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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 174/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur akustischen und optischen Überwachung von Besuchen von Familienangehörigen eines Untersuchungshaftgefangenen in der Justizvollzugsanstalt

Senat: 5

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Überwachungsmaßnahmen, akustische und optische Besuchsüberwachung

Normen: StPO 119

Beschluss: Strafsache gegen I.G.,
wegen schweren Raubes u.a., (hier: Beschwerde gegen besuchsüberwachende Auflagen nach § 119 Abs. 3 StPO).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 4. Dezember 2000 gegen die Entscheidung des Vorsitzenden der XI. Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 16. November 2000 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.04.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Die akustische Überwachung der Besuche des inhaftierten Beschwerdeführers durch seine Eltern, seine Schwester, seine Schwägerin (Ehefrau des Bruders) sowie deren vier Kinder entfällt.

Insoweit wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt; in diesem Umfange trägt die Landeskasse auch die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil der XI. großen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 20. Oktober 2000 wegen schweren Raubes und versuchter Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte, der sich in dieser Sache in Untersuchungshaft befindet, Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 27. Oktober 2000 hat der Angeklagte die Aufhebung der akustischen und optischen Besuchsüberwachung beantragt.

Dieser Antrag ist durch Entscheidung des Strafkammervorsitzenden vom 16. November 2000 zurückgewiesen worden. Das Sicherungsbedürfnis bestehe fort, da das Urteil unbeschränkt angefochten worden sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 4. Dezember 2000 insoweit, als die Versagung der Aufhebung der akustischen und optischen Besuchsüberwachung die Eltern des Angeklagten, seine Schwester, seine Schwägerin (Ehefrau des Bruders) sowie deren vier Kinder im Alter von 15, 13, 11 und 7 Jahre betrifft.

Der Vorsitzende hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Februar 2001 nicht abgeholfen und in der Übersendungsverfügung an den Senat angemerkt, es sei in der Hauptverhandlung auffällig gewesen, dass die beiden Mitangeklagten den Angeklagten nicht hätten belasten mögen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 12. April 2001 beantragt, die Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung anzuordnen und die Sache im Übrigen zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, soweit die Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung bezüglich des vorgenannten Personenkreises abgelehnt worden ist.

Gemäß § 119 Abs. 3 StPO dürfen einem Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Anstaltsordnung erfordern. Wie alle grundrechtseinschränkenden Bestimmungen ist auch diese Vorschrift an den durch sie eingeschränkten Grundrechten zu messen; ihre Auslegung hat der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht verurteilt ist und deswegen nur unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (vgl. BVerfGE 42, 95 100; StV 93, 592). In diesem Zusammenhang begründet der besondere Schutz von Ehe und Familie für die zuständigen Behörden nicht nur die Pflicht, Besuche von Untersuchungsgefangenen durch Familienangehörige als solche zu ermöglichen, sondern auch zur ernsthaften und eingehenden Prüfung, ob eine Besuchsbeschränkung durch akustische Überwachung unverzichtbar vom Zweck der Untersuchungshaft oder der Ordnung der Anstalt gefordert wird (vgl. BVerfG StV 93, 592). Dabei ist stets zu prüfen, ob im Einzelfall überhaupt konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein nicht akustisch überwachter Besuch eine Gefährdung von Haftzweck oder Ordnung der Anstalt mit sich brächte.

Diesen Anforderungen wird die nur sehr knapp begründete Entscheidung des Strafkammervorsitzenden vom 16. November 2000 nicht gerecht.

Anhaltspunkte dafür, dass akustisch nicht überwachte Besuche durch den vorgenannten Personenkreis, sämtlich nahe Angehörige des Beschwerdeführers, eine konkrete Gefahr begründen könnten, dass dieser fliehen oder Verdunkelungshandlungen vornehmen könnte, lassen sich nicht feststellen. Weder der Anklageschrift noch dem Urteil kann ein auch nur entfernter Bezug des fraglichen Personenkreises zum Verfahrensgegenstand entnommen werden. Der vom Strafkammervorsitzenden bemerkten fehlenden Belastungstendenz durch die beiden Mitangeklagten ist, nachdem die Verurteilung des Beschwerdeführers im Wesentlichen auf die belastenden Angaben eines der Mitangeklagten im Ermittlungsverfahren gestützt worden ist, der davon im Hauptverhandlungstermin jedoch wieder abgerückt ist, im jetzigen Verfahrensstadium keine Bedeutung mehr beizumessen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherung der Anstaltsordnung im vorliegenden Fall eine akustische Überwachung von Angehörigenbesuch erfordert, sind ebenso wenig erkennbar.

Nach alledem ist, unter besonderer Berücksichtigung des grundgesetzlich garantierten Schutzes der Familie, die Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung im tenorierten Umfange anzuordnen.

Im Übrigen ist die Beschwerde, soweit auch die Aufhebung der optischen Besuchsüberwachung begehrt wird, indes unbegründet. Es liegt auf der Hand, dass eine optische Überwachung von Besuchen eines Untersuchungsgefangenen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt, etwa um die Übergabe nicht genehmigter Briefe und Gegenstände auszuschließen, unverzichtbar ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.


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