aus RVGreport 2020, 447
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
Wir haben zuletzt in RVGreport 2018, 402 über die Rechtsprechung zu § 14 RVG in Straf- und Bußgeldsachen berichtet. Daran schließt dieser Beitrag an (zur Rechtsprechung zum sog. Paragrafenteil des RVG s. RVGreport 2020, 202 und zu den Teil 47 VV RVG s. RVGreport 2020, 243).
Gebühr |
Gericht/Fundstelle |
Inhalt |
I. Strafverfahren (Teil 4 VV RVG) |
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Allgemeines |
OLG Celle RVGreport 2020, 55 = RVGprofessionell 2020, 29 = StraFo 2020, 173 = JurBüro 2020, 191 = Rpfleger 2020, 358 |
Der RA ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Das gilt auch, wenn er erkennbar entstandene Gebühren fehlerhaft (nicht) geltend gemacht hat. |
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LSG Thüringen RVGreport 2019, 210 = RVGprofessionell 2019, 140 |
Eine einmal getroffene Gebührenbestimmung ist bindend; es sei denn der RA hat einen Gebührentatbestand versehentlich übersehen oder wenn sich nachträglich wesentliche Änderungen hinsichtlich der für die Bestimmung des Gebührensatzes maßgeblichen Umstände ergeben haben, die bei Rechnungsstellung noch nicht bekannt gewesen sind. |
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BVerwG AGS 2020, 19 |
Das Gericht ist nicht befugt, durch eine eigene Bestimmung der billigen Gebühr das dem RA zustehende Ermessen an sich zu ziehen. |
Begriff der Unbilligkeit |
LG Chemnitz RVGreport 2020, 104; LG Hechingen RVGreport 2019, 376; AG Charlottenburg RVGreport 2020, 257 |
Unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist eine Gebührenbestimmung, wenn sie um 20 % oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt. |
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OVG Bautzen NJW 2019, 1695 |
Erweist sich bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten eine Gebührenbestimmung des RA als unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, so setzt das Gericht die im Einzelfall objektiv angemessene Gebühr selbst fest, ohne sie um einen Toleranzzuschlag von 20 % zu erhöhen. |
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BayLSG RVGreport 2020, 216 |
Bei der Festlegung der 20 %-Toleranzgrenze sind nicht die gesamten Gebühren des Verfahrensabschnitts maßgebend, sondern es ist auf die einzelne Gebühr abzustellen. |
Mittelgebühr |
LG Chemnitz RVGreport 2020, 104; LG Wuppertal RVGreport 2020, 221= RVGprofessionell 2020, 57 = JurBüro 2020, 357; AG Heilbad Heiligenstadt RVGreport 2019, 58 = RVGprofessionell 2019, 5; AG Viechtach RVGreport 2019, 57 = RVGprofessionell 2019, 6 = DAR 2019, 58 |
Bei der Feststellung der angemessenen Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG ist eine Abwägung aller Umstände, d.h. der gebührenerhöhenden und -mindernden, vorzunehmen; dabei ist jeweils von der Mittelgebühr auszugehen. |
Höchstgebühr |
LG Aachen RVGreport 2020, 303 = JurBüro 2020, 298 |
Die Höchstgebühr kann nur in Betracht kommen, wenn zumindest einzelne Kriterien den Durchschnitt aller gewöhnlich vorkommenden Fälle beträchtlich überschreiten bzw. die Rechtssache insgesamt zu den bedeutendsten der in den jeweiligen Rahmen angesprochenen Verfahren gehört. |
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LG Hechingen, Beschl. v. 29.5.2020 3 Qs 43/20 |
Eine zeitintensive Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung kann die Festsetzung der Höchstgebühr rechtfertigen. |
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LG Köln, Beschl. v. 24.9.2020 120 Qs 60/20 |
Ein Betrugsverfahren mit 21 Betrugstaten und der Beweisführung durch Indizienbeweise kann bei der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG die Höchstgebühr rechtfertigen. |
Mindestgebühr |
LG Hamburg AGS 2020, 273 = RVGreport 2020, 296 = JurBüro 2020, 354 |
Die kurze Dauer des Hauptverhandlungstermins in der abgetrennten Sache ist bei der Höhe der Gebühr Nr. 4108 VV RVG zu berücksichtigen; sie kann rechtfertigen, dass nur die Mindestgebühr verdient ist. |
Bedeutung der Angelegenheit |
OLG Celle RVGreport 2020, 311 = JurBüro 2020, 311 |
Zur (hohen) die Bedeutung der Angelegenheit für die durch das Tatgeschehen einer sexuellen Nötigung über geraume Zeit und noch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung insbesondere psychisch erheblich beeinträchtigte Nebenklägerin. |
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LG Hamburg AGS 2020, 273 = RVGreport 2020, 296 = JurBüro 2020, 354 |
Muss der Angeklagte als Strafvollzugsbeamter im Verurteilungsfall mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen, zeigt das die individuelle Bedeutung des Verfahrens für den Angeklagten und kann damit gebührenerhöhend wirken. |
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LG Hechingen RVGreport 2019, 376 |
Die Angelegenheit ist für den Angeklagten durchaus bedeutend, wenn er, nachdem er noch keine Eintragung im Bundeszentralregister aufgewiesen hat, im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zu befürchten hat, dass sein Führungszeugnis nach §§ 30 ff. BZRG nicht mehr eintragungsfrei sein wird und ihm ein für sein berufliches Fortkommen als Physiotherapeut massiv schädigender Vorwurf eines sexuellen Übergriffes zur Last gelegt wird. |
Umfang |
LG Aachen RVGreport 2020, 303 = JurBüro 2020, 298 |
Bis zur Anklageerhebung 1338-blattstarken Akten nebst 75 Fallakten stellen zwar einen beträchtlichen, jedoch für Verfahren vor der großen Strafkammer nicht völlig ungewöhnlichen Umfang dar. |
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LG Hechingen, Beschl. v. 29.5.2020 3 Qs 43/20 |
Eine zeitintensive Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung kann die Festsetzung der Höchstgebühr rechtfertigen. |
Schwierigkeit |
LG Aachen RVGreport 2020, 303 = JurBüro 2020, 298 |
Die Schwierigkeit des Verfahrens ist bei der Komplexität des Tatgeschehens, bei einer Vielzahl von Beweismitteln, bei nach den Ermittlungen verbliebenen Beweisunsicherheiten, der Mehrzahl von Beteiligten, der Ausländereigenschaft des Beschuldigten und damit einhergehender Verständigungserschwernisse als weit überdurchschnittlich einzustufen. |
Verfahrensgebühr |
OLG Celle RVGreport 2020, 311 = JurBüro 2020, 523 |
Wenn vom Angeklagten Revision eingelegt und die mit der Sachrüge begründet worden ist und damit eine materiell-rechtliche Prüfung durch den Nebenklägervertreter notwendig ist/wird, ist bei der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr für den Nebenklägervertreter die Festsetzung einer die Mittelgebühr der Nr. 4130 VV RVG um 20 % überschreitenden Gebühr nicht unbillig i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. |
Terminsgebühr |
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.2017 1 Ws 2/17, RVGreport 2017, 375 = JurBüro 2017, 468 |
Die Dauer der Verhandlung ist ein objektiver Gradmesser für die Bestimmung der Terminsgebühr für Fortsetzungstermine. |
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LG Detmold RVGreport 2019, 73 |
Hauptkriterium für die Höhe der Terminsgebühr ist die Dauer der Hauptverhandlung. Als durchschnittliche Dauer einer Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht ist ein Zeitraum von 2 bis 3 Stunden anzunehmen. |
II. Bußgeldverfahren (Teil 5 VV RVG) |
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Allgemeines |
LG Dresden, Beschl. v. 5.10.2020 5 Qs 77/20 |
Als angemessene Gebühr für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung zur Last gelegt wird, kommt grds. nicht die Mittelgebühr, sondern nur eine niedrigere Gebühr in Betracht. |
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LG Itzehoe RVGreport 2019, 10 = RVGprofessionell 2019, 4; ähnlich AG Landstuhl RVGreport 2020, 295 |
1. Ausgangspunkt für die Bemessung der Rahmengebühr ist grds. der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr 2. Durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister sind daher nach Auffassung der Kammer grds. als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen. 3. Mittelgebühr gerechtfertigt bei Geldbuße von 160 €, 2 Punkten im FAER und Fahrverbot. |
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LG Hanau RVGreport 2020, 420 |
Bei der gebührenmäßigen Bewertung des jeweiligen Bußgeldverfahrens ist zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus anderen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit ist nicht gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall aller Ordnungswidrigkeitenbereiche. |
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LG Halle RVGreport 2020, 91 = VRR 9/2020, 23 |
Der Ansatz der Mittelgebühr ist in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht generell gerechtfertigt. Denn Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die auf einem Geschwindigkeitsverstoß beruhen, können wegen ihrer statistischen Häufigkeit in der Regel routinemäßig und ohne wesentlichen Zeitaufwand vom RA bearbeitet werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Gebührenrahmen alle Arten von Ordnungswidrigkeiten, also auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens geahndet werden und oft mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind, erfasst. |
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LG Kassel JurBüro 2019, 527 |
Bei (alltäglichen) straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten mit geringem Aufwand, geringer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeit und geringer Bedeutung sind lediglich sog. herabgesetzte Mittelgebühren angemessen. |
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LG Köln AGS 2019, 504 = RVGreport 2020, 69 = RVGprofessionell 2019, 184 |
Zur Bemessung der gerichtlichen Verfahrensgebühr, wenn der Betroffene Berufskraftfahrer ist, dem ein Fahrverbot droht. |
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LG Landshut RVGreport 2019, 332 |
1. Bei der gebührenmäßigen Bewertung einer Ordnungswidrigkeitensache ist zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus allen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. 2. In einem durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren ist der Ansatz der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt. |
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LG Osnabrück JurBüro 2020, 246 |
In Bußgeldsachen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist die Gebührenhöhe im Regelfall unterhalb der Mittelgebühr anzusetzen. Das gilt auch dann, wenn ein einmonatiges Fahrverbot droht und weder vorgetragen wird noch ersichtlich ist, dass etwa die berufliche Tätigkeit des Betroffenen durch das Fahrverbot beeinträchtigt worden wäre. |
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AG Alzey RVGreport 2019, 333 |
Die Höhe der Geldbuße ist kein Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Gebühren. Denn die Höhe der Geldbuße ist schon Anknüpfungspunkt für die Frage, aus welcher Stufe der RA seine Gebühren berechnet (gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot). |
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AG Biberach RVGreport 2019, 242 |
In einer durchschnittlich schwierigen Bußgeldsachen ist der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt. |
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AG Charlottenburg RVGreport 2020, 257 |
Generell ist der Ansatz einer Mittelgebühr für durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten in Abgrenzung zu anderen Ordnungswidrigkeiten nicht gerechtfertigt. |
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AG Landstuhl RVGreport 2020, 295 = VRR 8/2020, 31 |
Im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ist grds. die Mittelgebühr anzusetzen, |
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AG München, Urt. v. 2.12.2019 213 C 16136/19; AG Viechtach RVGreport 2019, 57 = RVGprofessionell 2019, 6 = DAR 2019, 58 |
In Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist der Ansatz der sog. Mittelgebühr als Ausgangspunkt grds. gerechtfertigt; hiervon ausgehend sind in jedem Einzelfall die besonderen Umstände zu würdigen. |
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AG Viechtach RVGreport 2019, 412 |
1. Die Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße sagt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aus, da die Geldbußen meistens im unteren Bereich angesiedelt sind. In erster Linie werden bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingelegt wegen den mit der Geldbuße verbundenen Punkten im Fahreignungsregister im Hinblick auf ein zukünftig drohendes Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug durch die Verwaltungsbehörde, wegen eines verhängten Fahrverbots oder zur Abwehr oder Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob der Betroffene beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist. 2. Bei der Einordnung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind u.a. die Kriterien des Aktenumfangs, der Anzahl und Dauer der Besprechungen mit Mandanten, Sachverständigen und Dritten, der Notwendigkeit der Einarbeitung in Rechtsmaterie, einschließlich des ggfs. notwendigen Studiums von Rechtsprechung und Literatur, Zahl und Umfang der Schriftsätze, auswärtige Beweisaufnahmen, Auswertungen von Beiakten oder Sachverständigengutachten zu berücksichtigen. |
Grundgebühr |
AG Alzey RVGreport 2019, 333 |
Mittelgebühr angemessen, Fahrverbot droht, Eintragung im FAER, Aktenumfang nur 14 Seiten. |
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AG Charlottenburg, RVGreport 2020, 257 |
32 Blatt Akten sind durchschnittlich. |
Verfahrensgebühr |
AG Alzey RVGreport 2019, 333 |
Mittelgebühr angemessen, Fahrverbot droht, Eintragung im FAER, Aktenumfang nur 14 Seiten |
Terminsgebühr |
LG Bayreuth, Beschl. v. 13.10.2020 3 Qs 84/20 |
Hauptverhandlungsdauer von 6 Minuten ist unterdurchschnittlich |
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LG Cottbus RVGreport 2019, 93 |
1. Hauptverhandlungsdauer von 34 Minuten in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldsachen noch durchschnittlich, 13 Minuten sind unterdurchschnittlich. 2. Maßgeblich für den Beginn der Zeitrechnung ist der Zeitpunkt der Ladung, wenn der RA zu dem Zeitpunkt erschienen ist. |
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AG Charlottenburg RVGreport 2020, 257 |
Hauptverhandlungsdauer von 45 Minuten durchschnittlich. |
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AG Saarlouis, Beschl. v. 9.9.2020 6 Ls 35 Js 1187119 (49/19) |
Eine Terminsdauer von nur 51 Minuten ist für eine Strafsache beim Schöffengericht unterdurchschnittlich. |
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