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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 77/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur bedingten Entlassung nach der Neufassung des § 57 Abs. 1 StGB[ betr. wegen BtM-Delikts verurteilten Ausländers, dessen Abschiebung bereits angeordnet ist .

Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: bedingte Entlassung; Restrisiko, Asylbewerber; Ausländer, positive Prognose; Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren

Normen: StGB 57, StPO 140

Beschluss: Strafsache gegen B.Z.
wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz(hier: 1. Sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe 2. Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Beschwerdeverfahren).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 28. Februar 2001 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 15. Februar 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.04.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Verurteilten in der Beschwerdeinstanz trägt, aufgehoben.

Die bedingte Entlassung des Verurteilten mit Ablauf des 12. April 2001 wird angeordnet.

Die Vollstreckung des dann noch zu vollstreckenden Strafrestes aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Krefeld vom 9. November 1999 (28 Ls 32 Js 185/99 (177/99) wird zur Bewährung ausgesetzt.

Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.

Der Verurteilte wird der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt.

Die Belehrung des Verurteilten über die Strafaussetzung zur Bewährung wird der Justizvollzugsanstalt übertragen.

Dem Verurteilten wird Rechtsanwalt H. aus O. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Gründe:
I.
Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 9. November 1999 wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Diese Verurteilung ist seit dem 24. Januar 2000 rechtskräftig. Seitdem befindet sich der Verurteilte, der sich zunächst in Untersuchungshaft befunden hat, in Strafhaft. 2/3 der gegen den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe war am 23. Februar 2001 verbüßt.

Die Justizvollzugsanstalt hat die bedingte Entlassung des Verurteilten befürwortet. Sein vollzugliches Verhalten sei beanstandungsfrei. Er habe inzwischen zumindest teilweise die deutsche Sprache erlernt und habe über seine Fehler, die Haft und die notwendigen Konsequenzen nachgedacht. Die Strafvollstreckungskammer hat in dem angefochtenen Beschluss die bedingte Entlassung des Verurteilten abgelehnt und dieses u.a. damit begründet, dass er in sein altes Umfeld zurückkehren müsse. Auch sei die ausländerrechtliche Situation völlig ungeklärt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen und den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers abzulehnen.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.
Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt die Strafvollstreckungskammer nach Verbüßung von 2/3 einer verhängten zeitigen Freiheitsstrafe die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aus, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB in der Fassung des am 31. Januar 1998 in Kraft getretenen Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl 1, 5. 160) ist dabei neben der Persönlichkeit und dem Vorleben des Verurteilten, den Umständen der Tat, seiner Lebensverhältnisse und der Wirkungen der Aussetzung auf den Verurteilten auch des Gewicht des bei einen Rückfall bedrohten Rechtsgutes zu berücksichtigen. Damit hat der Gesetzgeber eine seit langem bestehende Rechtsprechung im Gesetz festgeschrieben (siehe Senat in StV 1998, 501 = StraFo 1998, 174 sowie in StraFo 1999, 175; siehe auch Beschluss des Senats vom 11. Februar 1999 in 2 Ws 42/99 und vom 30. März 2001 in 2 Ws 51/01). Erforderlich ist damit u.a. eine Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit (OLG Stuttgart StV 1998, 668). Der Senat hat bereits in den o.a. Beschlüssen darauf hingewiesen, dass die Neufassung des § 57 StGB nicht dahin zu verstehen ist, dass nun eine günstige Sozialprognose in dem Sinn, dass verantwortet werden kann, den Verurteilten in Freiheit zu erproben, nicht mehr ausreichend sein soll, sondern weitgehende Gewissheit des Erfolgs der Bewährungsaussetzung vorliegen müsse. Vielmehr kann auch weiterhin ein gewisses Restrisiko verbleiben - und wird in der Regel auch verbleiben (so wohl auch Schüler-Springorum StV 1998, 669 in der Anm. zu OLG Stuttgart, a.a.O.). Das folgt schon daraus, dass es sich bei der Aufzählung der entscheidungsrelevanten Faktoren in § 57 Abs. 1 Satz 2 n.F. lediglich um eine klarstellende Beschreibung der bisherigen Praxis der Obergerichte handelt (so auch Hammerschlag/Schwarz NStZ 1998, 321, 323).

2.
Unter angemessener Berücksichtigung dieser Kriterien ist vorliegend dem Verurteilten - entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer - eine günstige Sozialprognose zu stellen, so dass seine bedingte Entlassung und die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der noch verbleibenden Reststrafe anzuordnen war.

Der Verurteilte ist Erstverbüßer und nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt durch den bisherigen Vollzug beeindruckt. Er hat sich im Vollzug beanstandungsfrei geführt. Damit ist das vollzugliche Verhalten des Verurteilten positiv zu werten.

Auch die persönliche Entwicklung des Verurteilten im Vollzug erscheint dem Senat positiv. Der Verurteilte war im Verfahren geständig. Nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt hat er sich auch (weiterhin) mit seiner Situation ernsthaft auseinander gesetzt. Er hat in der Justizvollzugsanstalt am Deutschunterricht teilgenommen und beherrscht jetzt - zumindest teilweise - die deutsche Sprache in Wort und Schrift.

Der Verurteilte ist inzwischen mit einer deutschen Frau verheiratet. Darüber hinaus sind zu seiner libanesischen Familie, die in der Bundesrepublik Deutschland lebt, soziale Bindungen vorhanden; diese ist ebenfalls bereit, ihn nach der Entlassung aufzunehmen.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass der Verurteilte abgelehnter Asylbewerber ist, der in der Bundesrepublik Deutschland derzeit nicht über einen Arbeitsplatz verfügt und weiterhin mit seiner Abschiebung rechnen muß. Diese Umstände sind aber - entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer - nach Auffassung des Senats nicht derart gewichtig und ungünstig, dass sie die Ablehnung der bedingten Entlassung rechtfertigen würden. Dass der Verurteilte nach seiner Entlassung in das gleiche Umfeld und in die gleiche Lebenssituation zurückkehren wird, womit die Strafvollstreckungskammer u.a. ihre negative Entscheidung begründet hat, hat er nämlich nicht zu vertreten. Allein daraus lässt sich auch nicht schließen, dass der Verurteilte nach seiner Entlassung wieder Kontakt zur Drogenszene aufnehmen und erneut Handel mit BtM betreiben wird. Denn insoweit kann nicht übersehen werden, dass der Verurteilte inzwischen verheiratet ist. Hinzu kommt, dass dem Risiko des Rückfalls durch die vom Senat angeordnete Unterstellung unter Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers in gewissem Unfang (zusätzlich) begegnet werden kann. Die weitere Fortdauer der Strafvollstreckung rechtfertigt im Übrigen auf keinen Fall, dass, wovon aber offenbar die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme ausgeht, auf diese Weise einem "Untertauchen" des Verurteilten zur Vermeidung der Abschiebung vorgebeugt werden könne. Das ist nicht Sinn und Zweck der Strafvollstreckung. Dieser ggf. bestehenden Gefahr muß vielmehr mit ausländerrechtlichen Maßnahmen, notfalls mit Abschiebehaft, begegnet werden.

Schließlich ist nach Auffassung des Senats das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit im Hinblick auf die der Vollstreckung zugrundeliegenden Taten auch nicht so groß, dass es bei der erforderlichen Abwägung der für und gegen eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechenden Umstände deutlich für eine negative Entscheidung ins Gewicht fallen würde. Damit war die bedingte Entlassung des Verurteilten und die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anzuordnen.

III.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft war dem Verurteilten auch gemäß § 140 StPO ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Der Senat hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass auch im Strafvollstreckungsverfahren die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in Betracht kommen kann (vgl. Beschlüsse des Senats in StraFo 2000, 32 = StV 2000, 92 = NStZ-RR 2000, 113; ZAP EN-Nr. 716/2000 ). Daran hält der Senat fest.

Dahinstehen kann, ob dem Verurteilten ein Pflichtverteidiger (allein) schon wegen der verbleibenden Restverbüßungszeit von noch etwa einem Jahr und damit "wegen der Schwere der Tat" beizuordnen war (vgl. zur Pflichtverteidigung im Verfahren zur Strafrestaussetzung Rotthaus NStZ 2000, 350 und den insoweit ablehnenden Beschluss des hiesigen 1. Strafsenats in 1 Ws 111/99). Jedenfalls war vorliegend wegen "Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage" und/oder wegen der Unfähigkeit des Verurteilten, sich selbst zu verteidigen, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten. Der Verurteilte ist seit fast zwei Jahren nicht mehr in Freiheit. Er streitet für seine bedingte Entlassung aus der Strafhaft. Der Verurteilte ist Ausländer und trotz der inzwischen gemachten Fortschritte in der Beherrschung der deutschen Sprache dieser nicht vollständig mächtig. Diese Umstände führen aufgrund einer Gesamtabwägung zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers.

IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 57 Abs. 3, 56 a, 56 d StGB, 453 Abs. 3 Satz 2 StPO. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

Die Entscheidung über die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist eine Alleinentscheidung des mitentscheidenden Vorsitzenden.


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