Aktenzeichen: 2 Ws 323/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Allein die Lebensverhältnisse eines abgelehnten Asylbewerbers sind in Anbetracht sonstiger positiver Gesichtpunkte nicht geeignet, die Ablehnung einer bedingten Entlassung aus der Strafvollstreckung zu rechtfertigen.
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: bedingte Entlassung, Strafaussetzung zur Bewährung, Asylbewerber, Lebensverhältnisse, positive Gesichtspunkte
Normen: StGB 57
Beschluss: Strafsache gegen A.M.
wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz
(hier: Ablehnung der bedingten Entlassung).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 20. November 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 13. November 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
1. Der angefochtene Beschluss wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Verurteilten in der Beschwerdeinstanz trägt, aufgehoben.
2. Die bedingte Entlassung des Verurteilten mit Ablauf des 24. Dezember 2000 wird angeordnet.
3. Die Vollstreckung des verbleibenden Strafrestes aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Krefeld vom 9. November 1999 (28 Ls 32 Js 185/99 - 177/99) wird zur Bewährung ausgesetzt.
4. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.
5. Der Verurteilte wird der Leitung und Aufsicht des örtlich zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
6. Die Belehrung des Verurteilten über die Strafaussetzung zur Bewährung wird der Justizvollzugsanstalt übertragen.
Gründe:
Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 9. November 1999 wegen gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden.
2/3 dieser Strafe werden am 24. Dezember 2000 verbüßt sein.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen hat mit Beschluss vom 13. November 2000 die bedingte Entlassung des Verurteilten abgelehnt und zur Begründung u.a. folgendes ausgeführt:
"Der Verurteilte käme bei seiner Entlassung in dieselben Verhältnisse zurück wie die, die zu seiner Straffälligkeit geführt haben. Der Verurteilte ist abgelehnter und damit ausreisepflichtiger Asylbewerber. Er bekäme bei seiner Entlassung auch wieder nur, wie vor seiner Inhaftierung, eine Duldung, wobei die erklärte Absicht der Ausländerbehörde, ihn so bald wie möglich abzuschieben, fortbesteht. Der Verurteilte weiß also, dass seines Bleibens in Deutschland auf Dauer nicht sein wird. Des weiteren wird der Verurteilte nach seiner Entlassung keine Arbeitserlaubnis erhalten, da sich vor dem oben erwähnten Hintergrund sein Aufenthalt in Deutschland in keiner Weise verfestigen soll.
Schließlich könnte der Verurteilte auch wieder nur in einem Asylantenwohnheim unterkommen und von Sozialhilfeleistungen in ausgesprochenem bescheidenen Umfang leben. Diese Umstände werden auch bis auf weiteres so bestehen bleiben, da nicht abzusehen ist, wann die für seine Abschiebung erforderlichen Papiere beschafft werden können.
Das Umfeld, das den Verurteilten nach einer Entlassung erwartet, besteht somit aus derselben deliquenzkräftigen Mischung aus unbefriedigenden und ungesicherten Verhältnissen, zu viel Zeit und zu wenig Geld.
Von daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte sich nach einer Entlassung tatsächlich straffrei halten wird, eher gering einzuschätzen, obwohl der Verurteilte persönlich einen durchaus positiv zu nennenden Eindruck vermittelte.
Hinzu kam schließlich auch die Überlegung, dass der Verurteilte, wie er ehrlicherweise zugab, seinen Wunsch nach Rückkehr in die Heimat erforderlichenfalls auch auf eigene Faust zu verwirklichen gewillt ist, was ggf. einen erheblichen Finanzbedarf mit sich brächte."
Hiergegen richtet sich die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten, die auch begründet ist.
Nach Auffassung des Senats kann dem Verurteilten eine positive Prognose gestellt werden.
Der Verurteilte ist Erstverbüßer. Nach eigenen Angaben hat ihn die Haft beeindruckt und seinen Willen, nicht mehr straffällig zu werden, gestärkt.
Die Mitglieder der Vollzugskonferenz haben sich aufgrund des positiven Vollzugsverhaltens einhellig für die bedingte Entlassung des Verurteilten ausgesprochen. Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Schwerte hat sich diesem Votum in ihrer Stellungnahme vom 14. September 2000 angeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Krefeld hat einer bedingten Entlassung ausdrücklich nicht widersprochen.
Der Erwägung der Strafvollstreckungskammer, der Verurteilte kehre als abgelehnter und ausreisepflichtiger Asylbewerber im Falle seiner Entlassung in ein deliquenzträchtiges Umfeld zurück, so dass trotz des bei der Anhörung gewonnenen positiven Eindrucks eine günstige Sozialprognose nicht zu treffen sei, vermag sich der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht anzuschließen. Zwar soll nicht verkannt werden, dass die Lebensverhältnisse eines abgelehnten Asylbewerbers insbesondere wegen der fehlenden Arbeitserlaubnis und des darauf beruhenden finanziellen Engpasses eine straffreie und resozialisierte Lebensführung eher erschweren. Dieser Umstand, den der Verurteilte als Folge der ausländerrechtlichen Regelungen nicht zu vertreten hat, ist für sich allein aber nicht derart gewichtig, dass sich eine günstige Prognose in Anbetracht der aufgezeigten positiven Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht rechtfertigen ließe, zumal dem Verurteilten durch die angeordnete Aufsicht und Leitung durch einen Bewährungshelfer eine zusätzlich stabilisierende Hilfe zuteil wird (vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. Februar 1999 - 2 Ws 14 u. 15/99 -).
Der Senat hält daher nach alledem trotz eines gewissen Restrisikos die bedingte Entlassung des Verurteilten, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, gemäß § 57 Abs. 1 StGB für verantwortbar.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 57 Abs. 3, 56 a, 56 d StGB, 454 Abs. 4 StPO.
Die Kostenentscheidung ist in entsprechender Anwendung der §§ 467 und 473 StPO ergangen.
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