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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 418/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zur örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf der bedingten Entlassung, Aufhebung, Zuständigkeit der StVK, Unzuständigkeit, Befasstsein, befasst, keine abschließende Entscheidung

Normen: StPO 462 a Abs. 1 S. 1, StGB 56 f

Beschluss: Strafsache gegen F.O.,
wegen Diebstahls
(hier: Widerruf der bedingten Reststrafaussetzung).

Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten vom 24. August 2000 gegen den Beschluss der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 14. August 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird der zuständigen Strafvollstreckungskammer übertragen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Aachen verurteilte die Beschwerdeführerin am 6. Oktober 1994 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Nach Widerruf der bedingten Strafaussetzung und Teilverbüßung beschloss die 3. Strafkammer des Landgerichts Köln als Strafvollstreckungskammer am 4. Juni 1998, dass die Vollstreckung der Reststrafen aus insgesamt vier Verurteilungen mit Rechtskraft des Beschlusses am 8. Juni 1998 auf die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt wird, nachdem die Beschwerdeführerin für diese Verfahren - darunter die Verurteilung durch das Amtsgericht Aachen vom 6. Oktober 1994 mehr als zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafen verbüßt hatte. Sie wurde für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin unterstellt.

Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach vom 1. April 1999, beim Landgericht Köln eingegangen am 26. April 1999, erhielt die Strafvollstreckungskammer Mitteilung davon, dass gegen die Verurteilte Anklage erhoben worden war (Bl. 26 BewH). Ausweislich der beigefügten Anklageschrift vom 1. April 1999 legte ihr die Strafverfolgungsbehörde zur Last, am 3. März 1999 - also innerhalb der laufenden Bewährungszeit - in Mönchengladbach einen Betrug begangen zu haben, indem sie durch Vortäuschen ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft den Taxifahrer F.M. dazu veranlasst habe, sie von der Neusser Straße zur Pescher Straße und von dort zur Aachener Straße zu fahren, obwohl sie als Sozialhilfeempfängerin nicht in der Lage gewesen sei, das Entgelt von DM 77,50 zu begleichen. Mit Schreiben vom 4. Juni 1999 und 24. November 1999 bat die Bewährungshelferin um "richterliche Maßnahmen", nachdem sich die Verurteilte zunächst an einer Zusammenarbeit nicht interessiert gezeigt und schließlich den Kontakt "absolut" abgebrochen hatte (Bl. 29, 30 BewH). Mit Telefax vom 13. Dezember 1999 unterrichtete sie die Strafvollstreckungskammer überdies davon, dass gegen die Verurteilte ein weiteres Strafverfahren beim Amtsgericht Mönchengladbach anhängig sei (Bl. 34 BewH). Von dessen Ausgang berichtete sie mit Schreiben vom 28. Januar und 1. Februar 2000 (Bl. 44, 45 BewH). Obwohl ihre Probandin am 27. Januar 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden war, gab sie zu bedenken, "zunächst von einem Widerruf abzusehen und die weitere Entwicklung abzuwarten, die sich zunächst als positiv abzeichnet." (Bl. 45 BewH). Am 7. und 24. März 2000 erhielt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln Kenntnis davon, dass die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach am 3. und 10. Februar gegen die Verurteilte weitere Anklagen wegen des Verdachts, am 21. Dezember 1999 wiederum Straftaten begangen zu haben, erhoben hatte.

Mit dem Vermerk, dass sich die Verurteilte "z.Zt. zur Verbüßung von Strafhaft in der JVA Gelsenkirchen" befinde (Bl. 55 BewH), übersandte 'die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln am 25. Mai 2000 drei Bewährungshefte an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen, die mit Verfügung vom 5. Juni 2000 das vorliegende Verfahren "gemäß § 462 a Absatz 4 Satz 3 StPO" übernahm (Bl. 56 BewH).

In der Folgezeit hat die 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. August 2000 die das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 6. Oktober 1994 betreffende bedingte Reststrafaussetzung widerrufen, weil die Beschwerdeführerin vom Amtsgericht Mönchengladbach am 8. Juli 1999 wegen der oben beschriebenen betrügerisch erlangten Taxifahrten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden ist und dadurch gezeigt habe, dass sich die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hätten.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Verurteilten.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen.

II.
Die gemäß §§ 454 Abs. 4 Satz 1, 453 Abs. 2 Satz 3 StPO, 56 f StGB statthafte sofortige Beschwerde der Verurteilten hat - jedenfalls vorläufig - Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen ist für die Entscheidung über den Widerruf der Reststrafaussetzung zur Bewährung in vorliegender Sache örtlich nicht zuständig.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln ist mit der Entscheidung über den Widerruf "befasst" worden, bevor die Verurteilte wieder in eine Justizvollzugsanstalt "aufgenommen" worden ist. "Befasst" wird das Gericht schon dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf rechtfertigen können. Das ist hier der Fall gewesen, wie sich aus dem oben geschilderten Verfahrensgang mit den wiederholten Mitteilungen der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach und der Bewährungshelferin über Anklagen bzw. Verfahren wegen Straftaten, die die Verurteilte in laufender Bewährungszeit begangen haben sollte (vgl. § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB), ergibt.

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung tritt ein Zuständigkeitswechsel von einer Strafvollstreckungskammer zu einer anderen Strafvollstreckungskammer solange nicht ein, wie jene noch nicht abschließend über eine Frage befunden hat, mit der sie befasst worden ist, bevor der Verurteilte in eine zum Bezirk der anderen Strafvollstreckungskammer gehörende Justizvollzugsanstalt aufgenommen worden ist (BGHSt 26, 165, 166; 26, 187, 189; 26, 278, 279).

Das gilt nicht nur für Fälle, in denen der Verurteilte von einer Justizvollzugsanstalt in eine andere verlegt worden ist, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden. Der Bundesgerichtshof hat dazu u.a. ausgeführt:

"Eine unterschiedliche Beurteilung der zwei Fallgruppen wäre nicht gerechtfertigt. Für beide handelt es sich, anders als bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen dem erkennenden Gericht und der Strafvollstreckungskammer, allein um die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Ein gesetzlich begründeter Gerichtsstand wird aber in der Regel nicht dadurch berührt, dass sich die Verhältnisse ändern, die ihn begründet haben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann anzuerkennen, wenn sie sich aus dem Gesetz ergibt. § 462 a StPO enthält keine derartige Sonderregelung für die beiden genannten Fallgruppen. Der in Absatz 4 Satz 3 dieser Vorschrift zum Ausdruck gebrachte Vorrang der Strafvollstreckungskammer gilt nur im Verhältnis zwischen erkennendem Gericht und Strafvollstreckungskammer. In einem solchen Fall geht die Zuständigkeit selbst dann auf die Strafvollstreckungskammer über, wenn das erkennende Gericht mit einer Frage befasst war, über die es noch nicht abschließend entschieden hat (BGHSt 26, 118, 120; 26, 187, 189). Eine entsprechende Regelung ist für die beiden bezeichneten Fallgruppen nicht getroffen. Daher bleibt bei ihnen die bisherige Zuständigkeit bis zur Entscheidung der anhängigen Frage bestehen." (BGHSt 30, 189, 191/192)

Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Der angefochtene Beschluss ist somit von einem örtlich unzuständigen Gericht erlassen worden, so dass er aufzuheben war.

III.
Da es sich bei der Entscheidung des Senats nicht um eine das Verfahren abschließende Sachentscheidung im Sinne des § 464 StPO handelt, war der örtlich zuständigen Strafvollstreckungskammer die Kosten- und Auslagenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren vorzubehalten.


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