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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 165/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage, wann einem Strafgefangenen der Besitz von Gegenständen zur Freizeitgestaltung versagt werden darf und welche Anforderungen an die Begründung der Versagungsentscheidung zu stellen sind.

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollzugssache

Stichworte: Freizeitgestaltung eines Strafgefangenen, Versagungsgründe, Ermessen, Ausübung des Ermessens, Playstation, Modul

Normen: StVollzG 70

Beschluss: Strafvollzugssache gegen O.F.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörde

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 13. September 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 27. Juli 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe einstimmig beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Präsident des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe hat den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:
Der Betroffene befindet sich seit dem 15. Oktober 1998 zur Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bochum. Dort wird ihm bereits seit längerem der Betrieb einer Sony-Playstation gestattet. Zu Beanstandungen im Hinblick auf den Besitz dieses Gerätes hat der Betroffene bislang keinen Anlass gegeben.

Am 24. August 1999 beantragte der Betroffene, ihm die Beschaffung und die Benutzung eines Cheat/Schummelmoduls Typ X-Ploder Pro zu gestatten. Dabei handelt es sich um ein Zusatzgerät zur Playstation, das den Spielbetrieb vereinfacht. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt hat den Antrag abgelehnt und dazu ausgeführt, dass der Betrieb des Moduls zum üblichen Betrieb der Playstation nicht erforderlich sei, sich andererseits aber als sogenanntes "Hackerzubehör" eigne. Der Widerspruch des Betroffenen hatte keinen Erfolg. Der Präsident des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe hat dazu ergänzend ausgeführt, dass - wie eine Beteiligung von Fachkundigen ergeben habe - eine missbräuchliche Benutzung des Moduls nicht gänzlich auszuschließen sei, weil es ggf. dazu benutzt werden könne, selbstgebrannte CD's oder auch nicht zugelassene internationale Software abzuspielen.

Der dagegen gerichtete Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen gemäß § 109 ff. StVollzG blieb gleichfalls erfolglos. Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, dass ein Rechts- oder Ermessensfehler in der Entscheidung des Anstaltsleiters nicht ersichtlich sei und im Übrigen " - so Fachkundige - eine missbräuchliche Benutzung des Moduls nicht gänzlich ausgeschlossen werden" könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat auch einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an die Vollzugsbehörde.

Gemäß § 70 Abs. 1 StVollzG darf ein Strafgefangener Gegenstände zur Freizeitgestaltung in angemessenem Umfang besitzen. Um einen solchen Gegenstand handelt es sich auch bei dem von dem Betroffenen beantragten Modul, das zwar zum üblichen Betrieb einer Playstation nicht benötigt wird, dessen Spielvarianten aber in einer der weiteren Freizeitgestaltung dienenden Weise ergänzt. Die Strafvollstreckungskammer, den Erwägungen der Vollzugsbehörde folgend, hat den Antrag des Betroffenen ersichtlich mit der Begründung abgelehnt, dass die Überlassung oder die Benutzung des Moduls die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden könnte (§ 70 Abs. 2 StVollzG).

Ein solcher Versagungsgrund ist aber nur dann gegeben, wenn der einem Gegenstand generell abstrakt zukommenden Eignung, in einer die Sicherheit und Ordnung gefährdenden Weise eingesetzt zu werden, nicht mit den im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht auch anzuwendenden Kontrollmitteln der Justizvollzugsanstalt begegnet werden kann (vgl. BVerfG NStZ-RR 96, 252). Ermöglichen es diese Kontrollmittel aber - dazu zählen auch etwa die Verplombung oder die Versiegelung eines Gegenstandes - diese abstrakte Gefahr auszuschließen oder auf ein nicht mehr beachtliches Maß zu reduzieren, so erweist sich die Versagung als unverhältnismäßig. Diesen Erwägungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Sie setzt sich bereits mit der generell abstrakten Gefährlichkeit des Moduls nicht hinreichend auseinander.

Allein die nicht näher belegte Behauptung der Vollzugsbehörde, die "Beteiligung von Fachkundigen" habe ergeben, dass der Benutzer des Moduls gebrannte CD's oder nicht zugelassene internationale Software abspielen könne, ist nicht geeignet, eine solche generelle abstrakte Gefahr in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise zu begründen. Es ist schon nicht erkennbar, wer, mit welcher Fachkunde, sich dazu so geäußert haben soll. Auch das einer Fachzeitschrift entnommene Zitat, das Modul sei "als Hackerzubehör" zu bezeichnen, begründet noch keine abstrakte Gefährlichkeit des Moduls. Abgesehen davon, dass sich der Leiter der Justizvollzugsanstalt bei der von ihm zu treffenden Entscheidung nicht ohne weiteres auf die Behauptung eines ihm unbekannten Autors eines Berichts in einer Zeitschrift verlassen darf, sondern vielmehr eigene Überlegungen zur Gefährlichkeit eines Gegenstandes anzustellen hat, ist auch nicht ersichtlich, inwiefern dieses Modul gerade bei dem Betrieb einer Playstation - gegebenenfalls mit weiteren Hilfsmitteln - als Hackermodul eingesetzt werden könnte.

Der Hinweis auf den Missbrauch des Moduls durch das Abspielen selbstgebrannter CD's rechtfertigt die Versagung gleichfalls nicht, weil diese auch durch handelsübliche CD-Player, deren Gebrauch in der JVA Bochum allgemein gestattet ist, möglich
ist (siehe dazu Vermerk des Leiters der JVA Bochum vom
11. September 1999).

Soweit in der angefochtenen Entscheidung schließlich die Versagung der Überlassung des Moduls damit begründet wird, mit dessen Hilfe könnte "nicht zugelassene internationale Software" abgespielt werden, rechtfertigt dies - jedenfalls nach dem bisherigen Erkenntnisstand - die Versagung des Moduls nicht. Abgesehen davon, dass schon nicht ersichtlich ist, um welche Gefahrenquelle es sich dabei konkret handelt, ist auch nicht dargetan, auf welche Weise sich der Betroffene entsprechende Software beschaffen und warum dieser Gefahr nicht mit den üblichen Kontrollmechanismen begegnet werden kann.

Die bisher getroffenen Feststellungen der Vollzugsbehörde rechtfertigen danach die Versagung der Besitzgestattung nicht. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betrieb des Moduls aus anderen - bislang nicht erörterten - Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt entgegen steht, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Vollzugsbehörde anzuweisen, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.


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