 3 BORA). Entscheidend ist, dass widerstreitende Interessen bestehen, nicht, dass sie nur möglich sind (StrafPrax-Johnigk, § 1 Rn 203 m.w.N.; a.A. OLG Karlsruhe NStZ 1999, 212). Der Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig (BGH NJW 2016, 2561 m. Anm. Deckenbrock AnwBl 2016, 595) und führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs (OLG Celle NJW 2017, 1557).

Hinweis:

Dies kann insb. bei der Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Mitglieder einer Sozietät von Bedeutung sein. Nach der Neufassung des § 3 Abs. 2 S. 2 BORA ist die Vertretung widerstreitender Interessen durch Sozien unter bestimmten Bedingungen, wie z.B. Einverständnis des Mandanten nach umfassender Information, zulässig (vgl. dazu Kleine-Cosack AnwBl 2006, 13; Hartung NJW 2006, 2671; Scharmer BRAK-Mitt 2006, 150; Henssler/Prütting/Henssler, a.a.O., § 3 BORA Rn 42 f.). Der BGH bestimmt die Interessen des Mandanten „objektiv“ (vgl. NJW 2012, 3039). Dem widersprechen Henssler/Deckenbrock (NJW 2012, 3265) u.a. unter Hinweis auf das Weisungsrecht des Mandanten.

  • Der Verteidiger muss das Verbot der sog. Mehrfach- oder Doppelverteidigung des § 146 StPO beachten (zur Geltung des § 3 BORA s. die o.a. Hinweise und die Ausführungen bei Burhoff, EV, Rn 4580).
  • Der Rechtsanwalt muss auch darauf achten, dass die Zahl der Verteidiger gem. § 137 Abs. 1 S. 2 StPO auf drei (Wahl-)Verteidiger beschränkt ist (Burhoff, EV, Rn 4712).
  • Der Rechtsanwalt sollte sich vor der Übernahme des Mandats immer auch fragen, ob und welche berufsrechtlichen Vorschriften zu beachten sind. Dabei ist in diesem Verfahrensstadium insb. § 15 BORA von Bedeutung.

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III. Welche weiteren Fragen muss man erörtern?

Hat der Verteidiger die o.a. Fragen sorgfältig geprüft und sich grds. zur Übernahme des Mandats entschlossen, muss er mit dem potenziellen Mandanten zumindest folgende (weitere) Fragen erörtern:

1. Mandat unter Vorbehalt

Da der Rechtsanwalt in diesem i.d.R. frühen Verfahrensstadium – wenn überhaupt – vom gegen den Mandanten erhobenen Vorwurf nur das kennt, was der Mandant ihm darüber mitgeteilt hat oder was sich ggf. aus ihm vom Mandanten überlassenen Unterlagen ergibt, wird er, zumindest wenn er Zweifel an dieser Darstellung hat, das Mandat nur „unter Vorbehalt“ annehmen, was zulässig sein dürfte. Die endgültige Mandatsübernahme wird der Verteidiger dann von den aus einer Akteneinsicht, die er nur als Verteidiger erhält, gewonnenen Erkenntnissen abhängig machen.

Hinweis:

Der Verteidiger muss den Mandanten darüber belehren, dass er sich, um AE zu erhalten, als Verteidiger bestellen muss und daher ggf. später das Mandat niederlegen wird, was für den Mandanten eine psychologisch schlechte Wirkung haben kann.

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2. Beauftragung eines anderen Verteidigers?

Spätestens jetzt wird der Verteidiger mit dem Mandanten die Frage erörtern, ob dieser ggf. bereits einen anderen Verteidiger beauftragt hat. Ist das der Fall, muss er mit dem Mandanten klären, ob dieser ihn als zweiten oder dritten Verteidiger beauftragen will oder er ihn in Zukunft allein verteidigen soll. Zu beachten sind § 15 Abs. 1 und 2 BORA, die allerdings nach Abs. 3 der Vorschrift nicht im Fall eines bloßen Beratungsmandats gelten. Nach § 15 BORA ist auf Folgendes zu achten:

  • Will der Rechtsanwalt neben dem bisherigen Verteidiger tätig werden, muss er gem. § 15 Abs. 2 BORA diesen vor der Übernahme des Mandats verständigen.
  • Will/Soll er anstelle des bisherigen Verteidigers tätig werden, wird er das Mandat nur übernehmen, wenn er sich überzeugt hat, dass das frühere Auftragsverhältnis beendet ist. Die Benachrichtigung des „alten“ Verteidigers sollte der neue Verteidiger selbst übernehmen (Henssler/Prütting/Prütting, a.a.O., § 15 BORA Rn 5 ff.). Zusammen mit der Benachrichtigung des „alten“ Verteidigers darf der „neue“ Verteidiger das bislang erteilte Mandat auch selbst durch Kündigung beenden, wenn der Mandant ihn dazu bevollmächtigt hat.
  • Nach § 15 Abs. 1 BORA hat der „neue“ Verteidiger sicherzustellen, dass der bisherige Verteidiger von der Mandatsübernahme unverzüglich verständigt wird. Es ist nicht ausreichend, wenn er das dem Mandanten überlässt (Henssler/Prütting/Prütting, § 15 BORA Rn 8).

Hinweis:

Erklärt der „alte“ Verteidiger, dass er mit der Übernahme des Mandats durch den Kollegen nur einverstanden sei, wenn der Mandant die bisher entstanden Kosten zahle, braucht sich der „neue“ Verteidiger darauf nicht einzulassen. Denn § 15 BORA verlangt das Einverständnis des bisherigen Verteidigers oder die Bezahlung seiner Gebühren nicht. Selbstverständlich wird der Verteidiger den Mandanten zur umgehenden Zahlung des Honorars an den bisherigen Verteidiger anhalten.

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3. Honorarfrage/Rechtsschutzversicherung/Vorschuss

Der Rechtsanwalt muss vor der Übernahme des Mandats auch die Honorarfrage ansprechen. Es empfiehlt sich dringend, dem Mandanten mitzuteilen, welche Kosten durch die Vertretung im Ermittlungsverfahren – und ggf. später in der Hauptverhandlung – auf ihn zukommen (BGH AGS 2010, 216; OLG München AGS 2016, 558; LG Stuttgart RVGreport 2016, 479). Sind dem Verteidiger die Höchstgebühren nicht ausreichend, sollte/muss er jetzt mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen.

In diesem Zusammenhang wird der Verteidiger den potenziellen Mandanten auch danach fragen, ob möglicherweise eine Rechtsschutzversicherung besteht, die ggf. die entstehenden Gebühren und Auslagen übernimmt. Er muss ihn darüber belehren, dass, wenn dem Mandanten eine Vorsatztat vorgeworfen wird, ggf. der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 2 ARB 75 ausgeschlossen ist und der Mandant Leistungen, die er vorab von der Versicherung erhalten hat, zurückzahlen muss.

Schließlich muss der Verteidiger auch entscheiden, ob er von dem ihm in § 9 RVG eingeräumten Recht Gebrauch machen will, auf die entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss zu fordern (vgl. zum Vorschuss Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A: Vorschuss vom Auftraggeber [§ 9], Rn 2483 ff.; Burhoff RVGreport 2011, 365; ders., RVGreport 2014, 138).

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IV. Checkliste: Erstes Gespräch mit dem Mandanten

In dem mit dem Mandanten bei der Übernahme des Mandats geführten (ersten) Gespräch muss der Verteidiger folgende allgemeine Fragen klären:

  • Allgemeine Fragen
    • Kennt sich der Mandant bereits mit Strafverfahren aus oder muss er über den Verlauf/Ablauf eines Strafverfahrens unterrichtet werden?
    • Kennt der Mandant die berufs- und verfahrensrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger oder müssen sie ihm erläutert werden?
    • Muss der Mandant über die Verschwiegenheitspflicht des Verteidigers (dazu Burhoff, EV, Rn 4651ff.) und die ihm gegenüber bestehende Treuepflicht aufgeklärt werden?
    • Hat der Verteidiger seine Informationspflichten, die sich bei Mandatsbeginn aus Art. 13 und 14 DSGVO ergeben, erfüllt? Gegebenenfalls können Verpflichtungen zu weiteren Informationen bestehen, z.B. wenn sensible Daten verarbeitet werden (Art. 9 DSGVO) oder wenn ein Datentransfer in Nicht-EU-Staaten beabsichtigt ist (Art. 44 ff. DSGVO). Entsprechende Muster und Datenschutzerklärungen findet man auf https://anwaltverein.de/de/praxis/datenschutz (zu allem Basar, StraFo 2019, 222).
  • Verfahrensfragen
    • Welche verfahrensrechtliche Stellung hat der Mandant? Ist er noch Zeuge oder schon Beschuldigter (zum Begriff des Beschuldigten Burhoff, EV, Rn 1041 ff.)?
    • Wie hat der Verteidiger als nächstes für den Mandanten tätig zu werden? Im Zweifel wird der Rechtsanwalt zunächst Akteneinsicht beantragen.
    • Ist der Mandant zu einer Vernehmung geladen, muss der Verteidiger klären, ob der Mandant sich vernehmen lassen soll. Dazu muss er ihn über das sich aus § 136 Abs. 1 S. 2 StPO ergebende Aussageverweigerungsrecht belehren. Er muss dem Mandanten raten, davon zumindest so lange Gebrauch zu machen, bis der Verteidiger die Akten eingesehen hat.
    • Der Verteidiger muss dann versuchen, den bereits anberaumten Vernehmungstermin aufheben zu lassen. Kommen Staatsanwaltschaft und/oder Gericht einem entsprechenden Antrag nicht nach, muss der Mandant den Termin wahrnehmen. Tut er das nicht, kann er ggf. vorgeführt werden (Burhoff, EV, Rn 3689 und Rn 3808). Eine Vorführung für die polizeiliche Vernehmung des Beschuldigten ist nicht zulässig (Burhoff, EV, Rn 3384).
    • Bei Vernehmungen/Ladungen muss der Verteidiger den Mandanten unbedingt darauf hinweisen, dass er ihn auf jeden Fall von einer Ladung zu einer Vernehmung unterrichtet. Anderenfalls kann der Verteidiger ggf. von einem Anwesenheitsrecht nicht Gebrauch machen bzw. nicht rechtzeitig vor einem Vernehmungstermin beantragen, an der Vernehmung teilnehmen zu dürfen.
  • Spätere Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung

    Für den Verteidiger stellt sich immer auch die Frage, ob er den Mandanten nicht schon frühzeitig über ggf. im Fall einer Verurteilung entstehende außerstrafrechtliche Konsequenzen belehren soll/muss, damit dieser sich darauf rechtzeitig einstellen kann (vgl. dazu eingehend Röth in: Burhoff/Kotz [Hrsg.], Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge, 2016, Teil H Rn 1 ff.; Stephan StRR 2008, 174; Leuze/Ullrich DÖD 2009, 209; Röth StraFo 2012, 354; Peglau wistra 2016, 289; zur Bindungswirkung strafrechtlicher Verurteilungen Lemke-Küch StRR 2015, 48). Dazu können gehören:

    • ggf. ein Berufsverbot (dazu Röth StraFo 2012, 354, 356; Lemke-Küch StRR 2014, 482),
    • Auswirkungen der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkohol/Drogen (zu den Auswirkungen auf andere Berechtigungen Scheidler DAR 2016, 417; zur Entziehung der FE nach dem StVG Burhoff/Kotz/Kalus, Nachsorge, Teil H, Rn 498 ff.; Borgmann DAR 2018, 190; Fromm DAR 2018, 233),
    • die Eintragung einer Geldstrafe auch von unter 90 Tagessätzen aus einer Verurteilung nach den §§ 174–180 StGB oder § 182 StGB,
    • der Verlust der Fähigkeit, Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG sein zu können nach §§ 6 Abs. 2 S. 2–4 GmbHG, 76 Abs. 3 AktG (s. zu dem Ausschlusstatbestand des § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3e GmbHG BGH, Beschl. v. 3.12.2019 – II ZB 18/19, NZG 2020, 145 [Folge greift auch bei einer Verurteilung als Teilnehmer]; OLG Hamm NJW-RR 2011, 772; zum Ausschluss bei Teilnehmern an der Tat Ahlbrecht wistra 2018, 241 [Ausschluss verneint]),
    • bei Beamten, Soldaten, Richtern oder Rechtsanwälten disziplinar-berufsrechtliche Folgen (G. Herrmann StRR 2015, 4 ff.; Gehm PStR 2020, 91; VG Magdeburg, Urt. v. 1.10.2019 – 15 A 26/18 [u.a. Steuerhinterziehung]; VG München ZInsO 2015, 355 [vorsätzlicher Bankrott nach § 283 StGB führt bei einem Beamten zu einer Disziplinarmaßnahme]; dazu Gehm wistra 2019, 48; zu den disziplinarrechtlichen Folgen für Finanzbeamte im Rahmen von Selbstanzeigen BVerwG, Beschl. v. 27.12.2017 – 2 B 18.17, wistra 2019, 356; VGH Bayern, Urt. v. 9.5.2018 – 16a D 16.1597, wistra 2019, 35; Gehm wistra 2019, 48),
    • der Verlust der Zuverlässigkeit zum Führen von Waffen nach Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG),
    • bei Ausländern die sich aus § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StAG infolge einer Verurteilung ggf. ergebenden nachteiligen Folgen hinsichtlich eines Einbürgerungsanspruchs, der ausgeschlossen ist, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt wurde.

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