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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 BL 163/00 OLG Hamm, 30 Js 96/00 StA Münster, 11 Ks 30 Js 96/00 (3/00) LG Münster

Leitsatz: Zum wichtigen Grund bei plötzlicher Erkrankung des Verteidigers während laufender Hauptverhandlung.

Senat: 4

Gegenstand: BL6

Stichworte: Haftgrund der Schwere der Tat, plötzliche Erkrankung des Verteidigers während laufender Hauptverhandlung

Normen: StPO 112 Abs. 3, StPO 121 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen L.W.,
wegen Totschlags u.a.
(hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Auf die Vorlage der (Doppel-)Akten zur Entscheidung nach den §§ 121,122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Gegen den am 11. März 2000 vorläufig festgenommenen Angeklagten ordnete der Haftrichter des Amtsgerichts Rheine am folgenden Tage die Untersuchungshaft an. In dem auf den Haftgrund der Tatschwere (§ 112 Abs. 3 StPO) gestützten Haftbefehl vom 12. März 2000 (Az:6 Gs 263/00) wird ihm vorgeworfen, am 11. März 2000 in Greven - Reckenfeld einen Menschen getötet zu haben, ohne Mörder zu sein, indem er vor der Gaststätte Bagatelle den am Boden liegenden T. durch wiederholte Tritte mit dem beschuhten Fuß gegen Kopf und Hals getötet und dabei billigend dessen Tod in Kauf genommen habe.

Dieser Vorwurf - ergänzt durch den Vorwurf, Geldscheine aus dem Portemonnaie seines toten Opfers unterschlagen zu haben, - wird mit der Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 5. Mai 2000, auf die wegen der darin zutreffend zusammengefassten Ergebnisse der Ermittlungen Bezug genommen wird, weiterverfolgt.

Der Angeklagte befindet sich seit dem 12. März 2000 ununterbrochen in Untersuchungshaft, die mithin über sechs Monate hinaus vollzogen wird.

II. Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen, ist zu entsprechen. Die allgemeinen Voraussetzungen der Untersuchungshaft (§ 120 Abs. 1 StPO) liegen vor.

1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tötungshandlung dringend verdächtig. Er hat im Rahmen des gegen ihn und seinen Begleiter C.B. wegen gemeinschaftlichen Totschlags zum Nachteil des am 5. Mai 1939 geborenen Helmut T. geführten Ermittlungsverfahrens sowohl anlässlich seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung vom 11. März 2000 als auch anlässlich seiner richterlichen Vernehmung vom 12. März 2000 seine Alleintäterschaft eingeräumt, nachdem ihm die Verdachtsmomente vorgehalten worden waren (Bl. 107,113 ff.;134 ff. Bd I DA).
Danach sei er wütend gewesen und habe mit dem rechten Fuß mit Sicherheit zwei- oder dreimal, möglicherweise aber auch fünfmal, in Richtung Gesicht seines am Boden liegenden Opfers getreten und habe dieses mindestens einmal getroffen. C.B. habe währenddessen einen halben Meter entfernt gestanden; dass dieser T. getreten oder geschlagen habe, habe er nicht gesehen. Der Beweiswert dieser Einlassung wird - entgegen den Ausführungen im Schriftsatz des Verteidigers vom 26. September 2000 - nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass die Zeugin K. bei ihrer - zur Beteiligung der beiden Männer damit im Einklang stehenden - Schilderung des Vorfalls die Tritte einem von ihr als "Kleinem" bezeichneten Täter zugeschrieben hat, während sie bezüglich des als "Kräftigen" bezeichneten Begleiters bekundet hat, dieser habe sich ganz langsam entfernt, habe den Betrunkenen nicht angefasst, ihn jedenfalls nicht angegriffen. Auch wenn das Erscheinungsbild des Angeklagten mit einem Gewicht von etwa 100 kg bei einer Länge von 1,89 m mit der Charakterisierung als "Kleinem" nicht übereinstimmt, kann bei der Bewertung der Zeugenaussage zur Frage der Täterschaft des Angeklagten nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Zeugin anlässlich ihrer Nachvernehmung am 13. März 2000 angegeben hat, sie habe eine zweite Person direkt daneben nicht gesehen, habe sich mit ihrer Beschreibung vielleicht einfach vertan.

2. Es besteht jedenfalls der Haftgrund des § 112 Abs.3 StPO. Zwar ist die finanzielle Lebensgrundlage des Angeklagten durch monatliche Rentenzahlungen gesichert, doch haben sich seine wenigen sozialen Bezüge nach der Trennung von Frau H. im Juli 1999 durch die Tat weiter gelockert. Angesichts des durch die Reaktion auf ein als Provokation empfundenes Verhalten eines Betrunkenen erkennbar gewordenen Persönlichkeitsbildes des Angeklagten kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass ohne die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft die Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Deswegen kommt auch eine Haftverschonung in entsprechender Anwendung des § 116 Abs.1 StPO nicht in Betracht.

Dass die weitere Untersuchungshaft im Sinne der Vorschrift des § 120 Abs.1 StPO nicht unverhältnismäßig ist, bedarf im Hinblick auf den schwerwiegenden Tatvorwurf und die im Verurteilungsfalle zu erwartende mehrjährige Freiheitsstrafe keiner näheren Begründung.

3. Schließlich können auch die besonderen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 121 Abs. 1 StPO bejaht werden. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei sind ohne Verzögerungen geführt und im April 2000 abgeschlossen worden. Die Staatsanwaltschaft Münster hat sodann dem damaligen Verteidiger des Angeklagten Akteneinsicht gewährt und nach Eingang der angekündigten Stellungnahme am 5. Mai 2000 Anklage erhoben. Nach Durchführung des gerichtlichen Zwischenverfahrens hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Münster (Westf.) am 6. Juni 2000 das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Diese ist, insgesamt fünftägig, ab dem 1. August 2000 terminiert worden. Im Fortsetzungstermin vom 9. August 2000 hat der gewählte Verteidiger wegen plötzlicher Erkrankung das Mandat niedergelegt und erklärt, dass er den Angeklagten nicht mehr vertreten könne. Auf dessen Wunsch hat der Vorsitzende noch in der Hauptverhandlung Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger bestellt. Ausweislich des Vorsitzendenvermerks vom 9. August 2000 (Bl. 539 BD. IV DA) hat dieser sich nicht in der Lage gesehen, in der laufenden Hautverhandlung "weiterzumachen" und hat im Hinblick auf die Neuterminierung überdies angezeigt, dass er bis einschließlich 17. September 2000 in Urlaub sei. Danach haben Umstände außerhalb des gerichtlichen Einwirkungsbereichs den Abschluss des Verfahrens durch Urteil noch nicht zugelassen. Sie sind allerdings wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO, die die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen.

III.
Mit der Übertragung der zwischenzeitlichen Haftprüfung hat der Senat von dem ihm in § 122 Abs. 3 S. 3 StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.


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