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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 431/00 OLG Hamm

Leitsatz: Steht fest, dass der Angeschuldigte zu dem von ihm als Pflichtverteidiger vorgeschlagenen auswärtigen Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet hat, kann auch dessen Beiordnung geboten sein, wenn nicht sonstige Gründe gegen eine solche Beiordnung sprechen.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Pflichtverteidiger, Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers,

Normen: StPO 142

Beschluss: Strafsache gegen F.R.,
wegen Geiselnahme u.a. (hier: Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers).

Auf die Beschwerde des Angeschuldigten vom 19. September 2000 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Paderborn vom 25. August 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.10.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Der angefochtenen Beschluss wird aufgehoben.

2. Dem Angeschuldigten wird Rechtsanwalt E. aus Berlin zum Pflichtverteidiger bestellt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Landeskasse.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende der Strafkammer den Antrag des Angeschuldigten, ihm für das weitere Verfahren seinen schon im Ermittlungsverfahren beauftragten Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger beizuordnen, zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Gericht angeführt, dass es unter Berücksichtigung des Kosteninteresses nicht vertretbar sei, einen in Berlin ansässigen Rechtsanwalt mit der Pflichtverteidigung zu betrauen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die von Rechtsanwalt E. namens des Angeschuldigten eingelegte Beschwerde, der der Vorsitzende der Strafkammer nicht abgeholfen hat.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 28. September 2000 hierzu folgendes ausgeführt:

"Die gemäß §§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO ersichtlich für den Angeschuldigten von Rechtsanwalt E. eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.

§ 142 Abs. 1 Satz 1 StPO räumt dem Angeschuldigten hinsichtlich des ihm zugeteilten Pflichtverteidigers ein Vorschlagsrecht ein. Zwar hat der Angeschuldigte grundsätzlich keinen Anspruch auf Beiordnung des von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalts. Die Entscheidung, welcher Verteidiger beizuordnen ist, steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden. Insoweit bestimmt § 142 Abs. 1 StPO, der zu bestellende Verteidiger sei möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte auszuwählen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. § 142 Abs. 1 StPO enthält keine starre, jede Ausnahme verbietende Regelung, sondern lässt auch Ausnahmen zu. Steht fest, dass der Angeschuldigte zu dem von ihm vorgeschlagenen auswärtigen Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet hat, kann auch dessen Beiordnung geboten sein, wenn nicht sonstige Gründe gegen eine solche Beiordnung sprechen. Hierbei ist ein besonderes Vertrauensverhältnis regelmäßig dann zu vermuten, wenn der bisherige Wahlverteidiger um die Bestellung als Pflichtverteidiger bittet (zu vgl. OLG Köln, Strafverteidiger 90, 395).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte war dem Antrag des Angeschuldigten auf Beiordnung von Rechtsanwalt E. zu entsprechen. Es ist davon auszugehen, dass der Angeschuldigte zu diesem Rechtsanwalt ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis begründet hat, nachdem dieser ihn schon seit dem 30.06.1999 (Bl. 28 Bd. I d. A.) verteidigt. Das daraus resultierende Vertrauensverhältnis ist im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung, da das Verfahren angesichts der die Tat in Abrede stellenden Einlassung des Angeschuldigten nicht ohne Schwierigkeiten sein dürfte. In Anbetracht der Tatvorwürfe werden besondere Anforderungen an die Fähigkeit und Bereitschaft des Angeschuldigten gestellt, mit einem Verteidiger seines Vertrauens zusammenzuarbeiten. Es sind daher insoweit keine Gründe ersichtlich, die der Bestellung von Rechtsanwalt E. zum Pflichtverteidiger entgegenstehen würden. Auch der Umstand, dass Rechtsanwalt E. nicht im Gerichtsbezirk des Landgerichts Paderborn zugelassen ist, steht seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger vorliegend nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass der von dem Angeschuldigten vorgeschlagene Verteidiger die an ihn zu stellenden Voraussetzungen der Gewährung rechtskundigen Beistands und der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs nicht erfüllt, sind nicht ersichtlich. Unter Berücksichtigung dieser Umstände gebieten die bei der Pflicht zur Verteidigerbeiordnung zu beachtenden Auswahlkriterien nach allem die Bestellung von Rechtsanwalt E. zum Pflichtverteidiger.

Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Rechtsanwalt E. in Berlin ist dem Angeschuldigten als Pflichtverteidiger beizuordnen."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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