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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 221/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Der Pflichtverteidiger kann Ersatz für die durch die Übersetzung von Aktenbestandteilen entstandenen Auslagen nur verlangen, wenn deren Verständnis oder genaue Kenntnis für eine sachgerechte Verteidigung und damit für ein faires Verfahren erforderlich sind. Das ist für die Übersetzung von polizeilichen Vernehmungen i.d.R. nicht der Fall.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Pflichtverteidiger, Ersatz von Auslagen, Dolmetscherkosten, Notwendigkeit der Übersetzung von Zeugenvernehmungen, ausländischer Angeklagter

Normen: BRAGO 126, BRAGO 97, MRK 6

Beschluss: Strafsache gegen K. u.a., wegen schweren Raubes u.a.,
hier: (hier: Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen die Festsetzung seiner Auslagen).

Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 11. Juli 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen:

Die Beschwerde wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Der frühere Angeklagte ist kasachischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache nur im geringen Umfang mächtig.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat ihm mit der Anklage vom
22. September 1999 einen schweren Raub in Tateinheit mit Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Computerbetrug und Aussetzung vorgeworfen. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bochum vom 17. Februar 2000 ist er wegen dieser Tat zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren verurteilt worden.

Der Antragsteller ist dem früheren Angeklagten am 20. Oktober 1999 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Auf dessen Antrag hat die Strafkammer am 20.Oktober 1999 beschlossen, dass dem Pflichtverteidiger die Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache für die Mandantengespräche gestattet wird.

Mit Schreiben vom 26. November 1999 hat der Antragsteller die Abrechnung der Dolmetscherin D. vom 26. November 1999 überreicht und beantragt, den Rechnungsbetrag in Höhe von 1900,08 DM an die Dolmetscherin zu überweisen. Die Dolmetscherin hat dem Antragsteller diesen Betrag in Rechnung gestellt, da sie in seinem Auftrag die polizeilichen Vernehmungen der Zeugen F., G., M. und V. sowie diejenigen des früheren Angeklagten übersetzt hatte.

Mit Beschluss vom 28. Juni 2000 hat die Urkundsbeamtin des Landgerichts diesen Antrag zurückgewiesen, da die schriftliche Übersetzung der Vernehmungen durch den Beschluss der Strafkammer vom 20.Oktober 2000 nicht gedeckt sei.

Gegen diesen Beschluss hat sich der Pflichtverteidiger mit einer näher begründeten Erinnerung gewandt, die vom Vorsitzenden der Strafkammer zurückgewiesen worden ist. Mit seiner Beschwerde, der der Vorsitzende nicht abgeholfen hat, wendet sich der Pflichtverteidiger dagegen unter Verweis auf Art. 6 MRK. Er vertritt die Ansicht, dass sich aus dieser Norm der Anspruch des früheren Angeklagten auf Übersetzung der Vernehmungen ergebe, da nur dadurch eine sachgerechte Verteidigung möglich gewesen sei. Der Vertreter der Landeskasse hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Erstattung von Auslagen des Pflichtverteidigers setzt nach §§ 126 Abs. 1, 97 Abs. 2 S. 2 BRAGO voraus, das diese zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigung erforderlich waren. Unnötige Auslagen werden dagegen nicht erstattet.

Bei der Verteidigung eines ausländischen - nicht der deutschen Sprache mächtigen - Angeklagten kann der Verteidiger auch unter Berücksichtigung des Art. 6 MRK von ihm veranlasste Dolmetscherkosten dann nicht ersetzt verlangen, wenn auch der Beschuldigte selbst auf die kostenfreie Übersetzung von Aktenteilen keinen Anspruch gehabt hätte( vgl. Senatsbeschluss 2 Ws 595/98 in NStZ-RR 1999, 158 Antragsteller war in diesem Verfahren der Partner des Antragstellers). Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf die dem Antragsteller bekannte ausführliche Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 8. November 2000 Bezug, die die genannte Rechtsprechung des Senates zutreffend berücksichtigt, und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen Entscheidung.

Danach kann einem Beschuldigten zwar ein Anspruch auf Übersetzung von Aktenteilen zustehen, wenn deren Verständnis oder genaue Kenntnis für eine sachgerechte Verteidigung und damit für ein faires Verfahren erforderlich sind. Da dieses aber in der Regel nicht der Fall ist, ist es regelmäßig ausreichend, wenn der Pflichtverteidiger den Akteninhalt kennt und diesen unter Inanspruchnahme eines Dolmetschers mit dem Beschuldigten erörtert und diesem insbesondere das Gewicht, Bedeutung und Tragweite der Beweismittel vermittelt.

Vorliegend sind keine Gründe erkennbar, die eine schriftliche Übersetzung der polizeilichen Vernehmungen erforderlich erscheinen lassen. Es handelt sich um einen sachlich einfach gelagerten Fall, der keine gesteigerten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Beschuldigten gestellt hat. Es kommt auch nicht auf den Wortlaut der polizeilichen Aussagen an, da nur in der Hauptverhandlung gemachte Zeugenaussagen entscheidungserheblich sind. Insoweit ist es die Aufgabe des Pflichtverteidigers, im ausreichenden Umfang Aktenkenntnis zu besitzen, um Widersprüche in der Hauptverhandlung zu entdecken und diese anzusprechen. Darüber hinaus ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass die polizeilichen Vernehmungsprotokolle schon keine Wortprotokolle sind, da auch diese Aussagen erst nach einer Übersetzung protokolliert worden sind. Der konkrete Wortlaut der Aussagen konnte dem Beschuldigten deshalb auch nicht durch eine schriftliche Übersetzung übermittelt werden.

Letztlich ist nicht für den Senat ersichtlich, warum die schriftliche Übersetzung der eigenen Einlassung für das Verständnis des Angeklagten und damit für die Verteidigung erforderlich gewesen sein soll.

Da dem Anspruch auf ein faires Verfahren aus Art. 6 MRK durch die Beiordnung eines Dolmetschers für die Besprechungen und die Anwesenheit des Dolmetschers in der Hauptverhandlung entsprochen worden ist, hat das Landgericht zu Recht den Antrag auf Erstattung der Dolmetscherkosten zurückgewiesen, so dass die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 98 Abs. 4 BRAGO.


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